Nannostomus anduzei – der kleinste aller Ziersalmler

Nano-Aquarien liegen im Trend. Es gibt eine ganze Reihe von Fischarten, die so klein sind, dass die Pflege in 8-10 Liter Wasser gut möglich ist. Allerdings ist der Betrieb von Nano-Aquarien für Anfänger nur sehr bedingt möglich, denn er setzt intensive Beschäftigung mit der Materie und ein gründliches Literaturstudium voraus.

Männchen. Population Venezuela

Es gibt zwischenzeitlich eine Reihe guter Bücher zu dem Thema. Da es ohnehin unabdingbar ist, mindestens eines davon gelesen zu haben, wenn man ein Nano-Aquarium zu betreiben plant, wird an dieser Stelle nicht weiter auf das Thema einge­gangen. Statt dessen soll hier eine Fischart vorgestellt werden, deren Import gelegentlich erfolgt und die sich für ein solches Nano-Aquarium geradezu anbietet.

Weibchen. Population Venezuela

Denn Nannostomus anduzei wird höchstens 1.8 cm lang und ist damit die kleinste Art der Ziersalmler. Seine Heimat liegt im Orinoko und im Rio Negro. Bis vor wenigen Jahren wurde die Art immer nur zufällig, als sogenannter Beifang mit Blauen Neon­fischen (Paracheirodon simulans) aus Vene­zuela importiert. Dieter Bork gelang mit diesen Fischen bereits 1997 die Zucht, ein ausführlicher Zuchtbericht erschien in der AqualogNews No 7. Hier nochmal der Artikel für alle, die dieses Heft nicht besitzen:

Nannostomus anduzei Fernandez & Weitzman, 1987

Innerhalb der Familie der Schlanksalmler oder Lebiasinidae umfaßt die Gattung Nannostomus Günther, 1872 (hier inkl. der Gattung Nannobrycon), derzeit fünfzehn (Anmerkung d. Red: aktuell (2022) sind es 20 Arten) wissenschaftlich beschriebene Arten. Im aquaristischen Fachhandel werden jedoch meist nur sechs Arten angeboten, nämlich N. beckfordi Günther, 1872, N. harrisoni Eigenmann, 1909, N. marginatus, Eigenmann, 1909, N. trifasciatus Steindachner, 1876, sowie die beiden schrägstehenden Arten N. eques (Steindachner, 1876) und N. unifasciatus (Steindachner, 1876). Die beiden Arten N. britskii und N. limatus blieben bisher in der Aquaristik völlig unbekannt. Über ihr Aussehen bzw. ihre Färbung wissen wir so gut wie nichts. Die restlichen Arten sind zwar aquaristisch leidlich bekannt, jedoch im Fachhandel mangels entsprechender Importe nicht erhältlich. Von den zwei Arten N. digrammus (Fowler, 1913) und N. anduzei Fernandez & Weitzman, 1987, gelangen gelegentlich einige wenige Tiere als Beifänge nach Europa.

Nannostomus anduzei, Männchen, beginnende Laichstimmung (Venezuela)

