Wir schreiben das Jahr 1820, es ist der 19. Dezember. Wir besuchen die Versammlung der Naturwissenschaftlichen Akademie in Philadelphia, Pennsylvania, USA. Der französische Naturforscher, Maler und Entdecker Charles Alexandre Lesueur, der durch seine Teilnahme an der französischen Baudin-Expedition zur Erforschung der australischen Küste (1800-1803) Weltruhm erlangte, lebt zu dieser Zeit in Philadelphia. Er hält einen Vortrag, in dem er neu entdeckte Fische vorstellt. Darunter ist ein ganz außergewöhnlicher, kleiner Fisch mit riesiger Rückenflosse. Lesueur stellt für ihn die neue Gattung Mollienesia auf, benannt zu Ehren des französischen Finanzministers Nicolas François, Count Mollien, einem – wie Lesueur sagt – Mann der Wissenschaft und Förderer des berühmten Peron.
So fängt sie an, die Geschichte der Mollienser. Heute schwimmen sie in jedem Zooladen der Welt für wenig Geld herum und man nennt sie „Mollies“ oder ”Mollys”. Kaum jemand weiß noch, warum sie so genannt werden. Und nur wenige Menschen wissen Mollies – oder wollen wir sie nicht lieber doch Mollienser nennen? – wirklich zu schätzen. Man hält sie für einfache Anfängerfische, an denen es nichts Besonderes zu studieren gibt. Das ist jedoch völliger Unsinn!
Wieviele Arten gibt es?
Viele! Aber eine exakte Zahl kann man leider nicht nennen. Das liegt daran, dass die Mollienser sowohl körperlich wie auch farblich sehr variabel sind. Wie alle Dinge ist auch die Sichtweise darauf, was überhaupt eine „Art“ ist, einem ständigen Wandel unterworfen. Viele der im 19. Jahrhundert beschriebenen Arten wurden von späteren Bearbeitern wegen zu großer anatomischer Übereinstimmungen zu Synonymen erklärt. Heutzutage, da man die Biologie der lebenden Tiere besser studieren kann, neigt man wieder dazu, wieder mehr Arten anzuerkennen und beschreibt auch neue Arten. Von den kurzflossigen Molliensern, aus denen der bekannte Black Molly gezüchtet wurde, gibt es etwa 13 Arten. Von den eigentlichen Molliensern mit der riesigen, segelförmigen Rückenflosse beim Männchen, gibt es drei Arten: den Breitflossenkärpfling, M. latipinna, der im Südwesten der USA und im Norden Mexikos lebt, den Segelkärpfling, M. velifera, der auf der Halbinsel Yucatan in Mexiko lebt, und der Schwertmolly, M. kykesis (früher: M. petenensis), der in Mexiko vom östlichen Tabasco bis nach Guatemala (Umgebung des Sees Peten) lebt. Die Artunterscheidung ist nicht einfach und an den Grenzen der jeweiligen Verbreitungsgebiete kommt es wohl auch gelegentlich zu Hybriden. Die Gattung Mollienesia wurde 1960 als eigenständige Gattung eingezogen und gilt heutzutage nur noch als Untergattung zu Poecilia.
Die eigentlichen Mollienser
Betrachten wir also zunächst diese Arten mit den segelartigen Flossen. Bei ihnen setzt die Rückenflosse vor der Bauchflosse an, daran kann man auch die Weibchen sofort von anderen Molliensern unterscheiden. Robert Rush Miller, der sich viel mit den Mollies Mexikos beschäftigte, gibt folgenden Bestimmungsschlüssel (aktualisiert und modifiziert):
1. 16 Schuppen um den Schwanzstiel (Wert unzuverlässig, wenn die Schuppen Regenerate sind); 12-16 Strahlen in der Rückenflosse….. Poecila latipinna
1a. 20 Schuppen um den Schwanzstiel (Wert unzuverlässig, wenn die Schuppen Regenerate sind); 12-21 Strahlen in der Rückenflosse….. 2
2. 16-21 Strahlen in der Rückenflosse, selten 15, gewöhnlich 17-19; gewöhnlich 26 oder 27 Schuppen in der Seitenlinie; Körper kurz und gedrungen; die Flossenmembranen zwischen den Flossenstrahlen der Rückenflosse beim Männchen unterhalb der Flossenkante mit länglichen, dunklen Flecken; die vorderen zwei Drittel der Flosse mit vielen, runden, leuchtend blauen Punkten …. Poecilia velifera
