Wohin gehst Du? Die Terraristik steht an einem Scheideweg, so viel ist sicher. Wohin die Reise gehen wird ist allerdings fraglich.
Unde venis, Terraristik?
Woher kommst Du? Die Terraristik ist, genau wie ihre Schwester, die Aquaristik, ein Kind der industriellen Revolution und der damit einhergehenden sozialen Umbrüche. Mit der Erfindung der Dampfmaschine Mitte des 18. Jahrhunderts setzte ein Prozess ein, der unsere Welt bis heute nachhaltig beeinflusst. Die Menschen gingen in die Städte, um in den neu entstandenen Industrieanlagen zu arbeiten, die Naturwissenschaften blühten auf, da die zu Geld gekommenen Industriellen ihren Wert für ihr Gewerbe erkannten und in Wissenschaftler investierten. Industriearbeiter, die zunächst nichts anderes als Lohnsklaven waren und unter schlimmeren Bedingungen lebten und starben, als viele echte Sklaven, erkämpften nach und nach Stückchen sozialer Gerechtigkeit.
Tierhaltung ist eine artspezifische Eigenschaft des Menschen. Nur die Spezies Homo sapiens ist dazu in der Lage. Und nicht nur das. Für viele Menschen macht die Möglichkeit zur Tierhaltung den Unterschied zwischen lebenswertem und nicht lebenswertem Dasein. Ohne Tierhaltung gäbe es die Menschheit höchstwahrscheinlich nicht mehr, aber rationale Gründe sind es nicht, die uns zur Tierhaltung treiben. Es ist vielmehr ein zutiefst in uns verwurzelte Trieb. So wie ein Musiker niemals froh werden kann, ohne Musik zu machen und kein Künstler ein erfülltes Dasein führen kann, wenn er seine Kunst nicht ausüben darf, so kann ein tieraffiner Mensch nicht glücklich sein, ohne Tiere zu halten.
Die Schwierigkeiten, die bei der Domestikation von Pferd, Esel, Rind, Kamel, Dromedar, Lama, Schaf, Ziege und Schwein, von Huhn, Gans, Ente, Pute und Perlhuhn zu überwinden waren, sind kaum vorstellbar. Selbst heutzutage bereiten der Wildfang und die erfolgreiche Eingewöhnung der Ahnen all dieser Tiere (sofern sie nicht ausgestorben sind) erhebliche Schwierigkeiten und sind nur den erfahrendsten Fachleuten vorbehalten. Eine Domestikation auf breiter Ebene ist darum ausschließlich mit religiösen Motiven zu erklären; nur die Religiosität setzt genug Fanatismus frei, um die schier unendlichen Schwierigkeiten zu überwinden, die mit der Domestikation eines Wildtieres verbunden sind. Die Psychologie lehrt uns, dass Menschen grundsätzlich nicht bereit sind, über ihre Grenzen zu gehen, wenn es nur um die eigenen Interessen geht. Erst wenn der Mensch einem übergeordneten Ideal folgt – sei es nun ein Gott, ein Anführer, ein Staatswesen oder eine Weltverbesserungsidee – erst dann kann er zum echten, sich selbst verleugnenden Fanatiker werden. Und hier liegt auch der Schlüssel zum Verständnis der Tierschutzbewegung, die letztendlich jede Form der Tierhaltung ablehnt. Jede religiöse Kultur erschafft zwangsläufig auch eine Gegenbewegung. Kein Gott kann ohne Teufel existieren und vize versa.
Mit zu den ersten sozialen Errungenschaften des geknechteten Proletariats gehörte die Möglichkeit zur Kleintierhaltung. Anfangs war das eine Kombination aus Nutz- und Hobbyhaltung. Man denke an Kaninchen, Tauben und weiteres Geflügel. Heutzutage ist das schon wieder undenkbar, wer könnte schon ohne Erlaubnis des Vermieters einen Taubenschlag bauen oder im Grüngürtel des Hochhauses seine Hühner scharren lassen. In dieser Hinsicht haben die Tierhalter schon viele bereits errungene Freiheiten wieder verloren. Und die Reichen? Die frönten der Tierhaltung natürlich auch, in Form von Gestüten, Rassehunde-Zucht und dergleichen. Und die Superreichen unterhielten Menagerien, in denen exotische Tiere unterschiedlichster Art gepflegt wurden.
