Das Riesenchamäleon

Die große Insel Madagaskar vor der ostafrikanischen Küste ist ein Eldorado für Zoologen. Bereits vor etwa 135 Millionen Jahren trennte sich die Insel, die die viertgrößte Insel der Welt ist, vom Urkontinent Gondwana ab. Seither verlief dort eine eigenständige Evolution und über 90% der madagassischen Arten sind dort endemisch, kommen also nirgendwo sonst auf der Erde vor. Es gibt zahlreiche Chamäleon-Arten auf Madagaskar, darunter auch die größte Chamäleon-Art überhaupt, das Riesenchamäleon, Furcifer oustaleti.

In Ruhestellung rollen die Riesenchamäleons ihren Greifschwanz, das “fünfte Bein”, gewöhnlich spiralig ein.
Wie groß kann es werden?

Nun, so ganz genau weiß das niemand. Es gehen Gerüchte von bis zu 1 m großen Exemplaren um, doch das längste bisher gemessene Exemplar war “nur” 68,5 cm lang. Allerdings handelt es sich dabei um die Totallänge, also mit Schwanz.

Verbreitung

Auf Madagaskar ist das Riesenchamäleon im Küstentiefland verbreitet. Es kommt auf der gesamten Insel vor, allerdings sind die Vorkommen im Ostteil von Madagaskar an relativ hohe Temperaturen gebunden. Als Art, die gut an das heiße Savannenklima angepasst ist, profitiert sie von den landschaftlichen Veränderungen des Menschen (Abholzung des Waldes). Es soll eine ausgesetzte Population in Kenia (Ngong Forest bei Nairobi) geben und im Süden Floridas existiert ebenfalls eine sich fortpflanzende Population.

Riesenchamäleon und Mensch

Chamäleons gelten ganz allgemein als leicht erregbare Tiere. Sie sind berühmt-berüchtigt dafür, dass bei einigen besonders territorialen Arten bereits der fortwährende Anblick eines Artgenossen (etwa, wenn zwei Tiere sich in nebeneinanderstehenden Terrarien sehen können) zu stressbedingtem Nierenversagen und damit zum Tode führen kann! Das Riesenchamäleon ist allerdings ein vergleichsweise friedlicher und ruhiger Vertreter der Chamäleon-Sippschaft. Männchen vertragen sich untereinander nicht, ebenso sind trächtige Weibchen strikte Einzelgänger. Aber in ausreichend großen Terrarien (ein Wintergarten eignet sich freilich angesichts der Größe der Tiere besser) kann man die Tiere durchaus paarweise pflegen. Diese Coolness zeigen Riesenchamäleons auch dem Menschen gegenüber. Selbst wenn man sie vorsichtig in die Hand nimmt, regen sie sich nicht übermäßig auf, das drohende Maulaufreissen, dass man von vielen anderen Chamäleons kennt, kommt beim Riesenchamäleon nur dann vor, wenn man es sehr provoziert. Feldforscher sagen, dass man sich ein Riesenchamäleon meist einfach auf die Schulter setzen kann; es bleibt dort stundenlang ruhig sitzen.

Da das Riesenchamäleon vergleichsweise häufig ist und auch als Kulturfolger gelten kann, nutzt die einheimische Bevölkerung die Verfressenheit der Tiere gerne aus und setzt Riesenchamäleons in ihren Garten, wo sie unerwünschtes Getier bis zur Größe einer Maus verzehren und damit kurz halten. 

Riesenchamäleons im Terrarium

Für das Riesenchamäleon gelten alle üblichen Grundsätze der Chamäleonpflege. Dazu zählt der relativ große Nahrungsbedarf, der allerdings bei Riesenchamäleons leicht zu befriedigen ist, denn die Tiere nehmen neben allen üblichen Futterinsekten, wie Grillen, Heimchen, Heuschrecken und Zophabas auch nestjunge Mäuse an – in der Natur werden auch kleine Vögel und Reptilien gefressen. Alle Futterinsekten sollten immer mit einem der handelsüblichen Kalk-Vitaminpulver eingestäubt werden. Der ebenfalls hohe Bedarf an Trinkwasser macht die Chamäleonpflege immer ziemlich aufwändig, denn die meisten Tiere lernen nicht so ohne weiteres, aus Näpfen zu trinken. Man muss die Pfleglinge darum mindestens jeden zweiten Tag mittels einer Pipette tränken. Es gibt aber einige Tricks, um das zu umgehen. Viele Chamäleonpfleger verwenden Tropftränken, aus denen im Abstand von 1-2 Sekunden jeweils ein Wassertropfen in einen darunter aufgestellten Sammelbehälter tropft. Dieses simulierte “Regenwasser” erkennen die Echsen und trinken. Der naturnaheste Weg, Chamäleons zu tränken, ist mittels Sprühwasser, das die Tiere von Pflanzenblättern etc. aufnehmen. Aber auch das ist arbeitsintensiv und kann darüber hinaus dazu führen, dass es im Terrarium zu nass wird. Ein eleganter Weg ist die Installation eines künstlichen Wasserfalls mittels einer kleinen Aquarienpumpe. Allerdings sind solche Systeme etwas störanfällig und die Pumpen fallen – ganz nach Murphys Gesetz – immer dann aus, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann, etwa in Urlaubszeiten. Ein sehr geschickter Weg, das Wasser im Trinknapf in Bewegung zu setzen und damit für die Chamäleons erkennbar zu machen, ist die Belüftung des Napfes mit einer handelsüblichen Aquarien-Luftpumpe. Man hängt den Luftschlauch einfach in den Napf und stellt die Luftzufuhr so ein, dass etwa zwei Luftblasen pro Sekunde aus dem Schlauch austreten. Ein angenehmer Nebeneffekt dieser Tränkmethode besteht darin, dass so gleichzeitig die Luftfeuchtigkeit im Terrarium angehoben wird, die auch beim Riesenchamäleon tagsüber um 70% relativer Luftfeuchte liegen sollte; nachts kann die Luftfeuchte auf bis zu 100% ansteigen. Aufgrund seiner natürlichen Lebensgewohnheiten kann das Riesenchamäleon als eine der leichter zu pflegenden Chamäleon-Arten eingestuft werden, denn es reagiert nicht gleich mit Unwohlsein und daraus folgenden Erkrankungen, wenn es einmal etwas zu warm im Behälter wird. Die Tagestemperaturen sollten zwischen 22 und 28°C liegen, unter dem Spot dürfen sie bis 45°C ansteigen. Es muss aber immer gewährleistet sein, dass die Tiere eine relativ kühle, gut gelüftete Stelle im Terrarium aufsuchen können.

Fortpflanzung

Furcifer oustaleti ist eine eierlegende Art. Das Weibchen legt nach einer Trächtigkeitsperiode von ca. sechs Wochen bis zu 61 Eier ab. Die Eier brauchen bei einer Bruttemperatur von etwa 28°C zwischen 210 und 280 Tagen, bis die Jungtiere schlüpfen. Viele Züchter verwenden Vermiculite als Brutsubstrat. Die Jungtiere wachsen sehr schnell und erreichen bereits mit einem Jahr die Geschlechtsreife. Insgesamt ähneln Pflege und Zucht der des bekannten Pantherchamäleons, Furcifer pardalis.

Frank Schäfer

Lexikon

Furcifer:
bedeutet “Jochträger” oder auch “Schurke”.
oustaleti:
Widmungsname für den Zoologen Émile Oustalet (1844-1905)

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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