Sind Nachzuchten für das Meerwasseraquarium sinnvoll?

Kein Sektor der Aquarien- und Terrarienkunde wird von populistischen Tierhaltungsgegnern so angefeindet wie die Meeresaquaristik, werden dort doch weitgehend Wildfänge gepflegt.

Hobbyzuchten
Die technische Seite ist bei der Nachzucht von Meeresorganismen heut­zutage ein eher untergeordnetes Problem. In den letzten 50 Jahren hat in dieser Hinsicht eine wahre Revolution stattgefunden. Selbst private Liebhaber mit vergleichsweise kleinen Aquarien – also Becken mit einem Volumen zwischen 100 und 500 Litern – können heutzutage die überwältigende Mehrzahl der sogenannten sessilen Wirbellosen nicht daran hindern, dermaßen gut zu wachsen, dass sie ihre Bestände regelmäßig ausdünnen müssen. Leder- und Steinkorallen sind dabei die am häufigsten gepflegten Arten. Die beim Zurückschneiden anfallenden Ableger werden zwar unter Freunden weitergegeben, aber eine wirkliche Handelsrelevanz haben diese Liebhabernachzuchten nicht. Sie dienen, genau wie die Hobbynachzuchten von Süßwasserfischen oder -pflanzen, eher der Bestandserhaltung von für den breit aufgestellten Handel weniger attraktiven Arten und der Grundlagenforschung für Arterhaltungsprojekte.
Es ist eine romantische, aber falsche Vorstellung, die Vermehrung von solchen Tieren diene direkt dem Artenschutz. Das stimmt genau so wenig, wie der Wildfang zum Zwecke der Aquarienpflege irgend welche Arten gefährdet. Zucht und Vermehrung von Aquarien- und Terrarientieren machen Spaß und führen zu Erkenntnisgewinn, das ist ihr tieferer Sinn. Zusätzlich bessert der Verkauf von Nachzuchten die Hobbykasse auf, das ist völlig legitim und in keinster Weise anrüchig. Der Zoofachhandel spürt diese Privatkäufe nicht. Das ist wie der private Schrebergarten im Vergleich zum Supermarkt.

Krustenanemonen gehörten zu den ersten Arten Niederer Tiere, deren planmäßige Vermehrung im Meerwasseraquarium gelang. Das war in den 1980er Jahren.

Indirekt ist aber die private Nachzucht von Tieren und Pflanzen selbstverständlich angewandter Arten­schutz. Denn man kann nur solche Arten schützen, die man auch kennt und für die in einer breiteren Öffentlichkeit Interesse geweckt werden kann.

Preussenfische, Dascyllus melanurus, laichten bereits in den 1930er Jahren im Aquarium, doch gelang die Aufzucht nicht. Heutzutage werden sie kaum noch im Aquarium gepflegt, sie gelten als zu farblos.

Kommerzielle Nachzuchten
Ganz grundsätzlich, es wurde bereits erwähnt, stehen der Nachzucht von Meerestieren in technischer Hinsicht keine unüberwindbaren Hürden mehr im Wege. Bei den Korallen waren es übrigens die Aquarianer, die durch unermüdliches Probieren und hartnäckige Pflegeversuche herausfanden, wie es geht. Man vergesse nie, noch in den 1980er Jahren galt es als UNMÖGLICH Steinkorallen auch nur einige Zeit im Aquarium am Leben zu erhalten, von Vermehrung ganz zu schweigen!

Steinkorallenableger aus kommerzieller Zucht.

Bei den Fischen war es hingegen eher die Aquakultur von Speisefischen, die die entscheidenden Durchbrüche entwickelte. Das beginnt bei der gezielten Gewinnung von Eiern und Spermien. Ein echter Aquarianer käme niemals auf den Gedanken, seine Fische mit Hormonspritzen dazu zu bringen, abzulaichen. Sein Ehrgeiz geht dahin, harmonisierende Paare zusammen zu führen und durch eine Optimierung der Pflegebedingungen die Voraussetzungen zu schaffen, die eine natürliche Vermehrung der Tiere ermöglichen.

