Die ideale Zwergschildkröte – Kinosternon baurii

Nicht jeder verfügt über gleichermaßen viel Platz, um dem schönsten und sinnvollsten Hobby der Welt nachzugehen: der Tierpflege. Viele Liebhaber, die nur kleine Becken aufstellen können, glauben deshalb, auf die Schildkrötenpflege völlig verzichten zu müssen. Das stimmt aber nicht, denn es gibt durchaus einige Schildkrötenarten, die erstens sehr klein bleiben und zweitens keine großen Becken benötigen, weil sie keinen sonderlich großen Bewegungsdrang haben.

Die Schildkröten, von denen hier die Rede ist, gehören zu der Familie Kinosternidae, die man auch als Schlammschildkröten, Klappbrustschildkröten und Moschusschildkröten bezeichnet. Zu ihnen zählen einige der kleinsten Schildkrötenarten, die nur eine Panzerlänge von 10-12 cm erreichen. Es gibt allerdings auch großwüchsige Arten, man muss also schon über etwas Artenkenntnis verfügen.

Weibchen von Kinosternon baurii

Kinosternon baurii 
Mit nur maximal 12 cm Panzerlänge bei den Weibchen – Männchen bleiben mit etwa 10 cm noch kleiner – ist diese Schildkröte wirklich klein. Dabei sind das bereits Rekordmaße; die Weibchen werden mit etwa 7-8 cm Länge geschlechtsreif und sind dann 5-6 Jahre alt. Das Höchstalter in menschlicher Obhut liegt bei etwa 50 Jahren, auch in der Natur können manche Tiere wohl so alt werden.

Verbreitung 
Die Art ist im Südosten der Vereinigten Staaten beheimatet. Das Hauptverbreitungsgebiet liegt auf der Florida-Halbinsel, daneben kommt die Art aber auch noch in den küstennahen Flachlandgebieten von South Carolina, über Georgia, Alabama, North Carolina und Virginia vor. Die Art gilt generell als häufig und nicht gefährdet, sie unterliegt keinen Handelsbeschränkungen oder Artenschutzgesetzen. Allerdings ist die lokale Population in den Florida Keys durch Biotopzerstörung gefährdet, sie wurde deshalb in den USA unter Schutz gestellt. Der Handel hat keinen Einfluss auf die natürlichen Bestände.

Männchen von Kinosternon baurii

Ökologisch anpassungsfähig
Kinosternon baurii bewohnt stehende und langsam fließende Gewässer aller Art, auch temporäre. Trocknet ein solcher Tümpel aus, wechseln die Tiere den Lebensraum. Es wurden Wanderungen von bis zu 3,5 km festgestellt. Auch bevorzugte Eiablageplätze suchen die Tiere gezielt auf. Darum ist K. baurii, die populär auch als Dreistreifen-Klappschildkröte bezeichnet wird, leider ein häufiges Opfer im Straßenverkehr. Die kleinen Schildkröten sind in der Natur Allesfresser und fressen Palmsaaten, Algen, Insekten, Schnecken und dergleichen. Ihrerseits sind sie eine regelmäßige Beute von Alligatoren und Greifvögeln wie dem Schneckenmilan. Die winzigen Jungen und die Eier werden von sehr vielen Tieren gefressen, was die Schildkröten durch eine sehr hohe Vermehrungsrate ausgleichen. Ein Weibchen kann bis zu sechs (meist: drei) Gelege im Jahr mit je 1-6 (meist: 2-3) Eiern produzieren. Die Eier sind im Vergleich zum Muttertier riesig, man wundert sich, wie sie in die kleine Mama passen. Die Eier benötigen 80-145 Tage zur Reife, sie entwickeln sich nur bei Temperaturen zwischen 28-30°C. Sinkt die Temperatur auf 22,5-24°C legt der Embryo eine Entwicklungspause ein. Die Jungtiere sind beim Schlupf etwa 2-2,5 cm lang und wiegen 2,1-3,9 Gramm.