Einer der ersten Terrarianer in diesem Sinne war übrigens der Sonnenkönig Ludwig XIV, natürlich lange vor der industriellen Revolution, aber der kurze Exkurs sei erlaubt. Der Louvre in Paris ist eines der bedeutendsten Museen für Kunst auf der Welt. Seine Sammlungen enthalten auch etliche herrliche Zeichnungen, die der niederländische Künstler Pieter Boel (1622 – 1674) in der Menagerie von Ludwig XIV anfertigte. Neben den üblichen Arten, die man in einer solchen Sammlung erwartet, also Huftieren, Affen, Dickhäutern, kleineren Raubtieren, Großkatzen und einer Vielfalt an Vögeln findet sich hier auch das Europäische Chamäleon und die Smaragdeidechse (Lacerta viridis)! Ich finde das sehr, sehr erwähnenswert, denn als „schön“ empfanden die Menschen des 17. Jahrhunderts solche Kriechtiere im allgemeinen nicht. Die Zeichnungen Boels sind so naturgetreu, dass man anhand der Zeichnungen den in der Menagerie gepflegten Tieren einen ausgezeichneten Gesundheitszustand attestieren kann. Das ist wiederum alles andere als selbstverständlich, da der Begriff „Hygiene“ selbst für Menschen dieser Zeit ein absolutes Fremdwort war. Aber den Tieren ging es offenbar gut, ihre Körperhaltung zeigt, dass sie entspannt und an ihrer Umgebung interessiert sind. Tierquälerisch war die Haltung in der Menagerie von Ludwig dem XIV sicher nicht.
Dennoch dürften die Chamäleons nicht allzu lange dort gelebt haben, denn ein erwachsenes Chamäleon hat nur eine natürliche Lebenserwartung von etwa zwei Jahren. Vor allem die Überwinterung dürfte bei dem damaligen Wissensstand kaum geglückt sein, aber wer weiß? Unterlagen dazu sind nicht überliefert und es ist immerhin vorstellbar, dass man die Tiere in der kalten Jahreszeit in die Orangerien verbrachte, wo sie durchaus überwintern könnten.
Zurück in die Neuzeit. Mitte des 19ten Jahrhunderts gab es in den Industrienationen ein breites Bildungsbürgertum und auch viele Proletarier hatten es zu einem guten Auskommen gebracht. In dieser Zeit wurde die Aquaristik erfunden. In Deutschland war der prominenteste Befürworter der häuslichen Pflege von Wassertieren und -pflanzen Emil Adolf Rossmäßler. Die ursprüngliche Intention der Propagierung von Aquarien war der Bildungsanspruch. Es ging nicht um Tierliebe – die setzte man voraus. Es ging auch nicht um Exotik. Die ursprüngliche Idee ging dahin, etwas über die Aquarientiere, deren Lebensgeschichte man auch bei noch so sorgfältiger Naturbeobachtung nicht ergründen kann, durch die Beobachtung im Aquarium zu erforschen. Die Terraristik kam dabei sozusagen durch die Hintertür. Wer Wasserkäfer, Schnecken, Fische und dergleichen tümpelte, der kam auch in Kontakt mit Molchen, Fröschen, Ringelnattern und Sumpfschildkröten. Schnell merkte man, dass diese Tiere eine von der Wassertierpflege abweichende Fürsorge bei der häuslichen Pflege brauchten. Die Terraristik war entstanden.
Aber noch waren Aquaristik und Terraristik untrennbar miteinander verbunden. In den 1860er bis 1880er Jahren erlebten beide einen gewaltigen Aufschwung. Und der Wunsch Rossmäßlers ging auf! Bis heute wissen wir über die Biologie von Kleintieren, die noch nicht im Aquarium oder Terrarium gepflegt wurden, praktisch nichts – und über die, die sich unter den Aquarianern und Terrarianern Freunde schaffen konnten, sehr viel. Man verwechsle hier nicht Henne und Ei. Dass heutzutage Feldforschung bei Kleintieren möglich ist, ist auf die vorhergehende Schulung des Forschers in Aquarien- und Terrarienkunde zurückzuführen. Es gibt keine guten Feldherpetologen, die nicht auch Terrarianer wären.