2a. 12-16, gewöhnlich 14, gelegentlich 15 Strahlen in der Rückenflosse; gewöhnlich 28 oder 29 Schuppen in der Seitenlinie; Körper schlanker, gestreckter; die Flossenmembranen zwischen den Flossenstrahlen der Rückenflosse beim Männchen in der Mitte der Flosse mit einer Reihe ovaler Flecken; untere Hälfte der Flosse mit dunklen, wellenartigen Strichen oder Mustern, ohne blaue Punkte….. Poecilia kykesis
Golden-albinotische Zuchtform des Segelkärpflings
Jede dieser drei Arten kann fast 10 cm Länge erreichen (ohne Schwanzflosse), sie gehören also zu den größten Lebendgebärenden Zahnkarpfen. Die gelegentlich in der aquaristischen Literatur genannten „bis zu 20 cm“ sind aber wohl stark übertrieben. Die Tiere leben gewöhnlich in Küstennähe. Dort findet man sie in Süß-, Brack- und Meerwasser. Im Aquarium stellen alle drei Arten höchste Ansprüche an das Können des Aquarianers. Jede Verschlechterung der Wasserverhältnisse im Sinne von organischer Verschmutzung oder bakterieller Belastung quittieren die Fische mit Flossenklemmen. Schaukelnde Bewegungen zeigen dann ihr Unwohlsein an. Die dauerhafte Zucht über Generationen hinweg dürfte unter Innenraum-Bedingungen bisher kaum je geglückt sein. Ganz anders sieht das aus, wenn die Tiere wenigstens für einige Wochen im Jahr im Freiland gepflegt werden können. Dann entwickeln sich auch im Aquarium die prächtigen Riesenflossen der Männchen, während unter Zimmerbedingungen oftmals schon in zweiter oder dritter Generation nur noch früh geschlechtsreif werdende Zwergmännchen die Regel darstellen.
Allerweltsfische?
Diese Aussagen scheinen in krassem Gegensatz dazu zu stehen, dass zumindest P. latipinna und P. velifera fast ständig und zu billigen Preisen im Zoofachhandel zu erstehen sind. Und es gibt sogar eine Menge Zuchtformen dieser Tiere, schwarze, goldene, silberfarbene, schokoladenbraune mit roten Augen, gescheckte und alle diese in der Natur nicht vorkommenden Spielarten auch noch mit lyraförmiger Schwanzflosse. Wie kann das sein? Nun, zwar sind alle diese Tiere Nachzuchtexemplare (es gibt sie in der Natur ja gar nicht), aber die Nachzucht erfolgt in großem Stil in Freilandteichen in den Tropen. Hier leben diese Tiere wie in freier Natur unter freiem Himmel. Berühmte Zuchtzentren sind SriLanka, Thailand, Singapur und Malaysia. Von dort kommen die herrlichen Fische dann per Flieger zu uns in die Aquarien. Hier muss man sie sorgfältiger behandeln als Wildfänge. Denn Wildfänge sind von Natur aus robust, 99% aller in der Natur geborenen Tiere sterben bekanntlich vor Erreichen der Geschlechtsreife. Wer da durchkommt, ist stabil und nicht sonderlich empfindlich. Anders die „verwöhnten“ Nachzuchttiere. Hier werden so viel Jungtiere wie nur möglich großgezogen, Krankheiten behandelt und Feinde ferngehalten. In den Teichen Asiens leben die Mollienser wie im Paradies. Und bei uns? Hier werden sie oft sehr dicht gesetzt, das heißt: viele Fische auf wenig Wasser. Das fördert Krankheiten. Und so muss man frisch gekaufte Mollienser wirklich wie die berühmten rohen Eier behandeln und sehr sorgfältig aufpeppeln. Ein kräftiger Salzzusatz (ca. 5 Gramm Meersalz/Liter) tut dabei oft gute Dienste. Man muss aber ein solches salziges Aquarium erst einige Wochen ohne Fische betreiben, damit die wichtigen Filterbakterien sich an den erhöhten Salzgehalt anpassen können. Wer ein Seewasseraquarium (oder einen Bekannten mit Seewasseraquarium) hat, kann diese Zeit sehr abkürzen: einfach die schmutzige Filterwatte des Seewasseraquariums im Mollienser-Aquarium kräftig ausschwenken. Nach ein bis zwei Tagen, wenn das Wasser wieder kristallklar ist, können die Mollienser einziehen.