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Gelege von Kinosternon baurii; der weiße „Gürtel“ in den Eiern zeigt an, dass sie befruchtet sind.

Kleine Schildkröte – kleines Aquarium?
Diese Frage wird sehr kontrovers diskutiert. Viele der dabei vorgebrachten Argumente sind allerdings rein emotional und haben mit den Ansprüchen der Schildkröten wenig zu tun. Die in Deutschland gesetzlich vorgeschriebene Mindestgröße des Aqua-Terrariums für die Pflege eines Einzeltieres ist die dreifache Panzerlänge als Beckenlänge, die anderthalbfache Panzerlänge als Beckenbreite und die doppelte Panzerhöhe als Wasserstand. Für ein Einzeltier bedeutet das (bei maximal 12 cm Panzerlänge) eine Bodenfläche von 36 x 18 cm bei einem Wasserstand von etwa 10-12 cm. In so einem kleinen Aquarium wird man aber kaum eine Schildkröte pflegen. Ein handelsübliches 60-Zentimeter-Aquarium ist aber absolut ausreichend, um eine gut strukturierte Lebenswelt für die kleine Schildkröte zu gestalten. Sehr wichtig sind dabei folgende Grundsätze: Kinosternon klettern und laufen eher als dass sie schwimmen. Die Wasseroberfläche muss also immer leicht erreichbar sein, der Wasserstand sollte 20 cm möglichst nicht überschreiten.

Männchen erkennt man an der längeren Schwanzrübe.

Zur Einrichtung eignen sich wasserfeste Wurzeln und runde Steine. Der Bodengrund sollte aus einer etwa 5 cm hohen Schicht feinen Sandes bestehen, denn die Tiere graben sich gerne ein. Das Wasser verlassen viele Exemplare nur zur Eiablage. Das ist aber individuell sehr unterschiedlich und sollte darum ausprobiert werden: geben Sie ein Stück schwimmenden Zierkork in das Becken. Wird dieses Landteil aufgesucht, sollten Sie ein festes Landteil installieren, das z. B. aus einer eingehängten Plastikschale bestehen kann, die man mit Sand füllt. Über dem Landteil kann man einen schwachen Spot installieren, unter dem eine Temperatur von 30-35°C erreicht wird. Der UV-Bedarf dieser Schildkröten ist gering; eine handelsübliche Leuchtstoffröhre für die Terraristik mit UV-Anteil genügt vollkommen. Ein allzu heller Standort des Aqua-Terrariums sollte vermieden werden. Die Wassertemperatur sollte in den Monaten Februar bis November zwischen 22 und 26°C liegen bei einer Beleuchtungsdauer von 14 Stunden. Eine etwa zweimonatige Winterruhe bei nur etwa 8 Stunden Licht (das ist für die Einleitung der Winterruhe, die über Hormone geregelt wird, viel entscheidender als die Temperatur) bei 12-15°C ist für die langjährige Gesunderhaltung der Schildkröten und die Zucht sehr günstig.

Einzeln, Paar- oder Gruppenhaltung?
Grundsätzlich ist die Einzelhaltung bei allen Schlammschildkröten am empfehlens­wer­tes­t­en. Die Männchen sind untereinander sehr unverträglich und können Weibchen durch die dauernde Paarungsbereitschaft wahn­sinnig machen. Auch Weibchen zicken manch­­mal heftig untereinander. Das ist individuell allerdings sehr unterschiedlich. Man kann richtig Glück haben und erwirbt ein Pärchen, das sich prima versteht, aber verlassen kann man sich leider nicht darauf. Manchmal zerstreiten sich die Tiere auch erst nach Jahren friedlichen Beisammenseins. So etwas soll es sogar beim Menschen geben…
Man sollte also ganz grundsätzlich über so viele Becken verfügen, wie man Tiere pflegen will, dann geht man allen Schwierigkeiten von vornherein elegant aus dem Weg und kann bei Bedarf schnell reagieren.
Zur Zucht setzt man das Weibchen zum Männchen, das gewöhnlich sehr schnell zum Vollzug schreitet. So hat man eine fast 100%ige Befruchtungsrate, während ge­nervte Weibchen bei dauerhafter gemein­samer Pflege oft nicht aufnehmen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Reptilien sind die Weibchen bei der Eiablage alles andere als wählerisch. Sie nehmen willig den oben beschriebenen, sandgefüllten Landteil an. In der größten Not legen sie die Eier auch einfach ins Wasser, aber so weit muss man es ja nicht kommen lassen. Übrigens produ­zieren auch einzeln gehaltene Weibchen (dann natürlich unbefruchtete) Eier. Das ist wie bei den Hühnern, die brauchen ja auch keinen Hahn zur Frühstückseiproduktion.