Die Terraristik als Spielball der Politik
Es gibt keinen objektiven Anlass, die Terraristik massiv einzuschränken oder gar zu verbieten. Aus rational nicht nachvollziehbaren Gründen geschieht das trotzdem. Die Ursachen für das vehemente Vorgehen gegen die Terraristik, das staatliche und private Organisationen gegenwärtig an den Tag legen, liegt in dem oben geschilderten Fanatismus der Tierhaltungsgegner. Sie sind davon überzeugt, dass die Terraristik wesentlich für den Rückgang der weltweiten Amphibien- und Reptilienbestände mit verantwortlich ist und dass der Tierhandel mit Reptilien und Amphibien an Grausamkeit kaum zu überbieten ist. Stimmt das? Natürlich nicht. Seit fast 40 Jahren ist z. B. der Handel mit Wildfängen von Reptilien und Amphibien, die in Europa vorkommen, grundsätzlich verboten, ganz egal, ob die Art im einzelnen bedroht ist oder nicht, gleiches gilt für private Fänge. Wären der Tierhandel oder private Fänge zum Zwecke der Lebendhaltung ein wesentlicher Faktor beim Artenschutz, so gäbe es in der europäischen Herpetofauna keine bedrohten Arten. Das Gegenteil ist der Fall, die europäische Herpetofauna gehört im weltweiten Kontext zur bedrohtesten überhaupt! Die Ursachen für den Rückgang dieser Tiere ist ausschließlich in massiven Störungen der natürlichen Lebensräume zu suchen. Der Schutz dieser Lebensräume kann von staatlicher Seite nicht erfolgen, weil den staatlichen Organen die notwendigen Fachkenntnisse dazu fehlen und keine überbehördliche Stelle sich um Artenschutzbelange kümmert. Als 1979 die Berner Konvention beschlossen wurde, in der u.a. das vollständige Handelsverbot mit allen wildlebenden in Europa vorkommenden Kleintieren beschlossen wurde, haben Ökologen bereits vor der Unsinnigkeit dieses Aktes gewarnt. Diejenigen, die als einzige über die Kenntnisse verfügen, um Artenschutz betreiben können, nämlich die vor Ort ansässigen Naturliebhaber (und das sind im Zusammenhang mit Reptilien und Amphibien immer auch Terrarianer) wurden im Zuge der Umsetzung der Berner Konvention nach und nach aus dem Artenschutz verdrängt, genau wie es vorhergesagt wurde.
Den Gipfel des Unsinns stellte die nachfolgende FFH-Gesetzgebung dar. FFH – das steht für Fauna-Flora-Habitat. 1992 beugten sich die politisch Handelnden den dringenden Vorstellungen der Naturwissenschaftler, dass der durch die Berner Konvention beschlossene Individuenschutz bei Kleintieren völlig nutzlos ist. Um das Artensterben zu bremsen, das sich freien Fall befand, sollte endlich der Lebensraumschutz her. Man benannte besonders charakteristische Tier- und Pflanzenarten, die nur in extrem bedrohten Lebensräumen vorkommen als Indikator-Arten. Ziel war es selbstverständlich, dass nun diese Lebensräume wirkungsvoll geschützt werden sollten. Aber die gesetzliche Umsetzung der FFH-Richtlinie war ein Desaster und ein Boxschlag in das Gesicht des Artenschutzes. Statt die Lebensräume bedrohter Arten zu schützen und durch Korridore miteinander zu vernetzen, damit genetischer Austausch zwischen räumlich isolierten Restpopulationen stattfinden kann, wurden die Lebensräume fröhlich weiter vernichtet und die Anzeigerarten – dank FFH-Gesetzgebung nun einfach unter noch strengeren Individualschutz gestellt! Dieser Wahnsinn führt nun dazu, dass riesige Geldsummen dafür ausgegeben werden, FFH-Arten umzusiedeln, wenn die Lebensräume zerstört werden und „Ersatzlebensräume“ zu schaffen.
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Umsiedlungen von Eidechsen, Fröschen, Kröten oder Molchen erfolgreich sind oder auch nur sein könnten. Das ist auch vollkommen logisch, denn entweder ist ein Biotop, in das die „geretteten“ Individuen umgesiedelt werden, für sie als Lebensraum geeignet: dann gibt es sie dort auch schon und die umgesiedelten Tiere stellen eine massive Bedrohung der bodenständigen Population dar (in der Regel gehen sie allerdings einfach nur ein); oder der Lebensraum, in den umgesiedelt wird, eignet sich eben nicht für die „geretteten“ Tiere. Dann sterben sie auf jeden Fall.