Die kommerzielle Nachzucht von Pomacanthus asfur wird in Taiwan schon seit mehreren Jahren praktiziert.
Pomacanthus asfur-Nachzucht in Jugendfärbung

Der Berufszüchter sieht diese Dinge völlig anders. Er muss dann Eier und Spermien haben, wenn es die Produktionsbedingungen erfordern, unabhängig von Lust und Laune der Tiere oder irgend welchen Wetterkapriolen. Keine einzige Regenbogenforelle, die Sie zum Verzehr kaufen, hatte je natürlichen Sex, genauso wenig wie irgend ein anderer Fisch aus Aquakultur. Die Zuchttiere werden zwar unter optimalen Bedingungen gepflegt, erhalten jedoch, wenn Laich benötigt wird, Hormoninjektionen, die die schnelle Reifung der Eier und der Spermien auslösen. Bei Fischen sind in aller Regel Eierstöcke und Hoden ständig funktionsbereit. Korallenfische laichen zum Beispiel ihr ganzes Leben lang, meist im Abstand von einigen Wochen. Oft ist das an Mondphasen und/oder an bestimmte Tidenereignisse gebunden. In Obhut des Menschen sind diese externen Faktoren aber bedeutungslos. Oft schon wenige Stunden, spätestens nach wenigen Tagen nach einer solchen Hormonin­jektion sind Eier und Spermien so reif, dass sie bei sanfter Massage des Bauches austreten. Der Laich wird “im Reagenzglas” befruchtet. Jeder Privat-Züchter, der schon einmal versucht hat, den pelagischen Laich seiner Zwergkaiserfische aus einem eingerichteten Aquarium für Aufzuchtversuche zu bergen, erkennt sofort den Vorteil dieser Methode! Brutpfleger, wie Anemonenfische, lässt man allerdings “natürlich” laichen.
Was dem Hobby-Aquarianer oft richtig Schwierigkeiten macht: Planktonkultur, mehrmals tägliches Füttern und Reinigen, viel Platz zum Wachsen, alle diese Dinge sind bei Berufszüchtern Alltagsroutine, es ist ja ihr Beruf, nicht ihr Hobby. Und so kann man heutzutage in der Tat zahlreiche Meeresfische in riesigen Mengen nachzüchten. Doch wozu? Hier liegt das Problem! Man braucht von den allermeisten Meeresfischen einfach keine riesigen Mengen! Wer, bitteschön, soll denn Monat für Monat (der Züchter muss ja seine Rechnungen und seinen Leuten den Lohn bezahlen) zehntausen­de Exemplare einer einzigen Fischart brauchen? In dieser Frage liegt die wirkliche Schwierigkeit in der kommerziellen Nachzucht von Korallenfischen. Die Antwort lautet nämlich: niemand! Auch darum sind die Vorwürfe von Tierhaltungsgegnern gegen die Meeresaquarianer aus “Artenschutzgründen” nämlich in letzter Konsequenz haltlos.

Ausweg aus dem Dilemma
Tatsache ist jedoch, dass es kommerzielle Nachzuchten von Korallenfischen für die Aquarienpflege gibt. Wie das? Widerspricht das nicht dem oben gesagten? Nur auf den ersten Blick. Die Züchter haben einen Ausweg gefunden, und der heißt Mischkultur. Statt, wie in der Speisefischproduktion, durch Spezialisierung das Maximum aus einer Art herauszuholen, züchtet man vergleichsweise kleine Mengen von mehreren Arten. Damit tritt man allerdings in Konkurrenz mit den Zierfischfängern, die davon leben, Wildfänge zu vermarkten. Die­se Konkurrenz ist aus vielen Gründen nicht wünschenswert.

Kardinalsgarnelen, Lysmata debelius, kopfunter in einer Höhle. Die Art wird schon viele Jahre nachgezüchtet.

Schon wieder eine unlösbare Zwickmühle? Jein. Denn wie man bereits aus der Zucht von Süßwasserzierfischen weiß, treten in menschlicher Obhut sehr schnell Farbmutationen auf, also Tiere, die anders gefärbt sind als ihre freilebenden Artgenossen.

