Falter- und Kaiserfische – Majestäten im Meerwasseraquarium

In den 1970er bis 1980er Jahren konzentrierte man sich in der Meeresaquaristik auf die Pflege von Fischen. Die Krönung jeder Fischsammlung waren dabei die Falter- und Kaiserfische. Dann kam Mitte der 1980er ein vollständiges Importverbot für diese Fische nach Deutschland, das mit ”Artenschutz” begründet wurde. Etwa 10 Jahre hatte dieses Importverbot Bestand, dann wurde es, weil illegal, wieder abgeschafft. Inzwischen hatte sich die Meeresaquaristik aber sehr gewandelt, nun stand die Pflege von Riffaquarien im Mittelpunkt des Interesses. Wie sieht es heutzutage mit den Falter- und Kaiserfischen im Hobby aus? Ganz allgemein kann man sagen: das Interesse hat stark nachgelassen. Die Gründe dafür sind vielfältig.

In den 1970ern der Traumfisch jedes Meerwasserfreundes: Pomacanthus imperator

Korallenfresser
Besonders unter den Falterfischen gibt es eine ganze Reihe von Arten, die sich in der Natur auf das Fressen von Korallenpolypen spezialisiert haben. Einige Arten sind so stark spezialisiert, dass sie sogar nur die Polypen ganz bestimmter Steinkorallen fressen. Diese Arten sind zwar nicht physiologisch auf Korallenpolypen als Nahrung angewiesen. Gelingt es, sie auf andere Nahrung umzustellen, können sie 15 Jahre und länger im Aquarium leben. Aber es gelingt leider nur sehr selten. Neun von zehn Falterfischen dieser Gruppen verhungern eher, als dass sie andere Nahrung akzeptieren. Man lässt sie also besser im Riff, wenn man nicht ganz speziellen Fragestellungen nachgehen will. In einem Korallenriff-Aquarium würden diese Fische zwar passendes Futter finden, doch welcher Aquarianer will schon dabei zusehen, wie seine mühevoll hochgepäppelten Steinkorallen als Fischfutter enden? Kurz und gut, diese Falterfische werden heutzutage so gut wie gar nicht im Aquarium gepflegt, obwohl es legal wäre. Wenn sie doch einmal im Zoofachhandel auftauchen, dann aus Versehen, weil sie irrtümlich geschickt wurden.

Chaetodon trifasciatus gehört zu den spezialisierten Korallenpolypenfressern.
Chaetodon semilarvatus aus dem Roten Meer ist ebenfalls oft heikel in der Annahme von Ersatznahrung.

Dauerfresser
Ein weiterer Grund, weshalb die Falter- und Kaiserfische heutzutage nur noch wenig beliebt sind, liegt in ihrem Fressverhalten. Das natürliche Futter, das diese Tiere im Riff vorfinden, ist ziemlich nährstoffarm und es ist nur unter hohem Zeitaufwand zu finden. Der Magen dieser Tiere ist nicht darauf eingerichtet, einmal täglich große Nahrungsmengen aufzunehmen und dann davon zu zehren, sondern die Tiere fressen den ganzen Tag über, ständig kleine Portionen. Im Riffaquarium möchte man aber nur selten und wenig füttern, um die Wasserbelastung den Korallen zuliebe gering zu halten. Hält man die Falter- und Kaiserfische aber knapp im Futter, so picken sie ständig an den Korallen herum, die sich schließlich nicht mehr öffnen. In reinen Fischaquarien fällt diese Eigenschaft hingegen weniger ins Gewicht. Man kann hier auch über einen Futterautomaten 6-8 mal täglich kleine Portionen reichen, auch wenn man nicht zuhause ist. Aber wer pflegt heutzutage schon noch reine Fischbecken? Auch das Fressverhalten ist also ein Grund, weshalb viele Falter- und Kaiserfische heutzutage nur noch bei wenigen Spezialisten anzutreffen sind.

Zwergkaiser-untypisch ist Centropyge multifasciatus. Er gehört nur in die Hände erfahrener Pfleger.

