Franky Karfreitag: Der Kreuzwels oder Minihai

Seit Jahrzehnten erfreut sich ein eleganter, silberglänzender Fisch großer Beliebtheit im Zoofachhandel. Der Populärname „Minihai“ hat sich unausrottbar eingebürgert. Dabei ist dieser Fisch weder Mini noch Hai. Mit einer Maximallänge von gut 30 cm gehört er als Aquarienfisch eher zur Bullenklasse und erreicht die Obergrenze der Größe von Fischen, die man gewöhnlich noch im Aquarium pflegt. Allerdings erreichen die Tiere sowohl in der Natur wie im Aquarium gewöhnlich nur 15-20 cm, aber auch das ist noch jenseits von „Mini“.

Ein Blick ins Gesicht zeigt: Barteln! Kein Hai hat so etwas und tatsächlich handelt es sich beim Mini-Hai um einen Wels aus der Familie der Ariidae, auf Deutsch auch Kreuzwelse genannt. Diese Welse leben, ganz im Gegensatz zu der überwältigenden Mehrzahl ihrer Vettern, vorzugsweise im Meer. Phantasiebegabte Menschen sehen in der Innenseite des Schädels ein Kruzifix, daher der Name „Kreuzwelse“. Kitschig ausgemalt kann man diese Naturkruzifixe vielerorts in Süd- und Mittelamerika kaufen.

Unterseite des Schädels eines Welses aus der Familie Ariidae, der nach Volkskunde Jesus am Kruzifix zeigt. Das linke Bild hat den vitruvianischen Menschen aus einem w:File:Vitruvian-Icon.png überlagert, um zu veranschaulichen, wo Jesus dargestellt sein soll, während das rechte Bild einfach der Schädel ist. In der linken oberen Ecke bildet die kleine schwarze Linie einen Maßstab von einem Zentimeter. Stirnseite nach unten. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Crucifix_catfish_skull_with_and_without_man.jpg

Kreuzwelse sind Maulbrüter im männlichen Geschlecht. Es handelt sich um eine sehr artenreiche Familie, über 150 Arten in 30 Gattungen sind gegenwärtig akzeptiert. Allerdings machen die Kreuzwelse den Systematikern das Leben schwer. Sie sehen einander sehr ähnlich, viele vermeintlich artabgrenzende Merkmale erwiesen sich im Nachhinein als im Laufe der Individualentwicklung variierende Kennzeichen. Und so ist die wissenschaftliche Literatur über Kreuzwelse sehr verworren und schwierig zu interpretieren. Kreuzwelse sind sehr häufig und treten in großen Stückzahlen auf, weshalb sie einen wichtigen Bestandteil der Küstenfischerei bilden.


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Nur eine einzige Art ist aquaristisch von Bedeutung, nämlich besagter Minihai. Er wird hauptsächlich aus Kolumbien (Zuflüsse des Pazifiks) importiert. Eigentlich ist er ein Brack- und Seewasserfisch, doch passt er sich problemlos an reines Süßwasser an, nur darf der pH-Wert nicht dauerhaft unter 7 sinken: saures Wasser bringt den Fisch um. Für die langjährige Pflege empfiehlt sich darum ein Brack- oder Meerwasseraquarium, denn hier ist das Wasser durch die Salzmischung gut auf einen pH-Wert von 8,3 gepuffert.

Kreuzwelse sind gesellige Tiere und sollten immer im Trupp von 6 Exemplaren aufwärts gepflegt werden.

Zunächst bezeichnete man den Minihai als Arius jordani, dann galt dieser Name als Synonym zu A. seemanni. Und dann wurde die Art durch die Gattungen gereicht. Mal wurde er Arius, mal Sciades, mal Hexanematichthys und dann Ariopsis zugeordnet. Jetzt erschien eine Revision der Gattung Ariopsis. Nach dieser heißt unser Minihai jetzt richtig Ariopsis simonsi (Starks, 1906). Bislang war dieser Name in die Synonymie von A. seemanni verwiesen worden. Mal sehen, wie lange dieser Name nun Bestand hat…


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Ausgewachsenes Männchen des Minihais im Aquarium des Baseler Zolli
Ausgewachsenes Weibchen
Close-up der seltsam modifizierten Bauchflosse eines ausgewachsenen Weibchens.