So kommt auch der Letztgenannte zuweilen in Gemeinschaft mit Paracheirodon simulans, dem Blauen Neonfisch, in den Fachhandel. Oft genug werden die Tiere wegen ihrer geringen Länge von maximal 1,8 cm übersehen. Mit dieser Gesamtlänge ist N. anduzei die kleinste Art der Gattung. Zum Gattungstyp wurde übrigens N. beckfordi bestimmt. Die Autoren Fernandez & Weitzman beschrieben diesen hübschen Zwergziersalmler zu Ehren von und zum Dank an Herrn Dr. Pablo Anduze für seine intensive Unterstützung bei der Erforschung der Fischfauna im südlichen Venezuela. Die Belegexemplare dieser relativ neuen Art stammen aus einer Sammlung in einer Klarwasserlagune etwa 15 km nördlich von Puerto Ayacucho im Bereich des oberen Rio Orinoco. Die Temperatur in dieser Lagune betrug nahezu 30°C, der pH-Wert schwankte lokal zwischen 5,0 und 7,0. Ein zweiter Fundort wurde im nördlichen Brasilien bekannt. Dr. Weitzman erhielt im Frühjahr 1987 eine Sammlung von Fischen aus dem Gebiet des Rio Madeira und des Rio Negro zur Identifikation. Ein Teil dieser Tiere gehörte ebenfalls der Art N. anduzei an. Diese Tiere wurden im Gewässer eines Savannengebietes im Einzugsgebiet des Rio Negro gesammelt. Bei diesem Gewässer handelte es sich um einen Teil des Rio Ererê, der, von Norden kommend, etwa 250 km NW der Mündung des Rio Branco in den mittleren Rio Negro mündet, noch vor der Einmündung des in letzter Zeit durch Zwergcichlidenfänge bekanntgewordenen Rio Padauari. Bei diesem Fundort handelt es sich umein Schwarzwasserbiotop. Die Tiere aus dem Gebiet um Puerto Ayacucho unterschieden sich in der Färbung nicht von den Tieren aus dem Gebiet des Rio Ererê in Brasilien. Bei den Männchen der brasilianischen Form ist jedoch die Afterflosse deutlich länger als bei den Tieren aus Venezuela.

Nannostomus anduzei, laichreifes Weibchen (Venezuela)

Abweichend von allen anderen Nannostomus -Arten zeigt N. anduzei in der Nachtfärbung keinerlei dunkle Flecken- oder Balkenzeichnung. In der Nachtfärbung wirken die Tiere sehr transparent und zeigen darüber hinaus nur einen leicht goldenen Glanz. Das Rot in der Afterflosse und in der Schwanzflossenbasis ist dann ebenfalls nur noch andeutungsweise vorhanden. Die als Beifänge nach Europa eingeführten Tiere stammen wahrscheinlich ausschließlich aus dem Einzugsgebiet des Rio Ererê. Für die Pflege von N. anduzei reichen bereits Kleinaquarien von zehn bis dreißig Litern Inhalt aus. Bei einer Gesamthärte von 10°dH und einem pH-Wert um oder leicht unter 7,0 lassen sich die hübschen Tiere bei etwa 27°C problemlos pflegen. Als Futter eignet sich, bedingt durch die geringe Größe der Tiere, gesiebtes Tümpelfutter, gelegentlich kleine Grindalwürmchen oder vorwiegend Artemia-Nauplien. Zusätzlich kann von Zeit zu Zeit feines Trockenfuter angeboten werden.

Bei der Pflege eines kleinen Schwarms von sechs bis zwölf Tieren unter den genannten Bedingungen im Artenbecken wird man bald die ersten Balzversuche der Männchen beobachten können. Hier sind es besonders die dominanten Tiere (Männchen), bei denen die große Afterflosse sowie die Basis der Schwanzflosse blutrot aufleuchten. Das goldene Längsband wird von einem zarten hellen Grün überlagert und der bräunliche Rücken sowie das ebenfalls bräunliche Band unterhalb der goldgrünen Längsbinde verfärben sich in ein Graubraun. Spätestens bei diesen Beobachtungen stellt sich die Frage einer Nachzucht dieser ebenso seltenen wie hübschen Pfleglinge.

Obwohl ich sehr oft Balzspiele beobachten konnte, habe ich die Tiere nie ablaichen sehen. Aus diesem Grund habe ich mich zu einem Ansatz im Schwarm von vier Männchen und sechs Weibchen entschlossen, Tiere, die ich inzwischen alle aus Importen von Paracheirodon simulans ausgelesen hatte. Zu diesem Zweck wurde ein acht Liter Becken hergerichtet. Zwei Drittel des Beckens wurden dicht mit Javamoos ausgepolstert, die Wasseroberfläche mit Ceratopteris abgedeckt. Das verwendete Quellwasser hatte einen pH-Wert von 6,3 und die Gesamthärte betrug 2°dH. Für zehn Tage beließ ich die Tiere im Ansatz. Täglich wurde mit Artemia-Nauplien gefüttert. Die Futterreste sammelten sich im vorderen, hellen Teil des Ansatzbeckens und wurden jeden zweiten Tag vorsichtig abgesaugt. Frisches Quellwasser ersetzte das mit dem Absaugen entfernte Beckenwasser.

