Die Kardinalslobelie (Lobelia cardinalis) – Hansdampf in allen Gassen

Kein geringerer als Carl von Linné, der Erfinder der bi­nomi­nalen Nomenklatur (also der wissenschaftlichen Namens­­ge­bung von Tieren und Pflanzen) beschrieb 1753 diese wunderschöne Pflanze. Sie ist aus der modernen Aquaristik nicht mehr wegzudenken. Im Holländischen Pflanzenaquarium ist sie, als „Leidener Straße“ gesteckt, ein unverzichtbares Gestaltungs­element.

Lobelia cardinalis, gesteckt als „Leidener Straße“

Die Lobeliengattung liefert einige Arten, die zum festen Pflanzen­repertoire der Gärtnereien gehören. Da wäre z.B. die bekannte Lobelia erinus, die als „Männertreu“ in praktisch keinem Balkonkasten fehlt.  Wird diese Pflanze aus­schließlich ihrer üppigen Blütenpracht wegen kultiviert, wissen viele Aquarianer gar nicht, welch herrlichen Blütenschmuck die als wichtige Aquarienpflanze bekannte Kardinalslobelie entwickelt, wenn man sie nur lässt.

Lobelia erinus, das Männertreu. Der Name Männertreu bezieht sich auf die Kurzlebigkeit der Einzelblüte. Sie sei wie die Treue eines Mannes: sehr hübsch, aber eben nicht von Dauer…

Beheimatet ist die Kardinalslobelie im ge­mäßigten Nordamerika. Am natür­lichen Standort wächst sie als über einen Meter hohe Sumpfpflanze mit aufrechtem Stengel und fleischigen Blättern.

In der Unterwasserkultur im Aquarium gehört sie zu den robustesten und an­­spruchslosesten Pflanzen überhaupt, die darum jedem Aquarianer wärmstens zu empfehlen ist. Im Ge­gensatz zu vielen anderen Stengelpflanzen wächst Lobelia cardinalis re­lativ langsam und erfordert daher nur wenig Pflege­maßnahmen. Der opti­male Temperaturbereich liegt bei 22 – 26°C, doch kann man sie auch gut in ungeheizten Zimmeraqarien verwenden. Je nach Licht­angebot variiert die Wuchsform, vor allem die Blattgröße, erheblich. So kann der Aquarianer durch die Be­leuch­tungsstärke selbst bestimmen, ob er die Kardinalslobelie lieber als Vordergrund-, Mittelgrund- oder Solitärpflanze (immer in Gruppen) verwenden möchte. Obwohl die Pflanze ein Sumpfgewächs ist, wird an den Nährstoffgehalt des Bodengrundes kein hoher An­spruch gestellt. Scheinbar deckt die Lobelie den größten Teil ihres Nah­rungs­bedarfs bei der Unterwasserkultur direkt aus dem Wasser ab.

Blütenstand der Kardinalslobelie.

Vermehrt wird die Pflanze im Hobby im allgemeinen durch Stecklinge. Das Re­ge­nerationsvermögen der Lobelie ist er­staunlich. Oft bilden selbst einzelne, abgerissene Blätter noch Wurzeln aus. Dennoch sollten die Stecklinge nicht zu klein gewählt werden und mindestens 6 Blätter haben. Wie schon in der Ein­leitung erwähnt, ist die Kardinalslobelie ideal zum Aufbau einer nach hinten aufsteigenden „Straße“ geeignet. Beim Ab­nehmen von Stecklingen und beim Ein­pflanzen ist darauf zu achten, dass der Stengel mit einem sehr scharfen Messer abgeschnitten werden sollte. Druck- und Quetschstellen sind unbedingt zu vermeiden, sonst kommt es zu Faulstellen. Man kann Lobelien aber auch durch Samen vermehren, Saatguthersteller bieten solche Sämereien an. Durch Aussaat bekommt man preiswert sehr viele Pflanzen, die zudem mit den lokalen Bedingungen gewöhnlich gut zurecht kommen. Die Samen sind, wie bei vielen Glockenblumengewächsen, zu denen die Lobelien zählen, sehr fein. Sie sollten darum nicht mit Substrat bedeckt, sondern lediglich leicht angedrückt werden. Die Keimdauer beträgt ca. 4 Wochen, das ist auch etwas temperaturabhängig. In unseren Breiten wird man sie gewöhnlich erst nach den letzten Frösten aussäen, aber prinzipiell ist die Aussaat in Innenräumen ganzjährig möglich. Die Saatguthersteller empfehlen eine Keimtemperatur um 20°C.

Kardinalslobelie, Lobelia cardinalis, Einzelblüte. Botanisch gehört die Gattung Lobelia mit ihren ca. 365 Arten übrigens zu den Glockenblumengewächsen (Campanulaceae).

