
(fs) Australien hat seinen nächsten Gegner aus dem Tierreich: Tilapia. Nach dem Kaninchen (Oryctolagus cuniculus) und der Agakröte (Rhinella marina, früher Bufo marinus) zeigt nun eine Fischart eindrucksvoll, dass der Mensch nur noch ohnmächtig zusehen kann, wenn er die Natur erst einmal entfesselt hat.

„Tilapien“ sind mittlerweile weltweit in tropischen und subtropischen Regionen verbreitet. Dies ist ein Oreochromis-Jungtier aus Paraguay.
Was sind „Tilapien“?
In den 1950er Jahren begann man, verschiedene afrikanische Buntbarsche aus der Verwandtschaft der Gattung Tilapia auf ihre Eignung zur Aquakultur und zur Bekämpfung des Welthungers zu untersuchen. Die Buntbarsche der Tilapia-Verwandtschaft haben mehrere Eigenschaften, die sie dafür besonders gut geeignet erscheinen lassen:
- sie sind äußerst fruchtbar und gute Brutpfleger; so lässt sich aus wenigen Ausgangstieren rasch eine große Anzahl züchten.
- sie sind schnellwüchsig und erreichen unter gewissen Umständen eine ordentliche Größe
- sie lassen sich gut mit Futtermitteln auf pflanzlicher Basis ernähren, verwandeln also in Eiweißmangel-Gebieten für den Menschen wertloses Grünzeug in kostbares Protein
- sie stellen nur sehr geringe Anforderungen an die Wasserqualität und zeigen eine hohe Toleranz gegen Versalzung

Sarotherodon melanotheron, eine maulbrütende „Tilapie“ mit hoher Salztoleranz
Hinter dem Sammelbegriff „Tilapia“ (Mehrzahl: Tilapien) verbergen sich allerdings viele verschiedene Arten aus mehreren Gattungen. Die echten Tilapia-Arten sind offenbrütende Buntbarsche mit Elternfamilie. Das bedeutet, die Tiere legen ihre aus vielen hundert Eiern bestehenden Gelege auf festen Gegenständen (Wurzeln, Steinen etc.) ab und beide Eltern verteidigen den Laich und später die Jungfische aggressiv gegen potentielle Feinde. In Aquakultur sind aus dieser Gruppe hauptsächlich Tilapia mariae und Tilapia zilli, vor allem letztere Art besitzt eine sehr hohe Salztoleranz und kann sogar in reinem Meerwasser leben. Die Arten der Gattungen Oreochromis und Sarotherodon sind hingegen agame, maternale Maulbrüter, das bedeutet: die Männchen beteiligen sich nach dem Ablaichen nicht an der Laich- oder Jungfischpflege, sondern laichen mit zahlreichen Weibchen ab. Die Weibchen bebrüten die Eier im Maul bis zum Schlupf der Jungtiere und nehmen auch später noch eine Zeit lang die Jungen in Bedrohungs-Situationen zum Schutz ins Maul. Es sind weltweit vor allem Oreochromis aureus, O. niloticus und O. mossambicus und etliche Hybriden in Aquakultur, aus der Gattung Sarotherodon ist es S. melanotheron – wiederum eine sehr salztolerante Art.