Das Wasser
Salzzusatz muss nicht unbedingt sein. Das Wasser für Mollienser sollte aber hart sein, mindestens 15° GH, und der pH-Wert sollte stabil knapp über 8 liegen. Säurestürze vertragen diese Fische überhaupt nicht! Viel Licht ist angesagt, damit sich Algen entwickeln. Denn Algenkost brauchen sie, die Mollienser. Ohne Algen werden sie fett und kränkeln. Nachts sollte man den Heizer ausschalten. Eine Temperaturschwankung von 3-4°C imTag-Nacht-Rhythmus tut den Tieren sehr gut. Obwohl Mollienser es allgemein warm mögen (sie leben in der Natur meist in flachem Wasser), stellt man immer wieder fest, dass Tiere, die man im Herbst aus der Sommerfrische holt, auch bei 16-18°C noch sehr fit und beweglich sind. So etwas darf man natürlich nicht mit frisch erworbenen Exemplaren machen, die hält man die ersten 6-8 Wochen unbedingt bei 28-30°C, auch, weil sich bei diesen hohen Temperaturen viele Krankheitserreger der Fische nicht wohl fühlen. Während der Eingewöhnung sollte man das Wasser auch kräftig durchlüften. Bei hohen Temperaturen kann es sonst leicht zu Sauerstoffmangel kommen.
Auch vom Segelkärpfling gibt es eine silberfarbene Zuchtform
Immer nur einen Mann!
Mollienser sind Kämpfer. Lassen Sie sich bloß nicht täuschen, wenn Sie etliche Männchen im Zooladen friedlich beieinander schwimmen sehen. Zuhause ginge das auf Dauer nicht gut. Wenn Sie mehrere Aquarien betreiben, ist es praktisch, wenn Sie drei Männchen und eine Gruppe Weibchen kaufen. Die Tiere werden zusammen eingewöhnt. Wenn dann die Kämpfe losgehen, fischen Sie die unterlegenen Männchen ab und bringen sie als Backup für den Fall, dass dem Pascha etwas passiert, in anderen Aquarien unter. Gegenüber anderen Fischen sind die Mollienser absolut friedlich nur andere Mollies dürfen es nicht sein und auch Schwertträger (Xiphophorus hellerii und Konsorten) sind keine gute Wahl. Aber Salmler, Barben, Welse, Zwergbuntbarsche und Labyrinther haben nichts von Molliensern zu befürchten.
Mollienserinnen ohne Kerl
Kaum eine zweite Fischgruppe hat es in Sachen Emanzipation so weit gebracht wie die Mollienser. Hier gibt es tatsächlich eine Art, den Amazonenmolly (Poecilia formosa), die ausschließlich aus Weibchen besteht! Amazonenmolly-Damen brauchen den Sex nur noch, damit sich die Eier entwickeln. Sie gebären ausschließlich Töchter und die Töchter sind Klone der Mutter, haben also vom genetischen Material des Vaters rein gar nichts mitbekommen. Als Samenspender kann jeder x-beliebige Mollienser dienen, da sind die Amazonenmollies nicht wählerisch. In der Natur sind es wohl in erster Linie P. latipinna und der kurzflossige P. mexicana, den P. formosa benutzen. Aus diesen beiden Arten hat sich der Amazonenmolly ursprünglich wohl als Hybrid entwickelt. Die genetischen Grundlagen einer solchen „nur-Weibchen-Art“ sind kompliziert und die wissenschaftliche Literatur darüber umfasst viele hundert Seiten. Es würde an dieser Stelle viel zu weit führen, sie zu erläutern. Leider sind diese Amazonenmollies nicht im Hobby vorhanden. Sie sehen einfach zu fad aus.
Die kurzflossigen Mollienser
Die Pflege und Zucht der kurzflossigen Black Mollies, Gold Dust, Marble & Co. sind wesentlich einfacher als bei den Großflossern. Aber auch über sie gibt es eine Menge spannender Geschichten.
Widmen wir uns nun dem Black Molly!
Allerdings: gibt es ihn überhaupt, ”den” Black Molly? Oder ist es nicht vielmehr so, dass es eine ganze Reihe von schwarzen Molliensern gibt, mit ganz unterschiedlichen Stammeltern?
Letztere Situationsbeschreibung trifft sicher eher zu, als ”den” Black Molly als ”schwarze Zuchtform des Spitzmaulkärpflings, Poecilia sphenops” zu definieren, wie es in zahlreichen Aquarienbüchern gehandhabt wird.
