Die Frösche Europas bewohnen sumpfige, unwirtliche Orte – mit einer Ausnahme: Laubfrösche. Diese schmucken, etwa 5 cm groß werdenden Tiere sind in Gebüschen zuhause, wo ihre frischgrüne Färbung sie hervorragend tarnt.
In Europa gibt es fünf Laubfroscharten, die sich allerdings so ähnlich sehen, dass Laien sie gewöhnlich nicht auseinanderhalten können. Seit der Antike haben diese Frösche die Aufmerksamkeit des Menschen auf sich gezogen. Laubfrösche wurden angeblich bereits in den Tempeln des Apollon gehalten, eines griechischen und römischen Gottes, der unter anderem für Heilung, Licht, Frühling und die schönen Künste zuständig war, und sollten dort allerlei Dinge vorhersagen. So wie man aus dem Flug der Vögel den Willen der Götter und die Zukunft las, so sollte das auch mit Laubfröschen gelingen. Verkrochen sich die Frösche, so deutete das darauf hin, dass es schlechtes Wetter gäbe, saßen die Frösche hingegen gut sichtbar im Geäst, sollte es schönes Wetter geben.
Sagen Laubfrösche das Wetter voraus?
Diese Deutung des tierischen Verhaltens ist im Kern nicht falsch, wenngleich sehr ungenau. Als wechselwarme Tiere haben Laubfrösche grundsätzlich eine Körpertemperatur, die der Umgebungstemperatur entspricht. Dabei liegt ihre Aktivitätstemperatur höher als bei anderen, bodenbewohnenden Fröschen. Ist es sehr kühl und regnerisch, sieht man darum kaum Laubfrösche. An milden Frühjahrstagen kann man sie hingegen sogar tagsüber beobachten (gewöhnlich sind auch diese Frösche eher dämmerungs- und nachtaktiv), wenn sie ein Sonnenbad nehmen. Solche Frühjahrstage locken auch uns Menschen nach draußen, wir genießen es sehr, wenn der Winter endlich geht und die Natur wieder zum Leben erwacht. So ist der Laubfrosch emotional sehr positiv besetzt und sein Sichtbarwerden wird mit schönem Wetter in Verbindung gebracht.
Im Mittelalter gab es den Aberglauben, ein vom Menschen umsorgter, lebender Frosch im Keller beschere den Bewohnern des Hauses Glück und Wohlstand. Die Kombination aus dem aus der Antike überlieferten Glauben an die prophetischen Kräfte des Laubfrosches, der Naturbeobachtung und des mittelalterlichen Aberglaubens führte wohl schließlich dazu, dass man (vermutlich im Biedermeier) begann, Frösche als Wetterpropheten in Einmachgläsern mit Leiter zu halten. Saß der Frosch am Boden, bedeutete das schlechtes Wetter, kletterte er auf der Leiter nach oben, so bedeutete das gutes Wetter. Erst die aufkommende Terrarienkunde im ausgehenden 19ten Jahrhundert machte Schluss mit dieser tierquälerischen Haltung.
Denn ein Laubfrosch kann in einem Einmachglas nur kurz überleben. Die hohe Form des Glases verhindert, dass über die Öffnung genug Luftaustausch stattfindet. Das Tier im Glas ist also oft kurz vor dem Ersticken. Wurde es in der Stube etwas wärmer und erreichte der Frosch dadurch „Betriebstemperatur“, so kletterte er darum möglichst weit nach oben, weil dort die frischeste Luft war. An kühlen, regnerischen Tagen (man darf nicht vergessen, es wurde in dieser Zeit nur wenig und in einzelnen Zimmern geheizt), hockte die arme Kreatur am Boden, halb erstickt und kaum fähig, sich zu bewegen. Hinzu kam, dass bei Tiefdruck der Bodengrund im Glas benebelnde und stinkende Faulgase freisetzte, was den Frosch erst recht daran hinderte, sich vom Boden zu erheben.
Die Frage, ob Laubfrösche das Wetter voraussagen können, ist darum eindeutig mit „Nein“ zu beantworten, sie reagieren nur auf bestehende Wetterlagen. Auch der nostalgischste Froschfan sollte darum niemals auf die Idee kommen, Laubfrösche in einem Einmachglas halten zu wollen.
