Ein neuer Prachtzwerggurami?!

Die Prachtzwergguramis (Parosphromenus) gehören zu den Labyrinthfischen. Bis in die 1980er Jahre kannte man lediglich drei wissenschaftlich beschriebene Arten; vor allem Dank der intensiven Arbeit der Labyrinthfischvereinigungen IGL (Internationale Gemeinschaft für Labyrinthfische), AAGB (Anabantoid Association Great Britain), des AK Labyrinthfische im VDA und EAC (European Anabantoid Club) ist die Zahl der wissenschaftlich beschriebenen Arten heute auf 20 angestiegen, einige weitere sind bereits im Hobby bekannt, aber noch nicht wissenschaftlich bearbeitet.

Weibchen von Parosphromenus sp. „Ampah“. Die Schwanzflosse von Paro-Weibchen ist stets transparent und zeichnungslos, wodurch die Geschlechter recht gut zu unterscheiden sind.
Frisch importierte Exemplare sehen bei Prachtzwergguramis ziemlich unspektakulär aus und die Bestimmung ist nur schwer möglich. Hier Parosphromenus sp. „Ampah“

Keine der Parosphromenus-Arten wird größer als 4-5 cm, die meisten bleiben deutlich kleiner und sind mit 3 cm zumindest geschlechtsreif. Es sind also echte Zwergfische, die auch in entsprechend kleinen Aquarien gepflegt werden sollten. Die Pflege von Prachtzwergguramis ist allerdings mit einigem Aufwand verbunden, denn für die dauerhafte Ernährung benötigen die Tiere Lebendfutter. Frisch geschlüpfte Artemia-Nauplien haben sich als Basisfutter bestens bewährt, dazu kann man Grindal, Tubifex, kleine Wasserflöhe (vor allem Moina), Hüpferlinge (u.a. Cyclops), kleine Mückenlarven etc. reichen, je nachdem, was der Tümpel gerade so hergibt. Diese Zwergfische sind in der Natur an geradezu lebensfeindliche Gewässer angepasst, die äußerst mineralstoffarm sind und einen niedrigen pH-Wert aufweisen. Für die Pflege benötigen sie solche Wasserwerte zwar nicht, wohl aber zur Zucht. Sind Prachtzwergguramis nicht in Fortpflanzungsstimmung sehen sie ziemlich langweilig aus und zeigen auch kein interessantes Verhalten. Hingegen sind in entsprechendem Wasser gepflegte Tiere ständig balzaktiv und pflanzen sich auch ganzjährig fort. Dann sind die Männchen fast aller Arten von atemberaubender Schönheit. Darum wird man in aller Regel Parosphromenus in naturnahen Wasserwerten pflegen, also praktisch destilliertem Wasser (0-2° GH), bei pH-Werten von 4,5 – 5,5. Interessanterweise sind diese Zwergformen deutlich langlebiger als ihre großen Verwandten, man kann gewöhnlich damit rechnen, 5-6 Jahre Freude an ihnen zu haben. Bezüglich der Wassertemperaturen gibt es etwas unterschiedliche Auffassungen unter den Spezialisten. Die einen schwören auf Temperaturen um 22°C (Raumtemperatur), die anderen bevorzugen (zumindest zur Zucht) 2-3°C höhere Temperaturen.


Anzeige


Akklimatisiert und herausgefüttert sieht der Fisch geich ganz anders aus. Auch das ist P. sp. „Ampah“. Photo: M. Hallmann

Nur sehr lokal verbreitet
Die Spezialisierung auf Schwarzwasserbiotope bringt es mit sich, dass die einzelnen Verbreitungsgebiete der Prachtzwergguramis – Vertreter der Gattung findet man auf der malaiischen Halbinsel, den großen Sundainseln Sumatra und Borneo, sowie einigen kleineren, zu Indonesien zählenden Inseln – isoliert voneinander sind. Die Erfahrung zeigt, dass Paros an jedem Fundort aufgrund dieser geografischen Isolation etwas unterschiedlich aussehen. In vielen Fällen beschränken sich die Unterschiede auf Details in der Färbung, oft sogar nur der Prachtfärbung der Männchen. Dabei liegt es im Auge der Betrachter, ob sie glauben, dass es sich bei diesen Farbunterschieden um die äußerlich sichtbare Manifestation von Art- Unterschieden handelt oder ob sie einer Tierart eine gewisse Bandbreite im Erscheinungsbild zubilligen.