Für diesen Quatsch werden alljährlich Millionen ausgegeben! Und die Schaffung von Ersatzlebensräumen? Wie soll die vonstatten gehen? Sie kann doch nur darin bestehen, die Lebensräume anderer Arten zu zerstören, die sich dann nahtlos in den Strudel der untergehenden Spezies einreihen. Die Folge dieses allen wissenschaftlichen Erkenntnissen entgegen sprechenden politischen Handelns sind dann die Horrormeldungen vom dramatischen Insektensterben und dem steten Vordringen invasiver Arten; letztere können – so jedenfalls der aktuelle Stand der Forschung – nur in massiv gestörten Lebensräumen gedeihen. Und der Gipfel des Wahns: dafür werden dann auch noch die privaten Tier- und Pflanzenhalter verantwortlich gemacht. Zieht man nüchtern Bilanz des politischen Handelns gegen das weltweite Artensterben, so kann man nur feststellen, dass ein vollkommener Rückzug der Politik und Gesetzgebung aus dem Bereich des Artenschutzes aller Voraussicht nach die wirkungsvollste Artenschutzmaßnahme wäre, zu der die politisch Handelnden fähig sind.
Terraristik als Instrument des Artenschutzes
Handelsbeschränkungen und Haltungsverbote haben auch durchaus etwas Positives: sie zwingen die Halter zur Zucht, da der Nachschub aus der freien Wildbahn ausbleibt. Ökologisch gesehen ist die Zucht solcher Tiere zwar kritisch zu betrachten, da eine Bedrohung auf Individual-Niveau kaum jemals besteht und die aufzuwendende Energie für die Zucht zu einer negativen Öko-Bilanz führt. Aber nichtsdestotrotz wurden aus der Notwendigkeit heraus Zuchttechniken entwickelt, die es heute ermöglichen, so ziemlich jede Reptilien- oder Amphibien-Art, bei der das notwendig erscheint, in großem Maßstab durch Nachzucht verfügbar zu machen. Dass das bisher nicht bei allen Arten umgesetzt wird, liegt vor allem an der zu geringen Nachfrage. Von den weltweit existierenden rund 11.000 anerkannten Reptilien-Arten und ca. 7.000 Amphibien-Arten sind weniger als 500 (ca. 3%) von allgemeinem Interesse für Hobby-Halter, schätzungsweise über 70% der weltweit existierenden Arten sind vermutlich noch nie in nennenswerter Zahl im Terrarium gepflegt worden.
Wenn wirklich ernsthafte Bedenken bestehen, dass die Lebendentnahme zum Zwecke der privaten Tierhaltung bei irgend einer Art so hohe Ausmaße annimmt, dass die natürlichen Bestände dadurch rückläufig wären, so wäre es doch die leichteste Übung, im natürlichen Verbreitungsgebiet der Arten Zuchtfarmen dafür einzurichten. So schafft man Arbeitsplätze in strukturarmen Gegenden und bringt Devisen ins Land. Allein die Tatsache, dass dieses Modell praktisch nirgendwo zur Anwendung kommt (es gibt ein paar Ausnahmen) zeigt schon, dass im Weltmarkt kaum Nachfrage besteht. Wieso sind dann trotzdem Reptilien und Amphibien in dem Abkommen, das den weltweiten Handel mit wildlebenden Tieren und Pflanzen regelt (CITES) aufgenommen? Es handelt sich dabei nahezu ausschließlich um Arten, die zu Speisezwecken, zur Ledergewinnung oder zu medizinischem Gebrauch genutzt werden. Bei den ganz wenigen Arten (keine 100), die für den Lebendhandel so attraktiv sind, dass es zu einer Übersammlung kommen könnte, weil sie eine Kombination aus geringer existierender Individuenzahl, langsamer Vermehrung und kleinem Verbreitungsgebiet aufweisen, gäbe es auch andere Mittel, als die Terrarianer unter den Generalverdacht zu stellen, sich nicht an Schutz- und Schonmaßnahmen zu halten. Statt die Terraristik zu kriminalisieren, sollte der Artenschutz die tiefgreifenden Kenntnisse der Terrarianer für sich nutzen. Es liegt kein Sinn darin, die einzigen Menschen, die sich ernsthaft für den Artenschutz von Reptilien und Amphibien interessieren – die Terrarianer! – vom Artenschutz auszuschließen. Und es ist doppelt unsinnig, die Hilfestellungen, die diese Personengruppe beim Artenschutz leisten könnte, zu ignorieren. Statt irgendwelcher Theoretiker sollten sich Praktiker mit Erhaltungszuchtprogrammen beschäftigen, dann wären sie auch von Erfolg gekrönt. Die Politik muss endlich die Terraristik als Verbündeten, nicht als zu bekämpfenden Gegner sehen, dann klappt es auch mit dem Artenschutz!
