Invasive Arten: Verboten!

Das Jahr 2016 ist das Jahr eines ungeahnten Höhepunktes bezüglich des behördlichen Natur- und Artenschutzwahnsinns, der darin besteht, dass ausgerechnet die am Natur- und Artenschutz am stärksten interessierten Bürger kriminalisiert und dadurch vom Natur- und Artenschutz ausgeklammert werden.

Männchen der roten Naturform von Procambarus clarkii. Die Art wurde 1972 nach Spanien eingeführt, um als Speisekrebs gezüchtet zu werden. Heute ist sie in praktisch ganz Europa unausrottbar verbreitet.

Eine Liste von invasiven, nach Einschätzung der Behörden die ursprüngliche Artenvielfalt (das Fachwort für „Artenvielfalt“ lautet „Biodiversität“) bedrohenden fremdländischen Tier- und Pflanzenarten wurde veröffentlicht. Und als wichtigste Maßnahme zur Vermeidung der weiteren Verbreitung dieser Arten fiel den Behörden nichts besseres ein, als die Pflege und Zucht dieser Tier- und Pflanzenarten zu verbieten! Statt das Fachwissen der Pfleger und Züchter solcher Arten zu nutzen und sich diese Menschen, die einzigen, die sich wirklich mit den „invasiven“ Arten auskennen, zu Verbündeten zu machen, werden vollkommen nutzlose, aus wissenschaftlicher Sicht geradezu alberne Gesetze fabriziert, deren Kernmaßnahme – also das Pflege- und Zuchtverbot solcher als invasiv bezeichneten Organismen – objektiv ungeeignet ist, die Ausbreitung dieser Arten auch nur einzuschränken, geschweige denn zu verhindern.

Lebewesen, die nach 1492 (dem Jahr der Entdeckung Amerikas durch die modernen Europäer) in Ländern heimisch wurden, in denen sie zuvor nicht vorkamen, bezeichnet man als Neobiota, die Tiere als Neozoen, die Pflanzen als Neophyten. Durchaus nicht immer, aber doch meistens brachte der Mensch die Neobiota in die neuen Gebiete. In den allermeisten Fällen können Neobiota ohne ständige Fürsorge des Menschen aber nicht überleben.

Doch manchmal finden Neobiota in ihrer neuen Heimat Bedingungen vor, die eine Massenvermehrung erlauben. Dann bezeichnet man sie als „invasiv“ oder als Landplage. Rein wissenschaftlich gesehen sagt das Wort „invasiv“ nichts über die Individuenzahl oder darüber aus, ob die Art in irgend einer Art und Weise negativen Einfluss auf irgend etwas nimmt. Das Wort wird aber inzwischen immer im negativen Sinne gebraucht, meint also tatsächlich wie miltärisch vorrückende, neue Gebiete besetzende und ursprünglich dort vorkommende Arten unterdrückende Spezies. Bis sich in der neuen Heimat Bedingungen eingestellt haben, die eine massenhafte, unbegrenzte Vermehrung verhindern (meistens Krankheitserreger, manchmal auch Fressfeinde), explodieren die Bestände geradezu. Dann bekommen sogar Menschen, die sich sonst kaum für die Natur interessieren, mit, dass etwas vorgeht. Dann schreien sie nach den Behörden und fordern, dass das „Gleichgewicht der Natur“ (etwas, das es nicht gibt und nie gab, sondern lediglich eine Wunschvorstellung von Romantikern ist) wieder hergestellt werden soll – und zwar per Gesetz! Denn dann kann man Schuldige benennen und Strafen verhängen, was zwar den Schaden nicht mindert und an der Situation nichts ändert, aber dem Gerechtigkeitsempfinden der Masse gut tut.

Der Blaubandbärbling, Pseudorasbora parva, wurde unbeabsichtigt mit Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) und Silberkarpfen (Hypophthalmichthys molitrix) nach Europa importiert und verbreitet. Das geschah durch staatliche Stellen.

