Zornige Zwergpfeilsalmler

Die Salmler sind eine alte und sehr vielgestaltige Fisch­gruppe. Sie entstanden, als Afrika und Südamerika noch eine gemeinsame Landmasse bildeten. Gemeinsames Merkmal aller Salmler ist, dass sie über gut entwickelte Kieferzähne verfügen. Ein echter Zwerg unter den Salmlern ist der kaum 2 cm lang werdende Odontocharacidium aphanes.

Männchen der roten O. cf. aphanes aus Peru

Ihren lustigen deutschen Namen hat die Art erhalten, da die Männchen trotz ihrer Winzigkeit untereinander sehr zänkisch sein können. Gemeinhin wird darum empfohlen, in normal dimensionierten Aquarien nur ein Männchen pro Becken zu pflegen. Sind sehr viele Tiere gemeinsam untergebracht, sind sie friedlich untereinander, ein Phänomen, das bei den meisten revierbildenden Kleintieren beobachtet werden kann. Ohne diese Eigenschaft wäre es auch kaum möglich, von revierbildende Arten, wie Buntbarschen, dauerhafte Aqua­rien­­stämme aufzubauen.

Weibchen der kristallroten Zwergpfeilsalmler aus Peru

Aber es gibt auch gegenteilige Beobachtungen bei Odontocharacidium, wonach die Männchen zwar Kleinstreviere von einigen Quadratzentimetern Fläche besetzen, aber ansonsten durchaus friedlich miteinander umgehen. Individualisten gibt es überall – warum nicht auch unter Zwerg­pfeilsalmlern?

Ob Zwergpfeilsalmler sich vertragen, ist nur schwer vorherzusagen. Photo: E. Schraml

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Zwergpfeilsalmler
Aus der Gattung Odontocharacidium ist bis­lang nur eine Art wissenschaftlich beschrie­ben, nämlich O. aphanes. Sie lebt im Ama­zonas­becken und kommt vereinzelt aus dem Rio Negro als Beifang zum Roten Neon (Cheirodon axelrodi) zu uns. O. aphanes ist nicht sonderlich attraktiv gefärbt (beige mit einigen dunkleren, senkrechten Streifen) und wird darum nur gelegentlich von Spezialisten gepflegt. Die in jüngster Zeit ab und zu aus Peru importierten Tiere sind hin­gegen im männlichen Geschlecht wunder­schön kristallrot gefärbt, nur die Weibchen sehen den “normalen” O. aphanes zum Verwechseln ähnlich. Bezüglich des allge­meinen Erscheinungsbildes (Körper­bau, Größe etc.) unterscheiden sich die neu aus Peru importierten Tiere nicht von ihren unscheinbaren Gattungsgenossen, aller­dings wurden sie wissenschaftlich bislang noch nicht untersucht. Bis dahin sollten die Peruaner als O. cf. aphanes bezeichnet werden.

Auch dieser Odontocharacidium aphanes kam aus Peru, zeigt aber nicht die kristallrote Färbung. Photo: E. Schraml

Der natürliche Lebensraum
Zwergpfeilsalmler leben grundsätzlich in ähnlichen Lebensräumen wie der Rote Neon, also in so genanntem Schwarzwasser. Das ist ein sehr weiches Wasser mit einem niedrigen pH-Wert (um 4,5), das von Humin­stoffen tief dunkelbraun gefärbt ist (“cola­farben”), dabei jedoch kristallklar ist. Unter­wasser­pflanzen fehlen meist, doch gibt es reichlich Versteckmöglichkeiten in Form von Totholz und Laub. Das Wasser ist aufgrund seiner Nährstoffarmut und des niedrigen pH-Wertes sehr keimarm. Eine Biotop­be­schreibung für den roten Peruaner findet sich hier http://apisto.sites.no/fish.aspx?fishIndexID=2492&gruppeID=2 für den Einzug des Rio Shishita und liefert folgende Wasserwerte: pH 5,32, Leitfähigkeit 21µS/cm, Temperatur 24°C.

Während der Balz erscheint auf der Schulter des Männchens ein auffälliger schwarzer Fleck.

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Pflege und Zucht
Obwohl die Fischchen in der Natur ziemlich extreme Gewässer bewohnen, bereitet die Pfle­ge keine großen Probleme und ist, was niemanden wundern dürfte, der des Roten Neon grundsätzlich ähnlich. Nach erfolg­reicher Eingewöhnung brauchen die Fische keineswegs besonders weiches oder saures Wasser, allerdings ist, wie bei allen Schwarz­wasserfischen, daruf zu achten, dass der Keim­­druck im Wasser möglichst niedrig bleibt. Die größte Schwierigkeit bei den winzigen Fischen besteht darin, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Am besten pflegt man sie daher im Artenbecken, das durchaus klein sein darf.

Zwergpfeilsalmler fressen jedes übliche Fischfutter, aber auch hier liegt in der Winzig­keit der Fische das Problem. Trocken­futter wird oft nicht gefunden und belastet, wenn es vergammelt, das Wasser. Am besten füt­tert man darum feines Lebendfutter, gut geeig­net sind frisch ge­schlüpfte Artemia-Nauplien.

Fühlen sich die Fische wohl und entsprechen die Wasserparameter in etwa den natür­lichen Verhältnissen, so erfolgt die Fort­pflanzung im Artenbecken ohne großes Zutun des Pfleger. Die Tierchen laichen gerne in Javamoos ab und es kommen auch in Gegenwart der Elterntiere immer einige Jungtiere hoch. Eine effektive Zucht­metho­de für diese Zwerge ist bislang nicht be­kannt. So werden Zornige Zwerg­pfeil­salmler wohl immer indi­viduelle Fische für Indivi­dualisten bleiben.

Lexikon: Odontocharacidium aphanes

Odontocharacidium: bedeutet in etwa „Characidium mit Zähnen“; Characidium ist eine andere Salmlergattung.
aphanes: altgriechisch, bedeutet „unscheinbar“.

Frank Schäfer

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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Ein Kommentar zu “Zornige Zwergpfeilsalmler

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