Amphiprion percula, Clownfisch-Zuchtform “Da Vinci”, vor einer Nachzucht-Steinkoralle

Jede Menge Zuchtformen
Zusätzlich kann man etwas tun, was in der Natur ebenfalls vorkommt, jedoch nur selten: Arten kreuzen. In der Natur kreuzen sich nahe verwandte Arten relativ häufig, aber rein statistisch haben die daraus hervorgehenden Hybriden kaum eine Chance. Ein Pärchen Kaiserfische produziert im Laufe seines Lebens einige Millionen Nachkommen, aber nur zwei Exemplare davon werden im Durchschnitt wieder zu erwachsenen Laichfischen. Der Rest bleibt auf der Strecke. Darum findet man immer nur ganz vereinzelt Hybriden in freier Natur. Fast alle Korallenfische haben nämlich als einzige Fortpflanzungsstrategie “Masse statt Klasse”. Unter kontrollierten Bedingungen sieht das aber plötzlich ganz anders aus. Hier kann man aus einer einzigen Laichabgabe leicht hunderte solche Hybriden aufziehen.

Die Nachzucht des Fahnenbarsches Pseudanthias squamipinnis ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Liebhaber sollten sie aber trotzdem versuchen, denn sie führt zu Erkenntnisgewinn.

Hybriden und Zuchtformen sind also das Alltagsbrot der kommerziellen Korallenfischzüchter, ergänzt immer wieder mal durch Arten, bei denen die Nachfrage das Angebot übersteigt. Das können Arten aus abgelegenen Fanggebieten sein oder Arten, deren Export aufgrund der politischen Situation im Herkunftsland nicht möglich ist. Man kann das bedauern. Vielen Aquarianern stellen sich die Na­ckenhaare bei der Vorstellung, man sei in Zukunft nur noch auf solche Kunstprodukte angewiesen. Aber das ist man ja nicht. Bei Gartenpflanzen macht sich niemand solche Gedanken. Die Wildformen fast aller unserer Gartenblumen sind seltene Raritäten in botanischen Gärten oder bei spezialisierten Sammlern. Die breite Masse der Gartenliebhaber stört es aber überhaupt nicht, nur mit Zuchtformen oder Auslesen bedient zu werden.

Goldstirn-Brunnenbauer (Opistognathus aurifrons), ein Maulbrüter den auch Privat-Aquarianer gut nachzüchten können.

Die Mischung macht´s
Ich hoffe sehr, dass der Wildfang von Korallenfischen auch weiterhin erhalten bleibt. Er sorgt für ein nachhaltiges Einkommen der lokalen Fischer aus der Natur. Der Artenschutz ist vom Zierfischfang nicht betroffen, dazu sind fast alle Arten viel zu weiträumig verbreitet, werden frei gewordene Reviere viel zu schnell wieder besetzt. Da ja hauptsächlich Jungtiere für die Aquarienhaltung gefangen werden, hat diese Fischerei keinerlei Einfluss auf die natürlichen Bestände. Aber ich begrüße es auch, dass Aquarianer, die mit weniger wissenschaftlichem Anspruch an ihr Hobby herangehen und “nur” einen bunten Ausschnitt des Meeres wie einen Garten hegen und pflegen wollen, auf Nachzuchtfische zurückgreifen können. Schließlich gibt es in der Aquarienkunde ebenso wenig nur eine mögliche Sicht auf die Dinge wie in jedem anderen Bereich des Lebens.

Die Aalgrundel (Pholidichthys leucotaenia) lässt sich ebenfalls leicht züchten.

Aktuelle Fisch-Nachzuchten
Ich stellen Ihnen im folgenden exemplarisch einige Fischarten vor, die auf der Interzoo 2016 als kommerzielle Nachzuchten präsentiert wurden.

Diese naturnahe Zuchtform Amphiprion percula “Black” wurde durch Auslesezucht mit Tieren erzielt, die bereits von Natur aus einen hohen Schwarzanteil in der Färbung hatten.

Amphiprion percula
Premnas epigrammata

Die Clownfische waren die ersten Korallenfische, die überhaupt unter Aquarienbedingungen regelmäßig nachgezüchtet werden konnten. Das war in den frühen 1960er Jahren. Mittlerweile gibt es von ihnen sehr viele Zuchtformen. Welcher ursprünglichen natürlichen Art sie angehören, ist nicht immer einwandfrei zu sagen. Das Artenpaar Amphprion percula und A. ocellaris unterscheidet sich nur in wenigen Farbdetails, die aber bei den Zuchtformen nicht mehr erkennbar sind. Es ist auch möglich, dass manche dieser Zuchtformen mit Hybriden erzielt wurden. Einige der neuesten Zuchtformen sehen bezüglich der Körperform Premnas biaculeatus / P. epigrammata sehr ähnlich.

