Da erleben Blaualgen ihr blaues Wunder!

Blaualgen sind eine Landplage. Es handelt sich eigentlich nicht um Algen, sondern um Bakterien (Cyanobakterien), die allerdings genau wie Algen, Photosynthese betreiben können. Blaualgen sind die Überlebenskünstler schlechthin und können noch an Orten gedeihen, an denen alles andere Leben scheitert. Hat man Blaualgen im Aquarium, können sie die Freude am Hobby richtig verderben. Es bilden sich blaugrüne, schleimige Überzüge, die alles unter sich ersticken.

Blaualgen bilden schleimige, stinkige Beläge, die alles unter sich ersticken.

So richtig gut hilft kaum etwas gegen Blaualgen, sämtliche erfolgreichen Maßnahmen haben auch Nebenwirkungen. Da helfen auch keine klugen Sprüche wie „Man muss die Ursachen bekämpfen, nicht die Wirkungen“, „Blaualgen zeigen ein gestörtes Redoxpotential an“, „Blaualgen sind Dreckanzeiger“ etc. pp. usw. Denn das stimmt zwar alles im Grunde genommen, hilft aber im konkreten Fall schlicht nicht weiter. Denn wenn Blaualgen erst einmal da sind, lassen sie sich kaum wieder vertreiben. Ich habe schon so manchen alten Hasen erlebt, der jahrzehntelang predigte, ihm könne es niemals passieren, dass Blaualgen auftreten, bis es dann doch irgendwann geschah. Dann sah man jemanden sehr, sehr demütig werden.

Da schaut nicht nur der Hemichromis sp. Guinea ratlos: Blaualgen können einen zur Verzweiflung treiben.

Aber was tut man nun, wenn es einen erwischt hat? Es gibt Mittel im Handel. Manchmal helfen sie, manchmal nicht. Antibiotika wirken oft, aber wer will dieses Zeug schon im Aquarium haben? Dann lieber Blaualgen! Und außerdem: Antibiotika wirken auch gegen erwünschte Bakterien im Aquarium und in den Fischen. Zeitweiliges Abdunkeln soll helfen. Tut es auch manchmal, aber die Pflanzen sterben bei der Methode sehr viel zuverlässiger ab. Und manchmal hilft auch Abdunkeln nur kurz. Das ist überhaupt das Vertrackte an Blaualgen, sie kommen so schnell wieder! Brottrunk soll helfen (gibt es beim Bäcker). Ich habe es nie probiert, das hat mir zuviel von Voodoo und da der Wirkungsmechanismus nicht bekannt ist, weiß man auch nichts über Nebenwirkungen. Was wirklich hilft, ist konsequentes stören, also täglich abwischen, aufrühren, absaugen. Blaualgen sind störanfällig, das können sie nicht leiden. Aber für diese Methode braucht man Ausdauer, Geduld, Konsequenz und viel Zeit.

Es gibt keine Fische, die Blaualgen fressen. Manchmal gehen hungrige Argusfische dran, aber so richtig mögen tun sie die Blaualgen auch nicht und geben fast immer auf, bevor ein spürbarer Erfolg eingetreten ist.

Kalifornische Posthornschnecke, Planorbella duryi

Nach meiner Erfahrung ist die einzige, wirklich wirksame und dauerhaften Erfolg versprechende Methode gegen Blaualgen – abgesehen von Neueinrichtung nach vorheriger gründlicher Desinfektion des Beckens und aller Einrichtungsgegenstände – der Einsatz von Posthornschnecken. In meinen Becken sind diese netten Tierchen durch die Art Planorbella duryi vertreten. Sie sehen im Wesentlichen wie eine verkleinerte Ausgabe der heimischen Planorbarius corneus aus, die sich grundsätzlich wohl auch eignet, aber erheblich empfindlicher ist. Wegen der geringen Größe von Planorbella duryi, die man auch als Kalifornische Posthornschnecke bezeichnet, denn dort hat sie ihre Urheimat, braucht man einige Tiere, um eine Blaualgenbefall wirksam zu begegnen: zwei Exemplare pro Liter sollten es schon sein. Aber dann räumen die Tiere auch richtig auf!

Heimische Posthornschnecke, Planorbarius corneus

So mancher wird nun denken: ok, dann bin ich vielleicht die Blaualgen los, habe aber dafür eine Schneckenplage – auch nicht besser!? Dazu mehr nächste Woche in Franky Friday…

Jetzt aber hurtig, es gibt viel zu tun!

Lesestoff über Schnecken gibt es hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=schnecken

Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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9 Kommentare zu “Da erleben Blaualgen ihr blaues Wunder!