Man weiß bis heute nicht, wann und warum eine Art invasiv wird. Vorhersagen sind nicht möglich. Es war im 19ten und frühen 20ten Jahrhundert üblich und gesellschaftlich absolut akzeptiert, Ansiedlungsversuche mit fremdländischen Tier- und Pflanzenarten zu unternehmen, um die vorhandene Natur „zu bereichern“ und zusätzliche Beutetiere für Jagd und Fischerei oder Bäume, Sträucher und Blütenpflanzen wegen ihres interessanten Aussehens, ihres Holzes oder ihrer Früchte zu erhalten. Das ging übrigens fast immer schief, kaum eine Art hat sich dauerhaft etablieren lassen. Sie finden solche Ansiedlungsversuche schlecht? Recht haben Sie! Aber bedenken Sie bitte auch, dass keine einzige Haustierart und kaum eine Gartenpflanze je ursprünglich in Deutschland heimisch war. Deren Exis­tenz geht selbst dann, wenn es die biologische Art in Deutschland gab oder gibt, auf Populationen zurück, die in ganz anderen Gebieten der Erde domestiziert wurden, oder sie wurden züchterisch so verändert, dass man sie als Laie kaum noch als Angehörige der gleichen Art erkennen kann. Obwohl fast alle Pflanzen, die in Städten und deren näheren Umgebung wachsen, auf Anpflanzungen zurückgehen und alles andere als natürlich sind, leben auf und bei ihnen viele wilde, heimische Kleintiere. Aber das sind nur Ersatzlebensräume, die ursprünglichen Biotope sind zerstört und aus urbanen Gebieten (das ist praktisch ganz Deutschland) verschwunden. Da kann es nicht verwundern, dass manchmal unter den (in der Neuzeit meist illegal) eingebürgerten Tieren – seien das nun Waschbären, Eichhörnchen, Papageien, Fische oder Krebse – Arten sind, die hier günstige Bedingungen in nahezu konkurrenzfreier Umgebung finden. Und schon haben wir – schwupps – eine neue, invasive Art.

Unter Biologen ist es eine unumstrittene Erkenntnis, dass das einzige, was eine Kleintierart wirklich gefährden kann, der Verlust des Lebensraumes ist (der Fachausdruck für „Lebensraum“ ist „Biotop“). Die direkte Verfolgung einer Kleintierart ist in intakten Biotopen eine unerhebliche Randerscheinung für den Bestand. Das merkt man immer wieder daran, dass es einfach unmöglich ist, eine Kleintierart oder Pflanze, die man zur unerwünschten Art erklärte (z.B. weil man sie für invasiv hält) auszurotten. So etwas ist noch nie gelungen. Man kann die Bestände reduzieren, das wohl, aber auslöschen – das klappt nicht.

Dieses alte Rotwangen-Mädchen (Trachemys scripta elegans) schaut in eine ungewisse Zukunft.

Diese Tier- und Pflanzenarten sind seit 2016 EU-weit verboten. Man darf sie nicht handeln. Bei vorhandenen Altbeständen muss die Vermehrung unmöglich gemacht werden.

Baccharis halimifolia (Kreuzstrauch)
Cabomba caroliniana (Grüne Cabomba, Karolina-Haarnixe)
Callosciurus erythraeus (Pallashörnchen, Rotbauchhörnchen)
Corvus splendens (Glanzkrähe)
Eichhornia crassipes (Dickstielige Wasserhyazinthe)
Eriocheir sinensis (Chinesische Wollhandkrabbe)
Heracleum persicum (Golpar, Persischer Bärenklau)
Heracleum sosnowskyi (Sosnowsky Bärenklau)
Herpestes javanicus (Kleiner Mungo)
Hydrocotyle ranunculoides (Großer Wassernabel)
Lagarosiphon major (Krause Afrikanische Wasserpest)
Lithobates (früher: Rana) catesbeianus (Nordamerikanische Ochsenfrosch)
Ludwigia grandiflora (Großblütiges Heusenkraut)
Ludwigia peploides (Flutendes Heusenkraut)
Lysichiton americanus (Amerikanischer Stinktierkohl oder Amerikanischer Riesenaronstab, Stinkkohl)
Muntiacus reevesi (Chinesischer Muntjak, Zwergmuntjak)
Myocastor coypus (Nutria, Biberratte, Sumpfbiber)
Myriophyllum aquaticum (Brasilianisches Tausendblatt)
Nasua nasua (Südamerikanischer Nasenbär)
Orconectes limosus (Kamberkrebs)
Orconectes rusticus (Amerikanischer Rostkrebs)
Oxyura jamaicensis (Schwarzkopfruderente)
Pacifastacus leniusculus (Signalkrebs)
Parthenium hysterophorus (kein deutscher Name – aus dem Englischen übersetzt: „Hungerkraut“)
Perccottus glenii (Amur Schläfergrundel, Chinesische Schläfergrundel)
Persicaria perfoliata [= Polygonum perfoliatum] (Durchwachsener Knöterich)
Procambarus clarkii (Roter Amerikanischer Sumpfkrebs)
Procambarus fallax (Marmorkrebs, Everglades Sumpfkrebs)
Procyon lotor (Waschbär)
Pseudorasbora parva (Blaubandbärbling, Pseudo-Keilfleckbarbe)
Pueraria montana var. lobata [= Pueraria lobate] (Kudzu = Pflanzenart)
Sciurus carolinensis (Grauhörnchen)
Sciurus niger (Fuchshörnchen)
Tamias sibiricus (Burunduk, Sibirisches Streifenhörnchen, Asiatisches Streifenhörnchen)
Threskiornis aethiopicus (Heiliger Ibis)
Trachemys scripta (Buchstaben-Schmuckschildkröte)
Vespa velutina nigrithorax (Asiatische Hornisse)

Frank Schäfer

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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