Amphiprion percula „Platinum“

Auch Zuchtformen erhalten Namen, anders kann man sie nicht vermarkten. Diese “Sortennamen” werden in Anführungsstrichen geschrieben und haben keinen wissenschaftlichen Wert, sie unterliegen auch keinen Regeln oder Copyrights. Es liegt in der Natur der Dinge, dass Zuchtformen nicht einheitlich aussehen, man kann in aller Regel jedes Individuum anhand von Farbmerkmalen erkennen. Es liegt dabei im Entscheidungsbereich der Käufer, welche Farbgebung in welcher Ausprägung als schön oder weniger schön empfunden wird, auch wenn die Züchter immer versuchen werden, ihren eigenen Zuchtehrgeiz in den Tieren verwirklicht zu sehen.

Premnas epigrammata „Golden Nugget“

Platax batavianus
Fledermausfische waren zu Beginn der modernen Meeresaquaristik, also in den 1950er bis 1970er Jahren, sehr beliebt; damals pflegte man fast ausschließlich reine Fischaquarien. Dort konnte kräftig gefüttert werden und es machte auch nichts aus, wenn der Pflegling deutlich über die 20-cm-Marke hinauswuchs.

Platax batavianus, Jungtier

Heutzutage ist das anders, jetzt überwiegen eindeutig die Riffaquarien, in denen nur wenige, kleine Fische gepflegt werden, die nicht viel Futter brauchen, was die Wasserbelastung niedrig hält – den Korallen zuliebe.
Alle Fledermausfische werden groß, deutlich über 40 cm. Sie eignen sich darum nicht für kleine Riffbecken. Aber sie eignen sich für die Aquakultur zur Speisefischproduktion. Es sind bislang in der Literatur vor allem Platax orbicularis und P. teira zu diesem Zweck häufiger erwähnt; offenbar wird nun aber auch die weitaus seltenere Art P. batavianus gezüchtet. Als Jungtier ist sie wunderschön und sieht farblich dem Banggai-Kardinalbarsch sehr ähnlich; erwachsen ähnelt sie allerdings sehr stark P. orbicularis.

Rainfordia opercularis

Rainfordia opercularis
Der Flachkopf-Zwergzackenbarsch gilt als eine der am wenigsten bekannten und seltensten Fischarten der Erde. Es wird gemunkelt, dass für ein einziges Exemplar dieser etwa 15 cm lang werdenden Art hohe 5-stellige Preise in US-Dollar gezahlt werden. Vermutich ist die Art, die bislang nur von der Australischen Küste (Western Australia und Queensland) aus Korallenriffen bekannt ist, aber nicht wirklich selten, sondern führt nur eine sehr versteckte Lebensweise – was aber an der Tatsache, dass sie kaum jemals in den Handel kommt, nichts ändert. Ich bin mir nicht sicher, ob das bei DeJong Marinelife auf der Interzoo zwischen Nachzuchten anderer Fische ausgestellte Exemplar wirklich eine Nachzucht ist (ich habe bei DeJong nachgefragt, aber leider keine Antwort erhalten). Undenkbar ist es aber nicht; wie jüngste Studien ergaben, ist Rainfordia opercularis ein engerer Verwandter von Liopropoma. Diese Zwergzackenbarsche haben schon häufiger im Aquarium abgelaicht. Anders als die großen Zackenbarsche sind Liopropoma keine protogynen oder funktionellen Zwitter, sondern jedes Tier ist entweder funktionelles Männchen oder funktionelles Weibchen, allerdings entwickeln sich die Männchen aus Zwittern. Die Chancen, mit dem Erwerb zweier Individuen ein späteres Paar zu erhalten, sind demnach groß. Auf jeden Fall war es eine Freude, auf der Interzoo eine solche zoologischen Rarität zu finden!

Apolemichthys trimaculatus, erwachsenes Exemplar

Apolemichthys trimaculatus
Holacanthus ciliaris
Genicanthus personatus

Die Zweifel, ob es sich tatsächlich um Nachzuchten handelt, gibt es bei den folgenden Arten nicht.

