Wunderschöne Leierfische

Die Leier- oder Spinnenfische (Callionymidae) sind eine Familie vor­wiegend im Meer lebender, nahezu weltweit verbreiteter Boden­fische. Lediglich zwei Arten wurden bisher aus dem Süßwasser bekannt, einige wenige dringen ins Brackwasser vor. Insgesamt kennt man derzeit 197 Arten, die sich auf 17 Gattungen verteilen.

Obwohl einige der nachfolgend näher besprochenen Arten relativ eng mit Korallen assoziiert leben, führen z.B. Lieske & Myers in ihrem Bestimmungsbuch „Korallenfische der Welt“ (1994) nur 8 Arten auf: Synchiropus picturatus, S. splendidus, S. stellatus, S. ocellatus, S. morrisoni, S. ijimae und zwei Vertreter der Gattung Callionymus: C. delicatulus und C. simplicicornis.

In der Nordsee und westlichen Ostsee, im Mittelmeer, Schwarzen Meer und im nordöstlichen Atlantik kommt Callionymus lyra vor. Oberes Bild Männchen, unteres Weibchen.

In europäischen Meeren kommen auch einige Arten vor. 10 Arten werden aus dem Ostatlantik (inklusive Nordsee, Mittelmeer und dem Schwarzen Meer) gemeldet. Leider kommen sie aber nur selten ins Flachwasser, weshalb sie beim Strandurlaub kaum angetroffen werden. Es sind häufige Fische, doch schwer lebend in gutem Zustand zu bekommen. Beim Krabbenfischen gehören die Leierfische zum regelmäßigen Beifang in der Nordsee; dabei handelt es sich um Callionymus lyra und C. maculatus. Erstere Art hat gestreifte Flossen und wird maximal 30 cm lang, letztere gepunktete Flossen und erreicht nur 16 cm. Die Weibchen bleiben bei beiden Arten deutlich kleiner. Die Fischer mögen die Leierfische nicht gern, denn sie reißen mit ihren Kiemdeckelstacheln, denen man gelegentlich sogar eine Giftwirkung nachsagt, schmerzhafte Wunden. In Schauaquarien bekommt man manchmal Leierfische zu sehen. Die Mittelmeer-Arten gelten nach Neumann & Paulus (Mergus Mittelmeer-Atlas, 2005) als grundsätzlich leicht haltbar. Allerdings sollen sich diese Arten fast den ganzen Tag über eingraben und erst abends aus dem Sand auftauchen. Zumindest C. lyra präsentierte sich aber in den Schauaquarien, in denen ich ihn bewundern konnte, sehr offen, etwa im Hirtshals Oceaneum in Dänemark.

Die Pflege von europäischen Leierfischen wird aber stets die Sache von Spezialisten bleiben. Es gibt ja schon kaum Süßwasseraquarianer, die sich mit heimischen Fischen befassen und Nordsee- oder Mittelmeer-Aquarianer gibt es noch viel weniger. Wenn sich diese Menschen mit Leierfischen befassen, werden sie schon wissen, worauf sie grundsätzlich zu achten haben und brauchen dazu nicht meinen Blog. Nur ganz grob soll daher darauf hingewiesen werden, dass man europäische Leierfische in Aquarien mit Sandboden pflegen muss und dass die Wassertemperaturen bei Exemplaren aus der Nordsee möglichst 18°C, bei solchen aus dem Mittelmeer 22°C nicht dauerhaft übersteigen sollten. Alles übrige wie nachfolgend für tropische Leierfische beschrieben.

Mandarinfisch, Synchiropus splendidus, Männchen

Von der großen Vielfalt tropischer Leierfische gelangen vor allem zwei Arten wegen ihrer unglaublichen Farbenpracht regelmäßig in den Fach­han­del: der Mandarinfisch Synchiropus splendidus und der LSD-Fisch S. picturatus.

Der Mandarinfisch
Der Mandarinfisch, Synchiropus splendidus, ist weit im West-Pazifik verbreitet, man findet ihn von den Riukiu-Inseln bis nach Austra­lien. Je nach Herkunft sieht er etwas unter­schied­lich in der Grundfärbung aus, doch wur­de bislang noch nicht systematisch daran gegangen, diese Farbschläge zu beschreiben.
In der Natur lebt der Mandarinfisch auf offenen Böden nahe bei Korallenriffen, ist aber kein Korallenfisch im eigentlichen Sinne. Wie alle Leierfische ist er ein Klein­tier­picker, der den ganzen Tag damit beschäftigt ist, nach Nahrung zu suchen. Unun­ter­brochen beobachten dabei die großen, aus­drucks­vollen Augen die Umgebung.
Die Maximalgröße des Mandarinfisches liegt bei etwa 8 cm, gewöhnlich bleibt er aber kleiner und bereits 4 cm lange Tiere sind laichfähig.


