Der Frühling ist da, die Gartenteichsaison beginnt. Der Wunsch vieler Gartenteichbesitzer, eine Wasserschildkröte in ihrem Biotop beobachten zu können, ist sehr verständlich. Aber um es gleich vorweg zu sagen: ohne besondere Maßnahmen ist es unmöglich!
Dies muss man bedenken, damit der Traum von der Schildkröte am Gartenteich nicht zum Albtraum wird: Jede noch so zahme Schildkröte wird wieder schlagartig zum Wildtier, sobald sie aus dem Terrarium in einen Teich gesetzt wird. Sie sieht jetzt in ihrem Pfleger einen potentiellen Feind, vor dem es sich zu verstecken gilt. Tierpsychologisch gesehen bauen Schildkröten keine Beziehung zu ihrem Pfleger auf. Vielmehr lernen sie, den Pfleger mit Futter zu verbinden. Das Futterbetteln, das Schildkröten im Terrarium zeigen, entspricht im Freileben dem Aufsuchen eines bekannten Futterplatzes.
Wird die Schildkröte nun in einen völlig fremden Lebensraum gebracht, nämlich den Gartenteich, steht sie zunächst unter Schock. Alles, was ihr jetzt begegnet, wird als potentiell lebensgefährlich eingestuft und hat wilde Flucht zur Folge. Ist der Gartenteich nicht ausbruchsicher eingezäunt, wird die Schildkröte mit absoluter Sicherheit abwandern, wenn der Gartenteich regelmäßig von Menschen besucht wird. Man braucht daher eine aus Glas, Kunstglas oder PVC gefertigte Umzäunung, die mindestens doppelt so hoch ist wie der Schildkrötenpanzer lang; diese Einfriedung muss auf etwa 50 cm tief in den Boden reichenden Fundamenten ruhen, damit sie nicht unterwühlt werden kann. Soll mehr als eine Schildkröte gepflegt werden, muss man den Zaun um ein weiteres Drittel erhöhen, denn Schildkröten sind wahre Kletter- und Ausbruchkünstler, die Artgenossen auch als Räuberleiter benutzen.
Wird der Teich schildkrötengerecht eingerichtet und ausbruchsicher umzäunt, lernt das Tier mit der Zeit wieder, dass ihm von an den Teich herantretenden Menschen keine Gefahr droht. Schildkröten sind nach menschlichen Maßstäben gemessen, nicht sehr klug. Je seltener der Teich besucht wird, desto länger wird das Tier scheu bleiben. Leckerbissen, wie Mehlwürmer oder Regenwürmer helfen sehr, Vertrauen aufzubauen.
Eine schildkrötengerechte Teichanlage, in der die Tiere jahrelang gepflegt und auch gezüchtet werden können, beginnt mit der Ausrichtung des Teiches. Er muss so angelegt sein, dass er ganztägig Sonne erhält. Außerdem muss ein Schildkrötenteich mindestens 60, besser 80 cm tief sein, damit das Wasser nachts nicht zu stark abkühlt; das ist besonders im Frühjahr und Herbst von Bedeutung. Wer die Europäischge Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) als Pflegling im Sinn hat, muss außerdem unbedingt für ausreichend große Flachwasserzonen rund um den gesamten Uferbereich des Teiches sorgen. Emys ertrinkt sehr leicht. Ihr ökologischer Trick, der es dieser Art ermöglicht, auch in Mitteleuropa zu existieren, besteht darin, dass sie sich unter Wasser sonnt. Im zeitigen Frühjahr und späten Herbst kann das überwiegend schwarz gefärbte Tier trotzdem es das Wasser nicht verlässt, die letzten Sonnenstunden nutzen, um noch auf eine Körpertemperatur zu kommen, die eine Futterverwertung möglich macht. Ähnlich machen es die ebenfalls klimatisch ungünstige Gebiete besiedelnden Chrysemys und Clemmys guttata. Wer also diese Arten pflegen möchte, muss dafür sorgen, dass in tiefe Teichbereiche geratene Tiere bequem in die Flachwasserzonen krabbeln können, sonst sind Verluste vorprogrammiert.