Wenn die Fische ausgewachsen sind, entwickelten die Weibchen seltsame Modifikationen der Bauchflossen. Wozu diese Bauchflossenmodifikationen jedoch dienen, entzieht sich meiner Kenntnis. Über eine erfolgreiche Zucht im Aquarium ist mir nichts bekannt, sie sollte allerdings im Meerwasseraquarium relativ problemlos möglich sein. Der aquaristische Bedarf kann und sollte durch Wildfänge gedeckt werden, denn das ist ökologisch sinnvoller und eine wichtige Einnahmequelle für die lokalen Fischer in Kolumbien, aber durch die Zucht im Aquarium könnte geklärt werden, wie das Paarungsverhalten der Tiere abläuft, das bislang noch völlig unbekannt ist.

Frank Schäfer

Literatur:

Marceniuk, A.P., Acero, A.P., Cooke, R. & Betancur-R, R. (2017): Taxonomic revision of the New World genus Ariopsis Gill (Siluriformes: Ariidae), with description of two new species. Zootaxa, 4290 (1): 1-42.

Und weiteren Lesestoff zum Thema Welse gibt es hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=welse

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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5 Kommentare zu “Franky Karfreitag: Der Kreuzwels oder Minihai

  1. Pingback: Franky Friday: Der Kreuzwels oder Minihai - my-fish

  2. Peter Heymann

    Persönlich versuche ich mein Hobby Aquaristik ausschließlich über Nachzuchten zu betreiben, daher verblüfft mich ihre Formulierung: „Der aquaristische Bedarf kann und sollte durch Wildfänge gedeckt werden, denn das ist ökologisch sinnvoller….“

    Wie lässt sich dies erklären?

    Was ist ökologisch sinnvoll an der Entnahme von Fischen (außer es handelt sich an zu große Bestände, die beispielsweise entstanden sind durch fehlende Fressfeinde)

    Ich würde mich freuen, etwas Neues dazuzulernen.

    Antworten
    1. Frank Schäfer

      Hallo Herr Heymann,

      bitte haben Sie noch ein wenig Geduld, am kommenden Freitag kommt ein ausführlicher Blog zum Thema „Warum der Handel mit Wildfängen aktiver Artenschutz ist.“

      Viele Grüße

      Frank Schäfer

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  3. Dennis Roy

    Hallo, sie schreiben das sich die Welse an Süßwasser gewöhnen und in der Regel nur 15-20cm im Aquarium werden. Sämtliche Informationen die ich über diese Tiere finde sagen aber aus das Brackwasser zwingend erforderlich ist und die Tiere sonst nach gewisser Zeit versterben und auch wesentlich größer werden.

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    1. Frank Schäfer Beitragsautor

      Hallo,

      nein, ich empfehle nicht, dass man die Tiere dauerhaft im Süßwasser pflegen soll. Es sind euryhaline Tiere, können also frei zwischen Süß- und Seewasser pendeln, doch wie ich schreibe: Für die langjährige Pflege empfiehlt sich ein Brack- oder Meerwasseraquarium. Wegen der Größe: der größte je wissenschaftlich vermessene A. seemani war 39,5 cm lang. Ich halte es für wenig sinnvoll, solche Rekordmaße als Normgrößen anzugeben. In einem normal großen, 2-3 Meter langen Aquarium ist nicht damit zu rechnen, dass diese Fische wesentlich über eine Länge von 20 cm hinauswachsen. Größere Tiere habe ich jedenfalls weder in Privataquarien noch in öffentlichen Schauaquarien gesehen, auch wenn ich schreibe, dass u. U. mit 30 cm zu rechnen sind. Man sollte sich, wie ich eingangs schreibe, darüber im Klaren sein, dass diese Fische weder Mini noch Hai sind, sondern die für klassische Zierfische übliche Endgröße von rund 10 cm deutlich überschreiten und zum vergleichsweise hohen Platzbedarf auch noch spezielle Forderungen an die Wasserchemie stellen – das ist die Botschaft.

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