Zwergdrachengrundeln: Schismatogobius

Die Gattung Schismatogobius besteht aus Arten kleiner, nur 3-5 cm langer Süßwassergrundeln. Da die Tierchen wirtschaftlich unbedeutend sind und sich einer eventuellen Nachstellung dadurch entziehen, dass sie sich blitzartig schnell eingraben, sind sie noch ziemlich schlecht erforscht. Allerdings wurden in jüngster Zeit viele Arten wissenschaftlich beschrieben.

Die Gattung wurde 1912 aufgestellt, seither wurden ihr zunächst 10 Arten zugeordnet.

Das Jahr 2017 erlebt geradezu eine Artenexplosion in der Gattung. Zunächst wurden in einer Revision der Arten aus dem Gebiet von Papua-Neuguinea bis Samoa 7 neue Arten beschrieben, dann, kurze Zeit später, 4 weitere neue Arten bei der Revision der Arten aus Indonesien und schließlich in einer Arbeit über die Gattung in Japan eine weitere neue Art, so dass die Gattung nominiell aus 22 Arten bestand; 2018 kam noch eine weitere Art von den Molukken dazu, es sind also formell 23 Arten bekannt. Die Arten sehen sich im Leben unglaublich ähnlich, sie kommen teilweise auch räumlich in unmittelbarer Nähe zueinander vor, was die Bestimmung schwierig bis unmöglich macht. Die wissenschaftliche Bestimmung erfolgt durch DNS-Analysen und Details, die an lebenden Tieren nicht zu erkennen sind.

Auf Taiwan kommen nach gegenwärtigem Wissensstand 2 Arten vor, die erst 1995 beschriebene S. ampluvinculus und die Art S. roxasi. Beide Arten sind sich sehr ähnlich, jedoch entwickelt nur S. ampluvinculus in bestimmten Stimmungslagen eine leuchtend kontrastreiche Schwarz-Weiß-Bänderung.

Schismatogobius ampluviculus, Männchen
Schismatogobius ampluviculus, Weibchen

Auf Gattungsebene sind Schismatogobius u.a. darum unverkennbar, weil sie keine Schup­pen haben. Augenfällig ist zudem das riesige, tiefge­spaltene Maul der Männchen, das im Maulinneren bei einigen Arten sehr auffällig gefärbt ist. Die Männchen reißen das Maul bei Streitereien weit auf, wobei dann die auffällige Färbung zum Tragen kommt.

Zu den gattungstypischen Merkmalen von Schismatogobius gehört die individuelle Färbung: es gibt nicht zwei Exemplare, die absolut identisch gezeichnet sind. Aber auch das Farbwechselvermögen mancher Arten ist erstaunlich. Ein und dasselbe Exemplar von S. ampluvinculus kann wunderschön schwarz-weiß geringelt sein oder aber grau mit ver­waschenen Bändern. Das betrifft beide Geschlechter.

Schismatogobius ampluviculus, Paar

Die Maximalgröße von S. ampluvinculus wird in der Literatur mit 2.69 cm angegeben, sie werden aber etwas größer – bis etwa 5 cm.

Erwachsene Schismatogobius leben – soweit bekannt – ausschließlich im Süßwasser, wo sie in größeren Gruppen die flacheren Gebiete von Fließgewässern besiedeln. Bei Gefahr graben sie sich biltzschnell durch seitlich schlängelnde Bewegungen ein. Die Art S. ampluvinculus kommt in Bereichen mit kiesigem Boden vor.

Die zweite Schismatogobius-Art von Taiwan ist S. roxasi, bei der es sich nach neueren Untersuchungen wohl um ein Synonym von S. insignus handelt. Sie ist in keiner Stimmungslage so kontrastreich gefärbt wie S. ampluvinculus, jedoch auch sehr hübsch. Bei dieser Art sind die Weibchen farbiger als die Männchen und besitzen einen auffälligen orangefarbenen Sattel auf dem Rücken. Die Männchen erkennt man an dem riesigen Maul. Man pflegt diese extrem selten importierte Grundel im ungeheizten Aquarium mit Sandboden, Kieseln und guter Strömung.