Leider – oder soll man sagen: glücklicherweise? – ist die Pflanze bei uns nicht dauerhaft win­ter­hart, bei stärkeren Frösten stirbt sie gewöhnlich ab. So ist Lobelia cardinalis derzeit noch nicht auf der immer länger werdenden Liste potentiell invasiver Arten zu finden, deren Verkauf EU-weit verboten ist. Eine grundsätzlich gute Idee wird in dieser EU-Verordnung zunehmemd pervertiert, indem unter dem Argument der Vorbeugung auch solche Arten in ein Handelsverbot aufgenommen werden, die nirgendwo in der EU dauerhafte Populationen ausbilden, geschweige denn, invasiv werden. Dennoch an dieser Stelle der Hinweis: Reste von Kardinalslobelien sollten, genau wie alle anderen Zierpflanzen, über den Kompost entsorgt werden und man hat als verantwortungsvoller Pflanzenfreund die Pflicht, dafür sorge zu tragen, dass es nicht zur Ansiedlungen in freier Wildbahn kommt.

Im Mai am Gar­ten­teich oder auch im feuchten Staudenbeet ausgepflanzte Exemplare kommen re­gel­mäßig zur Blüte, die wirklich spek­­ta­kulär ist. Darum kann man die Kardinalslobelie inzwischen nicht nur im Zoofachhandel als Aquarienpflanze kaufen, sondern findet sie auch im Staudensortiment des Gartenhandels. Dort werden auch stark frostresistente Sorten angeboten, die angeblich bis minus 30°C ertragen können.

Auch am sonnigen Blumenfenster kann man die Blütenbildung beobachten, wenn man die Pflanze auf Sumpfkultur umstellt.  Dazu nimmt man am besten ein kleines Aquarium, dessen untere Bodenschicht mit einem nährstoffreichen Substrat an­gereichert wurde. Das  Wasser sollte weich sein. Man läßt die Pflanze in einem Aquarium mit niedrigem Wasserstand von alleine aus dem Wasser herauswachsen und entfernt dann nach und nach die Deckscheibe. So härtet man die Pflanze ab und das weiche Blattgewebe der Wasserpflanze (submerse Wuchsform) wird von der Lobelie durch das derbere Blattgewebe der Landform (emerse Wuchsform) ersetzt. Man kann die Pflanze aber auch topfen und in gespannter Luft (also einer sehr hohen Luftfeuchte nahe der Sättigungsgrenze) anwurzeln lassen. Im Zoofachhandel gekaufte Pflanzen sind oft emers kultiviert (dazu kann man den Verkäufer befragen); die Umstellung auf Unterwasserkultur gelingt gewöhnlich problemlos. Der Vorteil der emersen Kultur liegt für die Gärtner darin, dass die Pflanzen schön sauber sind, weil sie natürlich keine Algen ansetzen. Aber der Vorteil von emers kultivierten Pflanzen liegt auch darin, dass sie leichter für Blühexperimente verwendet werden können.

Emers kultivierte Pflanzen können auch sehr gut in Paludarien und feuchten Terrarien Verwendung finden. Da alle Lobelien ziemlich giftig sind – sie enthalten u.a. ein Alkaloid namens Lobelin, das in der Wirkung dem Nikotin ähnlich ist – werden sie von den meisten pflanzenfressenden Tieren gemieden. Angeblich wurde die Kardinalslobelie von den Ureinwohnern Nordamerikas als Heilpflanze gegen Krämpfe und Typhus eingesetzt, andere Arten der Gattung wurden vor allem geraucht und sollen wirksam gegen Astma sein, eine weitere Art heißt sogar nach der Krankheit, gegen die frühe Siedler sie verwendeten: Lobelia siphilitica. Diese blau blühende Lobelienart wird oft als Zierpflanze angeboten. Sie kann m.W. nicht submers kultiviert werden, ist aber eine Sumpfpflanze und schattenverträglich.

Die medizinische Dosierung von Lobelien gestaltet sich schwierig; innerlich sollte man sie überhaupt nicht anwenden (also als Tee oder gegessen). Verwendet werden Lobelien als Räucherwerk oder in Salben. Aber Vorsicht: Überdosierungen können sogar tödlich sein, weshalb dringend davon abgeraten werden muss, diesbezüglich herumzuexperimentieren. Wer sich für Lobelien interessiert, sollte sich an Wuchs und Blüte erfreuen und die Erforschung der pharmazeutischen Eigenschaften den Profis überlassen.

Eine relativ neue Züchtung der Kardinallobelie ist die Lobelia cardinalis „Mini“, die sich besonders gut für so genannte Nano-Aquarien oder als Vordergrundpflanze eignet. Sie ist einfach in allen Teilen wesentlich kleiner als die Stammart.

Kurz und gut: in ihrer vielseitigen Verwendbarkeit in Aquarien, Terrarien und Teichen unter den verschiedensten Temperatur- und Lichtregimes ist die Kardinalslobelie unübertroffen.

Text & Photos: Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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