Über 90 verschiedene Höhlenfischarten – sie gehören zu 19 Familien – sind bislang der Wissenschaft bekannt. Doch nur eine Art ist zum Aquarienfisch geworden: der Blinde Höhlensalmler aus Mexiko.
Seine Entdeckung 1937 war eine Sensation und ist Aquarianern zu verdanken. Es waren Salvador Coronado und C. Basil Jordan von der „Texas-Aquarium-Gesellschaft“, die den Fisch entdeckten und 100 Exemplare in einem der Höhlenteich der Kalksteinhöhle „La Cueva Chica“ (Provinz San Luis Potosi, Zentralmexiko) fingen; alle 100 Exemplare erreichten wohlbehalten und lebend den Wohnort der Fänger, obwohl der Transport zunächst auf dem Pferderücken und dann per Kanu alles andere als einfach war; davon wurden 75 nach Dallas geschickt, die alle lebend ankamen. Auf den Exemplaren dieses ersten Importes in die USA beruht die wissenschaftliche Beschreibung des Blinden Höhlensalmlers als Anoptichthys jordani (= „Jordans augenloser Fisch“), des ersten je bekannt gewordenen Höhlenfisches aus der Familie der Salmler. Und auch alle bis heute im Aquarium gepflegten und im Handel erhältlichen Blinden Höhlensalmler stammen von dieser ersten Aufsammlung ab.
Zwei weitere Anoptichthys-Arten wurden beschrieben, nämlich A. antrobius (1946) und A. hubbsi (1947); doch man fand in mehr und mehr Höhlen solche Salmler. Bis heute wurden 31 Höhlen mit Anoptichthys entdeckt. Manche waren komplett blind und farblos, so wie A. jordani, aber es gab selbst innerhalb einer Höhle alle denkbaren Übergänge zu vollständig sehenden und pigmentierten Exemplaren. Schon früh war klar, dass der Blinde Höhlensalmler ein Abkömmling der Salmlerform mit der weitesten Verbreitung aller Salmler sein musste, des Fisches, den man als Astyanax fasciatus kennt. A. fasciatus, so wie man die Art damals auffasste, kommt von Texas über ganz Mittelamerika bis nach Brasilien vor. Bis heute ist diese Art weitgehend unverstanden. Man nennt einfach jeden Salmler mit Längsband und Astyanax-Figur A. fasciatus, obwohl es sich, da sind sich alle einig, um einen ganzen Artenkomplex handeln muss.
Es zeigte sich, dass der Blinde Höhlensalmler uneingeschränkt mit der oberirdisch lebenden Form gekreuzt werden kann. Zumindest die Gattung Anoptichthys lässt sich darum nicht aufrecht erhalten, sie ist ein Synonym zu Astyanax. Man kennt „normal“ aussehende Höhlenpopulationen (also mit Augen und Körperzeichnung) von Astyanax fasciatus aus Belize, Costa Rica, der Yucatan-Halbinsel und aus Brasilien. Aber nur in der Provinz San Louis Potosi in Mexiko gibt es vollständig blinde und farblose Tiere. Eine Erklärung dafür gibt es nicht.
Das Verhalten der Blinden Höhlesalmler – man sollte sie nach gegenwärtigem Verständnis wissenschaftlich als Astyanax jordani bezeichnen – weicht komplett von dem der oberirdisch lebenden, sehenden Tiere ab. Nicht nur bezüglich der Nahrung. Die Blinden Höhlensalmler müssen oft mit Fledermauskot als einziger Nahrung auskommen, die oberirdischen Salmler sind dagegen Allesfresser mit einem breiten Nahrungsspektrum. Blinde Höhlensalmler bilden keine Schwärme, ihre oberirdischen Vettern schon. Blinde Höhlensalmler sind friedlich untereinander, die oberirdischen Astyanax eher zänkisch. Wird ein oberirdisch lebender Astyanax verletzt, so sondert er Warnstoffe ab. Artgenossen meiden u.U tagelang den Bereich, wo solche Stoffe abgesondert wurden. Die Blinden Höhlensalmler verfügen zwar ebenfalls über solche Schreck- oder Warnstoffe, reagieren aber nicht darauf. Und auch körperlich unterscheiden sich Blinde Höhlensalmler deutlich von Astyanax der fasciatus-Gruppe.
