Der Erstimport des Mosaikfadenfisches nach Deutschland erfolgte 1933. Seither ist dieser wunderschöne Fisch nie wieder aus den Aquarien verschwunden. Trifft die Aquarianer eine Mitschuld an seinem Seltenwerden in der Natur oder gar an seinem Aussterben?
Der Mosaikfadenfisch ist eine von fünf Arten der östlichen Fadenfische (Trichogaster, von manchen auch Trichopodus genannt). Wie die vier übrigen Arten, der Punktierte Fadenfisch (T. trichopterus), der Schaufelfadenfisch (T. pectoralis), der Mondscheinfadenfisch (T. microlepis) und der erst kürzlich entdeckte T. poptae gehört die bis zu 12 Zentimeter lange Art in ihrer Heimat zu den Speisefischen. Dort, wo der Mosaikfadenfisch (T. leerii) vorkommt, ist er häufig und nicht gefährdet. Dennoch wird die Art in der Internationalen Roten Liste (IUCN) auf der Vorwarnstufe ”potentiell gefährdet” geführt. Warum?
Verlust an Lebensraum
Der Mosaikfadenfisch ist in der Natur auf einen ganz bestimmten Gewässertyp angewiesen, um überleben zu können: das Schwarzwasser. Schwarzwasser heißt so, weil es die Farbe von dünnem Kaffee hat. Es ist sehr säurehaltig (pH um 4,5) und sehr arm an Mineralstoffen, wodurch Schwarzwasser auch sehr keimarm ist. Im Aquarium ist der Mosaikfadenfisch auch in anderem Wasser gut zu pflegen, doch in der freien Natur kann er nicht mit anderen Arten konkurrieren, wenn das Schwarzwasser verschwindet. Mit dem Schwarzwasser verschwindet auch der Mosaikfadenfisch.
Ölpalmen – der Fluch der Tropen
Früher gab es den Mosaikfadenfisch in Thailand, auf der malaiischen Halbinsel, auf Sumatra, Borneo und Riau, vielleicht auch auf anderen kleineren Sundainseln. Dort gab es viele Torfsümpfe und mit ihnen reichlich Schwarzwasserbiotope. Heute erstrecken sich dort, wo früher die Schwarzwassersümpfe waren, endlose Ölpalmenplantagen. Schwarzwasser sucht man dort vergebens. Die Fische, die auf Schwarzwasser angewiesen sind, gibt es nicht mehr.
Noch 1945 schrieb Hugh M. SMITH in seinem Buch über die Süßwasserfische von Thailand, dass der Mosaikfadenfisch in der Umgebung von Bangkok nicht selten sei. Horst LINKE, der erfahrene Tropenreisende und Labyrinthfisch-Spezialist, konnte ihn in Thailand nie nachweisen, ebenso Jörg VIERKE. Ich halte es, wie VIERKE, nicht für ausgeschlossen, dass es teils auch Verwechslungen mit Trichogaster microlepis, dem Mondscheinfadenfisch, gegeben hat. Das klingt vielleicht wenig glaubhaft, wenn man diesen schönen Fisch nur von Bildern kennt. Da wird er immer in seiner typischen, silbergrauen Färbung gezeigt. Stimmungsabhängig, vor allem bei Beunruhigung, kann T. microlepis aber auch ein dunkles Längsband zeigen, wie es für T. leerii so typisch ist. Das gleiche Individuum kann das dunkle Längsband aber auch wieder vollständig ausschalten. T. microlepis ist ökologisch nicht sehr anspruchsvoll, braucht vor allem kein Schwarzwasser und kommt in Zentral-Thailand häufig und weit verbreitet vor.
Laut IUCN-Liste muss die Art T. leerii für Zentral-Thailand jedenfalls als ausgestorben gelten. Der Lebensraumverlust für den Mosaik-Fadenfisch in den kommenden 10-20 Jahren wird auf dramatische 30% geschätzt.
Überfischung?
Im Handel tauchen Wildfänge des Mosaikfadenfisches praktisch nie auf. Bei Aquarium Glaser, einem der weltweit größten Zierfisch-Großhändler, hat man in den letzten 20 Jahren niemals Wildfänge von T. leerii angeboten bekommen. Kommerziell gezüchtet wird die Art in Südostasien (Indonesien, Singapur, Malaysia, Thailand, Sri Lanka, Vietnam, Hongkong), ferner in Israel, Tschechien und den USA. Überall, wo Aquaristik betrieben wird, beschäftigen sich auch Hobbyzüchter mit der Vermehrung der Art. Der nationale und der internationale Handel sind bei dieser äußerst produktiven Art – es handelt sich um Schaumnestbauer, die ca. 700 Eier pro Gelege produzieren, ganzjährig fortpflanzungsfähig sind und eine Generationsfolge von 4 – 6 Monaten haben – völlig vom Wildfang unabhängig. Überfischung für den Lebendhandel ist als Ursache des Rückganges der freilebenden Bestände darum absolut auszuschließen.
