Regelmäßig begegnen dem aufmerksamen Besucher im Zoofachhandel eigenartig-schöne Fische, die als Myxicyprinus asiaticus oder Wimpelkarpfen, manchmal auch als Fledermausschmerle ausgezeichnet sind. In der deutschsprachigen aquaristischen Fachliteratur findet man allerdings kaum etwas aussagekräftiges über diese eigenartige Kreatur…
Zunächst einmal: Myxocyprinus gehört gar nicht zu den Karpfen (Familie Cyprinidae). Er ist vielmehr ein Mitglied der Familie Catostomidae, die auf deutsch Saug-Karpfen heißen – was wiederum irreführend ist, denn diese Catostomidae sind eine Schwestergruppe zu den Schmerlen (es gibt mehrere Familien bei den Schmerlen, die alle aufzuführen hier zu weit ginge) und mit den Karpfen demnach nur sehr weitläufig verwandt.
Viele Amis, ein Russe und ein Chinese
Die Catostomidae umfassen derzeit rund 13 Gattungen mit insgesamt 68-80 Arten (die Quellen sind diesbezüglich widersprüchlich). Bis auf eine Art kommen alle in Nordamerika (hier jetzt einmal unpolitisch gesehen, also inklusive Kanada, mit Ausläufern nach Mexiko und Nordostsibirien) vor. Und diese eine Art ist unser Myxicyprinus asiaticus. Die zweite Art, die mit Nordostsibirien asiatischen Boden erreicht, ist übrigens Catostomus catostomus. Sie lebt in mehreren Unterarten teils auf dem amerikanischen, teils auf dem asiatischen Kontinent, ist also zu einer Zeit entstanden, als die Beringstraße noch Land mit Süßwasserflüssen war und nicht, wie heute, eine eisige, ca. 85 km breite Meerenge. Die Heimat von Myxocyprinus asiaticus liegt in West-China, wo er in dem Flusssystem des Jangstekiang vorkommt.
Nur eine Art?
Myxocyprinus asiaticus wurde 1864 von Bleeker unter dem Namen Carpiodes asiaticus beschrieben. 1872 beschrieb Dabry de Thiersant eine zweite Art, C. chinensis. Der Gattungsname Carpiodes wird heute nur noch für amerikanische Arten verwendet. Die Gattung Myxocyprinus wurde 1878 aufgestellt. 1889 beschrieb Günther die Art Sclerognathus chinensis, die Nichols (1925) für artgleich mit Carpiodes chinensis, aber auf Unterart-Niveau von C. asiaticus verschieden einordnete. Nichols beschrieb 1925 als dritte Unterart Myxocyprinus asiaticus fukiensis, der 1929 Tchang die vierte Unterart M. a. nankinensis hinzufügte. Somit existieren mindestens vier formell beschriebene Unterarten, doch eine moderne Revision der Gattung Myxocyprinus gibt es nicht.
Nichols liefert 1943 einen Bestimmungsschlüssel zu den Unterarten:
Rückenflossenstrahlen ca. 52, Afterflossenstrahlen 12, 53 Schuppen in der Längsreihe – asiaticus
Rückenflossenstrahlen ca. 57, Afterflossenstrahlen 14, 55 Schuppen in der Längsreihe – chinensis
Rückenflossenstrahlen 52-56, Afterflossenstrahlen 13-14, 47-49 Schuppen in der Längsreihe – fukiensis
M. a. nankinensis, der sich nach Tchang durch das Fehlen der dunklen Bänder und mehr Schuppen in der Längsreihe von fukiensis unterscheidet, wird von Nichols mit asiaticus synonymisiert. Nichols zitiert ferner Fang (1934), dem zufolge die innerartliche Varianz bei Myxocyprinus asiaticus so groß ist, dass es wenig Sinn macht, Unterarten zu unterscheiden.
Die im Handel befindlichen Tiere stammen ausnahmslos aus Nachzuchten.