Ganz anders machen es die schönen Schmuckschildkröten (Trachemys, Pseudemys, Graptemys etc.) Sie sind unbedingt darauf angewiesen, sich außerhalb des Wassers sonnen zu können. Vom bevorzugten Sonnenplatz sollte das Tier direkt in tiefes Wasser flüchten können. Am besten realisiert man das, indem man einen breiten, toten Baumstamm in den Teich einbringt, der bequem von dem Tier erklettert werden kann. Wenn es sich vom Baumstamm fallen lässt, sollte es tiefes Wasser vorfinden.
Fische, Amphibien, Wasserinsekten und auch Wasserpflanzen und Seerosen werden von allen Schildkröten als Bereicherung des Speisezettels angesehen. Ein Biotop- oder Naturgartenteich erträgt keine Wasserschildkröten, darüber muss man sich im Klaren sein. Im Grunde genommen ist darum ein Gartenteich mit Schildkröten immer eher ein Freilandterrarium bei dem die Bedürfnisse der Panzerträger absoluten Vorrang vor den Wünschen des Gärtners haben.
Welche Arten eignen sich für eine Schildkröten-Teichanlage? Grundsätzlich sollte man nur Arten wählen, deren natürliche Verbreitung in den gemäßigten Zonen liegt. Bereits Arten der Subtropen können in kalten, verregneten Sommern Schaden nehmen, sollten also nur angeschafft werden, wenn in Innenräumen gelegene Ausweichquartiere zur Verfügung stehen. Eine Schildkröte sollte, so die Faustregel, nicht kleiner als 10 cm sein, wenn man sie ohne Schutznetz, das sich dann über die gesamte Teichanlage ziehen muss, pflegen will, denn Rabenvögel, Reiher, Enten und auch Katzen fressen kleine Schildkröten. Manche Arten, die an sich gut geeignet wären, wie die Moschusschildkröten (Sternotherus) und die Chinesische Dreikielschildkröte (Chinemys reevesi) oder auch die Chinesische Weichschildkröte (Trionyx sinensis) sind als Teichtiere kaum attraktiv, weil man sie nie zu Gesicht bekommt, außer im Herbst, wenn man sie zum Überwintern herausfängt. Ideal sind manche Schmuckschildkröten, wie z.B. verschiedene Unterarten von Trachemys scripta (deren Haltung und Zucht derzeit allerdings EU-weit verboten sind, da sie als invasive Arten eingestuft werden), der Zierschildkröte Chrysemys picta oder auch Mauremys-Arten. Sie sind nur mäßig aggressiv untereinander, tagaktiv, sehr bewegungsfreudig und wunderschön gezeichnet. Auch die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) ist gut geeignet, aber die Männchen sind manchmal äußerst aggressiv, nicht nur gegen Artgenossen, und können daher oft nur einzeln gepflegt werden.
Bitte denken Sie daran, dass das Aussetzen irgendwelcher Schildkröten (und sonstiger Terrarien- oder Aquarientiere) zu Recht als schwere Straftat verfolgt wird. Man bringt damit freilebende Tiere in Todesgefahr. Stellt sich also eine Schildkröte als zu große Belastung für Teich und Pfleger heraus, muss man sie, sollte man sie nicht abgeben können, in ein Tierheim bringen. Das gilt auch für sogenannte Rote-Liste-Arten wie Emys orbicularis. Es geht beim Artenschutz von Kleintieren nie um Individuenschutz, immer um Biotopschutz. Die Europäische Sumpfschildkröte ist nicht bedroht, weil es zuwenig Individuen gibt, sondern weil ihre Lebensräume immer weiter eingeengt und zerstört werden. In geeigneten Lebensräumen braucht auch die Europäische Sumpfschildkröte keine Hilfe durch den Menschen, ein noch so gut gemeintes Aussetzen von Nachzuchten richtet immer und ausnahmslos mehr Schaden als Nutzen an. Also lassen Sie es bitte bleiben.
