Fiederbartwelse (Synodontis) aus dem Tanganjika- und dem Malawisee

In Ost-Afrika verläuft von Syrien bis nach Mosambik der Große Grabenbruch, auf englisch Great Rift Valley, der durch das Auseinanderbrechen der afrikanischen Kontinentalplatte während der letzten 35 Millionen Jahre entstanden ist. Im Großen Grabenbruch befinden sich zwei Seen, bei deren Nennung die Buntbarschfreunde glänzende Augen bekommen: der Tanganjika- und der Malawisee. In beiden Seen leben hunderte endemischer, also nur dort vorkommender Buntbarscharten. Aber es gibt dort auch endemische Fiederbartwelse (Synodontis), die sich teils großer Beliebtheit erfreuen.

Pärchen von Synodontis grandiops; diese Art wurde lange mit S. multipunctatus verwechselt. An S. grandiops wurde in den 1980ern das Kuckucks-Verhalten entdeckt.

Der Artenschwarm des Tanganijkasees 

Im Tanganjikasee leben nach gegenwärtigem Wissensstand mindestens 11 endemische Synodontis-Arten, 10 davon sind, wie auf den ersten Blick zu sehen ist, eng miteinander verwandt, eine weitere fällt aus dem Rahmen. Die 10 einander ähnlichen im Tanganjikasee lebenden Arten haben ein gemeinsames Farbmerkmal, das sie von allen anderen Fiederbartwelsen unterscheidet: ein dunkles Dreieck (manchmal in dicht aneinandersitzende Punkte aufgelöst) an der Basis der Rückenflosse und der Brustflossen. Außerdem haben sie senkrechte Hautfalten am Körper, die bei allen anderen Synodontis-Arten fehlen. Weil diese 10 Arten also offensichtlich von einer gemeinsamen Stammart abstammen und einander ziemlich ähnlich sehen, spricht man  auch von einem „Artenschwarm“. Diese Arten des Tanganjikasees sind (in alphabetischer Reihenfolge): Synodontis dhonti, S. grandiops, S. granulosus, S.ilebrevis, S. irsacae, S. lucipinnis, S. multipunctatus, S. petricola, S. polli und S. tanganycae. Hinzu kommen noch Formen, die wissenschaftlich nicht eindeutig zugeordnet werden können, wie der „dwarf petricola“, der „petricola big“,  „irsacae dwarf“, „irsacae Langschnauze“ und der „polli white“.

Synodontis multipunctatus, Abbildung aus der Originalbeschreibung

Einzigartig: Kuckuckswelse

Die Fiederbartwelse des Tanganjikasees sind berühmt geworden, als man Ende der 1980er Jahre im Aquarium entdeckte, dass eine ihrer Arten ein Brutparasit bei maulbrütenden Buntbarschen ist. Die Welse legen ihre Eier zu denen von Buntbarschen, wenn diese ablaichen. Die Buntbarschmutter merkt den Betrug meistens nicht und nimmt die Welseier zum Ausbrüten in Maul, als wären es ihre eigenen. Hier schlüpfen die kleinen Welse früher als die Buntbarsche. Die Eier und Jungfische der Buntbarsche werden von den Kuckuckswelsen gefressen, die Buntbarschmutter entlässt schließlich nur noch kleine Welse aus dem Maul. Wenn zu wenig Eier der Buntbarsche vorhanden sind oder die Buntbarscheier sich aus irgendwelchen Gründen (z.B. schlechte Befruchtung) nicht entwickeln, sind die Kuckuckswelse sogar kannibalisch; dann kann es vorkommen, dass nur ein einziger Jungwelse überlebt. Diese Form von Brutparasitismus ist einzigartig im Reich der Fische, nur zwei Arten der Fiederbartwelse aus dem Tanganjikasee praktizieren ihn.

Oben Jungtier von Synodontis grandiops aus Sambia, unten erwachsenes Exemplar (Herkunft unbekannt). Das untere Tier müsste aufgrund der Augengröße S. grandiops sein, farblich entspricht es S. multipunctatus. oberes Photo: E. Schraml

Wie konnte dieses Verhalten entstehen?

