Rückenschwimmende Welse

Seit noch nicht einmal einem Jahr haben wir die Corona-Einschränkungen. Die meisten Fische, um die es heute geht, kamen zuletzt 2019 zu uns, als noch alles normal war. Es erscheint fast, als sei das eine halbe Ewigkeit her… Egal!

Endlich ist mal wieder ein Kongo-Import eingetroffen! Leider gibt es nur noch wenige Zierfischfänger und Exporteure in dem großen zentralafrikanischen Land. Und dann kommen die Importe aus Kinshasa meist über Paris in die EU; die Bürokratie im Charles de Gaulle ist legendär und sehr gefürchtet. Man atmet jedesmal tief durch, wenn die Tiere das einigermaßen schadfrei überstehen…

Der Rückenschwimmende Kongowels, Synodontis nigriventris. Die Art bleibt klein (ca. 8 cm) und schwimmt immer mit dem Bauch nach oben. Der Bauch ist dunkel mit kleinen Punkten.

Diesmal ging alles glatt, die Stempel auf den Begleitpapieren waren mit so detaillversessener Präzision in die auf den Formularen dafür vorgesehenenen Kringel gesetzt, dass selbst die pariser Kontrolleure offenbar nichts zu bemäkeln hatten. Puh!

Dieser kleine Rückenschwimmer gehört zu einer wissenschaftlich noch unbeschriebenen Art, die wegen ihrer Bauchzeichnung (gestreift statt gepunktet wie bei S. nigriventris) als Synodontis sp. aff. nigriventris „Zebra“ bezeichnet wird.

Und nun schwimmen sie wieder bei uns, die netten Synodontis sp. aff. nigriventris „Zebra“, zusammen mit vielen anderen begehrenswerten und schönen Fischen aus der Mai Ndombe Region: Killis, Salmler, Zwergbuntbarsche, Barben, Kugelfische, Flösselhechte (es kam der superseltene Polypterus weeksii!) und weitere Welse.

Die dritte kleine Art rückschwimmende Art aus dem Kongo ist der seltene S. contractus.

Bei der Gelegenheit: warum schwimmen eigentlich manche Welse auf dem Rücken? Gerade bei den Fiederbartwelsen (Synodontis) gibt es ja etliche Arten, die das tun. Einige kleine Arten, wie der Rückenschwimmende Kongowels (Synodontis nigriventris), S. contractus und der schon genannte „Zebra“ tun das fast immer, wenngleich sie durchaus normal schwimmen können. Andere, aus Nigeria z.B. die großwüchsigen S. membranaceus, S. clarias, S. resupinatus und S. batensoda, die übrigens als Jungtiere gerne in gemischten Schwärmen unterwegs sind, oder der mittelgroße S. eupterus schwimmen mal so und mal so. Und auch Asien hat seinen Rückenschwimmer: Mystus leucophasis.

Eines haben die obligatorischen Rückenschwimmer gemeinsam: eine dunkle Bauchseite. Bei anderen Welsen der gleichen Gattungen, die nicht auf dem Rücken schwimmen, ist der Bauch eher hell. Welse, vor allem auch die bislang genannten Arten, sind gewöhnlich dämmerungsaktive Tiere. Helles Licht meiden sie. Die sinnvollste Erklärung für das seltsame Schwimmverhalten ist die, dass diese Welse in der Dämmerung und nachts an der Wasseroberfläche nach ins Wasser gefallenen Insekten jagen. Dabei schützt sie der dunkle Bauch vor Fressfeinden wie Nachtreihern, die einen Fisch mit hellem Bauch sehr leicht erbeuten können, wenn dieser sich mit dem Bauch nach oben an der Wasseroberfläche nach Nahrung sucht.

Synodontis resupinatus (oben) und Synodontis batensoda können so und so schwimmen. Jungtiere sehen S. nigriventris sehr ähnlich, aber Obacht: diese Arten werden gut 50 cm lang. Da sie im Kongo nicht vorkommen, sind Verwechslungen allerdings unüblich. Ausgewachsene S. resupinatus und S. batensoda (die Fische bewohnen den Niger und den Nil) sind einfarbig grau.

Dass es so besonders viele Rückenschwimmer bei Synodontis gibt, könnte damit zusammenhängen, dass die Vertreter dieser artenreiche Welsgattung besonders gerne in Körperkontakt mit festen Gegenständen treten. In der Natur sind das sehr oft ins Wasser gefallene Baumstämme. Deckung suchend stehen die Synodontis tagsüber meist an der schattigen Unterseite der Bäume und zwar mit dem Bauch nach oben! Von diesem Verhalten zum nächtlichen Jäger an der Wasseroberfläche ist es nur ein kleiner Schritt.

Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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Ein Kommentar zu “Rückenschwimmende Welse

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