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Geschlechtsunterschiede
Die Geschlechter sind bei allen Leierfischen relativ einfach zu unterscheiden, so auch beim Mandarinfisch, denn die Männchen besitzen eine im Vergleich zu den Weib­chen stark vergrößerte erste Rückenflosse, die sie zur Balz einsetzen.
Es ist von erheblicher praktischer Bedeu­tung, dass man die Geschlechter so leicht un­ter­scheiden kann, denn die Männchen sind untereinander völlig unverträglich.

Pflege und Zucht
Mandarinfische pflegt man am besten paar­weise, dann kann man diese herrlichen Klein­ode im Aquarium voll genießen, denn ihr Verhalten ist sehr abwechslungsreich und sie laichen im Aquarium auch regelmäßig ab.

In den Anfangsjahren der modernen Seewasseraquaristik, in den 1950er und 1960er Jahren, galten Mandarinfische als extrem heikle Pfleglinge, die nur von Spezialisten erfolgreich gepflegt werden konnten. Heutzutage zählt man sie eher zu den Anfängerfischen. Wie das?

Der wesentliche Grund für diese neue Einschätzung liegt in der völlig veränderten Form, in der die Meerwasseraquaristik heutzutage betrieben wird. Früher stand der Fisch im Mittelpunkt des Interesses. Es gab – das darf man nicht vergessen – keinen Tauchsport mit Pressluftflaschen. Man kannte die Unterwasserwelt nur durch das Schnorcheln. Korallenfische waren praktisch unbekannt. So pflegte man zunächst reine Fischaquarien, hauptsächlich besetzt mit robusten Arten, denen die noch wenig ausgereifte technische Ausstattung der Aquarien genügte, die mit den noch einfachen Seesalzmischungen klarkamen und denen die im Binnenland verfügbaren Futtermittel ausreichten. Unter solchen Bedingungen konnten erstaunlich viele Fischarten ausgezeichnet gedeihen, oft laichten sie auch ab, in Einzelfällen (Clownfisch & Co.) gelang sogar die Aufzucht. Aber Kleintierfresser, die den ganz Tag nach Futter suchen, ständig kleine Mengen Nahrung zu nehmen, hatten in diesen Fischaquarien, in denen wegen hoher Nitrat- und Phosphatwerte nur wenige oder gar keine wirbellosen Tiere und kaum höhere Algen wuchsen, kaum eine Chance zu gedeihen. Heutzutage ist das völlig anders. Ein modernes Seewasseraquarium ist in aller Regel ein Biotop für Wirbellose, in denen die Fische belebendes Beiwerk sind. Ein gut eingefahrenes Seewasseraquarium wimmelt von Mikroleben und bei ausreichender Größe und geringem Besatz müssen Mandarinfische nur noch wenig zugefüttert werden. Mit Artemia salina steht ein Lebendfuttermittel zur Verfügung, das ganzjährig gereicht werden kann. Von der Nauplie bis zum erwachsenen Artemium ist jedes Lebensstadium als Futter für Mandarinfische geeignet und bleibt im Meerwasser praktisch unbegrenzt am Leben, so dass auch berufstätige Aquarianer mit normalem Sozialleben Mandarinfische erfolgreich pflegen können, da eine einmalige Fütterung am Tag ausreichend ist.

Die Zucht ist freilich ein anderer Stiefel, vor allem in Hinsicht auf den erforderlichen Zeitaufwand. Mandarinfische sind, wie alle Leierfische, Freilaicher. Das Balzverhalten ist spektakulär, ein fantastischer Tanz. Schon allein deshalb sollte man Leierfische immer paarweise pflegen, damit man dieses wundervolle Verhalten beobachten kann.

Männchen des Mandarinfisches vertragen sich nicht. Dauerhaft kann man nur ein Männchen pro Aquarium pflegen.

Die Laichabgabe erfolgt abends. Leider ist es äußerst schwierig, des Laichs habhaft zu wer­den, denn die Aufzucht im Aquarium ist durch­aus schon gelungen, sogar über meh­rere Generationen, obwohl Eier und Larven sehr winzig sind. Brutpflege betreiben Man­darinfische nicht, die Eier und Larven sind pelagisch, also frei im Wasser treibend. Einen ausführlichen Zuchtbericht liefert Mai in Brockmann (Nachzuchten für das Korallenriff-Aquarium, Birgit Schmettkamp Verlag, 2004).

Die kleinen und wenig schwimmfreudigen Mandarinfische kann man zur Zucht gut paarweise in kleinen Meerwasseraquarien pflegen, vorausgesetzt, sie sind gut biologisch eingefahren und weisen das oben beschriebene reiche Mikroleben auf.