Zahlreiche Wildarten
In der Wissenschaft gibt es, wie überall, Modeerscheinungen. Die Erforschung kleiner Süßwasserfische ist eine recht junge Disziplin der Biologie. Ernsthaft beschäftigt man sich damit erst seit etwa 200 Jahren. In dieser Zeit veränderte sich die Welt radikal. Setzen wir eine menschliche Generationsfolge einmal mit 35 Jahren an, so haben sich in nur rund 6 Generationen die Staatsformen von Monarchien zu Demokratien gewandelt; erst vor 3 Generationen begann sich der Gedanke des Darwinismus durchzusetzen; etwa zeitgleich entstand die Aquarienkunde als Folge der industriellen Revolution und der damit einhergehenden Sehnsucht des Menschen nach der Natur; erst in unserer, der 6ten Generation derer, die sich mit kleinen Fischen beschäftigen, ist ein Blick auf die biologischen Ursachen des Wandels der Arten – also des fortwährenden Aussterbens existierender Arten und des darauf folgenden Entstehens neuer Arten – durch die Molekulargenetik möglich geworden.
Es ist nur logisch, dass sich vor diesem Hintergrund das Verständnis dessen, was eine ”Art” überhaupt ist, mehrfach geändert hat – und noch oft ändern wird! Die alten Gelehrten, die die ersten Mollienser beschrieben und damit der Welt zur Kenntnis brachten, glaubten noch an die Unveränderlichkeit der von einem Schöpfergott hervorgebrachten Arten. Mit dem Darwinismus – der übrigens ganz entscheidend davon geprägt wurde, dass man sah, wie stark sich Tiere und Pflanzen verändern können, wenn der Mensch sie planmäßig züchtet – wurde vieles anders. Man glaubte jetzt bei vielen zuvor beschriebenen Arten, es handele sich dabei nur um Varianten und erklärte sie zu Synonymen. Große Expeditionen ermöglichten später tiefere Einblicke in die natürliche Variation und führten zu einer Fülle neuer Beschreibungen bzw. dazu, dass alte Arten wieder für gültig erklärt wurden. Heutzutage geht der Trend dahin, als interessanteste biologische Einheit nicht mehr die Art zu sehen, sondern die Population und innerhalb der Population – also einem lokal umgrenzten Vorkommen einer Art – genetische Trends und Anpassungen zu studieren.
So kam es, dass in dem genannten Zeitraum von ca. 200 Jahren 33 Molly-Arten vom Black-Molly-Typ (Artenkreis Poecilia sphenops) beschrieben, teils synonymisiert und teils wieder in Artrang erhoben wurden. Als sich die Aquarianer um 1905 mit diesen Fischen zu beschäftigen begannen, achteten sie nicht so sehr darauf, woher ihre ”Spitzmaulkärpflinge” kamen. Sie kreuzten – teils absichtlich, teils in Unkenntnis der natürlichen Verhältnisse – die Tiere, die ihnen gerade zur Verfügung standen.
Der erste Black Molly
Welcher Art oder Population die Stammeltern der ersten Black Mollies zugehörten, ist darum nur schwer nachvollziehbar. Allerdings wurde über den schönen Fisch ausführlich publiziert, so dass im Gegensatz zu vielen anderen Haustierformen einiges über die Entstehungsgeschichte bekannt ist. Kurt Jacobs fasst die bekannten Fakten in seinem klassischen Standardwerk ”Die lebendgebärenden Fische der Süßgewässer”, Edition Leipzig, 1969, zusammen: 1912 und 1929 wurden schwarze Mollienser-Wildfänge nach Deutschland importiert. Diese Tiere waren aber NICHT die Ureltern der Black Mollies. Black Mollies wurden erstmals 1930 nach Deutschland aus den USA exportiert. Entwickelt hatte den Ur-Black Molly der Züchter Crescenty aus New Orleans, angeblich in 7-jähriger Auslesezucht aus ”Mollienisia formosa”. Diese ersten Black Mollies waren kleinwüchsig (Männchen 4-5 cm, Weibchen 5-6 cm) mit flacher, eckiger Rückenflosse; sie warfen immer nur wenige, meist 2-20, selten bis 60 Jungtiere. Die Tiere galten als äußerst empfindlich und schwierig in der Zucht. Durch Kreuzung mit dem ”Liberty Molly”, einer in der Natur wild vorkommenden Molly-Form, erzielte man den ”Liberty Black Molly”, der ähnlich in Größe und Wurfzahl war, jedoch grün glänzende Schuppen und eine abgerundete Rückenflosse besaß.
