
Seerosen sind mystische Pflanzen, die schon immer die Fantasie des Menschen angeregt haben. Darauf deutet auch der wissenschaftliche Gattungsname “Nymphaea” hin. Nymphen sind in der altgriechischen und römischen Mythologie gottartige Wesen, Naturgeister, die dem Menschen oft hilfreich sind. Im Gegensatz zu Göttern gelten sie als sterblich. Der Mythologie nach entstand die erste Seerose aus dem toten Leib einer Nymphe, die aus Eifersucht gegen Herkules starb.
Seerosen in Teich und Aquarium
Obwohl Seerosen in der Natur sehr häufig sind und ihre wunderschönen Blüten den Menschen schon immer fasziniert haben, sind sie erst vergleichsweise spät in Kultur genommen worden. Zunächst war es wohl die in Europa, Asien und Nordafrika weit verbreitete und winterharte Weiße Seerose, Nymphaea alba, die in Gartenteichen gepflegt wurde. Erst um 1800 wurden auch andere Arten als geeignete Gartenpflanzen erkannt und um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden überall in Europa Seerosenhäuser, um die sensationelle Victoria regia, die Riesenseerose, pflegen und ausstellen zu können.

Große, prächtige, blühende Pflanzen von Nymphaea x daubenyana im beheizten Seerosenteich der Wilhelma in Stuttgart.
Es war in dieser Zeit, dass man mit Kreuzungen zu experimentieren begann und jedes Jahr kamen neue, farbenprächtige Hybriden auf den Markt. Heute weiß wohl niemand so ganz genau, wieviele Züchtungen es gibt, es werden weit über 600 sein. In freier Natur gibt es etwa 40 Arten.
Als Aquarienpflanzen wurden die Seerosen noch viel später entdeckt. Noch Albert Wendt schrieb in seinem klassischen Werk “Die Aquarienpflanzen in Wort und Bild” (1952-1955), dass man im Aquarium an Seerosen keine Freude haben wird, weil sie viel zu groß werden, viel Licht verlangen und der fette Bodengrund, den sie zur optimalen Entwicklung verlangten (man verwendete damals für Seerosen eine Mischung aus Sand, altem Lehm und Komposterde, der etwas gut verrotteter Kuhdung zugesetzt wurde, das Ganze gut abgelagert – herrlich!) im Aquarium aus Rücksicht auf die Fische nicht verwendet werden könne.
Allgemein zog erst in den späten 1960er Jahren der Tigerlotus (Nymphaea lotus) als Aquarienpflanze in die Becken der Liebhaber ein und ist seitdem nicht mehr wegzudenken. Die Pflanze verdankt ihren Erfolg in der Aquaristik einem Umdenken der Aquarianer. Versuchte man zuvor, die Seerosen naturnah zu pflegen, also mit Schwimmblättern, um ihre herrlichen Blüten beobachten zu können, lernte man am Tigerlotus, dass es möglich ist, die ökologische Flexibilität einige Arten dahingehend auszunutzen, dass man sie rein untergetaucht ( = submers) kultivierte. So gepflegt sind etliche Seerosen ganz herrliche Unterwasserpflanzen. Man muss allerdings die von Zeit zu Zeit auftretenden Schwimmblätter konsequent auskneifen, sonst sterben die Unterwasserblätter ab.
Die Entstehung der Nymphaea x daubenyana
Die genaue Entstehungsgeschichte dieser hübschen Seerose ist unbekannt, aber der bereits erwähnte A. Wendt sagt dazu, dass es zunächst ein Professor Caspary in Königsberg (das heutige Kaliningrad, Russland) war, der die Arten N. micracantha und N. coerulea kreuzte und so unsere hier beschiebene Pflanze erhielt. Später soll Prof. Daubeny in Oxford die Kreuzung wiederholt haben.

Reich blühende Jungpflanze. Die blauen Spitzen der Blütenblätter deuten auf das Erbe von einer der Elternarten, N. coerulea, hin.
Während die Seerose in Deutschland zunächst als Nymphaea stellata prolifera hortorum vermarktet wurde, setzte sich sehr bald der Gartenname N. Daubenyana durch. Früher schrieb man Artnamen, die nach Personen benannt waren, mit großem Anfangsbuchstaben. Heute wird die Pflanze allgemein als N. x. daubenyana bezeichnet, wobei das “x” bedeutet, dass es sich um eine Kreuzung (= Hybride) handelt, und nicht um eine natürliche Art.
Verwendung
Das faszinierendste an dieser Seerose ist sicherlich, dass sie, wie eine ihrer Stammeltern, die N. micracantha, Ableger an der Basis der Blätter bildet. Diese blühen bei Freilandkultur auch schon reichlich, wenngleich im Bonsai-Format. Aber auch im Aquarium ist diese Seerose eine herrliche Pflanze, deren zarte Unterwasserblätter sehr dekorativ wirken. Auch bei submerser Kultur bilden sich Jungpflanzen an den Blättern. Die Seerose verlangt weiches bis mittelhartes Wasser, einen pH-Wert im sauren bis neutralen Bereich, viel Licht, Eisendünger und ist dankbar für CO2-Gaben. Im Freiland ist diese Seerose bei uns nicht winterhart.
Frank Schäfer
Lexikon Seerosen
Nymphaea: Nymphe, siehe Einleitung.
alba: bedeutet “weiß”
daubenyana: nach Prof. Daubeny
micracantha: bedeutet “kleinblütig”
coerulea: bedeutet “die Blaue”
stellata: bedeutet “sternförmig”
prolifera: bedeutet “Nachwuchs tragend”
hortorum: abgeleitet von “hortus”, dem Garten; wird als Zusatz für Pflanzen verwendet, die es in der Natur nicht gibt, sondern nur als Gartenzüchtung.
Victoria: Widmungsname für Königin Victoria (1840-1901)
regia: bedeutet “Königin”
lotus: ein altgriechischer Pflanzenname
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