Warum sind Mandarin- und LSD-Fische so bunt?
Die ungeheure Farbigkeit können sich die kleinen und weitgehend wehrlosen Fische (einige Leierfische besitzen allerdings Stacheln auf den Kiem­en­deckeln, so der oben bereits erwähnte Callionymus lyra; der Stich gilt als schmerzhaft und ist mög­licherweise giftig) leisten, weil sie ein widerlich schmeckendes Hautgift haben, das sie für die meisten Fischfresser unattraktiv macht. Die auffallende Schwimmweise und das wenig scheue Verhalten erinnert zudem an giftige Nacktschnecken und Strudelwürmer, was von vornherein viele potentielle Fressfeinde abschreckt.

Langsame Fresser
Im Prinzip sind Mandarinfische perfekte Aquarien­fische, da sie kaum krankheits­anfällig sind, klein bleiben, sehr bunt sind, ein interes­santes Verhalten zeigen und Wirbel­lose unbeachtet lassen. Aber – es muss noch einmal eindringlich darauf hingewiesen werden – es sind sehr langsame und be­dächtige Fresser. Man darf Mandarinfische darum niemals in Gesellschaft gieriger Fresser pflegen, sonst verhungern die Mandarin­fische über kurz oder lang. Am besten füttert man täglich eine große Portion lebender Artemia-Nauplien, die man sich ja leicht erbrüten kann, und idealerweise zweimal täglich anderes Futter. Frostfutter wird gern genommen, auch Granulate akzeptieren viele Individuen, was die Fütterung sehr vereinfacht.


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LSD-Fisch, Synchiropus picturatus

Weitere Arten
Im Prinzip gilt alles, was für den Man­darinfisch gesagt wurde, auch für die anderen Leierfische. Der LSD-Fisch, Synchiro­pus picturatus, wird rund 7 cm lang und ist im Indo-West-Pazifik verbreitet. Der Rote Man­darinfisch, S. stellatus (Indischer Ozean, etwa 7,5 cm Maximallänge), und der sehr ähnliche Marmorierte Mandarinfisch, S. mar­moratus (maximal 13 cm, westlicher Indik), sind zwar nicht so knallig bunt gefärbt, aber ebenfalls sehr attraktive Fische..
Die Callionymus-Arten werden nur sehr sporadisch eingeführt; sie sind Sandboden­bewohner und hier perfekt getarnt. Manchmal erkennt man die Tiere erst, wenn sie sich bewegen. Auch bei diesen Arten, die umgangssprachlich auch als Spinnenfische bezeichnet werden, haben die Männchen auffällig gefärbte und stark vergrößerte Rückenflossen, die bei den imposanten Balzspielen zum Einsatz kommen.

Synchiropus marmoratus

Leider nur sehr selten zu bekommen: Sandbewohner
Im Eingangstext wurde es gesagt: der überwältigende Teil der Leierfische hat mit Korallenriffen nichts zu tun. Sie bewohnen Sandflächen und graben sich gerne ein. Sandbewohner haben grundsätzlich nicht die schreienden Farben, die viele Riff-Fische zeigen. Aber sie sind dennoch herrliche Fische mit teils riesigen Flossen. Für ihre Pflege gilt alles, was schon gesagt wurde, also: häufige Futtergaben, möglichst oft Lebendfutter reichen, das lange im Meerwasser am Leben bleibt, paarweise Pflege. Es ist oft sehr komplex, den Versuch zu starten, solche Arten zu bestimmen. Ein gutes Merkmal sind die oft sehr farbigen ersten Rückenflossen der Männchen, die diese Tiere zur innerartlichen Erkennung, zum imponieren und drohen benutzen. Das kann man sehr gut vergleichen mit den kleinen Baumleguanen der Gattung Anolis. Auch diese Echsen stellen eine sehr artenreiche Gruppe dar, deren Bestimmung am besten anhand der farbigen Kehllappen der Männchen gelingt. Am Körper sind Anolis braun oder grün, tarnfarben halt, denn wer auffällt wird gefressen. Aber die sehr bunten Kehllappen sind ein ausgezeichnetes Kommunikationssystem selbst über einige Meter Entfernung hinweg.

Dactylopus dactylopus

Die größten Leierfische aus dieser Sandbewohner-Gruppe sind die Vertreter der Gattung Dactylopus, auch Finger-Leierfische genannt: Dactylopus dactylopus und D. kuiteri. Joachim Frische berichtet ausführlich über diese Tiere hier: https://www.aqualog.de/blog/der-finger-leierfisch-dactylopus-dactylopus-imposanter-auftritt-unscheinbare-faerbung/

Dactylopus kuiteri

Wesentlich kleiner bleibt der monotypische (das heißt, es gibt in der Gattung nur eine Art) Anaora tentaculata, nämlich höchstens 6 cm. Er kommt oft auf Sandböden in Pools von Riffen vor.

Anaora tentaculata

Wer das Glück hat, solche Tiere im Handel zu entdecken, sollte zugreifen, denn Farbe ist wirklich nicht alles. Auch und gerade an Tieren, die etwas versteckt leben und gedeckte Farben haben, kann man spannende Beobachtungen machen!

Frank Schäfer

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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