
Nach der Karibik geht es weiter mit Mittelmeertieren. Den Anfang macht der vielleicht schönste Fisch des Mittelmeeres, der Fahnenbarsch (Anthias anthias). Seine Exotik erwartet man eigentlich aus tropischen Gewässern, wo die Fahnenbarsche tatsächlich sehr artenreich verteten sind. Dort leben sie in riesigen Schwärmen an den Riffkanten und fangen Planktonorganismen. Das macht ihre Pflege für so manchen Riffaquarianer schwer. Denn häufiges Füttern in kleineren Portionen, wie es für die Haltung von Fahnenbarschen ideal ist, wird im Riffaquarium nicht gerne praktiziert. Das belastet nämlich das Wasser. Diese Einstellung zur Fischfütterung ist sehr schade; Fahnenbarsche sind durchaus auch mit Futtergranulaten als Ernährungsbasis zufrieden, die man in handelsüblichen Futterautomaten sehr leicht in kleinen Portionen mehrmals über den Tag verteilt verabreichen kann, auch als berufstätiger Mensch.

Fahnenbarsche in Livorno
Richtig gehaltene Fahnenbarsche sind durchaus nicht hinfällig, wie man in zahlreichen Schauaquarien, so auch in Livorno, beobachten kann. Dort schwimmen nämlich teils wahre Giganten von Fahnenbarschen, Exemplare die viel, viel größer als in freier Natur sind. Fische werden nun mal in menschlicher Obhut erheblich älter als draußen, wo Distress durch Parasiten, Nahrungsmangel, Fressfeinde und Konkurrenz mit Artgenossen das Leben erheblich verkürzt. Gewöhnlich wird Anthias anthias 10-15 cm lang, aber die Tiere in Livorno sind fast doppelt so groß. Es ist ein faszinierender Anblick, die Fische bei ihren Balzspielen zu beobachten, in denen sie ihr prächtiges Flossenwerk so richtig zur Geltung brngen.

Dieser Mittelmeerfahnenbarsch wurde nicht in Livorno fotografiert, sondern in einem Aquarium, in dem Blitzlicht erlaubt ist. So erkennt man Details der Färbung besser.
Bei den großen Flossen handelt es sich um typische Luxsbildungen, die zu nichts weiter gut sind, als den Weibchen zu imponieren. Man kann das am besten mit Pfauenfedern vergleichen. Vermenschlichend ausgedrückt besagen sie: wer es schafft mit derart unpraktischen Flossen zu überleben, der wird auch gute Gene an meine Nachkommen weitergeben. Draußen findet man nur relativ wenige Männchen, denn die Fahnenbarsche sind protogyne Zwitter. Sie beginnen ihr Leben allesamt als Weibchen. Erst nachdem sie einige Zeit als funktionelles Weibchen existiert und schon viele hunderttausend Eier gelaicht haben, wandeln sie sich in Männchen um. Fahnenbarsche geben ihre Geschlechtsprodukte einfach ins freie Wasser ab, wo sie sich im Plankton entwickeln; die Fische sind Dauerlaicher, nur der Mittelmeerfahnenbarsch, der als tropisches Element in das Mittelmeer gekommen ist und etwas höhere Temperaturen als andere Mittelmeerbewohner bevorzugt, legt in den Wintermonaten Laichpausen ein.

Meerrabe, Sciaena umbra
Der Sinn dieser Geschlechtsumwandlung liegt auf der Hand: ein Männchen reicht aus, um den Laich sehr vieler Weibchen zu befruchten. Und ein Weibchen, das es geschafft hat, bis zur Geschlechtsumwandlung zu überleben, gibt auf jeden Fall auch als Männchen gute Gene weiter. In Livorno und anderen Schauaquarien führt das allerdings dazu, dass man kaum Weibchen zu Gesicht bekommt. Die alten, prachtvollen Buben dort haben die Geschlechtsumwandlung längst hinter sich gelassen. Ab einer gewissen Größe der Männchen wird es auch schwierig, Weibchen nachzusetzen, denn Fahnenbarsche sind – zoologisch gesehen – sehr, sehr eng mit den Zackenbarschen verwandt. Wie diese können sie ganz ordentliche Brocken schlucken und das macht die kleinen Weibchen zu Futtertieren. So tanzen denn in LIvorno die Jungs ihr Männerballett und weit und breit ist keine Frau in Sicht. Nur ein paar Meerraben (Sciaena umbra), die das Aquarium mit den Fahnenbarschen teilen, sehen die Tänze, doch sie interressieren sich nicht dafür…
(wird fortgesetzt)
Frank Schäfer
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