Eidechsen vom Peloponnes

Der Peloponnes ist eine große zu Griechenland gehörende Halbinsel. Hier liegen Stätten aus dem klassischen Altertum, die unsere Kultur bis heute prägen: das asketische Sparta, Korinth, wo einst Alexander der Große zum Anführer der Griechen gegen die Perser gewählt wurde, und das antike Olympia, Austragungsort der olympischen Spiele und Standort eines der sieben Weltwunder der Antike, der Zeus-Statue des Phidias. Ist die Vorstellung nicht faszinierend, dass vor den Füßen der Helden der Antike die gleichen Eidechsen davonstoben, die es auch heute noch dort gibt?

Zwei der auf dem Peloponnes ende­mischen, also nur dort vorkommenden Eidechsenarten werden gelegentlich als Nach­zuchten im Zoofachhandel angeboten. Wild­fänge von in Europa heimischen landle­ben­den Wirbel­tierarten dürfen schon seit Jahr­zehnten grund­sätzlich nicht gehandelt wer­den. Das Auftauchen der zwei Arten, der Pelo­pon­nes-Mauereidechse, Podarcis pelo­ponnesi­acus (Bibron & Bory, 1833) und der Griechischen Eidechse, Hellenolacerta graeca (Bedriaga, 1886) im Tierhandel ist also sehr erfreulich und soll darum an dieser Stelle kurz gewürdigt werden.

Podarcis peloponnesiacus junges Männchen

Podarcis peloponnesiacus Weibchen

Vor 110 Jahren….

…. das war zwar nicht in der Antike, in unserer schnelllebigen Zeit aber fast schon eine Ewigkeit her, machte sich der Terrarianer und Herpetolge Lorenz Müller aus Mainz auf und besuchte den Peloponnes, um dort die Reptilien und Amphibien zu erforschen. Sein Augenmerk galt dabei vor allem den beiden hier erwähnten Eidechsenarten. Über seine Erfahrungen auf der Reise berichtete er 1908 und der Fachzeitschrift ”Blätter für Aquarien- und Terrarienkunde” in einer ganzen Artikelserie.

Peloponnes-Mauereidechse, Zeichnung von Lorenz Müller, 1908

Die Peloponnes-Mauereidechse

Müller schildert diese Eidechse als allgegen­wärtig, wunderschön und blitzschnell. Stets ist das Tier zu Streitigkeiten mit Artgenossen aufgelegt. Hier seine lebendige Schilderung des Tieres: ”Lacerta peloponnesiaca ist eine der allerschnellsten Eidechsen. Sie läuft äusserst rasch und vermag erstaunlich weite Sätze auszuführen. (…) Meterweite Sätze sind für sie ein Kinderspiel. Nach meiner Schätzung vermag sie in horizontaler Rich­tung bis zu 1 1/2 Meter, schräg nach ab­wärts aber noch viel weiter zu springen. Auf ebenem Terrain rennt sie mit leicht nach oben gebogenem Schwanze in energischen Stössen dahin und es ist interessant zu sehen, wie sie mitten im Dahinstürmen ohne jede Veranlassung ab und zu einen mehr oder weniger weiten Sprung macht.(…) Im grossen und ganzen darf man Lacerta peloponnesiaca als Bodeneidechse bezeich­n­en. Auf mit lichtem Buschwerk bestand­enen mit grösseren oder kleineren Fels­brocken besäeten Bergeshalden fühlt sie sich am wohlsten; indes fehlt sie auch auf der Ebene nicht völlig.” Im Terrarium ist die Peloponnes-Mauer­eidechse ein sehr angenehmer Pflegling, der seinen Pfleger rasch kennenlernt. Man pflegt sie paarweise, eventuell mit Weibchen-Überschuss. Männchen sind untereinander absolut unverträglich.

Weibchen der Griechischen Eidechse, Hellenolacerta graeca.

Die Griechische Eidechse

Früher ebenfalls in der Sammelgattung Lacerta, steht diese Art heute in der mono­typischen Gattung Hellenolacerta. Die Kenntnisse gerade über diese Eidechse sind in den letzten Jahren erheblich gewachsen. So glaubte man noch bis vor Kurzem, es gäbe die Art ausschließlich im Taygetos-Gebirge im Süden des Peloponnes. In jüng­ster Zeit hat man sie aber auch in anderen Teilen der Halbinsel gefunden. Offenbar ist Hellenolactera graeca eine Relikt­art, die von den ”modernen”, robusten und aggressiven Mauereidechsen in weni­ger günstige Biotope abgedrängt wurde. Man kannte man sie bis in die 1980er Jahre nur als Bewohnerin relativ feuchter Bach­schluchten, die sich nie weit vom Wasser entfernt, doch besiedelt sie, wie man heute weiß, auch trockene Biotope, wenn dort keine anderen Arten in Konkurrenz zu ihr treten. Lassen wir auch zu dieser Art nochmal Lorenz Müller zu Wort kommen: ”Lacerta graeca ist viel ruhigeren Naturells als Lacerta peloponnesiaca. Schon die Art ihrer Bewegung ist eine ganz andere. Sie schiesst nicht ruckweise in energischen Stössen da- hin, wie die Peloponnesin, sondern läuft lang­sam und bedächtig unter ausge­sprochenen Schlangenbewegungen über Felsen und Geroll. Es scheint, dass diese Bewegungsart teilweise durch ihren abnorm langen Schwanz bedingt ist, der beim Laufen nie aufgebogen wird, sondern hinten nachschleifend an den Schlangen­be­we­gungen des Körpers teilnimmt. Von allen Eidechsen, die ich kenne, ist L. graeca die phlegmatischste. (…) Immer trippelte sie unter schlängelnden Bewegungen einher, kroch gemächlich an den Felsen herauf oder schlüpfte durch das Steingeröll des Bach­bettes. Auch verfolgt rannte sie nie sehr rasch davon, sondern verschwand nach kurzer Flucht in irgend einem Loch oder einer Spalte, während L. peloponnesiaca oft an den besten Schlupfwinkeln vorbeischiesst, sich nur auf ihre Schnelligkeit verlassend. Nie sah ich Lacerta graeca einander herumjagen, und nie konnte ich Kämpfe zwischen den Männ­chen beobachten, wie sie bei L. peloponnesi­aca an der Tagesordnung sind.” In der Pflege ist diese zarte Eidechse anspruchsvoll. Dafür entschädigt sie durch ihr gelassenes Temperament aber vollauf!

Helllenolacerta graeca, Männchen

Vielleicht besuchen Sie ja den Peloponnes einmal, bewundern die antiken Stätten, genießen gutes Essen und Trinken und den mediterranen Lebenstil. Mit Sicherheit begegnet Ihnen dann auch die flinke Peloponnes-Mauereidechse neben vielen anderen Naturwundern. Vielleicht nutzen Sie sogar die Gelegenheit, auf Lorenz Müllers Spuren zu wandeln. Lassen Sie sich inspirieren, eine PDF seiner Artikel finden Sie hier: https://aqualog.de/wp-content/uploads/pdf/Scientific-Papers/Herpetologische-Expedition-Taygetos_Mueller-peloponnes-1908.pdf

Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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