Tilapia mariae, ein Offenbrüter
Fluch oder Segen?
Reisende Aquarianer hassen „Tilapien“, denn wo diese Buntbarsche im Netz zappeln, das lehrt die Erfahrung, nimmt die Vielfalt einheimischer Arten rapide ab. Unter Ökologen werden „Tilapien“ ebenfalls gerne als „Seuchen“ oder – englisch – „Pests“ bezeichnet. Ein Zusammenhang zwischen Biodiversitätsverlust und dem Auftreten von „Tilapien“ ist offensichtlich. Weit weniger offensichtlich ist allerdings, ob die „Tilapien“ tatsächlich für den Biodiversitätsverlust verantwortlich sind. Behaupten kann man so etwas nämlich leicht, es zu beweisen ist erheblich schwerer. Es kann genauso gut sein, dass die „Tilapien“ einfach nur besser mit den Gegebenheiten in vom Menschen gestörten Lebensräumen klarkommen als die ursprünglich heimischen Arten. Allerdings steht außer Frage, dass „Tilapien“ jede Nahrungsquelle nutzen, auch Jungfische anderer, einheimischer Arten, die daher mit einem zusätzlichen Predatorendruck (Predator = Freßfeind) klar kommen müssen.
Alles Jammern nutzt aber nichts, denn es gibt zu den „Tilapien“ in vielen Ländern der Tropen einfach keine sinnvolle Alternative in der Aquakultur. Und so lange „Tilapien“ in Teichen gehalten werden, so lange werden auch Tiere in die freie Natur entkommen, sei es bei Hochwasserereignissen oder auf sonstigen Wegen. Und es steht außer Frage, dass „Tilapien“ lecker sind und schon Millionen von Menschen zu einer gesunden Portion Eiweiß und zu einem dauerhaften Einkommen verholfen haben, die sonst unter Mangelernährung und bitterer Armut hätten leiden müssen.

Lecker zubereitete „Tilapia“
In Queensland ist der Besitz von „Tilapien“ seit Jahrzehnten verboten. Man darf sie nicht haben, weder lebend zur Aquarienhaltung, noch tot im Kühlschrank für´s Barbecue. Und doch sind inzwischen wohl alle größeren Flussysteme mit ihnen verseucht. Wenn sie noch nicht da sind, werden sie kommen. Woher stammen sie? Die Antwort der Verantwortlichen ist gemein: Aquarianer hätten die Tiere ausgesetzt. Gemein ist das deshalb, weil dieser Weg der Einbürgerung extrem unwahrscheinlich ist und es allmählich nicht mehr zu ertragen ist, wie sich Behörden auf private Tierhalter als Sündenböcke für alles und jedes Übel dieser Welt einschießen. „Tilapien“ waren nie in nennenswertem Umfang Aquarienfische und sie werden es auch nie werden, schon gleich gar nicht die großen Oreochromis, die in Queensland unterwegs sind (um welche Art es sich in Queensland genau handelt, ist der Presse nicht zu entnehmen). Wie sie statt dessen nach Queensland kamen? Höchstwahrscheinlich als ungewollte Beimischung zu Besatzfischen, die wie in aller Welt auch in Queensland zur „Bestandsstützung“ in riesigen Mengen ausgesetzt werden.

Oreochromis mossambicus, die wohl häufigste „Tilapie“ in Aquakultur
Das Beispiel der „Tilapien“ in Queensland zeigt einmal mehr, dass staatliche Stellen komplett versagen, wenn es um die komplexen Zusammenhänge im Natur- und Artenschutz geht. Seit Jahrzehnten werden auf der ganzen Welt haufenweise Gesetze geschaffen, die entweder nur albern oder aber kontraproduktiv sind. Statt immer weitere nutzlose Haltungs- und Fangverbote auszusprechen muss endlich eine sinnvolle, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Aufklärung in Kindergärten und Schulen her. Man darf Kinder nicht daran hindern, Fische, Frösche und Vögel zu fangen und zuhause zu halten, sondern man muss sie darin bestärken, es zu tun. Nur was man kennt, kann man schützen! Nicht durch Schmetterlingssammler sterben die Falter aus, sondern dadurch, dass ohne Schmetterlingssammler niemand mehr ihr Verschwinden bemerkt. In Queensland sind „Tilapien“ verboten. Aber offenbar haben die Behörden nicht bedacht, dass Fische nicht lesen können und sich einen Dreck um Gesetze der Menschen scheren…
Die Original-Meldung können Sie hier nachlesen: http://www.abc.net.au/news/2016-08-12/tilapia-infestation-in-south-east-queensland/7690180
Im in Kürze erscheinenden Bookazine von Aqualog wird sich ein Beitrag auch mit dem lächerlichen Haltungsverbot invasiver Arten, das die europäische Union gerade erlassen hat, befassen.
Anzeige

Pingback: Blog Aquaristik und Umwelt – aquaterra70