Polypterus mokelembembe – das nette Monster aus dem Kongo

Flösselhechte sind so genannte lebende Fossilien. Man fand schon 60 Millionen Jahre alte Versteinerungen, die noch heute lebenden Arten zugeordnet werden können. Dabei gibt es nur 16 bekannte Arten, alle kommen aus Afrika. Die kleinste und zugleich zuletzt entdeckte Art ist Polypterus mokelembembe. Sie wurde erst 2006 als eigene Art beschrie­ben. Vorher ver­wechselte man sie mit Polypterus retropinnis.

Polypterus mokelembembe

Entdeckungsgeschichte
In den großen Museumssammlungen ist Polypterus mokelembembe schon lange vorhanden, nämlich seit 1886! Leider ähneln sich aber viele Fischarten bezüglich der Anatomie enorm und sind sicher oft nur als lebende Tiere zu unterscheiden; Präparate verlieren ihr typisches Aussehen. Als ich während der Recherche zu meinem Bestimmungsbuch (Aqualog Polypterus) durch alle großen europäischen Museen tingelte, um die Typusexemplare der beschrieben Arten erneut zu untersuchen, fiel mir auf, dass in Paris und London tatsächlich zwei verschiedene Arten in der Typenserie von P. retropinnis aufbewahrt wurden. P. retropinnis wurde 1886 von Léon Louis Vaillant anhand von Tieren beschrieben, die Pierre Savorgnan de Brazza gesammelt hatte; diese (gültige!) Erstbeschreibung wurde allerdings lange übersehen, da Vaillant 1899 erneut eine „Erstbeschreibung“ der Art veröffentlichte, in der P. retropinnis viel ausführlicher dargestellt wurde. Aber Vaillant hatte zu dieser Zeit wirklich viel um die Ohren, anders ist auch der Flüchtigkeitsfehler in der Überschrift der 1899er Arbeit (Protopterus retropinnis et Ectodus foae) nicht zu erklären; im Folgetext wird die Art ganz richtig als Polypterus retropinnis bezeichnet. Im Aqualog entschied ich mich leider falsch herum, früheren Autoren, die Polypterus bearbeitet hatten, folgend: ich bezeichnete den (zu diesem Zeitpunkt noch unbeschriebenen) P. mokelembembe als P. retropinnis und den „echten“ P. retropinnis als unbeschriebene Art P. sp. „Kongo“; blöd, aber nicht zu ändern. Letztendlich beschrieben Uli Schliewen und ich Polypterus mokelembembe als neue Art und klärten das Kuddelmuddel auf.


Anzeige


Pärchen von P. mokelembembe

Geschlechtsunterschiede
Polypterus mokelembembe ist ein Bewohner kleinerer Schwarzwasserbäche im Kongo­gebiet und wird etwa 25 cm lang. Männchen und Weibchen kann man, wie bei allen Polypterus-Arten, leicht anhand der unter­schiedlich geformten Afterflosse unterschei­den, die beim Männchen mehr als doppelt so groß wird wie beim Weibchen.

P. mokelembembe, erwachsenes Weibchen

Paarungsverhalten
Während der Paarung wird diese Afterflosse wie eine Schüssel ausgebreitet. Das Männ­chen schwimmt während der Paarung Seite an Seite mit dem Weibchen, umfasst die Afterflossenregion des Weibchens mit der aufgespreizten Afterflosse und stellt so die Befruchtung der frei ins Wasser abge­gebenen Eier sicher. Brutpflege wird von Flösselhechten nicht ausgeübt. Die Larven haben äußere Kiemen und sehen damit Molchlarven sehr ähnlich.


Anzeige


Aquarienpflege
Im Aquarium sind Polypterus mokelembembe gegenüber allen Mitbewohnern, die nicht als Futter in Frage kommen, sehr friedlich. Die Tiere mögen keine grelle Beleuchtung. Gefressen wird grobes Frost- und Lebend­futter aller Art, sofern es tierischen Ursprungs ist. Bezüglich der Wasserzusammensetzung ist P. mokelembembe etwas anspruchsvoller als seine Gattungsgenossen. Die Art be­vorzugt weiches und leicht saures, von Pflan­zen­stoffen leicht gebräuntes Wasser. Beson­ders während der Eingewöhnungszeit sollte man solche Wasserwerte anstreben. Als Waldbewohner schätzt dieser Flösselhecht weder grelle Beleuchtung noch zu hohe Temperaturen. 22-24°C sind genau richtig.

Wie alle Flösselhechte sind auch Polypterus mokelembembe Lungenatmer. Auch in sauer­stoffreichem Wasser steigen sie von Zeit zu Zeit zum Luftholen an die Wasser­oberfläche auf. Starke Strömung mögen die Fische nicht.

Gefressen wird vor allem grobes Frostfutter, doch nehmen die Tiere nach der Ein­gewöhnung auch ganz gerne stark riechen­des Granulatfutter an.

Warum dieser Name?

Mokele-Mbembe –
Das wahre Monster vom Kongo

1913 begab sich eine deutsche Expedition unter der Leitung von Kapitän von Stein zu Lausnitz in den Kongo, um dort karto­grafische und geologische For­schung­en vorzunehmen. Im offiziellen Bericht an die deutsche Regierung schrieb von Stein von einem Ungeheuer, das die Bevölkerung in großen Teilen des Kongo-Beckens, des Gebietes am unteren Ubangi, am Sanga und Ikelemba in Kamerun in Furcht und Schrecken versetze. Unabhängig vonein­ander schilderten die Einheimischen das Tier recht übereinstimmend. Hier von Steins Bericht: “Das Tier ist graubraun mit einer glatten Haut und hat die Größe eines Elefanten oder zumindest eines Fluss­pferdes. Es besitzt einen sehr langen und biegsamen Hals und angeblich nur einen Zahn, der aber sehr lang ist. Andere Einheimische erklären, dass dies kein Zahn ist, sondern ein Horn. Der Schwanz ist lang und muskulös wie bei einem Krokodil. Es wird behauptet, dass es gefährlich ist, sich diesem Ungeheuer in Booten zu nähern, denn es wirft sie um und tötet die Menschen, frisst sie aber nicht. Der Mokele-Mbembe lebt in Höhlen unter Wasser am Steilufer. Tagsüber kriecht er ans Ufer, um sich Nahrung zu suchen. Das Tier ist ein Pflanzenfresser. Man zeigte mir sein “Lieblingsgericht” – eine Liane mit großen weißen Blüten, milchigem Saft und Früchten, die Äpfeln ähnlich sind. Am Sombo-Fluss sah ich einen Pfad, auf dem dieses Tier angeblich zum See läuft, um Nahrung zu suchen; in der Nähe des Pfades wuchsen die erwähnten Pflanzen. Der Pfad war jedoch so von Elefanten, Flusspferden und anderen Tieren zertreten, dass keinerlei Möglichkeit bestand, die einzelnen Spuren zu untersuchen.”

Frank Schäfer


Anzeige

Auf der Suche nach einem speziellen Fisch? Entdecken Sie jetzt die Stockliste von TROPICWATER! Woche für Woche ca. 1.300 verschiedene Arten an Wirbellosen und Zierfischen im Angebot…

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

Weiterlesen

Ein Kommentar zu “Polypterus mokelembembe – das nette Monster aus dem Kongo

  1. Pingback: Franky Friday: Polypterus mokelembembe – das nette Monster aus dem Kongo - my-fish

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert