Syngnathoides biaculeatus – halb Pferd, halb Nadel

Seepferdchen und Seenadeln fallen von vornherein durch ihr bizarres Äußeres aus dem üblichen Rahmen dessen, was man unter einem Fisch versteht.  Syngnathoides biaculeatus setzt noch einmal einen drauf: das Tier sieht aus, als hätte es sich nicht entscheiden können, ob es eine Seenadel oder ein Seepferdchen werden wollte. Markus Eliser Bloch, der die Art als erster 1785 für die Wissenschaft beschrieb, nannte sie „Die Stachelnadel“.  Der englische Name  „Two-barbel Pipe Fish“ bezieht sich auf die zwei Hautanhänge, die viele Tiere un­ter­halb des Maules am „Kinn“ tragen. Diese Haut­anhänge fehlen aber auch bei zahlreichen Exemplaren, wogegen an anderen Stellen des Körpers auch oft Haut­anhänge zu finden sind. Diese Haut­anhänge se­hen so aus, als seien die Fische mit Algen bewachsen und ihr Sinn liegt wohl in der Tarnung.

Manchmal nehmen die Stachelnadeln eine senkrechte Körperhaltung ein und erinnern dann sehr stark an Seepferdchen.

Die Fär­bung der Tiere ist hochvariabel und schwankt zwischen einem hellen Grün und einem schmutzigen Braun. Da­bei kann jedes Individuum in kürzester Zeit diesen Farbwechsel durchmachen. Meist zeigen die Fische aber, so­fern sie sich wohlfühlen, eine grüne Körperfarbe.

Der Schwanz und der Kopf der Stachelnadeln sehen aus wie die eines Seepferdchens, d.h. der Schwanz hat keine Flosse am Ende und dient zum Greifen und Festhalten. Hingegen erinnert die Körperform eher an eine Seenadel, da die Tiere im allgemeinen nicht die senkrechte Körperhaltung einnehmen, wie sie für Seepferd­chen so typisch ist.

Gut getarnt lauert diese Syngnathoides biaculeatus auf Beute. Die Aufnahmen für diesen Beitrag entstanden in einem Brackwasseraquarium. Auf die Dauer sollten die Tiere aber in reinem Seewasser gepflegt werden.

Syngnathoides biaculeatus ist weit im indopazifischen Raum verbreitet. Sie dringt wohl auch gelegentlich in das Brackwasser der Flußmündungen vor, doch verlangt sie im Aquarium für die dauerhafte Pflege voll­wertiges Seewasser. Die erreichbare Endgröße liegt bei etwa 25 cm.

Leider ist die Pflege der Tiere, wie die aller marinen Seepferdchen und Seenadeln, äußerst schwierig und sollte spe­­zialisierten Aquarianern vor­be­halten blei­ben. Zwar stellen die Tiere eben­so­wenig Ansprüche an die Wasserqualität wie die Mehrzahl ihrer Verwandten, doch ist die Fütterung ein für Binnen­län­­der nur schwer zu lösendes Problem.

Originalabbildung aus der Beschreibung von Syngnathoides biaculeatus aus Bloch, 1785

Die Stachelnadeln fressen aus­schließlich lebendes Futter und sind zudem äußerst langsame Fresser. Bis sich eine Stachelnadel entschlossen hat, einen Wasserfloh zu fressen, ist die Mehrzahl der eingesetzen Wasserflöhe bereits im Seewasser abgestorben und wird dann nicht mehr be­achtet. Gleiches gilt sinngemäß für die meisten anderen, üblicherweise im Aquarium ge­reichten Lebend­futtersorten. Man braucht also entweder eine gutlaufende Artemia-Zucht, aus der ständig ausge­wach­sene Artemia gereicht werden können, oder gute Verbindungen zur Küste oder ein sicheres (!) Futtertierabonnement für lebende Mysis (Schwebegarnelen). Außer Kleinkrebsen werden auch frischgeborene Lebendge­bä­ren­­de wie Guppys oder Mollys ge­fressen. Doch deckt ein kompletter Wurf von etwa 50 Jungfischen gerade mal den Futterbedarf einer Stachelnadel für ein bis zwei Tage, so daß man schon eine sehr umfangreiche Fischzucht unterhalten muß, um die Tiere damit satt zu bekommen.

Wie bei allen Nadeln und Seepferd­chen obliegt auch bei Syngnathoides biaculeatus dem Männchen das Ausbrüten der Eier in einer speziellen Brut­tasche am Bauch. Die Zucht vieler Nadeln und Seepferdchen ist im Aquarium bereits geglückt, so daß auch die Stachelnadel wohl züchtbar ist – wenn man denn das Futterproblem lösen kann.

Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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