Erhaltungszucht tut Not
Als Art ist der Mosaikfadenfisch dank der Aquaristik nicht gefährdet. Aber die freilebenden Bestände sind hochgradig bedroht. Yunedi BASRI vom Integrated Fishery Laboratory der Bung Hatta University in Padang, West-Sumatra, hat mit der Erhaltungszucht der Population von Riau begonnen (Jakarta Post vom 6. August 2013). In West-Sumatra selbst sind keine Mosaikfadenfische mehr zu finden. Es ist sehr wichtig, die verschiedenen, genetisch unterschiedlichen Populationen von T. leerii rein zu erhalten. Dazu sollten schnellst möglich die natürlichen Bestände erfasst und importiert werden. Die Zucht an sich ist kein Problem, denn sie gehört zum 1×1 der Aquaristik.
Endlich: Wildfänge aus Thailand!
Im Juni 2017 geschah dann das Unerwartete: Aquarium Glaser importierte 50 Wildfänge des Mosaikfadenfisches aus Thailand. Und nicht nur das: der Lieferant gab auch noch gute Fundortinformationen dazu! Die Tiere stammen aus dem Gebiet von Su-Magi Kolok in der Provinz Narathiwat, wo gewöhnlich Glaswelse (Kryptopterus vitreolus) gefangen werden. Zunächst erschien es, als würden die – etwas über halbwüchsigen – Fische sich äußerlich nicht von den Nachzuchttieren unterscheiden, doch ein genauerer Blick ergab: die Weibchen haben deutlich weniger Punkte im Rücken als die Männchen! Noch sind die Fische recht klein, doch werde ich mir große Mühe geben, dass der Stamm im Hobby erhalten bleibt, denn wann es wieder einmal Wildfänge vom Mosaikfadenfisch aus Thailand geben wird, ist steht in den Sternen. Auf jeden Fall waren diese Tiere der Beweis: der Mosaikfadenfisch ist in Thailand noch keineswegs ausgestorben!
Wildfänge von Borneo
Dank der Ausdauer der Mitarbeiter von Aquarium Glaser konnte im Jahr 2020 auch die Wissenslücke, wie denn die Wildfänge aus Indonesien – also von Sumatra und Borneo aussehen, geschlossen werden. Leider gelang es mir noch nicht, von den Sumatra-Tieren brauchbare Aufnahmen zu erstellen, aber die Borneo-Fische konnte ich schon ablichten. Sie unterscheiden sich äußerlich nicht von den Aquarienstämmen und man kann daher davon ausgehen, dass die Aquarienpopulation des Mosaikfadenfisches auf diese Tiere zurückgeht.
Frank Schäfer
Literatur:
Bachyul Jb, S. (2013): Rescuing ‘sepat mutiara’and other rare fish species. The Jakarta Post, Padang, West Sumatra vom Dienstag, 6. August 2013
Linke, H. (2017): Labyrinthfische. 2. Auflage. Tetra Verlag, Berlin-Velten
Smith, H. (1945): The fresh-water fishes of Siam, or Thailand. Bulletin of the United States National Museum No. 188: i-xi + 1-622, Pls. 1-9.
Vierke, J. (1978): Labyrinthfische und verwandte Arten. Engelbert Pfriem Verlag, Wuppertal-Elberfeld
Mehr Lesestoff über Labyrinthfische können Sie hier finden: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=labyrinthfische
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Wunderschöne Tiere!
Wäre interessant (und vermitlich auch traurig) zu wissen wie viele Arten diesen verfluchten Palmen (bzw unserem Bedarf nach ihnen) schon zum Opfer gefallen sind …
natürlich trifft die Aquaristik die Schuld … mal wieder
Die diversen blindwütigen Tierschützer werden das schon so postulieren, von wegen Wildfänge zerstören die Bestände, etc. p.p. Mit den realen Fakten haben die es ja ohnehin nicht so.
Die Tiere aus Thailand finde ich äußerst apart. Die schlichte Eleganz spricht mich sogar mehr an als die handelsüblichen Tiere.