Welchen Weg werden wir gehen?
Eingangs wurde gesagt, die Terraristik befände sich an einem Scheideweg. Da ist auf der einen Seite ein ungeheures Knowhow, mit dem professionell Zuchtformen von Reptilien und Amphibien für einen Heimtiermarkt produziert werden, der mit klassischer Terraristik nicht mehr viel zu tun hat.
Auf der anderen Seite stehen Berufs- und Amateur-Herpetologen, die dieses Knowhow sehr gerne für die engagierte Nachzucht von durch Habitatszerstörung bedrohte Arten nutzen möchten, aber von einer schier undurchdringbaren Bürokratie daran gehindert werden.
Und dazwischen befinden sich Terrarianer, die einfach nur Freude und Erkenntnis aus der Beobachtung von Terrarientieren schöpfen möchten und überhaupt keine Lust haben, sich dafür von Behörden oder Tierschützern anzicken zu lassen. Wandert darum die breite Masse der Terrarianer bald in den Untergrund ab, wie er heute schon für die Vogelhaltung besteht? Verweigern die Terrarianer künftig die Zusammenarbeit mit Behörden? Oder gelingt es den Vereinen und Verbänden, die sich für die Heimtierhaltung stark machen, doch noch die Terraristik aus der Schmuddelecke zu holen, in die sie derzeit von populistischen Fanatikern gesteckt wird?
Pfeilgiffrösche sind ideale Terrarientiere und wurden bereits über dutzende Generationen gezüchtet.
Wird die Terraristik wieder das, als das sie entstand: ein Instrument der Volksbildung statt der Volksverdummung? Das wird sich vor allem daran entscheiden, ob es gelingt, die Interessen der Terraristik durch eine gute Lobbyarbeit zu vertreten. Terrarianer sind Individualisten, das macht die Sache kompliziert. Sie widmen sich lieber ihren Tieren als der Politik. Und sie lassen sich leicht einschüchtern. Schnell wird ihnen mit Beschlagnahme der Tiere gedroht oder mit empfindlichen Geldbußen, wenn sie aufmucken. Dabei beruht die Argumentation der Aggressoren meist auf wissenschaftlich unzureichenden Mitteln, vorzugsweise irgendwelchen Gutachten. Für einen Anfangsverdacht, um Ermittlungen einzuleiten, mag ein Gutachten genügen. Aber ein Gutachten ist aus wissenschaftlicher Sicht keine wissenschaftliche Publikation, da ihr Wahrheitsgehalt nicht von einem unabhängigen Wissenschaftsgremium („Peers“) überprüft wurde. Letztendlich geht es in solche Fällen also einfach darum, ob man die Meinung der Gutachter teilt oder nicht und nicht um objektive, im Experiment ermittelte und reproduzierbare Erkenntnisse.
Ob die Terraristik also zu einer Untergrund-Kultur wird oder zu einem Instrument der Volksbildung, wird neben der Lobbyarbeit ganz wesentlich davon abhängen, wieviel Zivilcourage die Terrarianer aufbringen können und wie vehement sie in Musterprozessen darauf bestehen, dass die Ausübung Terraristik durch den Artikel 2, Absatz 1 des Grundgesetzes (Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt) garantiert ist. Nur wissenschaftlich fundierte, in einer Publikation mit Peer-Review Verfahren veröffentlichte Studien, die beweisen (nicht vermuten), dass von der Terraristik propagierte und/oder von einzelnen Terrarianern praktizierte Haltungsbedingungen unausweichlich zu Schäden an den Tieren oder ihre Pflege im Terrarium zu ihrem Aussterben in der Natur führen, sind als Gründe für eine staatliche Einmischung in die private Tierhaltung akzeptabel – alles andere nicht oder höchstens als Übergangslösung, bis eine solche Studie vorliegt.
Ich wünsche mir sehr, dass die Radikalisierung aller Lager – der Tierhalter, der Behörden und der Tierschützer, die Tierhaltung generell ablehnen – wieder aufhört. Auf der Basis der freiheitlich-rechtlichen Demokratie und ihres großartigen Grundgesetzes ist ein friedliches Zusammenleben aller nämlich möglich.
Frank Schäfer