Europa vs. Nordamerika
Wie schon erwähnt gibt es fünf Laubfroscharten in Europa, den auch in Deutschland weit verbreiteten (wenngleich durch Biotopzerstörung selten gewordenen) Hyla arborea, die den Mittelmeerraum bewohnenden Hyla intermedia, H. meridionalis, H. sarda und H. savignyi. Der taxonomische Status weiterer beschriebener Formen, etwa des Kreta-Laubfroschs oder des Iberischen Laubfroschs ist unter Fachwissenschaftlern heftig umstritten, braucht hier aber nicht weiter zu interessieren. Diese Laubfrösche waren bis in die 1970er Jahre die Terrarienlaubfrösche schlechthin, denn sie sind sehr attraktiv und leicht zu halten. Doch dann wurden alle europäischen Froscharten unter ein Wildfanghandelsverbot gestellt (man nannte das Artenschutz) und sie gerieten nach und nach in Vergessenheit.
Selbstverständlich kann man Laubfrösche leicht und effektiv nachzüchten, aber solche Nachzuchttiere sind natürlich deutlich teurer als Wildfänge, weshalb der im Südosten der USA weit verbreitete und sehr häufige Karolina-Laubfrosch (Hyla cinerea) heutzutage die am häufigsten und am preiswertesten zu erstehende Laubfrosch-Art im Handel darstellt. Der Karolina-Laubfrosch unterscheidet sich bezüglich der Färbung von den europäischen Arten am ehesten durch das Flankenband, das bei H. cinerea stets schneeweiß ist, bei den Europäern schwarz. Übrigens hat das Handelsverbot keinerlei spürbaren Einfluss auf die Bestandsentwicklung der europäischen Laubfrösche gehabt. Die Bestände sind dort, wo ihre Lebensräume zerstört wurden und werden immer noch rückläufig, hinzu kommt das weltweite Froschsterben.
Eine gesunde Froschpopulation kann durch die – auf die Gesamtpopulation bezogen immer vergleichsweise geringfügige – Entnahme von Tieren zum Zweck des Lebendhandels nicht gefährdet werden.
Der Karolina-Laubfrosch
Bereits 1799 wurde dieser schöne und sehr charakteristische Laubfrosch beschrieben. Seine Verbreitung im Südosten der USA sieht Im Detail so aus: vom südlichen Texas östlich durch die Küstenebene auf die Florida-Halbinsel und Delaware; von Ost-Texas und dem westlichen Tennesee nach Norden in den Mississippi-Einzug und dem südöstlichen Missouri, Zentral-, Ost- und Süd-Arkansas, dem südlichen Illinois, westlichen Kentucky und dem äußersten Südwesten von Indiana. Im nordwestlichen Puerto Rico wurde die Art eingeschleppt. Farblich variiert die Art etwas. Gewöhnlich sind die Tiere hellgrün und haben einen weißen Streifen auf der Seite, der entlang des Oberkiefers und der Flanke verläuft. Dieser Streifen kann jedoch auch manchmal fehlen. Manchmal haben die Tiere kleine goldene, dunkel eingefasste Punkte auf dem Rücken.
Eine Zeit lang unterschied man eine nördliche (Hyla cinerea evittata) und eine südliche Unterart (H. cinerea cinerea), wobei bei Hyla cinerea evittata der so typische Lateralstreifen fehlen sollte und der Kopf massiger wäre. Jedoch zeigte Reed (1958), dass diese Unterschiede überall in der Varianz der Art auftreten und als Unterart- oder gar Artkriterium nicht taugen. Heute nimmt man daher an, dass der Karolina-Laubfrosch keine Unterarten ausbildet.