Apolemichthys trimaculatus, Nachzuchttier in Jugendfärbung

Früher, vor 1980, galt die Pflege der Kaiserfische als die ganz hohe Schule der Aquaristik, u.a., weil diese Fische geradezu unverschämt teuer waren. Dann wurde die Pflege der Kaiserfische und der nahe mit ihnen verwandten Falterfische in Deutschland für viele Jahre generell verboten. Man begründete das mit dem abwegigen Argument des Artenschutzes. Abwegig deswegen, weil erheblich mehr Kaiserfische zu Speisezwecken gefangen wurden und werden, als für die Aquaristik. Das Haltungsverbot wurde schließlich aufgehoben, weil es nicht mit EU-Recht zu vereinbaren war. Die Aquarianer hatten in der Zwischenzeit aber andere Arten für sich entdeckt. Die Nachfrage nach Großkaisern, die länger als 15 cm werden, ist daher mäßig, jedenfalls in Deutschland. Aber weltweit sieht das wohl anders aus, denn sonst hätte man sicher nicht so viele Arten im Programm. Es begann, wie so oft, in Asien. Bedingt durch den Golfkrieg und andere politische Katastrophen in den Anliegerstaaten des Roten Meeres war der Export von Rotmeer-Fischen eine unsichere Angelegenheit geworden. So begann man, Pomacanthus asfur und P. maculosus in Taiwan zu züchten, wo diese Halbmond-Kaiser offenbar sehr begehrt sind.

Erwachsener Holacanthus ciliaris.

Die in Indonesien ansässige Firma Bali Aquarich bietet zwischenzeitlich eine ganze Menge Kaiserfischarten plus zwei Hybriden auf regulärer Basis an und – da kann man sicher sein – wo einer produziert, da finden sich auch noch andere, die ein Stück vom Kuchen wollen. Während es wohl nicht rentabel und auch nicht wirklich sinnvoll ist, weit verbreitete und häufige Arten wie den Kaiserfisch Pomacanthus imperator zu züchten, sieht das mit den karibisch-atlantischen Holacanthus-Arten ganz anders aus. Während der US-Markt wegen der kurzen und günstigen Transportwege gut mit diesen Arten versorgt ist, sind sie in Europa oft nur mit Schwierigkeiten erhältlich.

Nachzuchtexemplar von Holacanthus ciliaris in Jugendfärbung.

Ein wenig Schnappatmung kann man aber schon bekommen, wenn man erstmals eine Art wie Genicanthus personatus lebend vor sich sieht. Die Chancen, ein Meerwasseraquarianerleben zu leben, ohne diese Art je zu Gesicht bekommen zu haben, waren bis vor Kurzem noch sehr groß. Dabei ist G. personatus eine der ersten Kaiserfischarten, die überhaupt im Aquarium gezüchtet wurde. Das war im Waikiki-Aquarium. Für den Preis, der für ein Wildfang-Paar verlangt wurde, kann man einen Mittelklasse-Wagen kaufen! Aber ob diese Preise auch je bezahlt wurden, ist eine andere Frage…

Genicanthus personatus, Weibchen.

Wie auch immer: dieser rund 20 cm lang werdende Lyrakaiser ist eine Schönheit und könnte, wenn er regelmäßig erhältich und bezahlbar ist, zum Dauergast im Aquarium werden. Wie alle Lyrakaiser ist auch dieser ein protogyner Zwitter, d.h. alle Exemplare sind zunächst Weibchen (schwarz-weiß gefärbt) und erst im Alter wandeln sich einzelne Tiere zu Männchen um (gelb-weiß gefärbt).
Als Planktonfresser eignen sich Lyrakaiser recht gut für Riffaquarien, da sessile Wirbellose unbeachtet bleiben.