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  2. Harald Knust

    Hallo Frank,
    es gibt noch ein „Wundermittel“ gegen Blaualgen, welches vor der Jahrtausendwende bereits von Amano publiziert wurde: Die Amanogarnele Caridina multidentata

    Seinerzeit hatte ich (unter 100 anderen Aquarien) ein 60cm-Aquarium, worin diese Lebewesen sowohl chemischen Attacken, Lichtexzessen, Totalräumung und anderen Abwehrmaßnahmen mehr als ein Jahr standhielten. Die kleinen Krabbler waren damals noch völlig unbekannt und mein Zoofachhändler hatte Mühe, mir die Tiere zu importieren.

    Was mich fast eineinhalb Jahre gequält hatte, wurde seinerzeit innerhalb von 3 Wochen von den Tierchen verspeist. Nie mehr Cyanobakterien – schon ungezählte Male von mir mit Erfolg weiter empfohlen!

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  5. Heinz

    Hallo Frank,
    in meinem 50jährigen Aquarianerleben hatte ich 3x mit „Blaualgen“ zu tun. Gleich am Anfang, so dass ich in Unkenntnis die Aquaristik mehrere Jahre auf Eis legte. Dann 2x nach 2000, mit diversen Jahren dazwischen. Dabei hat sich bei mir die Dunkel-Kur aufs Beste bewährt! Mit schwarzer Folie (Müllsack) alles abgeklebt, wo man Lichteinfall vermutete. 5 (!!!) Tage ohne Futter, danach normaler Wasserwechsel (50%). Danach waren sie weg – die Algen. Restlos. Pflanzen völlig unbeschädigt, Fische sowieso. Beim 2. Mal genauso verfahren, mit dem gleichen Erfolg.
    Als Blaualgenfresser hat sich bei mir Ameca splendens erwiesen. Der dran ging und saubere Stellen zurückließ. Ob er einer echten Algenplage Herr wird, vermag ich nicht zu sagen. Möglicherweise bedarf es da eines richtigen Schwarms von vielleicht 10 bis 12 Tieren. Den Hinweis mit den Schnecken habe ich gern zur Kenntnis genommen und werde mir welche nach dem Urlaub als Prophylaxe holen.
    Grüße
    Heinz

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  6. Oli

    Hallo Frank,

    wirklich 2 Tiere pro Liter Aquarienwasser? Das wären bei einem 180l-Becken über 350 Schnecke. Das kommt mir sehr viel vor!?!

    Grüße,
    Oli

    Antworten
    1. Aqualog Redaktion

      Hallo Oli,

      nö, denke dass passt schon, dann wirken die auch. Aber wenn Du so viele nicht auf einmal auftreiben kannst, ist das nicht ganz so schlimm; eine Verdoppelung der Schneckenpopulation vollzieht sich rasch (2-3 Wochen). In großen Becken brauchst Du im Grunde auch weniger Schnecken, weil die Glasoberfläche ja vergleichsweise kleiner ist als bei kleinen Becken. Dafür hast Du aber wesentlich mehr Innenleben. Ein Aquarium 40x20x20 cm hat rund 2.400 cm² Glasoberfläche und 16 Liter Inhalt, da kommt also 1 Schnecke auf 75 cm² – ein 80x40x40 cm Becken hat rund 9.600 cm² Glasoberfläche (128 Liter) bei 250 Schnecken sind also pro Schnecke nur 38 cm² Glasfläche zum Putzen. Ich habe meine Schnecken gerade mal gewogen und eine bunte Größen-Mischung von 50 Stück wiegt gerade mal 8g. Somit beträgt die Biomasse an Schnecken bei einem 180 Liter Becken gerade mal 58 Gramm; das finde ich jetzt nicht sooo viel. Stell Dir nur mal vor, Du hättest 2 Schnecken in einer 1-Liter Milchflasche zum putzen. Das passt doch, oder? Nach meiner Erfahrung sollte man in größeren Becken nicht mit weniger als 50 Schnecken anfangen, sonst kommt es nicht zu der gewünschten Massenvermehrung mit Putzerfolg.

      Bleibt natürlich die grundsätzliche Frage, ob man die Blaualgenplage mit einer Schneckenplage bekämpft hat. Die Schnecken kann man aber verhältnismäßig leicht mit einem Kescher abfischen, wenn sie an der Scheibe langkriechen und z.B. jeder Wasserschildkrötenhalter im Verein freut sich wie ein Schnitzel über diese exzellente Futterspende.

      Viele Grüße

      Frank

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  7. Markus P

    Ähm, ist das wirklich richtig? 2 Exemplare pro Liter?
    Dann bräuchte ich für mein 180 Liter Aquarium satte 360 Schnecken??

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    1. Aqualog Redaktion

      Hallo Markus,
      habe gerade auf selbige Rückfrage von Oli geantwortet – siehe oben.
      Aus meiner Erfahrung heraus passt die Faustformel ganz gut, wenn auch zu beachten ist, je größer das Becken desto weniger Schnecken (im Verhältnis)…
      Viele Grüße
      Frank

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