Männchen und Weibchen sind äußerlich nur schwer zu unterscheiden. Männchen besitzen eine kehlständige Schallblase und werden nur etwa 3,2 cm lang, Weibchen erreichen die doppelte Länge, werden also 6,4 cm lang. Leider sind aber Weibchen nur sehr selten im Handel anzutreffen, denn die Männchen bilden große Rufgemeinschaften von mehreren hundert Individuen. Dazu versammeln sie sich besonders gerne in den schwimmenden Eichhornia-Wiesen, wo sie sehr leicht gefangen werden können. Da die Weibchen nur zum Ablaichen zu den Männchen kommen und sich anschließend wieder in die Büsche der Umgebung schlagen, entgehen sie den Tierfängern meist. Die Laichzeit des Karolina-Laubfrosches ist im Süden des Verbreitungsgebietes von März bis Oktober, im Norden von April bis September. Der Ruf der Männchen klingt aus der Entfernung etwa wie Kuhglockengeläut, aus der Nähe erinnert der Ruf eher an Gänsegeschnatter.
Die Art ist sehr fruchtbar und während einer Saison kann ein Weibchen mehrfach laichen. Die Größe der Gelege ist äußerst variabel und schwankt zwischen durchschnittlich 700 und 2150 Eiern (Minimum 478, Maximum 3946), je nach Vorkommen und wohl auch Größe und Kondition der Weibchen. Beim Schlupf sind die Kaulquappen ca. 4,5 – 5,5 mm lang und wachsen bis zur Metamorphose auf etwa 6 cm heran, wozu sie 28 bis 44 Tage brauchen.
Im Terrarium
Hyla cinerea ist sehr anpassungsfähig und gilt als Kulturfolger. Die wichtigste ökologische Anforderung, die die Art stellt, ist, dass permanente Gewässer zur Verfügung stehen, die möglichst fischarm sein sollten (weil Fische Kaulquappen fressen) und die über eine reiche Vegetation verfügen. Die Männchen rufen von leicht erhöhten Rufplätzen, die zwischen 30 und 50 cm oberhalb des Wasserspiegels liegen. Als typische Baumfrösche springen Karolina-Laubfrösche kaum, sondern klettern und schreiten eher. All dies lässt sich im Terrarium leicht nachbauen.
Man richtet also das Terrarium für Hyla cinerea als Feucht- oder auch Aqua-Terrarium ein, mit großem, gut gefilterten Wasserteil und reichlich Bepflanzung. Gefüttert werden die schmucken Tiere mit weichen Insekten wie Stubenfliegen oder Heimchen. Der Karolina-Laubfrosch ist hauptsächlich in der Dämmerung aktiv, eingewöhnte Exemplare sind jedoch auch tagsüber häufig zu beobachten. Die Temperatur sollte nur zur Überwinterung unter 20°C sinken, bereits bei 16°C werden die Tiere träge und in ihren Bewegungen unkoordiniert. Die Zucht des Karolina-Laubfrosches ist schon häufig gelungen und setzt lediglich eine Überwinterung bei Temperaturen um 15°C und reduzierter Beleuchtungsdauer (8-10 Stunden statt sonst 12-14 Stunden) von wenigen Wochen voraus.
Leider sind, wie bereits gesagt, Weibchen rar, weshalb man am besten 10 bis 15 halbwüchsige Exemplare erwirbt. Dann stehen die Chancen gut, auch Weibchen in der Truppe zu haben und nicht nur einen Männergesangsverein.
Frank Schäfer
Lexikon
Hyla: nach dem schönen Hylas, einem Gefährten des mythischen altgriechischen Helden Herakles. Hylas wurde auf einem gemeinsamen Abenteuer von Nymphen in einen Quellteich gezogen. Herakles suchte lange und vergeblich nach ihm und rief immer wieder seinen Namen.
arborea: bedeutet „zum Baum gehörend“
meridionalis: bedeutet „im Mittelmeerraum lebend“
cinerea: bedeutet „aschgrau“
evittata: bedeutet „ohne Streifen“
Eichhornia: Widmungsname für den preussischen Minister J. A. Fr. Eichhorn (1779-1856)
intermedia: bedeutet „dazwischen stehend“
sarda: bedeutet „von Sardinien kommend“
savignyi: Widmungsname für Jules-César Savigny, membre de l’Institut d’Egypte, 1777-1851
Literatur
Reed, C. F. (1958): Hyla cinerea in Maryland, Delaware, and Virginia, with notes on the taxonomic status of Hyla cinerea evittata. Journal of the Washington Academy of Sciences 46 (10): 328-332
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