Natürlich fasziniert der Blinde Höhlensalmler die Wissenschaft in vielfältiger Weise. Es gibt Berge wissenschaftlicher Literatur über ihn, z.B. über die Augenentwicklung beim Embryo, über die Kreuzung mit oberirdischen Astyanax, über die Entstehung der Blinde Höhlensalmler in der Erdgeschichte und über die evolutionären Trends; warum sind Blinde Höhlensalmler überhaupt blind und wie finden sie sich in ihrer Umwelt zurecht? Etliche DNS-basierte Studien erschienen in den letzten Jahren, von den man sich mehr Licht im Dunkel der mexikanischen Höhlen und ein besseres Verständnis dieser Fragen erhoffte. Etliche Wissenschaftler hängten und hängen ihr gesamtes Forscherleben an diesen kleinen, fleischfarbenen, blinden Fisch, den Tierschützer, wäre er ein Zuchtprodukt und nicht natürlich vorkommend, als „Qualzüchtung“ brandmarken würden.
Jeder Aquarianer, der möchte, kann Mitglied in dieser Forscherfamilie werden. Die Haltung von Blinden Höhlensalmlern ist extrem einfach, es gibt kaum härtere und anspruchslosere Fische. Nur weiches, saures Wasser muss man meiden. Temperaturen zwischen 18 und 28°C sagen den Tieren zu, beleuchten muss man ihr Aquarium selbstverständlich nicht, sie fressen buchstäblich jedes Futter und friedlich sind sie obendrein – ein Wunder der Natur!
Frank Schäfer
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Ich bin total begeistert von dem blinden Höhlensalmer, so ein faszinierendes Tier. Ein absoluter Traumfisch und auf meiner Wunschliste ganz weit oben.
Eine Frage hätte ich allerdings bezüglich der Haltung: Wie groß sollte das Aquarium sein und muss ich Angst davor haben, dass die blinden Fische gegen Steine und Wurzeln stoßen und sich verletzen? Würde mich sehr über eine Rückmeldung freuen!
Da Blinde Höhlensalmler viel schwimmen, sollte die Beckengröße 60 x 30 x 30 cm nicht unterschreiten. Keine Angst: Fische brauchen generell keine Augen, um Hindernissen auszuweichen, eine Verletzungsgefahr an Einrichtungsgegenständen ist nahezu ausgeschlossen.
Kann man diesen Fisch wirklich nicht mit anderen Fischen halten? Ich hab gehört, dass er andere in der Nachtruhe stören würde. Oder könnte man auch ein paar Welse dazumachen?
Man kann blinde Höhlensalmler völlig problemlos mit allen normal sehenden Fischen gemeinsam halten, sofern sie friedlich sind. Die Höhlensalmler passen sich in ihren Aktivitäts- und Ruhephasen der übrigen Fischgemeinschaft an, die stören sich nicht gegenseitig.
Die Entdeckungsgeschichte des Mexikanischen Höhlensalmlers wird in anderen Quellen* etwas anders dargestellt. Demnach „entdeckte“ und fing der Mexikaner Salvador Coronado von der „Mexican fisheries agency, Dirección General de Pesca et Industrias Conexas, Secretaría de Marina de México“ 1936 diese Fische in der „La Cueva Chica“ und schickte 75 davon an den texanischen Zierfischhändler C. Basil Jordan nach Dallas. Der gab Tiere an den Aquarianer William Thornton Innes weiter, der sie wiederum zusammen mit einigen Aufzeichungen von Jordan an den amerikanischen Ichthyologen Carl Leavitt Hubbs weiterleitete. Hubbs schließlich beschrieb die Tiere Jordan zu Ehren als „Anoptichthys jordani“.
Ich weiß natürlich nicht, welche der beiden Geschichte nun wirklich stimmt, aber falls diese hier stimmt, wäre der Anteil von Jordan an der Entdeckungsgeschichte wesentlich geringer als in obigem Artikel dargestellt. In dem Fall wäre meiner Meinung nach der Fisch besser nach seinem mexikanischen Entdecker benannt worden als nach dem amerikanischen Fischhändler.
Irritierend fand ich zudem die Anmerkung zum Thema Qualzuchten: Das Fehlen der Augen und der Pigmente muss beim Mexikanischen Höhlensalmler selbstverständlich im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe weiterer Anpassungen an einen extremen Lebensraum gesehen werden – das ist überhaupt nicht vergleichbar mit einem simplen „Zuchtprodukt“, dem einfach nur Augen und Pigmente „weggezüchtet“ wurden. Nicht nur der Entstehungsweg (Evolution versus Zucht) ist bei diesem Gedankenexperiment ein anderer, auch das Ergebnis unterschiede sich zwingend elementar. Mit dem Mexikanischen Höhlensalmler lassen sich keine Qualzuchten relativieren.
* Alex Keene,Masato Yoshizawa,Suzanne Elaine McGaugh: Biology and Evolution of the Mexican Cavefish
Aldemaro Romero (hrsg): The biology of hypogean fishes
Gibt es Experten zum Them mexikanischer Höhlensalmler, mit denen man sich austauschen kann? Brauche Unterstützung bei meiner Ausarbeitung,
gern kann sich auch Frank Schäfer persönlich melden.
Lieben Gruß!