Die kleinen Barben Asiens und Afrikas Teil 1: Puntius

Keine andere Fischgruppe ist derartig vielen Namensänderungen auf Gattungsebene unterworfen worden, wie die der kleinen Barben Asiens und Afrikas. Es handelt sich um eine außerordentlich erfolgreiche und artenreiche Gruppe. Genau darin liegt das Problem. Kaum ein Wissenschaftler hat den Gesamtüberblick. Aber in den letzten Jahren wurden große Anstrengungen unternommen, endlich die vielen verworrenen Verwandtschafts-Verhältnisse innerhalb der Kleinbarben (damit sind alle Arten gemeint, deren erreichbare Endgröße unter 20 cm liegt) aufzuklären. Dabei spielen DNS-Untersuchungen eine große Rolle. Die Analyse der Erbsubstanz ist zwar keine Wunderwaffe, wie viele meinen; ohne den Sachverstand eines erfahrenen Systematikers besagt sie auch nicht mehr als herkömmliche Methoden, wie die Untersuchung von anatomischen Merkmalen oder des Verhaltens oder auch der Farbmuster. Dennoch: einiges wird klarer, wenn man DNS-Analysen in die Betrachtungen einbeziehen kann.

Die Zeichnung, die Francis Hamilton der Beschreibung seiner Art Puntius sophore 1822 beifügte.

Bei den asiatischen Kleinbarben ist Puntius einer der ältesten verfügbaren Namen. Die Gattung wurde 1822 von Francis Hamilton aufgestellt, Typusart ist Puntius sophore. Der Name Puntius leitet sich nach Hamilton von der unter bengalischen Fischern üblichen Sammelbezeichnung „Pungti“ für Fische dieses Aussehens ab. Eine exakte Typuslokalität für P. sophore gibt Hamilton nicht an, er schreibt, die Art sei in Teichen sehr weit verbreitet. Darum legten Rohan Pethiyagoda und Mitarbeiter 2012 einen so genannten Neotypus fest, um eine eindeutige Identifizierung und eine Abgrenzung gegen ähnliche Arten in Zukunft möglich zu machen, aber auch, um anatomische Merkmale festlegen zu können, die auf der sehr schönen und eindeutigen Zeichnung, die Hamilton von seiner Art der Beschreibung beifügte, nicht erkennbar sind.

Puntius sophore, Wildfang aus Bengalen

Zeitweise waren der Gattung Puntius bis zu 285 Arten geordnet, nach Fishbase sind es gegenwärtig immer noch 48. Allerdings kann man bereits bei einem flüchtigen überfliegen der Liste bei Fishbase feststellen, dass hier auch Arten eingruppiert sind, die mit der Typusart, also Puntius sophore, wenig gemein haben, wie etwa die Bitterlingsbarbe („Puntius“ titteya), die hier sicherlich falsch zugeordnet wurde. Meines Erachtens sollten in Puntius wirklich nur Arten gestellt werden, die die folgende Merkmalskombination aufweisen:

Ein orangefarbener Fleck auf dem Kiemendeckel in Kombination mit einem schwarzen Fleck auf dem Schwanzstiel, silberglänzende Grundfärbung mit einem grünlichen Schimmer am Rücken, Männchen mit einem roten Längsband während der Balz. Auch die strahlenartige Schuppenstruktur scheint gattungstypisch zu sein.

Puntius chola, ebenfalls ein Wildfang aus Bengalen

Im Einzelfall ist eine sichere Abgrenzung vor allem gegen Arten der Gattung Pethia immer noch sehr kniffelig bis unmöglich.

Puntius terio, eine Art, die in gewisser Weise eine Zwischenform aus Puntius und Pethia darstellt. Das Tier ist ein Wildfang aus Bengalen.

Um eine zweifelsfreie Zuordnung einer Art zu Puntius vornehmen zu können, muss man die Fische auch lebend gesehen haben, da z.B. der charakteristische orangefarbene Kiemendeckelfleck bei konservierten Tieren oft nicht sichtbar ist und die Balzfärbung der Männchen nur saisonal auftritt. Engste Verwandte von Puntius sind, wie oben schon erwähnt, die Vertreter der Gattung Pethia, die sich von Puntius im Wesentlichen durch das Fehlen eines orangefarbenen Flecks auf dem Kiemendeckel unterscheiden.

Puntius bimaculatus kommt endemisch auf Sri Lanka vor.

Aquaristisch ist keine Puntius-Art von nennenswerter Bedeutung, obwohl es hübsche und gut haltbare Fische sind. Die etwas besser bekannten Arten sind Puntius sophore, P. chola, P. terio und P. bimaculatus. Alle übrigen bei Fishbase als zu Puntius gehörig aufgeführten Arten sind entweder noch nie oder so vereinzelt im Hobby aufgetaucht, dass nicht einmal brauchbares Bildmaterial existiert, oder aber sie gehören ganz sicher nicht zu Puntius, wie etwa „Puntius“ titteya oder „Puntius“ sahyadriensis. Der Status einer weiteren ab und zu im Aquarium gepflegten Art, „Puntius“ vittatus, ist unklar.

„Puntius“ titteya gehört sicher nicht in die Gattung Puntius.

Puntius vittatus – dieses Tier stammt von Sri Lanka, es gibt die Art aber auch in Süd-Indien – ist bezüglich der Gattungszugehörigkeit auch nicht so ganz eindeutig. Bis auf den fehlenden orangefarbenen Kiemendeckel-Fleck ist sie eine typische Puntius-Art, aber andererseits bekommen die Männchen in der Balz kein rotes Längsband.

Text & Photos: Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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