Raritäten für das Meerwasseraquarium

Korallenriffe gelten vielen Fischbegeisterten als der Inbegriff der Artenfülle unter den Fischen. Das täuscht etwas. In Wirklichkeit gibt es ”nur” ca. 2.000 Arten echte Korallenfische. Insgesamt kennt man bis heute ca. 36.400 Fischarten, von denen rund die Hälfte im Meer lebt. Von den 2.000 Korallenfisch-Arten werden nur etwa 200 regelmäßig gehandelt, der Rest gilt als Rarität im Handel. Einige dieser Raritäten stelle ich Ihnen heute vor.

In der Natur sind die meisten dieser Raritäten aber nicht selten in dem Sinne, dass es nur wenige Exemplare davon gäbe. So etwas kommt bei kleinen Fischarten, die im Meer leben, grundsätzlich nicht vor, denn jeden Tag werden ja welche gefressen und das müssen die Populationen schließlich verkraften. Hinzu kommt noch, dass die allermeisten Zierfische aus logistischen Gründen nur in einem relativ eng begrenzten Gebiet rund um Versandflughäfen gefangen werden können (sonst werden sie unfassbar teuer – zu teuer!), aber ein im Vergleich hierzu wahnsinnig großes Gesamtverbreitungsgebiet haben. Da praktisch alle Korallenfische die gleiche Fortpflanzungsstrategie haben, nämlich riesige Nachkommenzahlen zu produzieren, von denen weniger als 0,001% ein Revier finden und erwachsen werden, bleiben unbesetzte Reviere nie lange leer. Grundsätzlich stellt der Fang von lebenden Fischen für das Aquarium – egal ob Süß- oder Seewasser – keinerlei Bedrohung für die natürlichen Bestände dar, obwohl in sehr speziell gelagerten Ausnahmenfällen Fangbeschränkungen sinnvoll sein können. Das betrifft aber weniger als 20 Arten weltweit. Es muss auch an dieser Stelle noch einmal wiederholt werden: obwohl die Experten der gerade (Dezember 2022) in Montreal stattfindenden UN-Biodiversitätskonferenz schätzen, dass täglich (!) ca. 150 Arten aussterben und somit unwiederbringlich von unserem Planeten verschwinden, ist noch KEINE EINZIGE Tierart jemals durch den Lebendtierhandel ausgerottet worden.

Chaetodontoplus conspicillatus


Dieser Kaiserfisch kommt weit abseits der Gebiete vor, in denen normalerweise Zierfischfänger unterwegs sind: beschrieben wurde er von den Lord Howe-Inseln, von dort aus erstreckt sich sein Areal bis nach Neu-Kaledonien und das Große Barriereriff vor Australien. Dort ist der Zierfischfang streng reguliert, dadurch kommen immer nur wenige Exemplare in den Handel, die natürlich auch entsprechend teuer sind. Als Gebrauchsname wird für die Art manchmal ”Kragen-Samtkaiserfisch” angegeben, doch spricht sich das mindestens so kompliziert aus, wie der wissenschaftliche Name. Ich finde, ”Brillen-Kaiser” passt viel besser. Der Brillen-Kaiser wird etwa 20-25 cm lang und gehört damit zu den mittelgroßen Kaiser fischen. Bezüglich der Nahrungsaufnahme macht er gewöhnlich wenig Probleme und man muss im Riff-Aquarium immer damit rechnen, dass er sich an Wirbellosen vergreift.

Holacanthus clarionensis


Vieles, was beim Brillen-Kaiser gesagt wurde, gilt auch für H. clarionensis: auch er hat ein begrenztes, abseits liegendes Verbreitungsgebiet (östlicher Zentral-Pazifik: südlicher Zipfel von Baja California, Mexiko; außerdem von Clarion und der Revillagigedo Gruppe an der Westküste von Mexiko und von Clipperton Island) und kommt darum nur sehr selten in kleinen Stückzahlen zu uns. Seit 2017 steht H. clarionensis unter der internationalen Handelsbeschränkung CITES, Anhang2. Das bedeutet, dass er nur mit Ausfuhrgenehmigung des Exportstaates und mit Einfuhrgenehmigung der EU importiert werden darf. Die Art steht auch als Nachzucht zur Verfügung. Wichtig ist bei der Pflege, dass die Temperatur möglichst 22°C nicht auf Dauer überschreitet, denn diese Art stammt aus den Subtropen! Die Maximallänge liegt bei etwa 20 cm.

Centropyge interrupta und Centropyge-Hybriden

Zwergkaiserfische sind ideale Aquarienfische, die oft im Aquarium ablaichen. Im Gegensatz zu den großen Kaisern lassen sie Korallen in der Regel in Ruhe, da sie an Plankton als Nahrung angepasst sind. C. interrupta kommt aus Japan und den nordwestlichen Hawaii-Inseln. Für einen ”Zwergkaiser” wird die Art recht groß, nämlich 15 cm. Große Tiere sind immer Männchen. Auch diese Art mag es kühler. Geradezu sensationell sind die diversen Hybriden, die wir Ihnen hier zeigen können. Alle Fische stammen übrigens von de Jong Marinelife in Holland. Die Überlebenschance eines jungen Zwergkaiserfisches in der Natur ist nur verschwindend klein. Hybrid-Verpaarungen kommen zudem nur sehr selten vor. Dass davon auch noch Fische erwachsen werden, ist sehr erstaunlich. Jeder, der ein solches Tier pflegt, kann ziemlich sicher sein, ein Unikat im Aquarium zu haben.

Anampses femininus


Dieser prächtige Lippfisch, der etwa 25 cm lang werden kann, kommt vor Australien, Neu-Kaledonien und bis zu den Osterinseln vor. Auch hier sind die großen Tiere immer Männchen, wie die Zwergkaiserfische machen Lippfische fast immer eine Geschlechtsumwandlung vom Weibchen zum Männchen durch.

Cirrhilabrus lineatus


Dieser herrliche Zwerglippfisch wird ungefähr 12 cm lang. Seine Verbreitung ist nahezu identisch mit der des Brillenkaisers.

Macropharyngodon choati


Noch kleiner bleibt dieser australische Lippfisch: nur etwa 8 cm wird das Tierchen lang. Wichtig bei allen Lippfischen: es muss wenigstens eine kleine Sandfläche vorhanden sein, in der sich die Tiere nachts eingraben können.

Pseudanthias calloura und Pseudanthias aurulentus

Pseudanthias aurulentus


Die Fahnenbarsche sind enge Verwandte der großen Zackenbarsche. Wie diese beginnen sie ihr Leben als Weibchen. In einem gewissen Alter wandeln sie sich in Männchen um, die bei den Fahnenbarschen sehr prachtvoll aussehen. Eine der schönsten Arten überhaupt ist der rare P. calloura. Leider war das fotografierte Männchen nicht in Balzstimmung, dann sind sie geradezu atemberaubend schön. P. calloura wird rund 10 cm lang und kommt nur bei Palau vor. Pseudanthias aurulentus kommt aus Australien und wird nur 5-6 cm lang. Ein wunderschönes Kleinod, aber zumindest anfangs sehr scheu und eine Herausforderung für den Fotografen. Alle Fahnenbarsche muss man 5-6 mal täglich und möglichst abwechslungsreich füttern.


Anzeige


Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

Weiterlesen

Ein Kommentar zu “Raritäten für das Meerwasseraquarium

  1. Pingback: Blog Fische – aquaterra70

Comments are closed.