Die Paraguay-Connection

Die farbliche Anpassung einer Art an eine andere, nicht verwandte Art nennt man Mimikry. Am berühmtesten sind die Beispiele von Mimikry, in denen völlig harmlose Gesellen echte Gifteumel nachahmen und somit vom schlechten Ruf ihrer Vorbilder profitieren. Unter den Insekten sind es z.B. die völlig waffenlosen Schwebfliegen, die die giftstachelbewehrten Wespen, Bienen und Hummeln imitieren.

Corydoras hastatus

Die Mimikry, die hier besprochen werden soll, zeigt der niedliche Sichelfleck-Panzerwels, Corydoras hastatus. Er ist mit maximal 3 cm Länge eine der kleinsten Corydoras-Arten, die man kennt. Ähnlich wie der noch etwas kleinere Zwergpanzerwels, C. pygmaeus, schwimmt der Sichelfleck-Panzerwels fast ständig im freien Wasser und hat das Bodenleben weitgehend aufgegeben. Der Sichelfleck-Panzerwels findet sich vor allem im Rio Paraguay und seinen Nebenflüssen, der im Hochland von Mato Grosso in Brasilien entspringt und dann durch Paraguay fließt.

Corydoras hastatus und Hemigrammus tridens
Hemigrammus tridens

Hier vereint sich der Sichelfleck-Panzerwels mit ganz ähnlich gefärbten Salmlern z.B. der Arten Cheirodon kriegi, Aphyocharax paraguayensis, Odontostilbe paraguayensis, Serrapinnus piaba und Hemigrammus tridens (es gibt noch ein paar mehr Arten, die so aussehen) zu gemischten Schwärmen. Der Vorteil dieser Mimikry liegt auf der Hand: Durch die Verzwergung der Panzerwelsart wuchs die Anzahl der Arten von Fressfeinden, die sich von der schwachen Panzerung nicht mehr abschrecken lassen. Große Panzerwelse haben kaum Fressfeinde, die kratzen viel zu stark im Hals mit ihren spitzen Flossenstacheln und der harten Panzerung.

Aphyocharax paraguayensis
Cheirodon kriegi

Doch für die zarten Zwerge galten wieder die gleichen Spielregeln, wie für alle wehrlosen Kleinfische, die in diesem Fall folgende Lösung fanden: In der Masse sind wir stark! Typisch für alle Mitglieder dieses symbiontischen (Symbiose: Lebensgemeinschaft unterschiedlicher Arten zum gegenseitigen Nutzen) Schwarms artfremder Mitglieder ist ein schwarzen, hell eingefasster Schwanzwurzelfleck, der eventuellen Raubfischen ein Auge vortäuschen soll. Raubfische orientieren sich beim Angriff immer am Auge des Opfers und so steigt mit dem Vorhandensein eines Augenflecks am Hinterkörper die Chance, dass ein Räuber in Leere stößt. Diesen Trick haben die unterschiedlichsten Fischarten immer wieder neu erfunden.

Serrapinnus piaba, Männchen
Serrapinnus piaba, Weibchen

Die gemischten Paraguay-Schwärme haben gegenüber artreinen Schwärmen einen großen Vorteil: Jede Mitgliedsart hat unterschiedliche Futteransprüche und so treten die einzelnen Mitglieder des Schwarms in weit weniger Konkurrenz zueinander, als dies bei einem artreinen Schwarm der Fall ist. Besteht also so ein Schwarm aus, sagen wir mal 1000 Individuen, so muss sich ein Paraguay-Rotflossensalmler (Aphyocharax paraguayensis) um eine ins Wasser gefallene Mücke, seine Hauptbeute, mit 999 Artgenossen streiten. Im gemischten Schwarm aus 5 Arten jedoch nur mit 199. Und das bei gleichem Schutzfaktor.

Odontostilbe paraguayensis, Männchen
Hyphessobrycon luetkeni

Leider wird nur der eben schon erwähnte Paraguay-Rotflossensalmler (Aphyocharax paraguayensis) regelmäßig von den genannten Arten importiert und steht auch regelmäßig als Nachzucht zur Verfügung. Die anderen sind zu farblos. So kommen nur wenige Glückliche, die Zugang zum Großhandel haben und sich dort die so genannten Beifänge aus importierten Sichelfleck-Panzerwelsen heraussammeln können, in die Situation, einmal alle Arten zusammen in einem großen Gemeinschaftsaquarium zu pflegen und die ganzen Feinheiten dieses Zusammenlebens zu studieren.

Schade, dass sich im Zoofachhandel immer nur die farbigen Fische gut verkaufen lassen…

Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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Ein Kommentar zu “Die Paraguay-Connection

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