Es sind oft die häufigsten Tierarten, über am wenigsten berichtet wird. Pelusios castaneus ist DIE Wasserschildkröte Westafrikas und neben Pelomedusa subrufa die am häufigsten importierte.
Weit verbreitet
Pelusios castaneus ist eine der am weitesten verbreiteten Schildkrötenarten Afrikas. Sie kommt praktisch entlang der gesamten atlantischen Küste des schwarzen Kontinents vor: vom südlichen Mauretanien, dem Senegal über Gambia, Guinea-Bissau, Guinea, Sierra Leone, Liberia, die Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Benin, Nigeria, Kamerun und in den nordwestlichen Teil der Zentralafrikanischen Republik. Darüber hinaus besiedelt die Art von Kamerun aus gesehen südlich ein Gebiet in Äquatorial Guinea, Gabun, Kongo, der DR Kongo und erreicht den nördlichsten Teil von Angola. Es gibt die Art auch auf Sao Tomé, einer vor Gabun liegenden Insel. Vom Menschen angesiedelt gibt es eine Population in der Karibik, nämlich auf der Insel Guadeloupe, wohin sie aller Wahrscheinlichkeit durch Sklaven gelangte, die die Tiere als Lebendproviant mit sich führten (bis heute wird die Schildkröte verzehrt, darüber später mehr). In Florida soll es ebenfalls eine verwilderte Population geben, diese Tiere sollen von einem Tierhändler ausgesetzt worden sein.
Namenskuddelmuddel
Ein Grund für die eher raren Berichte in Liebhaberzeitschriften ist sicher die Tatsache, dass Pelusios castaneus häufig mit P. subniger verwechselt wurde, die allerdings nur ein relativ kleines Gebiet gemeinsam mit P. castaneus bewohnt und insgesamt viel weiter südlich und östlich vorkommt. Am leichtesten unterscheidet man beide Arten anhand der Nacken-Randschilder, die bei P. castaneus zusammen etwa so breit sind wie das erste Wirbelschild, bei P. subniger aber nur 55-85% der Breite des ersten Wirbelschildes erreichen. Weitere Unterschiede sind sehr deutlich bei http://pelomedusoides.org aufgeführt, einer Seite, die allen an Pelusios castaneus Interessierten wärmstens empfohlen werden kann.
Eine Art, die nicht ausgestorben ist…
… weil sie nie existiert hat, ist Pelusios seychellensis. Gegenwärtig unterscheidet man 17-18 Pelusios-Arten, DNS-Analysen haben aber gezeigt, dass es wohl mehr Arten gibt, als man bisher dachte. Und dabei ist schon jetzt Pelusios die artenreichste Schildkrötengattung überhaupt! Allerdings konnte für eine Art, die als ausgestorben galt, jetzt Entwarnung gegeben werden. Versehentlich wurden nämlich drei Exemplare von P. castaneus mit der falschen Fundortangabe ”Mahé, Seychellen” im Zoologischen Museum von Hamburg deponiert. Nur aufgrund der riesigen Distanz zwischen den Seychellen und der westafrikanischen Verbreitung von P. castaneus beschrieb der seinerzeit weltweit führende, in Wien tätige Schildkröten-Experte Friedrich Siebenrock (1853-1925) diese Exemplare als neue Art: Pelusios seychellensis. Seither wurden nie wieder Tiere dieser Art auf Mahé gefunden und schließlich für ausgestorben erklärt. Doch gelang es kürzlich, aus dem getrockneten Typusexemplar die DNS zu extrahieren. Die zeigte eindeutig, dass es sich bei Pelusios seychellensis um P. castaneus handelt!
Lebensraum
Die Westafrikanische Klappbrustschildkröte ist extrem anpassungsfähig und kommt in Gewässern aller Art vor. Tümpel, Teiche, Seen, Flüsse – überall ist sie zuhause. In weiten Teilen ihres Verbreitungsgebietes trocknen die Wohngewässer für 6-7 Monate im Jahr aus, eine Zeit, die P. castaneus im Bodengrund vergraben verbringt. Es gibt aber auch Regenwaldformen (so wie die Tiere, die diesen Artikel illustrieren), die ganzjährig Wasser zur Verfügung haben. P. castaneus ist auch bezüglich der Nahrung wenig anspruchsvoll. Sie frisst Insekten, Schnecken, Aas, kleine Fische, Amphibien und gelegentlich auch Früchte und Samen. Zudem ist die Art sehr fruchtbar. Große Weibchen können leicht zwei Gelege jährlich mit bis zu 18 Eiern produzieren.