Parosphromenus deissneri (der „Echte“), Traum vieler Paro-Fans. Photo: H. Linke

Das Phantom
Die – dem Namen nach – bekannteste Paro-Art ist P. deissneri, der bereits 1859 von Pieter BLEEKER beschrieben wurde und auch Typusart der Gattung ist. 1974 veröffentlichte der Münchner Ausnahme-Aquarianer Walter FOERSCH seine langjährigen Erfahrungen mit einem Paro, den er damals für P. deissneri hielt. Seine bahnbrechenden Beobachtungen machten die Paro-Aquaristik auf breiterer Basis erst möglich und dank seiner Photos, und der Photos von Hans-Joachim RICHTER avancierte P. deissneri zum Traumfisch aller Labyrinthfischfans. Heute wissen wir aber, dass die damals gepflegten Tiere in Wirklichkeit etwas anderes waren. Sie stammten aus der Umgebung Ayer Hitam (Muar District, Johor, Malaysia) und galten bis vor kurzem als ausgestorben, doch 2018 wurden sie von Zierfischfreunden wiederentdeckt. Sie stehen den erst 2005 wissenschaftlich beschriebenen P. tweediei oder P. rubrimontis nahe. Der „echte“ P. deissneri ist eine nicht ganz so bunte Art und hat eine lanzettlich ausgezogene, spitze Schwanzflosse. Obwohl praktisch alle im Handel auftauchenden Prachtzwergguramis „Parosphromenus deissneri“ genannt werden, weil die verschiedenen Arten im Schlichtkleid ohnehin nur schwer zu unterscheiden sind und Nicht-Spezialisten unter den Aquarianern, wenn sie denn überhaupt Parosphromenus kennen, die schönen Fische von den FOERSCH- und RICHTER-Bildern vor ihrem geistigen Auge haben, ist die Art Parosphromenus deissneri im Hobby derzeit nicht vorhanden. Es gibt sie nur auf der Insel Bangka, von wo zurzeit keine kommerziellen Importe erfolgen. Die in der Erhaltungszucht engagierten Paro-Fans würden die Art freilich nur zu gern unter ihre Fittiche nehmen.


Anzeige


Dieses historische Foto von Hans-Joachim Richter prägte für viele Jahrzehnte die Vorstellung der Aquarianer von „Parosphromenus deissneri“. In Wirklichkeit handelt es sich um P. sp. „Ayer Hitam“, eine bereits für ausgestorben gehaltene Form, die den erst im Jahr 2005 wissenschaftlich beschriebenen P. tweediei oder P. rubrimontis nahesteht.

Vom Aussterben bedroht
Dort, wo Prachtzwergguramis vorkommen, sind sie gewöhnlich ausgesprochen häufig. Man kann fast sagen, es ist mit ihnen, wie beim Pilzesammeln. Hat man erstmal einen entdeckt, findet man auch noch mehr. Darum stellt auch der (ohnehin vergleichsweise geringe) Fang von Wildfischen für die Aquarienhaltung keinen Gefährdungsfaktor für die Tiere dar. Aber die natürlichen Lebensräume der niedlichen Tiere, nämlich die kleinen Schwarzwasserbäche, die aus Torfmooren und Urwäldern sickern, werden in erschreckendem Ausmaße vernichtet. Dadurch sind nicht nur die Prachtzwergguramis, sondern ganze Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen in ernsthafter Gefahr. Wo noch vor wenigen Jahren unberührte Natur war, erstrecken sich heute endlose Ölpalmplantagen. Das Wasser in den Bächen verändert in solchen Plantagen seine chemische Zusammensetzung so sehr, dass Schwarzwasserfische dort nicht mehr überleben können. Für die Prachtzwergguramis, unter Liebhabern kurz „Paros“ genannt (wie weiter oben bereits verschiedentlich geschehen), gibt es ein engagiertes Erhaltungszuchtprogramm, über das man sich unter http://parosphromenus-project.org informieren kann. Hier findet man auch ausführliche weitere Hinweise zu Pflege und Zucht, sowie viele weitere interessante Informationen.