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Wunderschön und pflegeleicht
Aber trotz und alledem: viele Falter- und Kaiserfische gehören zu den schönsten Fischen überhaupt! Und viele Arten eignen sich durchaus gut für die Pflege im Korallenriffaquarium, manche sind sogar ausgesprochen pflegeleicht! Es handelt sich dabei um die Arten, die sich in der Natur auf Planktonnahrung spezialisiert haben. Das sind unter anderem die herrlichen Wimpelfische (Heniochus spp.), die Pyramidenfalter (Hemitaurichthys spp.), die Zwergkaiserfische, auch Herzogfische genannt (Gattung Centropyge) und die Lyra-Kaiserfische der Gattung Geniacanthus. Diese Tiere sehen nicht nur wunderschön aus, sie lassen auch die Korallen völlig in Ruhe, weil sie nicht in das Nahrungsspektrum der Fische passen. Schließlich sind die Planktonfresser auch in der Natur auf die im Riff eher seltenen Planktonorganismen angewiesen, fressen also, genau wie im Aquarium, dann, wenn es etwas gibt und suchen auch nicht nach Futter, wenn es nichts gibt. Die Zwergkaiserfische bleiben außerdem sehr klein. Sie werden oft nur 8 cm (Männchen) lang, die Weibchen bleiben nochmals 1-2 cm kleiner. Man kann und sollte Zwergkaiserfische in Paaren oder Gruppen von einem Männchen und mehreren Weibchen pflegen, sie laichen im Aquarium auch regelmäßig ab.

Centropyge flavissima
Centropyge loriculus
Geniacanthus melanospilos

Bei den Wimpelfischen ist eine Art (H. diphreustes) ein Schwarmfisch, die anderen leben eher paarweise oder in kleinen Gruppen. Pyramidenfalter schätzen ebenfalls die Gesellschaft von Artgenossen. Und die Lyrakaiserfische leben in der Natur in Schwärmen; da sie, wie so viele andere Korallenfische (auch die Zwergkaiserfische), eine Geschlechtsumwandlung vom Weibchen zum Männchen durchlaufen, gelangen meist nur Weibchen in den Handel. Das stärkste Tier einer Gruppe verwandelt sich irgendwann zum Männchen. Allerdings erreichen Lyrakaiserfische eine Länge von 12-20 cm (je nach Art), brauchen also reichlich Schwimmraum.

Heniochus diphreustes

Nützlinge
Einige Arten Falterfische werden von Aquarianern als Vernichter der lästigen Glasrosen (Aiptasia spp.) gepflegt. Es sind dies die Pinzettfische (Chelmon spp.) und die Art Chaetodon kleinii. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Tiere durchaus auch an großpolypigen Korallen knabbern, wenn sie hungrig sind. Man muss die Fische also reichlich und ab wechslungsreich füttern, wenn die Glasrosen knapp werden.
Der Nachteil dieser biologischen Glasrosenbekämpfung ist der, dass sowohl die Pinzettfische wie auch Chaetodon kleinii kaum noch Glasrosen fressen, wenn sie sich erst einmal an das bequeme Ersatzfutter gewöhnt haben. Ein Nachsetzen weiterer Pinzett- oder Falterfische, die noch nicht ”verwöhnt” sind, ist schwierig bis unmöglich, da die alteingessenen Exemplare sehr aggressiv auf Neuzugänge reagieren. Werden Glasrosen permanent belästigt und auf gefressen, ziehen sich überlebende Exemplare zu winzigen, kaum sichtbaren Klümpchen zusammen. Aquarianer glauben dann oft schon, die Plage sei überstanden und füttern die Pinzett- und Falterfische kräftig zu. Dann erscheinen aber die überlebenden Glasrosen wieder in alter Pracht und Herrlichkeit. Wer sich einen oder mehrere (es ist immer zu empfehlen, eine Gruppenhaltung zu versuchen, weil dann mehr Beobachtungsmöglichkeiten bestehen) Pinzett- oder Falterfische zur Glasrosenbekämpfung anschaffen möchte, sollte sie also auch noch einige Zeit nach dem vermeintlichen Verschwinden knapp im Futter halten, auch wenn es dann möglicherweise zu Übergriffen auf Korallen und andere sessile Wirbellose kommt.