Diese Frage ist noch ungeklärt. Es wird immer wieder beobachtet, dass Fiederbartwelse der unterschiedlichsten Arten versuchen, laichenden Buntbarschen die Eier zu stehlen und zu fressen. Manche Buntbarsche des Tanganjikasees, z.B. die Arten der Gattung Tropheus, reagieren sehr aggressiv auf die Welse, bei diesen Arten haben auch die Kuckuckswelse keine Chance. Aber ganz offensichtlich sind die Kuckuckswelse insgesamt sehr erfolgreich, denn sie treten gelegentlich in solchen Massen auf, dass die Netze der Fischer zu schwer werden, um sie noch einholen zu können. Im Aquarium wurde schon häufiger beobachtet, dass Synodontis der nicht schmarotzenden Arten ablaichten, wenn zeitgleich auch Buntbarsche im Aquarium laichen. Vielleicht bekommen Synodontis durch im Wasser befindliche Hormone von Buntbarschen (so genannte Pheromone, das sind Sexual-Lockstoffe) den nötigen „Kick“, um selbst abzulaichen. Das könnte auch erklären, warum es so verhältnismäßig selten zum spontanen Ablaichen all der vielen anderen Fiederbartwelse (es gibt rund 140 Arten, von denen 40-50 auch ab und zu im Hobby zur Verfügung stehen) im Aquarium kommt, obwohl die Weibchen gewöhnlich kräftig Laich ansetzen. Den Kuckuckswelsen ist es ziemlich egal, welchen maulbrütenden Buntbarschen sie die Kuckuckskinder unterjubeln. In der aquaristischen Praxis züchtet man sie am liebsten mit Buntbarschen aus dem Malawisee, weil die verhältnismäßig viel friedlicher und im Aquarium leichter zu züchten sind, als die entsprechenden Arten des Tanganjikasees.

Synodontis multipunctatus, abweichend gefärbtes, erwachsenes Tier.
Synodontis multipunctatus, halbwüchsiges Tier

Große Verwirrung

Leider stand die richtige Benennung der verschiedenen Arten der Fiederbartwelse aus dem Tanganjikasee unter keinem glücklichen Stern. Wissenschaftlich und – als logische Folge – auch aquaristisch kam es zu zahlreichen Fehlbestimmungen, die sich erst ganz langsam entwirren. Erwin Schraml kommt der Verdienst zu, das Chaos aufzuzeigen und so gut es geht aufzudröseln, wenngleich ganz sicher noch nicht das letzte Wort zu dem Thema gesprochen ist. Ich kann das hier unmöglich alles wiederholen, darum muss ich speziell interessierte auf die entsprechenden Artikel in der Zeitschrift Datz (2003: Hefte 8 und 10, 2014: Hefte 10 und 12, 2015: Heft 1) verweisen. Die Kuckuckswelse wurden zunächst falsch als Synodontis njassae und danach als Synodontis petricola bezeichnet. Beide Arten gibt es wirklich, sie sehen aber anders aus und haben kein Kuckucksverhalten. Dann glaubte man endlich, den im Aquarium verbreiteten Kuckuckswels als Synodontis multipunctatus richtig bestimmt zu haben. Aber seltsam: dieser Fiederbartwels wird fast 30 cm groß, im Aquarium – auch in wirklich großen Becken und nach vielen Jahren – aber nur höchstens 12-15 cm. Erst Ende 2006 stellten zwei Wissenschaftler bei der Überarbeitung der Fiederbartwelse des Tanganjikasees fest, dass der „Aquarien-multipunctatus“ tatsächlich eine wissenschaftlich noch unbekannte Art war und benannten sie Synodontis grandiops. Es gibt also zwei Arten Kuckuckswelse, eine kleine – Synodontis grandiops – und eine große – Synodontis multipunctatus, wobei letztere so gut wie nie im Aquarium gepflegt wird. Die Unterschiede zwischen beiden Arten sind am lebenden Tier kaum zu erkennen, zumal beide Arten sehr farbvariabel sind und es kaum zwei Exemplare gibt, die exakt gleich aussehen. Das sicherste Unterscheidungsmerkmal ist die Anzahl der weichen Brustflossenstrahlen; davon hat S. grandiops nur 7, S. multipunctatus 8. Man braucht aber Röntgenaufnahmen, um sich nicht von sehr tief gespaltenen Strahlen in die Irre führen zu lassen. Schraml weist zudem darauf hin, dass auch zweifellos „echte“ S. multipunctatus im Aquarium nicht groß werden und spekuliert, ob vielleicht noch eine dritte, verborgene, noch unentdeckte Art hinter diesen Fischen steckt. Von den anderen im Handel befindlichen Tanganjikasee-Synodontis kann man die Kuckuckswelse ganz gut durch die Färbung der Rückenflosse unterscheiden. Der Rückenflossenstachel ist schwarz, somit ergibt sich eine farbliche Zweiteilung der Rückenflosse in ein schwarzes Dreieck und eine breites, weißes Band. Die einzige weitere Art aus dem Tanganjikasee mit einer solchen Rückenflossenzeichnung ist Synodontus granulosus. S. granulosus kann man nicht verwechseln. Er ist am ganzen Körper fast völlig schwarz, dazu kontrastieren die leuchtend weißen Flossensäume herrlich. Nur Jungtiere sind etwas heller, dann erkennt man auch, dass sie kleine schwarze Punkte haben. Leider wird dieser wunderschöne Synodontis bislang nicht kommerziell gezüchtet, alle bisher verfügbaren Hinweise deuten darauf hin, dass die Art kein Kuckucksverhalten zeigt, sonder „ganz normal“ laicht.