Nannostomus anduzei, balzaktives Männchen (Venezuela)

Drei Tage nach dem Herausfangen der Zuchtiere konnte man die ersten winzigen Jungfische an der Scheibe hängen sehen. So konnte ich einen einzelnen auch direkt an der Scheibe vermessen: er wies bereits eine Länge von 3 mm auf, hatte eine grauweiße Färbung und war sehr dünn. Das Kopfende mit den gut erkennbaren Augen (im Vergrößerungsglas) war deutlich verdickt. Vorsichtig wurden jetzt jeden zweiten Tag ein bis zwei Tropfen Liquifry mit dem Finger im Zuchtbecken verwirbelt. Mit Beginn der dritten Woche wurden zusätzlich einige Artemia-Nauplien ins Becken gegeben, doch konnte eine Aufnahme der Nauplien nicht festgestellt werden. Nach drei Wochen wurden vorsichtig alle Pflanzen entfernt. Leider konnten nur sechs Jungfische mit einer Körperlänge von etwa vier Millimetern, aber jetzt schon deutlicher Körpermasse festgestellt werden. Durch die besseren Beobachtungsmöglichkeiten ließ sich jetzt auch die Aufnahme der Artemia-Nauplien beobachten. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits erstmals vorsichtig etwas Mulm abgesaugt und das fehlende Wasser durch Frischwasser ersetzt. Einige an weiches Wasser gewöhnte Posthornschnecken wurden zur Beseitigung von Nahrungsresten eingesetzt.

Nannostomus anduzei, Larve

Obwohl dieser erste Zuchtversuch nur mit einem sehr bescheidenen Ergebnis endete, zeigte er doch, daß die Nachzucht dieser Zwergziersalmlerart möglich ist. N. anduzei ist möglicherweise, wie seine Verwandten, ein arger Laichräuber. Unter diesem Gesichtspunkt könnte der paarweise Ansatz ergiebiger sein. Sicher lassen sich die Zuchtergebnisse soweit verbessern, daß die Arterhaltung im Aquarium für den engagierten Liebhaber möglich ist.

Soweit Dieter Bork.

Männchen und Weibchen sind leicht zu unterscheiden, denn die Männchen besitzen eine auffällig vergrößerte, rote Afterflosse. Bezüglich der Körperform sind N. anduzei typische Nannostomus, also von zigarren­förmiger Gestalt. Geschwommen wird in ersten Linie mithilfe der Brustflossen, die die niedlichen Fische wie kleine Zeppeline durch das Wasser bewegen. Nur wenn sie einmal schnell schwimmen müssen wird auch die Schwanzflosse zum Vortrieb genutzt.

Inzwischen werden diese Winzlinge ab und zu (2-3x pro Jahr) auch rein sortiert importiert und zwar nicht nur aus Venezuela, sondern auch aus dem brasilianischen Verbreitungsgebiet, dem Rio Negro. Optisch unterscheiden sich die beiden Populationen nicht. Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich die beiden Populationen genetisch so weit auseinander entwickelt haben, dass sie sich langfristig (also über viele Generationen) nicht mehr miteinander fortpflanzen können. Darum ist es, wenn man Zuchtabsichten hegt, wichtig, sich von vornherein eine ausreichende Anzahl von Tieren (15-20 Exemplare) anzuschaffen, da die Herkunft der Tiere im Handel meist nicht bekannt ist und es darum schwierig werden kann, genetisch passende Fische nachzukaufen.

Frank Schäfer

P.S. Literatur zum Thema „NANO“ finden Sie bei animalbook.de

PPS: Eine komplette Übersicht über alle wissenschaftlich bekannten Nannostomus-Arten – plus einige weitere Varianten – finden Sie im Bookazine No. 4: https://www.aqualog.de/produkte/news-bookazine-nr-4-fruehjahr-2018/


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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