Mollienisia formosa (Girard, 1859)
Heutzutage versteht man unter diesem Namen den ”Amazonen-Molly”, eine Art, die ausschließlich aus Weibchen besteht (siehe oben). Zur Erinnerung: diese Amazonen brauchen artfremde Männchen, um sich fortzupflanzen. Deren Sperma regt jedoch nur die Entwicklung der Eizellen an, das Erbgut der stets weiblichen Nachkommen der Amazonen ist identisch mit dem der Mutter; alle Amazonen sind also Klone.
Früher, genauer gesagt ab 1904 bis 1933, verstand man unter M. formosa aber eine zweigeschlechtliche Molly-Form, die aus Mexiko importiert wurde; nun ist Mexiko groß. Aber in einer alten Aquarienzeitschrift, in den ”Blättern für Aquarien- und Terrarienkunde”, Band 25, Jahrgang 1914 bekommen wir einen Hinweis von Arthur Rachow, wo die Stammeltern des Black Molly gefunden worden sein könnten. Er schreibt nämlich, dass er schwarz gescheckte Mollienser, die C. T. Regan, damals Kurator für Fische in London und die führende Autorität, als ”Mollienisia formosa” bestimmt hatte, aus Panama erhalten hatte. Rachow wusste sogar den genauen Fundort, nämlich Gatun, Kolon. Der Gatun-See ist ein Stausee am atlantischen Ende des Panama-Kanals, Kolon heißt heute Colón, es handelt sich um eine Hafenstadt nahe des Gatun-Sees. Der Gatun-See wiederum wird vom Rio Chagres gespeist. Der Gatun-See ist Typen-Fundort von zwei Arten der Spitzmaulkärpflinge: Poecilia gillii (Kner, 1863) und P. boucardii Steindachner, 1878. Beide werden gegenwärtig für Synonyme zueinander gehalten, der gültige Name ist P. gillii. Eine schwarz gescheckte Variante von Gills Kärpfling könnte also der Fisch gewesen sein, woraus Crescent seinen ersten Black Molly erzüchtete. Allerdings ist es sehr fraglich, ob wir darüber jemals endgültige Gewissheit bekommen, denn der ursprüngliche Black Molly ist heutzutage wohl ausgestorben.
Photo: H. Geidies-Cassel, aus Rachow, 1914
Black Molly – ein Problemfisch?
Seit jeher gelten Black Mollys als empfindliche Tiere. Sie sind wärmeliebend (24-28°C) und brauchen gereiftes (”altes”) Wasser mit sehr niedrigem Gehalt an Bakterien und Stickstoffverbindungen. Das Wasser sollte zudem relativ hart (über 15° GH) und leicht salzig sein (ein Teelöffel jodfreies Kochsalz oder Meersalz auf 10 Liter Wasser). Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Wenn in einem Gesellschaftsaquarium die Wasserwerte in den suboptimalen Bereich zu kommen drohen, sind es die Black Mollies, die als erste durch Flossenklemmen und Körperschaukeln darauf aufmerksam machen. Man könnte sie geradezu als Bioindikatoren für gutes Wasser bezeichnen, jedenfalls für gutes Wasser in den chemischen Bereichen, in denen sich die Black Mollies wohlfühlen. All das spricht tatsächlich dafür, dass Gills Molly bei der Entstehung des Black Molly zumindest stark beteiligt war; denn Gills Molly gilt fast schon als Brackwasserfisch, obwohl er grundsätzlich alle Gewässertypen von der Mündung bis ins Bergland (1200 m) besiedeln kann. Alle Brackwasserfische zeigen bei Abwesenheit von Salz eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Nitrit und Nitrat. Und sie können pH-Werte unter 8 nur schwer ertragen. Noch ein interessantes Detail spricht für Gills Molly als Stammvater des Black Molly: in Brackwasserbereichen werden Gills Mollies bis zu 10 cm lang (Männchen bleiben immer kleiner), was auch Rachow von seinen Tieren sagt. In reinem Süßwasser bleiben sie hingegen deutlich kleiner, genau wie die frühen Black Molly-Stämme!
Heutzutage gibt es allerdings Black-Molly-Stämme, die diese Empfindlichkeit kaum noch aufweisen. Die Züchtereien waren diesbezüglich nicht untätig. Welchen Ursprung diese ”süßen” Black Mollies haben, ist nicht bekannt. Vermutlich sind Poecilia mexicana und P. sphenops an ihrer Entstehung beteiligt, vielleicht aber auch reine Süßwasserpopulationen von P. gillii.
Frank Schäfer
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