Synodontis granulosus

Die Petricolas

Die Entdeckung des im gesamten Fischreich einzigartigen Kuckucksverhaltens fixte die Aquarianer an. Man wollte das mit eigenen Augen sehen! Und so wurden immer wieder mit den Buntbarschen auch Fiederbartwelse aus dem See verschickt, um die Nachfrage zu befriedigen. Schnell merkte man, dass es da aber etliche Arten gab! Eine der Arten hat einen leuchtend weißen Rückenflossenstachel und sind damit auf den ersten Blick von den Kuckuckswelsen zu unterscheiden: Synodontis petricola. Aber bei den Petricolas ist die Sache dagegen schon wieder sehr kompliziert, es gibt mehrere, ähnliche Formen. Eine Form bleibt wirklich klein, wird nie länger als 6-7 cm.  Man kann sie sehr gut züchten. Die Männchen dieser Zwerg-Petricolas (= Synodontis sp. „Petricola Dwarf“) sind extrem schlank und wirken geradezu unterernährt. Der Zwerg-Petricola laicht in Spalten. In der Zuchtpraxis deckt man einen Teller mit Glasmurmeln mit einem Blumentopf ab, durch dessen Abzugsloch die Welse gerade noch hindurchpassen. Hier werden sie bevorzugt laichen. Zwischen den Glasmurmeln ist der Laich gut vor den gefräßigen Eltern geschützt und kann leicht zur Aufzucht entnommen werden. Von Synodontis petricola unterscheidet sich der Zwerg zuverlässig durch ein anatomisches Detail, die fehlende Achselpore. Das ist eine Körperöffnung, die zwischen Brustflosse und Schulterfortsatz befindet. Der Zweck dieser Pore, die auch als Axillarpore bezeichnet wird, ist unbekannt, doch es hat sich gezeigt, dass das Vorhandensein oder Fehlen der Achselpore ein artspezifisces Merkmal ist. Nur Synodontis petricola – er wird etwa 15 cm lang – hat so eine Achselpore. Sie fehlt beim „Dwarf Petricola“ und bei der dritten, zum verwechseln ähnlich aussehenden Art, Synodontis lucipinnis. S. lucipinnis wird etwa 10 cm lang, also etwas größer als der Zwerg-Petricola und etwas kleiner als S. petricola. Weil diese mittelgroßen, langschnäuzigen Petricolas ohne Axillarpore farblich und auch bezüglich ihrer Hautstruktur sehr variabel sind, ist man sich noch nicht sicher, ob alle diese – in der Literatur auch als „petricola Big“ bezeichneten – Tiere wirklich zu S. lucipinnis gehören oder ob sich hier nicht noch unbeschriebene Arten versteckt halten. 