Erst in Prachtfärbung lassen sich Paros bestimmen. Dies ist P. sp. „Ampah“. Photo: H. Linke

Der Fehlalarm
Die meisten Prachtzwerggurami-Arten haben eine runde Schwanzflosse. Mitte November 2012 importierte Aquarium Glaser eine Anzahl Prachtzwergguramis, bei denen die Männchen eine lanzettliche Schwanzflosse aufwiesen. Leider kann man Prachtzwergguramis nur dann sicher bestimmen, wenn die Männchen in Balzfärbung sind. Jedoch wies vieles darauf hin, dass es sich bei den Neuimporten um den legendären Parosphromenus deissneri handeln könnte. Die Gerüchteküche brodelte und die Spezialisten für Paros wollten die Tierchen unbedingt sehen. Es dauerte aber nicht sehr lange und einige Männchen machten „die Lichter an“. Jetzt erkannte man: das sind keine P. deissneri, sondern eine Art, die P. filamentosus sehr nahe steht. Etwa zeitgleich kamen auch endlich die ersehnten Fundortinformationen des Exporteurs. Nach seiner Aussage stammten die Fische aus Südost-Kalimantan (Borneo), wo man sie von Ampah bis nach Muarateweh finden kann. Nach dem erstgenannten Fundort wurde der neue Parosphromenus jetzt zunächst einmal benannt:

Erregte Männchen von P. filamentosus färben sich dunkel wie man sieht, P. sp. „Ampah“ tun das nicht. Ob es sich bei den beiden um Varianten einer Art oder um zwei einander sehr ähnliche, jedoch verschiedene Arten handelt, ist kaum zu entscheiden. Photo: Martin Hallmann

Parosphromenus sp. „Ampah“
Bereits bald nach dem Import ist die Nachzucht bereits gelungen. Die Geschlechter lassen sich, wie bei nahezu allen Prachtzwergguramis, recht leicht unterscheiden, denn die Schwanzflosse der Weibchen ist stets völlig farblos. Ob es sich bei P. sp. „Ampah“ um eine Standortvariante von P. filamentosus handelt oder um eine eigenständige Art ist noch völlig unklar. Paros machen es uns nicht leicht bei solchen Entscheidungen. Aber – aquaristisch gesehen – ist diese akademische Frage ohnehin von untergeordneter Bedeutung. Denn in beiden Fällen, egal ob es sich um eine besondere Population oder um eine andere Art handelt, sollten die Tiere unbedingt rein weitergezüchtet werden. Nur wenn wir es schaffen, solche Tiere reinblütig über Generationen hinweg zu züchten, sind die daraus gewonnenen Erkenntnisse geeignet, die Naturgeschichte der Prachtzwergguramis besser zu verstehen. Und darum geht es schließlich in der Aquarienkunde – Erkenntnisgewinn und Wissenszuwachs!

Lexikon

Parosphromenus: bedeutet „(verwandtschaftlich) in der Nähe von Osphromenus (sic!) stehend“; Osphronemus (sic!) ist eine andere Fischgattung.

deissneri: Widmungsname für den Sammler „F. H. Deissner, officier van gezondheid der 3e klasse“.

filamentosus: bedeutet „mit Faden versehen“ (wegen der Schwanzflosse).

rubrimontis: bedeutet „Roter Berg“, nach dem Fundort Bukit Merah.

tweedei: Widmungsname für Michael Willmer Forbes Tweedie (1907-1993).

Frank Schäfer

Neugierig geworden? Mehr Paro-Literatur gibt es hier: https://www.animalbook.de/Prachtguramis-Juwelen-des-Urwalds-in-der-Natur-und-im-Aquarium

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

Weiterlesen

Ein Kommentar zu “Ein neuer Prachtzwerggurami?!

  1. Pingback: Blog Fische – aquaterra70

Comments are closed.