Sturisoma nigrirostrum – der hochnäsige Fisch

Die Gattungen Sturisoma (10 wissenschaftlich beschriebene und akzeptierte Arten, östlich der Anden = cis-andin) und Sturisomatichthys (7 wissenschaftlich beschriebene und akzeptierte Arten, westlich der Anden = trans-andin) werden auf deutsch als Störwelse bezeichnet. Im Hobby haben wir zusätzliche Arten, deren systematischer Status noch unklar ist. Die verbreitetste Art, der Hochflossen-Störwels, war lange als Sturisoma panamense (jetzt Sturisomatichthys p., eine im Hobby nicht vertetene Art) bekannt, bis Evers und Seidel zeigen konnten, dass es sich bei dieser seit den 1980er Jahren kontinuierlich in Zucht befindlichen Art um Sturisomatichthys festivus (früher: Sturisoma festivum) aus Kolumbien handelt.

Sturisoma nigrirostrum, Portrait

Es lassen sich – soweit das bislang versucht wurde – alle Sturisoma-Arten im Aquarium nachzüchten. Jedenfalls lai­chen sie willig ab. Als Offenbrüter laichen sie sogar oft an der Frontscheibe des Aqua­ri­ums, wo das Männchen, erkennbar an einem “Backenbart” aus Odontoden, der dem Tier zur Fortpflanzungszeit wächst, die Eier be­treut. Meist gelingt es recht problemlos, die Jungfische zum Schlupf zu bringen und die ersten ein bis zwei Wochen ist die Aufzucht auch nicht schwierig. Doch dann kommt es bei vielen Züchtern zu massiven Verlusten. Diejenigen, denen die Aufzucht gelingt, machen ein großes Geheimnis aus ihren Methoden, so dass die Ursache des Miss­erfolgs der Scheiternden bislang immer noch nicht ganz geklärt ist.

Sturisomatichthys festivus, die früher am häufigsten gezüchtete Art, war früher als S. panamense bekannt.

Es ist aber wahrscheinlich, dass die Zeit des Jung­fisch­sterbens in die Zeit der Nahrungs­umstellung von vorwiegend fleischlicher Kost auf den Aufwuchs darstellt, der von da an den Rest des Lebens die Hauptnahrung eines Störwelses in der Natur darstellt. Auf­wuchs be­steht aus feinen Mikroalgen, Bak­terien, Pilzen und kleinsten Tierchen. Zu­min­dest für die Verdauung pflanzlichen Materi­als brauchen die Jungfische eine besondere Darmflora.


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Die schwarze Unterseite des Rostrums ist namens­gebend für S. nigrirostrum.

Bei vielen Pflanzenfressern, etwa Leguanen, fressen die Jungtiere daher aktiv den Kot der Erwachs­enen, und infizieren sich so mit den lebens­notwendigen Darmbakterien. Das Kotfressen junger Landschildkröten ist eine ebenso unappetitliche wie allgemein bekannte Vorliebe. Die Euter von Antilopen, Gazellen, Schafen, Ziegen, Rindern und Pferden befindet sich zwischen den Hinterbeinen, wo die gesäugten Jungtiere immer etwas vom Kot der Muttertiere abbekommen. Zootierpfleger wissen: bei der Flaschenaufzucht von Jungtieren dieser Arten muss man etwas Kot der Elterntiere der Milch beimischen, sonst sind die Tierchen nicht überlebensfähig. Etwas Kot der Elterntiere sollte daher auch im Aufzucht­aqua­rium für Störwelse stets vor­handen sein, damit sich die Jungtiere mit den überlebensnotwendigen Darmbakterien infizieren können. Eine „hygienische“ Aufzucht in blitzblanken Aquarien ist bei Zierfischzuchten grundsätzlich fragwürdig, für pflanzenfressende Arten sogar tödlicher Unfug. Übrigens: auch nach eventuellen Antibiotika-Behandlungen muss man Pflanzenfressern die Möglichkeit geben, ihre Darmflora wieder zu regenerieren. Am einfachsten tut man das durch Kot gesunder Artgenossen.

Sturisomatichthys aureus ist sehr ähnlich zu S. festivus, jedoch fehlen S. aureus die langen Flossenfilamente an Brust- und Bauchflossen.

Von den Störwelsen wurde, wie erwähnt, vor allem der sehr attraktive Sturisomatichthys festivus gezüchtet, zumal aus seinem Verbreitungsgebiet im Norden Kolumbiens wegen dortiger Terroristen-Tätigkeit keine Zierfische mehr zu uns gelangen. Gegenwärtig ist dieser schöne Fisch vom produktiveren und als kleinem Jungfisch nur schwer unterscheidbaren Sturisomatichthys aureus abgelöst worden, was schade ist, da dadurch S. festivus aus unseren Becken zu verschwinden droht. Die übri­gen Arten werden hingegen meist als Wild­fänge angeboten, es besteht darum wenig Bedarf an Nachzuchttieren.

Sturisoma nigrirostrum, zwei Exemplare des gleichen Importes, links mit aufgebogenem, rechts mit normalem Rostrum.

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Hierzu zählt auch der Nadelstreifen-Störwels, Sturisoma nigrirostrum aus Peru, der mehr oder weniger regelmäßig importiert wird. Man erkennt die Art ganz gut an der pech­schwarzen Unterseite des “Schnabels”, ein Merkmal, das auch zum wissenschaftlichen Artnamen führte. Typusfundort der Art ist Contamana, Río Ucayali, Peru. Eine weitere, ähnliche Art, ebenfalls mit schwarzer Rostrum-Unterseite aus Peru ist die erst 2018 neu beschriebene Art Sturisoma graffini aus der Madre de Dios-Region. Da aus verschiedenen Gründen Fische aus dieser Region erheblich teurer sind als solche aus dem Ucayali, kommt S. graffini kaum in den Zierfischhandel.

Sturisoma nigrirostrum, Totale

Aus ungeklärten Gründen sind unter den Importen von Sturisoma nigrirostrum manchmal Tiere vertreten, bei denen das Rostrum nach oben aufgebogen ist. Ingo Seidel (pers. Mitt.) fing beide Formen – also solche mit normaler Nase und hochnäsige Tiere – zusammen am gleichen Fundort in Peru. Es handelt sich um eine Laune der Natur, deren Sinn völlig unklar ist. Unbekannt ist auch, ob sich dieses Merkmal vererbt. Vielleicht züchten Sie diese Tiere ja einmal nach und klären diese Frage? Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!

Frank Schäfer

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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