Ein Snowking-Pleco aus dem Madre de Dios

Die Segelschilderwelse sind innerhalb der riesigen Familie der Harnischwelse (Loricariidae) eine gut abgegrenzte Gruppe. Sie haben nämlich sehr große Rückenflossen mit 10-14 weichen Strahlen (plus ein harter Stachel). Bis 1991 fasste man die Segelschilderwelse meist in einer Sammelgattung, nämlich Pterygoblichthys, zusammen, dann reaktivierte Claude Weber den alten, in Synonymie geratenen Gattungsnamen Liposarcus, beschrieb die neue Gattung Glyptoperichthys und beließ nur wenige Arten, nämlich die mit 10-11 (nur bei wenigen individuellen Ausnahmen 12) Weichstrahlen in der Rückenflosse in Pterygoblichthys. Die Gattungsdiagnosen Webers bezogen sich freilich nicht auf die Rückenflossenstrahlen, diese sind nur das am leichtesten zu erkennende Merkmal für uns Aquarianer. Webers Konzept wurde aquaristisch gut aufgenommen, dann drehte 2005 Jonathan Armbruster das Rad zurück und fasste alle Segelschilderwelse wieder unter Pterygoblichthys zusammen. Dem kann man folgen oder es auch lassen, das muss jeder nach den vorliegenden Daten für sich selbst entscheiden.

Das Photo zeigt ein erwachsenes Exemplar, direkt am Fangort fotografiert

Liposarcus stellt sich mit vier beschriebenen Arten eigentlich recht übersichtlich dar. Im Hobby sind L. disjunctivus und L. pardalis regelmäßig unter der Sammelbezeichnung “Plecostomus” (oft mit dem Namen Hypostomus plecostomus versehen) erhältlich. Plecostomus-Arten sind mit Segelschilderwelsen freilich kaum zu verwechseln, denn sie haben eine wesentlich kürzere Rückenflosse mit nur 8 Weichstrahlen. Liposarcus multiradiatus, L. disjunctivus und L. pardalis sind relativ unscheinbar gefärbte, sehr großwüchsige (um 50 cm) Arten, die in Teichwirtschaften der Tropen zu Speisezwecken gezüchtet werden: Liposarcus bedeutet “fettes Fleisch”. Trotz dieses wohlklingenden Namens sind Liposarcus aber offenbar nur schwer zu vermarkten; in vielen Regionen Südostasiens sind sie zudem verwildert und gelten als extrem invasive Neozoen. Meist werden ausgesetzte Aquarienexemplare für die zunehmend auftretenden Liposarcus in Asien verantwortlich gemacht. Das erscheint angesichts der Massenzuchten, in denen auch Albinos produziert werden, allerdings wenig wahrscheinlich. Es ist eher umgekehrt: die Jungtiere der zu Speisezwecken gezüchteten Liposarcus-Arten werden als Nebenerwerb auch noch als ZIerfische verkauft, so wie man das auch von zahlreichen anderen Speisefischen kennt, etwa den Haiwelsen der Gattungen Pangasianodon und Pangasius oder den Küssenden Guramis (Helostoma) und zahlreichen Großbarben.

Jugendliches Exemplar des Liposarcus aus dem Madre de Dios bei Puerto Maldonado in Peru. Im Gegensatz zu den meisten anderen Harnischwelsen, bei denen die Jungtiere attraktiver als die Erwachsenen sind, sind juvenile Liposarcus eher trist gefärbt, verglichen mit Adulti.

Eine Liposarcus-Art, L. anisitsi, ist als “Snowking-Pleco” oder “Schneekönig” wegen ihrer prächtigen Färbung berühmt. Auch diese Art erreicht 50-60 cm Länge. Der alte, gut eingeführte Name L. anisitsi ist aber leider nicht mehr gültig. Der Snowking heißt jetzt korrekt Lambrosettii. In Texas ist der Snowking künstlich angesiedelt worden und konnte sich offenbar etablieren. Hier waren es wohl tatsächlich verantwortungslose Aquarianer, die durch Aussetzung diese Art in texanische Gewässer verbrachten.


Anzeige


Diese Bauchzeichnung gilt als artcharkter­istisch für Liposarcus disjunctivus. Das Photo zeigt eines der Importtiere aus Puerto Maldonado.

Vor einiger Zeit konnte Aquarium Glaser eine möglicherweise neue Liposarcus-Art aus Peru importieren. Sie ist Liposarcus disjunctivus am ähnlichsten. Der Artname “disjunctivus” bedeutet “mit abweichendem Verbreitungsgebiet”, denn während L. multiradiatus und L. pardalis sehr weit in Südamerika verbreitet sind, sind gesicherte Funde von L. disjunctivus nur aus einem sehr begrenzten Gebiet, dem Rio Madeira in Bolivien und Brasilien bekannt geworden. Farblich unterscheidet sich L. disjunctivus von den anderen Liposarcus-Arten durch die Bauchzeichnung, die bei L. disjunctivus aus einem Wurmlinien-Muster besteht, während die anderen Arten ein Fleckenmuster auf der Bauchseite aufweisen. Demnach könnte der neu aus dem Madre de Dios bei Puerto Maldonado in Peru gesammelte Snowking eine bislang unbekannte Population von L. disjunctivus oder eine neue Art darstellen. Ein herrlicher Fisch ist es auf jeden Fall…

Frank Schäfer

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

Weiterlesen

Ein Kommentar zu “Ein Snowking-Pleco aus dem Madre de Dios

  1. Pingback: Blog Fische – aquaterra70

Comments are closed.