Bedroht oder nicht?
Man kann heutzutage leider kaum über Schildkröten reden, ohne auf den Bedrohungsstatus der Arten zu sprechen zu kommen. Angesichts des riesigen Verbreitungsgebietes und der großen Anpassungsfähigkeit sollte Pelusios castaneus eigentlich nicht gefährdet sein. Die natürlichen Bestände sind im größten Teil des Verbreitungsgebietes aber nicht wissenschaftlich untersucht. Für Feldforschung werden kaum Gelder zur Verfügung gestellt, darum weiß man kaum etwas über die Bestandsentwicklung. Einen sehr interessanten Ansatz verfolgen Wissenschaftler in Nigeria: sie besuchen regelmäßig die Märkte, wo ”Bushmeat”, also Wildtiere zum Verzehr angeboten werden. Dazu zählen natürlich auch die Schildkrötenarten. Bei Landschildkröten der Gattung Kinixys musste bei diesen Besuchen leider festgestellt werden, dass die Bestände deutlich zurückgehen. Noch gilt aber Pelusios castaneus als nicht bedroht und unterliegt keinen internationalen Handelsbeschränkungen. Vorbeugend wurde die Art in Anhang III des Washingtoner Artenschutzabkommens aufgenommen (näheres siehe unten bei Pelomedusa subrufa).
Pelusios castaneus im Terrarium
Die Westafrikanische Klappbrustschildkröte ist sehr leicht im Terrarium zu pflegen. Sie ist anspruchslos und friedlich. Als tropisches Tier braucht sie eine ganzjährige Wassertemperatur von 24-26°C, die Luft sollte noch 2-4°C wärmer sein. Das Aqua-Terrarium sollte nicht zu klein sein (Beckenlänge 5x der Panzerlänge), denn die Art ist recht lebhaft und schwimmt gerne. Eine Korkrinde genügt als Alltags-Landteil, jedoch brauchen die Weibchen zur Eiablage große und vor allem tiefgründige Landteile. Am besten wiegt man die Weibchen zur Fortpflanzungszeit regelmäßig, sie nehmen während der Trächtigkeit deutlich an Gewicht zu. Zur Eiablage überführt man sie dann in einen entsprechend eingerichteten Behälter mit ca. 30 cm tiefem Bodengrund. Die Eier sind nur wenig temperaturtolerant, die Inkubationstemperatur sollte darum 27°C nicht unter- und 30°C nicht überschreiten. Als ideal hat sich eine Temperatur um 29°C erwiesen. Die Jungtiere schlüpfen nach 55-60 Tagen. Die fotografierten Tiere wurden übrigens 2006 aus Nigeria importiert. Die beiden Exemplare – ein Pärchen – sind in den mittlerweile 17 Jahren in menschlicher Obhut von etwa 6 auf 18 und 19 cm Panzerlänge herangewachsen.
Sheila, die Königin des Schlammloches
Manche Tierarten sind zwar regelmäßig im Handel zu finden, doch seltsamerweise ist es mit ihnen, wie mit manchen Fastfood-Restaurants: angeblich kennt sie keiner genauer. Und so ist die vivaristische Literatur über diese Arten äußerst spärlich. So auch über die Afrikanische Schlammschildkröte (Pelomedusa subrufa).
In einem Import von Pelusios castaneus (Westafrikanische Klappbrustschildkröte), die aus Nigeria stammten, waren drei Exemplare, die anders aussahen und so zu genauerem Hinschauen reizten. Es stellte sich heraus, dass es sich um Afrikanische Schlammschildkröten, auch Starrbrust-Pelomedusen genannt, handelte. Im Gegensatz zu den Pelusios, die ihren vorderen Bauchpanzer mittels eines häutigen Scharniers wie eine Dosenschildkröte zuklappen können, ist der Bauchpanzer der Schlammschildkröte starr. Aufgrund der charakteristischen Anordnung der Bauchschilder ließen sich die drei Exemplare der Unterart Pelomedusa subrufa olivacea zuordnen.
Zoologisch gehören diese Afrikaner, die weit entlang der westafrikanischen Küste verbreitet sind, jedoch nur in Süßwasser angetroffen werden, zu den Schienschildkröten, die berühmte Verwandte in Südamerika haben. Dort leben nämlich die riesigen Arrau-Schildkröten (Podocnemis expansa), die zu den größten Wasserschildkröten der Erde zählen und fast 90 cm Panzerlänge erreichen können. Nicht so unser Kandidat: die größten bisher gefundenen Exemplare hatten rund 35 cm Panzerlänge, doch bleiben sie meist deutlich kleiner, auch in freier Natur. Bei Pelomedusa werden die Männchen größer als die Weibchen. Normalerweise werden die Männchen etwa 22 cm, die Weibchen etwa 18 cm lang.