Der Holotyp, anhand dessen Bleeker die Art 1864 beschrieb, liegt heute im Pariser Naturkundemuseum. Hier ist ein Foto des Tieres zu sehen: https://science.mnhn.fr/institution/mnhn/collection/ic/item/0000-2068?listIndex=489&listCount=40786
Eine bedrohte Tierart
Leider steht es um die natürlichen Vorkommen des Wimpelkarpfens nicht sehr gut. Der Flussfisch wird wegen seiner Größe und des offensichtlich wohlschmeckenden Fleisches vom Menschen genutzt, doch hat das, ebenso wie die gelegentliche Entnahme von Jungtieren für die Aquarienpflege, keinen wesentlichen Einfluss auf die natürlichen Bestände. Die Population des Minjiang, des wasserreichsten Nebenflusses des Jangtse, gilt sogar schon als ausgestorben. Die wesentlichen Ursachen für das Verschwinden des Fisches liegen in der Konstruktion von Staudämmen, der Wasserverschmutzung und weiterer Gewässernutzungen durch den Menschen, denn Myxocyprinus asiaticus ist ein Wanderfisch. Im Februar wandern die Erwachsenen in die Laichgründe, die in flachen Stellen mit rasch fließendem Wasser liegen, wo sie von März-April ablaichen. Die Erwachsenen bleiben bis zum Herbst in den Laichgebieten und wandern erst zum Überwintern in die tieferen Stellen der Flüsse zurück. In China ist der Fisch geschützt und es gibt Zuchtprogramme, die die natürlichen Bestände durch ausgesetzte Jungtiere stützen sollen.
In Aquarium und Teich
Für Aquarien ist der Wimpelkarpfen nur als Jungfisch geeignet, denn die Art wird üblicherweise ca. 40 cm lang. Die Rekordgröße liegt bei etwa 135 cm und 35 kg Gewicht. Die Art ist ein Kaltwasserfisch, der in Mitteleuropa vollständig winterhart ist. Im Aquarium sollten die Wassertemperaturen dauerhaft nicht über 25°C liegen, am besten geeignet sind 16-22°C. Wimpelkarpfen sind gesellige Fische, die immer in Gruppen von mindestens drei Exemplaren gepflegt werden sollten. Wenn der Platz es erlaubt, sind größere Gruppen besser. Gegenüber artfremden Fischen sind die Tiere, ebenso wie zu Artgenossen, völlig friedlich. In Gartenteichen machen sich Myxocyprinus sehr nützlich, denn sie weiden begeistert Algen von Boden und Gegenständen ab. Wenn man Wimpelkarpfen im Gartenteich pflegen möchte, darf man sie nicht vor Juni einsetzen, denn bei den gehandelten Tieren handelt es sich um Nachzuchten aus dem tropischen Asien, die sich erst langsam an die bei uns vorherrschenden niedrigen Wassertemperaturen anpassen müssen.
Ein riesiger Wimpelkarpfen
Unter http://english.peopledaily.com.cn/200705/10/eng20070510_373479.html# finden sich Bilder eines voll ausgewachsenen Männchens von Myxocyprinus asiaticus. Das Tier stammt aus dem Fluss Jialing, der Fundort ist Langzhong im Südwesten der Provinz Sichuan. Leider erhielten wir keine Verwertungsgenehmigung für die Bilder und können sie hier darum nicht direkt zeigen. Der größte bisher vermessene Wimpelkarpfen war 125.9 cm lang und wog 45,86 Pfund.
Lexikon Wimpelkarpfen
Myxocyprinus: bedeutet “schleimiger Karpfen” asiaticus: bedeutet “aus Asien stammend” chinensis: bedeutet “aus China stammend” Carpiodes: bedeutet “karpfenähnlich” Catostomus: bedeutet “mit unterständigem Maul” fukiensis, nankinensis: nach den Fundorten (Fukien bzw. Nankin).
Frank Schäfer
zitierte Literatur:
Bleeker, P. (1864): Notices sur quelques genres et espèces de Cyprinoïdes de Chine. Nederlandsch Tijdschrift voor de Dierkunde v. 2: 18-29
Dabry de Thiersant, P. (1872): Nouvelles espèces de poissons de Chine. In: Dabry de Thiersant, P. (ed.), La pisciculture et la pêche en Chine. G. Masson, Paris. 178-192, Pls. 36-50.
Fang, P. W. (1934): Notes on Myxocyrinus asiaticus (Bleeker) in Chinese Freshwaters. Sinensia 4: 329-337.
Nichols, J. T. (1925): Some Chinese fresh-water fishes. I.–Loaches of the genus Botia in the Yangtze Basin. II.–A new minnow-like carp from Szechwan. III.–The Chinese sucker, Myxocyprinus. American Museum Novitates No. 177: 1-9.
Nichols, J. T. (1943): The fresh-water fishes of China. American Museum of Natural History, New York. i-xxxvi + 1-322, Pls. 1-10
Tchang, T.-L. (1929): Description de Cyprinidés nouveaux de Chine. Bulletin du Muséum National d’Histoire Naturelle (Série 2) v. 1 (no. 4): 239-243.
Anzeige
Pingback: Franky Friday: Wimpelkarpfen – geheimnisvoll und schön - my-fish