Gramma dejongi

Gramma dejongi
Dieser wunderschöne Feenbarsch wurde erst vor wenigen Jahren vor Kuba durch kommerzielle Zierfischimporte entdeckt und wissenschaftlich beschrieben. Die Art unterscheidet sich von dem bekannten Gramma loreto durch die Färbung, die geringere Größe (nur maximal 45 mm gegenüber dem fast doppelt so großen G. loreto) und in Verhaltens-Details.
Gramma loreto lässt sich recht leicht züchten, hat aber den Nachteil, dass er Dauerlaicher ist. Eine Zuchtgruppe von einem Männchen und einigen Weibchen liefert ständig Gelege, doch werden täglich nur wenige Eier gelegt, wodurch eine rationelle Aufzucht kaum möglich ist. Man hat ständig nur wenige Jungtiere unterschiedlichen Alters. Die Art ist Höhlenlaicher. Da der Königs-Feenbarsch, wie Gram­ma loreto auch genannt wird, in der Karibik ein häufiger und leicht zu fangender Fisch ist, beschäftigen sich eher Hobby-Züchter als Berufszüchter mit dem Fischchen. Übrigens: Wer sich für Details der Meerwasserfischzucht interessiert, der muss das Buch “Nachzuchten für das Korallenriff-Aquarium” lesen, worin Wolfgang Mai auch ausführlich die Zucht von Gramma loreto beschreibt.
Bei Gramma dejongi könnte im Gegensatz zu G. loreto auch eine kommerzielle Zucht interessant sein, denn G. dejongi kommt nur in einem begrenzten Gebiet in 20-30 Metern Tiefe vor. Der daraus resultierende höhere Preis könnte eine Zucht auch in kleinem Maßstab lohnend machen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die kommerzielle Nachtzucht von Korallenfischen heute kaum noch ein technisches Problem ist, sondern dass die Hauptschwierigkeit in den zu kleinen Absatzmärkten liegt. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, müssen von den Korallenfischnachzuchten jeden Monat große Stückzahlen abgesetzt werden, denn die Zucht ist mit großen Investitionen und hohem Arbeitsaufwand verbunden. Der Markt für Korallenfische ist aber vergleichsweise klein, es gibt, verglichen mit Süßwasseraquarianern, nur wenige Meerwasseraquarianer. Wenn nur wenige Exemplare, also ein paar hundert oder tausend pro Monat, abgesetzt werden können, werden sie verhältnismäßig teuer, teurer jedenfalls als Wildfänge. Für die Zierfischfänger, die normalerweise ja Speisefische fangen würden, sind oft auch aus unserer Sicht niedrige Preise noch ziemlich attraktiv, denn um mit Speisefischen das gleiche Einkommen zu haben, wären erheblich größere Stückzahlen und ein größerer Arbeitsaufwand nötig.

Frank Schäfer

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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Ein Kommentar zu “Sind Nachzuchten für das Meerwasseraquarium sinnvoll?

  1. Simon

    Guten Tag,

    ich möchte Stellung auf den Abschnitt: Die Mischung macht’s nehmen. Ich frage mich, wie man mit einem solchen Background eine solche Meinung vertreten kann. Es ist doch nun unzählige Male nachweislich dokumentiert und belegt worden, dass der Wildfang viele Arten an den Rand der Ausrottung getrieben hat.

    Wie kann man man denn schreiben Zitat: -Da ja hauptsächlich Jungtiere für die Aquarienhaltung gefangen werden, hat diese Fischerei keinerlei Einfluss auf die natürlichen Bestände- .
    Da kann ich mir wirklich nur an den Kopf fassen…..
    Also entweder liegt es an Unwissen, was ich absolut nicht glaube, oder an Schönmalerei.

    Man muss nun wirklich kein Biologe sein um zu verstehen, dass der Fang der Jungtiere, maßgeblichen Einfluss auf den Bestand hat.

    Wenn ein Großteil der Jungtiere gefangen wird und aus dem Ökosystem fehlt, dann ist es doch offensichtlich, dass die Art früher oder später aussterben wird…. Das Ökosystem hat sich über Millionen von Jahren entwickelt und ist genau aufeinander abgestimmt. Es ist kein Zufall wie viele Eier ein Fisch legt. Das Gelege ist perfekt für den Erhalt der Art abgestimmt.
    Es überleben dann nämlich genau so viele Jungtiere, damit genügend das Alter zur Fortpflanzung erleben.

    Es mag für einen kurzen Zeitraum nicht großartig auffallen, da die Arten noch einiges kompensieren können. Aber auf lange Sicht wird das nicht funktionieren.

    Dies war nur eine absolut oberflächliche Beschreibung des Problems. Ausgewachsene Tiere, oder die Probleme die für die Korallen entstehen noch nicht einmal mit inbegriffen.

    Deshalb ist es von größter Bedeutung auf eine Zucht umzustellen…..

    Ich bin absolut kein Gegner der Aquaristik. Es ist ein geiles Hobby. Aber eine solche Sichtweise, die leider viel zu verbreiteter ist, ist inakzeptabel und zerstört unsere Natur.

    Mit freundlichem Gruß

    Simon

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