Schildkröten und Fische
Am spannendsten und schönsten ist es, wenn man die Schildkröten gemeinsam mit Fischen pflegt. Erstens wird das Aquarium dadurch ansehnlicher – es ist mehr los darin – und zweitens zeigen die Fische sehr schnell an, wenn mit dem Wasser etwas nicht stimmt. Biotopgerechte Arten sind z.B. Floridakärpflinge (Jordanella floridae), Zwergkärpflinge (Heterandria formosa), Scheiben- und Diamantbarsch (Enneacathus chaetodon, E. gloriosus und E. obesus) oder auch Zwergsonnenbarsche (Elassoma). Wer das Glück hat, an Breitflossenkärpflinge (Poecilia latipinna) zu gelangen, wird erleben, wie diese sonst so heiklen Gesellen sich zu wahren Prachtexemplaren entwickeln. Denn aus noch ungeklärter Ursache entwickeln sich gerade Lebendgebärende Zahnkarpfen ganz außerordentlich gut, wenn sie gemeinsam mit Wasserschildkröten gepflegt werden. Man ist bei der Auswahl der Fischarten aber natürlich nicht auf die genannten Arten beschränkt. Nur langsame Bodenfische, wie Hexenwelse (Hemiloricaria etc.) sollte man nicht mit Schildkröten gemeinsam halten. In aller Regel sind die Fische vor den kleinen Panzerträgern sicher; höchstens schwache oder kranke Exemplare werden ihr Opfer, aber das macht ja dann auch nichts.

Fütterung
In menschlicher Obhut sind Dreistreifen-Klappschildkröten eher Fleisch- als Allesfresser. Es empfiehlt sich, Wasserlinsen, vor die große Art Vielwurzelige Teichlinse (Spirodela polyrhiza), im Becken zu kultivieren. Sie stehen dann einfach als Futter zur Verfügung, wenn die Schildkröten einmal die Lust auf vegetarisch packt. Ansonsten ist die Fütterung denkbar einfach, denn Kinosternon baurii ist nicht wählerisch. Allerdings muss das Futter immer absolut frisch und hochwertig sein! Es ist dabei egal, ob es sich um industriell hergestelltes Futter für Sumpf- und Wasserschildkröten oder um Frostfutter für handelt. Vitamine und die wertvollen ungesättigten Fettsäuren gehen schneller kaputt, als viele ahnen. Hier wird immer noch schwer gesündigt. Man kaufe Futter immer nur in kleinen Gebinden. Trockenfutter sollte spätestens 6 Wochen nach Anbruch der Dose, Tiefkühlfutter nach etwa einem halben Jahr aufgebraucht sein. Niemals darf man Trockenfutter hell, warm und feucht aufbewahren, es muss immer luftdicht verschlossen, dunkel und kühl gelagert werden.

Richtig gepflegt bereiten diese netten Zwerge kaum Probleme und machen dem Pfleger jahrelang Freude.


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Frank Schäfer

Lexikon zur Dreistreifen-Klappschildkröte
Kinosternon: bedeutet ”bewegliche Brust”; der Name bezieht sich darauf, dass diese Schildkröten ein Bauch­panzerscharnier besitzen.
baurii: Widmungsname für den deutschen Zoologen Georg Herman Carl Ludwig Baur (1859-1898).

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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Ein Kommentar zu “Die ideale Zwergschildkröte – Kinosternon baurii

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