Synodontis petricola; die Arten dieser Gruppe erkennt man an den leuchtend weißen Flossenstrahlen. Nur der ”echte” S. petricola hat eine Axiallarpore, die anderen Arten dieses Komplexes nicht.
Synodontis sp. ”petricola big”; die Körperzeichnung ist, wie bei allen Arten, sehr variabel.
Synodontis sp. ”petricola big”. Photo: E. Schraml
Synodontis sp. ”petricola dwarf”, Männchen. Diese Tiere wirken oft regelrecht verhungert, das ist aber normal.

Die Pollis

Eine weitere Gruppe von Fiederbartwelsen aus dem Tanganjikasee gehört in die Verwandtschaft von Synodontis polli. Diese Tiere haben einen grauen Rückenflossenstachel. Nur wenn man von Vorn auf den Stachel schaut, sieht man einen dünnen, weißen Strich. Lange Zeit dachte man, Synodontis polli käme nur im Tanganjikasee vor, doch gibt es ihn auch in einem kleineren See in der Nähe in Sambia, dem Mweru Wantipa (nicht mit dem großen Mweru-See zu verwechseln!). Synodontis polli wird etwa 15-16 cm lang und ist als erwachsener Fisch relativ düster gefärbt, Jungtiere sind dagegen kontrastreicher. Auch S. polli hat einen Doppelgänger, nämlich Synodontis ilebrevis. Abgesehen von der längeren Gesichtspartie bei S. ilebrevis kann man die beiden Arten nur dann sicher unterscheiden, wenn sie bereits tot sind, denn S. ilebrevis ist ein Insektenfresser und hat darum einen viel kürzeren Darm als S. polli, bei dessen Darm sich noch zusätzlich eine Aussackung am Ende des Darms befindet, in der vermutlich Bakterien leben, die helfen, pflanzliches Material zu verdauen. Beide Arten werden ab und an importiert, doch ist bislang nichts über das Laichverhalten bekannt geworden.

Zwei unterschiedlich gefärbte Exemplare von Synodontis polli
Vorn vorne betrachtet erkennt man einen feinen weißen Streifen auf dem ansonsten grauen Rückenflossenstachel von S. polli. Photo: E. Schraml
Dieser S.-polli-artige Fisch (entweder S. polli oder S. ilebrevis) stammt aus dem See Mweru Wantipa in Sambia. Photo: E. Schraml

Weitere Langnasen

Es gibt drei weitere Arten im Tanganjikasee, nämlich Synodontis dhonti, S. irsacae und S. tanganycae. Von S. dhonti und S. tanganycae sind wissenschaftlich abgesichert bislang nur große, über 30 cm lange Exemplare bekannt geworden, von S. dhonti kennt man weltweit sogar nur einziges Exemplar!  Wie die dazu gehörenden Jungtiere aussehen, weiß man nicht. Wegen des – verglichen mit den  anderen Arten des Sees – sehr langen Gesichts, das S. tanganycae (S. lacustricolus ist ein Synonym) zeigt, glaubte man lange Zeit, die als S. irsacae beschriebene Art, die dieses Merkmal ebenfalls zeigt, sei dessen mysteriöse Jugendform. Das hat sich aber nicht bestätigt. S. irsacae wird ab und zu importiert, meist eher zufällig, zwischen anderen Synodontis aus dem Tanganjikasee; auch diese Art wird 15-20 cm lang. Wohl alle bisher in der aquaristischen Literatur und im Handel als S. dhonti bezeichneten Fische sind in Wirklichkeit S. irsacae. S. dhonti hat nämlich Axillarporen, die bei S. irsacae immer fehlen. Schraml unterscheidet zwei Formen von S. irsacae, die sich nur in der Größe unterscheiden. S. irsacae „Dwarf“ wird nicht größer als 10 cm, während S. irsacae „Langschnauze“ mindestens 16 cm lang wird. Zumindest der S. irsacae „Dwarf“ ist kein Kuckuckswels sondern laicht im freien Wasser ab. Der ebenfalls langgesichtige S. tanganycae ist sehr ähnlich zu S. irsacae, aber etwas hochrückiger. Während S. irsacae im Alter dunkel wird und die Punkte dadurch undeutlich werden, soll S. tanganycae eine helle Grundfärbung mit dunklen Punkten behalten. S. tanganycae hat, genau wie S. dhonti, Axillarporen; aber man muss ganz klar sagen, dass diese großen Synodontis aus dem Tanganjikasee noch immer nur sehr schlecht verstanden sind. Man könnte die hier geschilderten „Langnasen“ farblich leicht mit den Kuckucken verwechseln, wie diese haben nämlich S. irsacae und S. tanganycae einen sehr dunklen Rückenflossenstachel. Das lange Gesicht macht sie aber eigentlich unverwechselbar