Beobachtet man diese Schildkröten, fallen sofort die sehr eng stehenden Augen auf, fast wirkt es, als ob die Tiere schielten. Das veranlasste uns – Könige der Wortspiele – diese Schildkrötenart als „Sheila, Königin des Schlammlochs“ zu bezeichnen, in Anlehnung an den 80er-Jahre B-Movie „Sheena – Königin des Dschungels“. Dabei wird „Sheila“ wie „Schiela“ (die Schielende) ausgesprochen.
Pelomedusen zählen zu den Schildkrötenarten, die auch Anfängern guten Gewissens empfohlen werden können. Sie sind wenig bewegungsfreudig und laufen lieber, als dass sie schwimmen. Das und ihre relativ geringe Größe macht sie für die heimische Pflege zum geeigneten Objekt.
Allerdings muss man wissen, dass die Afrikanische Schlammschildkröten für andere Schildkröten lebensgefährlich werden können, die sie manchmal angreifen und verletzen oder gar töten. Auch Artgenossen können gefährdet sein, wenn der Größenunterschied erheblich ist oder wenn paarungstolle Männchen das stets kleinere Weibchen bei ihren aufdringlichen Paarungsversuchen ertränken. Am sichersten ist daher die Einzelhaltung. Nur zur Paarung setzt man die Tiere vorübergehend zusammen, eine Vorgehensweise, die sich auch bei vielen anderen Schildkrötenarten bewährt hat.
Zumindest die Tiere aus Nigeria sonnen sich normalerweise kaum und verlassen nur ausnahmsweise das Wasser, das übrigens eine Temperatur von 24-28°C aufweisen sollte. Dennoch ist es sinnvoll, ihnen einen Sonnenplatz anzubieten, denn auch Sheilas sind Individuen und können ganz persönliche Vorlieben oder Abneigungen haben. In der Natur trocken die Wohngewässer der Schildkröten gelegentlich aus. In solchen Fällen graben sich die Sheilas ein und verschlafen die ungünstige Zeit, bis wieder Regen fällt und ihren Tümpel füllt.
Pelomedusa subrufa ist leicht zu ernähren. Es sind karnivore Schildkröten, die bereitwillig totes und lebendes Futter, auch kommerziell hergestellte Schildkrötenfutter annehmen.
Leider scheinen die Bestände dieser Schildkröten in der Natur rückläufig zu sein. Große Mengen werden zum Verzehr gefangen, hinzu kommt die zunehmende Biotopzerstörung, die leider auch in Westafrika zu beobachten ist. Daher wurde Pelomedusa subrufa (wie auch die oben asführlich geschilderte Pelusios castaneus) in Anhang 3 des Washingtoner Artenschutzabkommens aufgenommen. Das bedeutet, dass die Arten zwar noch keiner Handelsbeschränkung unterliegen, ihr Import in Drittländer jedoch beim Zoll angezeigt werden muss. So möchte man sich einen Überblick über die Anzahl der gehandelten Exemplare verschaffen. Möchte man sich einen Zuchtstamm mit einer dieser Schildkröten aufbauen, so ist unbedingt darauf zu achten, Tiere der gleichen Population anzuschaffen. Bei der weiten Verbreitung der Schildkröten besteht sonst die Gefahr, eine Haustierzuchtform zu entwickeln, und so etwas braucht nun wirklich niemand.
Frank Schäfer
Literatur
Fritz, U., Branch, W. R., Hofmeyr, M. D., Maran, J., Prokop, H., Schleicher, A., Široký, P., Stuckas, H., Vargas-Ramírez, M., Vences, M. & Hundsdörfer, A. K. (2010): Molecular phylogeny of African hinged and helmeted terrapins (Testudines: Pelomedusidae: Pelusios and Pelomedusa). Zoologica Scripta, 40, 115–125.
Luiselli, L., Petrozzi, F. & G. C. Akani (2013): Long-term comparison reveals trends in turtle trade in bushmeat markets of Southern Nigeria. Herpetozoa 26 (1/2): 57-64
Stuckas H., Gemel R., Fritz U. (2013): One Extinct Turtle Species Less: Pelusios seychellensis Is Not Extinct, It Never Existed. PLoS ONE 8(4): e57116. doi:10.1371/journal.pone.0057116
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