Chaetodon kleinii
Chelmon rostratus

Hirnausschalter
Wenn auch Falter- und Kaiserfische heutzutage also insgesamt nur noch eine kleine Nebenrolle im meeresaquaristischen Gesamtgeschehen spielen, so gibt es doch einige unter ihnen, die so schön sind, dass sie immer wieder dazu verführen, das Hirn auszuschalten, den Geldbeutel zu zücken und die Schönheit zu erstehen. Dazu gehören etliche Großkaiser (Pomacanthus spp. und Holacanthus spp.). Man kann diese Arten zwar ziemlich leicht pflegen, sie werden aber recht groß (zwischen 15 und 40 cm) und man muss stets mit Übergriffen auf die wirbellosen Mitbewohner rechnen. Eine weitere Art aus der Kategorie ”Hirnausschalter” ist der Pfauenkaiserfisch (Pygoplites diacanthus). Diese Art ist für viele Aquarianer der schönste Fisch überhaupt. Man sollte ihn aber wirklich nur bei erfahrenen Zoofachhändlern kaufen und sich auch vorführen lassen, dass er frisst. Gerade der Pfauenkaiser ist berüchtigt dafür, dass er sich lieber zu Tode hungert, als an Ersatzfutter zu gehen. In der Natur ernährt sich das Tier von Schwämmen. Die Eingewöhnung mit lebenden Schwämmen als Futter gelingt gewöhnlich gut, irgendwann fressen die meisten Tiere dann auch andere Nahrung, was sie sich von den übrigen Fischen im Aquarium abschauen. Aber es gibt auch viele Individuen, die nicht von ihrer Schwammkost ablassen wollen. Das geht auf die Dauer (dieser Fisch lebt leicht 10-15 Jahre im Aquarium) arg ins Geld. Man muss sich wirklich im Vorfeld über diese speziellen Ansprüche des Pfauenkaisers im Klaren sein und das Gehirn eingeschaltet lassen!

Pygoplites diacanthus, ein typischer Hirnausschalter und für viele Aquarianer der schönste Fisch überhaupt.

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Grundsätzliches zum Schluss
Angesichts der großen Artenfülle der Falter- und Kaiserfische ist es unerlässlich, sich zunächst über die spezifischen Ansprüche einer Art zu informieren, wenn man sie im Zoofachhandel sieht und der Wunsch entsteht, sie pflegen zu wollen. Ideal sind Jungtiere zur Eingewöhnung geeignet. Nach der pelagischen Phase im Plankton, die alle Arten während der Larvalentwicklung durch laufen, gehen sie mit (je nach Art) 2-4 cm Länge zum Leben in Bodennähe über. Das machen viele Arten nicht im Riff, sondern in Mangrovegebieten. In dieser Entwicklungsphase sind die jungen Fische sehr anpassungsfähig und gewöhnen sich meist gut im Aquarium ein. Auch als ”unhaltbar” geltende Arten sind in diesem Alter kaum problematisch. Leider kommen aber meist bereits recht große Exemplare in den Handel. 6-8 cm lange Tiere gewöhnen sich auch noch gut ein. Bei größeren Exemplaren ist das eine Frage der Individualität. Ein gewissenhafter Fachhändler wird Ihnen eine Fütterung demonstrieren, wenn Sie ernsthafte Kaufabsichten haben. Eine gute Wasserqualität vor allem eine niedrige Keimbelastung sollte allen Arten geboten werden. Früher hielt man diese Fische meist einzeln. Eine paarweise oder Gruppenhaltung ist aber zu bevorzugen. Dazu müssen aber alle Exemplare gleichzeitig eingesetzt werden. Paare sollten möglichst unterschiedlich groß sein, das vermindert die Aggressivität. Zwei erwachsene Männchen kann man nicht gemeinsam im Aquarium pflegen. Da Falter- und Kaiserfische sehr oft unter Wurmerkrankungen leiden, sollte man sich belesen und ggf. dagegen behandeln.

Pomacanthus navarchus
Pomacanthus xanthometopon

Frank Schäfer

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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2 Kommentare zu “Falter- und Kaiserfische – Majestäten im Meerwasseraquarium

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