Synodontis irsacae erkennt man am besten an der langen Schnauze. Photos: E. Schraml
Synodontis irsacae ”Dwarf” Photo: E. Schraml

Der „White Polli“

Vor einiger Zeit tauchte ein kleinbleibender Synodontis im Hobby auf, der als „White Polli“ bezeichnet wird. Mit S. polli hat er aber wenig gemein. Der Rückenflossenstachel ist bei dieser Art zweifarbig, in der unteren Hälfte schwarz, in der oberen weiß. Diese Art wird im Hobby fast ausschließlich als Nachzucht verbreitet. Der Stamm geht auf Tiere zurück, die der Holländer René Krüter aus Mpulungu in Sambia importierte. Krüter züchtete die Tiere mit gutem Erfolg nach und verbreitete sie so. Der „White Polli“ bleibt klein, er wächst kaum über 8-10 cm Länge hinaus und ist kein Kuckuckswels, sondern pflanzt sich „normal“ fort. Wenngleich kaum Zweifel bestehen, dass es sich um eine in freier Wildbahn vorkommende, unbeschriebene Art handelt, wurde sie ebenso zweifellos in den letzten Jahren züchterisch bearbeitet und auf sehr helle, ja weiße Körpergrundfarbe selektiert. Erwachsene Exemplare zeigen einen kleinen Hinterhauptbuckel, was Schraml veranlasste, die Tiere als „Buckelkopf-Synodontis“ zu bezeichnen. Wahrscheinlich lässt sich aber der Name „White Polli“ (oder auch andersherum, „polli White“) nicht mehr eliminieren. 

Ganz andere Synodontis

Nicht in den Artenschwarm gehört eine weitere Synodontis-Art des Tanganjikasees, nämlich Synodontis melanostictus. Diese Art sieht völlig anders aus und hat nicht die für den Artenschwarm so charakteristischen dunklen Dreiecke in den Flossen. Die Bestimmung der gut und gerne 30 cm lang werdenden Art ist alles andere als einfach, es gibt zahlreiche ähnlich gefärbte Arten (S. melanostictus wurde außerdem sehr lange als Synonym von S. nigromaculatus geführt), es sei denn, die Fische kommen tatsächlich aus dem Tanganjikasee; dort gibt es nach gegenwärtigem Wissenstand nur die eine Art, abgesehen vom Artenschwarm. S. melanostictus kommt – außer im Tanganjikasee selbst – auch in dessen Zu- und Abflüssen vor.  Zwei Exemplare, die mir Thorsten Reuter 2001 aus dem See Mweru Wantipa schickte, zeigen sehr deutlich, wie sehr sich einzelne Individuen farblich unterscheiden können.

Synodontis melanostictus. Oben ein Tier aus dem Tanganjikasee in Sambia (Photo: E. Schraml), unten die Abbildung aus der Originalbeschreibung (BOULENGER, 1906).