Ein Überwintern im Gartenteich ist nur bei ganz wenigen Arten möglich und sinnvoll. Man sollte nicht vergessen, dass auch in freier Natur viele Exemplare den Winter nicht überstehen. Aber die Natur ist ein Massenverbraucher von Leben, während ein Tierpfleger stets bestrebt ist, die wenigen in seiner Obhut befindlichen Exemplare möglichst lange über die Runden zu bringen. Darum ist mein abschließender Rat für alle, die Schildkröten am Gartenteich zu ihrem Projekt machen möchten: lesen Sie zunächst die umfangreiche Spezialliteratur über Schildkrötenhaltung und -zucht und überlegen Sie erst danach noch einmal ganz genau, ob Sie bereit sind, Ihren Gartenteich für diese Tiere umzuwidmen.
Frank Schäfer
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Pingback: Franky Friday: Sumpf- oder Wasserschildkröten im Gartenteich? - my-fish
Sehr geehrter Frank Schäfer,
im Juli 2018 brachten Autofahrer eine auf der Straße gefundene Sumpfschildkröte an unseren Gartenteich. Wir legten sie an den Uferrand, machten ein Foto und beobachteten das Tier.
Nach einer Stunde tauchte das Tier in den Teich ab.
Wir haben die Schildkröte, obwohl wir regelmäßig am Teich sitzen, bis zum August diesen Jahres nicht mehr gesehen.
Seit dem Frühjahr beobachteten wir plötzlich täglich den Kopf einer Rotwangen-Schmuckschildkröte (ca. 15 cm länger Panzer unter Wasser).
Durch dieses tägliche Beobachten entdeckten wir vor drei Wochen eine sich im umgeknickten Schilfrohr
sonnende Schildkröte.
Es scheint die vor zwei Jahren angebrachte Schildkröte zu sein. Sie sonnt öfter (oder täglich?) an gleicher Stelle und ist äußerst scheu …
Mir ist erst heute ein Foto gelungen.
Am Teich sitzen wir regelmäßig zu Beobachtungen von Fischen, Schwalben und Fröschen …
Aufgefallen ist uns, dass sich das erste Jahr keine Laubfrösche mehr im/am Teich und Garten aufhalten!
Nach mehreren Besuchen ihrer Website kommen uns nun Fragen über weiteres Handeln in den Kopf.
Können Sie helfen?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Weibrecht
Guten Tag Herr Weibrecht,
bitte entschuldigen Sie die verspätete Antwort, ihre Anfrage landete im Spam, den ich gerade zum Jahresende nach eben solchen Nachrichten vor der endgültigen Löschung überprüfe.
Tatsächlich empfehle ich nicht, Schildkröten in einem Teich zu dulden, in dem sich eine Vielfalt an Tieren und Pflanzen ansiedeln/halten soll. Der Futterbedarf der Schildkröten und ihr Zerstörungspotential sind beträchtlich. Um welche Schildkrötenart es sich dabei im Einzelnen handelt, ist unerheblich. Sie können den Schaden natürlich durch zufüttern (z.B. von gefrosteten Stinten) kleinzuhaltend versuchen, aber welche unerwünschten Nebeneffekte das hat (z.B. verstärktes Algenwachstum) lässt sich nicht vorhersagen. Ich rate zum Bau eines ausbruchsicheren Freilandterrariums für Schildkröten. Dort können Sie die Tiere auch erheblich besser beobachten. Der Fang der Rotwange und des anderen Exemplares erfolgt am besten mit einer Reuse, die Sie so im flachen Wasser aufstellen müssen, dass die Hälfte der Reuse aus dem Wasser ragt, sonst ertrinken die Tiere, die sich darin fangen. Beködert wird die Reuse am besten mit einem Stück Fisch. Da damit zu rechnen ist, dass sich auch andere Tiere (von deren Existenz Sie möglicherweise gar nichts wussten, etwa Bisamratten, Ringelnattern, Marder etc.) in der Reuse fangen, müssen Sie bitte die Reuse in der Zeit, in der sie aufgestellt ist, morgens und abends kontrollieren, um eventuell gefangenen Tieren unnötiges Leiden zu ersparen.
Viele Grüße
Frank Schäfer