Von Sumatra wurde eine weitere Schismatogobius-Art importiert. Ich glaube, dass es sich aufgrund der besonderen Brustflossenzeichnung (die man allerdings nur bei Aufsichtsphotos auf weißem Untergrund gut erkennen kann) bei diesen Importtieren um die im Juli 2017 neubeschriebene Art S. risdawatiae von Sumatra handelt. Das ist eine kleine Art, die nur 2,5-3 cm Länge (ohne Schwanzflosse) erreicht. 

Leider ist die Zucht von noch keiner der Arten gelungen, wenngleich die Fische ganz willig ablaichen. Außerhalb der Fortpflanzungszeit sind die Fische voll­kommen friedlich zueinander, sowohl die Männchen, wie auch die Weibchen. Fort­pflanzungswillige Männchen legen un­ter­­halb eines hohl liegenden Steines oder dergleichen (bei Horsthemke wurde eine Blumentopfscherbe allen anderen Materi­alien vorgezogen) eine Bruthöhle an. Die winzigen Larven entwickeln sich vermutlich nur in Meerwasser. Für die Pflege von S. ampluvinculus ist wichtig, dass diese Tiere in ungeheizten Aquarien gepflegt werden sollten, da sie aus gemäßigten Breiten kommen.

Die Ernährung mit Frost- und Lebendfutter ist unproblematisch. Aufgrund ihrer Ansprüche im Aquarium und wegen ihrer Kleinheit eignen sich Zwerg­drachen­grundeln besonders gut zur Ver­gesellschaftung mit den derzeit so beliebten Zwerggarnelen der Gattung Caridina, die es ja ebenfalls kühl mögen. Trotz des großen Maules der Männ­chen konnten bislang keine Übergriffe der Grundeln auf die Zwerggarnelen beob­achtet werden. Für das freie Wasser sind z.B. Kardinalfische (Tanichthys albonubes) her­vor­ragend geeig­nete Gesellschafter. Allen, die sich näher über Schismatogobius informieren wollen, sei der sehr ausführliche Aufsatz von H. Horsthemke über S. deraniya­galai empfohlen.

Lexikon:
Schismatogobius
: bezieht sich auf die ge­spaltene, zweilappige Zunge.
ampluvinculus: latein, in etwa „mit ansehn­lichen Bändern“, wegen der deutlichen Schwarz- Weiß-Zeichnung.
deraniyagalai: zu Ehren des berühmten ceylonesischen Ichthyologen P. E. P. Derani­yagala. roxasi: Widmungsname

Frank Schäfer

Literatur:

Horsthemke, H. (1992): Aquarienbe­ob­achtungen an Schismatogobius deraniyangali. Die Aquarien- und Terrarienzeitschrift 45 (7): 440-450

Keith, P., C. Lord and H. K. Larson (2017): Review of Schismatogobius (Gobiidae) from Papua New Guinea to Samoa, with description of seven new species. Cybium v. 41 (no. 1): 45-66.

Keith, P., C. Lord, H. Darhuddin, G. Limmon, T. Sukmono, R. Hadiaty and N. Hubert  (2017): Schismatogobius (Gobiidae) from Indonesia, with description of four new species. Cybium v. 41 (no. 2): 195-211.

Keith, P., H. Dahruddin, G. Limmon and N. Hubert (2018): A new species of Schismatogobius (Teleostei: Gobiidae) from Halmahera (Indonesia). Cybium v. 42 (no. 2): 195-200

Lin, Chu-Ji (2008): A Field Guide to the Freshwater Fish & Shrimps in Taiwan. Vol. 2. Taipeh: 240 pp.

Und weiteren Lesestoff über Grundeln gibt es hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=grundel


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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