Der Fiederbartwels des Malawisees

Auch in diesem Traumsee aller Buntbarschfreunde gibt es Fiederbartwelse. Sie sehen den Arten aus dem Tanganjikasee entfernt ähnlich, aber wirklich nur entfernt. Es fehlen die dunklen Dreiecke in den Flossen. Die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Malawisee- und Tanganjikasee-Synodontis sind nicht geklärt. Auch wenn die Synodontis des Malawisees bislang meines Wissens noch nicht gezüchtet wurden, so handelt es sich wohl nicht um Kuckuckswelse. Nach der wissenschaftlichen Literatur gibt es nur eine Art der Gattung Synodontis im Malawisee, die eine seeweite Verbreitung hat. Ursprünglich dachte man, es handele sich dabei um die Art Synodontis zambezensis, doch beschrieb man sie 1908 als eigenständige Art, S. njassae. Die Färbung der langgestreckten Tiere ist sehr variabel, auch hier gibt es kaum zwei Exemplare, die die gleiche Zeichnung aufweisen. Ich hatte im Jahr 2009 Gelegenheit, eine größere Anzahl aus dem Malawisee importierter Synodontis zu beobachten. Dabei stellte ich fest, dass es sich um zwei Arten handeln musste, die sich deutlich in der Struktur der Unterkieferbarteln unterschieden. Eine Art hat die für die Art Synodontis njassae typischen, stark verzweigten Unterkieferbarteln, die andere Art hatte dagegen nur kurze Verzweigungen. Farblich und bezüglich der sonstigen äußeren Merkmale waren die beiden Arten einander sehr ähnlich. Es ist also denkbar, dass sich hinter Synodontis njassae noch weitere Arten verbergen.

Synodontis njassae
Dieser langschnäuzige Synodontis stammt ebenfalls aus dem Malawisee; eine weitere Art?
Abbildung von Synodontis njassae aus der Originalbeschreibung von Keilhack (1910)

Synodontis im Aquarium

Alle in diesem Aufsatz genannten Fiederbartwelse sind sehr gut für eine Pflege im Aquarium geeignet, mit der Einschränkung, dass große Exemplare entsprechend viel Platz brauchen. Die Ernährung erfolgt mit allen üblichen Fischfuttermitteln; die Welse akzeptieren Trockenfutter ebenso wie Frost- und Lebendfutter. Wesentlich kleinere Fische können gefressen werden, doch sind die Welse gegen Mitbewohner im Aquarium meist friedlich. Untereinander können se hingegen zänkisch sein. Meist beschränken sich Auseinandersetzungen aber auf harmlose Geplänkel und Hautläsionen, die von alleine heilen. Es gehört zum Sozialverhalten unter Synodontis, sich zu beißen. Dabei hinterlassen die Zähne deutliche Spuren auf der Haut. Das ist normal und harmlos. Während des Ablaichens können die Männchen die Weibchen allerdings sehr stark verletzen. Wenngleich die Wundheilungstendenz in aller Regel gut ist, können sich solche Wunden auch mit Pilzen oder Bakterien infizieren und sollten darum gut beobachtet werden. Grundsätzlich ist es immer besser, fünf bis zehn Exemplare einer Art zu halten, als nur zwei oder drei. Synodontis, auch die kleinen Arten, sind sehr langlebig. Es wird immer wieder von mehr als zehnjähriger, ja sogar über zwanzigjähriger Lebensdauer im Aquarium berichtet. Dabei entwickeln manche Tiere Vorlieben füreinander und laichen bevorzugt miteinander ab. Wichtig ist es, viele Versteckmöglichkeiten zu bieten, damit rangniedere Tiere nicht ständig den Attacken der Ranghöheren ausgesetzt sind. Höhere Wassertemperaturen von 26-28°C sind günstig, doch zeigen diese Fische auch bei 22°C noch volle Beweglichkeit und Wohlbefinden. Der pH-Wert sollte bei den Arten aus dem Tanganjika- und Malawisee nicht wesentlich unter 8 sinken, die Härte ist weitgehend bedeutungslos. Anfangs sind Fiederbartwelse oft etwas scheu und halten sich tagsüber versteckt, gewöhnen sich jedoch bald an die Fütterungszeiten und werden nach und nach tagaktiv.

Frank Schäfer

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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