Die Leuchtaugenfische sind Killifische aus Afrika. Schon lange gehören einige ihrer Arten zum Standardsortiment des gut sortierten Zoofachhandels. Doch die Art, die wir hier vorstellen, ist nicht nur wunderschön sondern auch eine aquaristische Seltenheit ersten Ranges.
Großer Namenswirrwarr
Der wissenschaftliche Gattungsname dieser Leuchtaugenfische war und ist Gegenstand unterschiedlicher Auffassungen. Zunächst wurden die kleinen Fische in die Gattung Aplocheilichthys gestellt, dann wurde für sie die neue Gattung Congopanchax aufgestellt. Congopanchax wurde anschließend von einigen Wissenschaftlern als eigenständige Gattung gesehen, andere sahen hingegen in Congopanchax nur eine Untergattung zu Aplocheilichthys. Heute wird Congopanchax allerdings meist als Untergattung der Gattung Poropanchax gesehen. Das alles klingt vielleicht verwirrend, reflektiert aber lediglich die Tatsache, dass an den Verwandtschaftsverhältnissen der Leuchtaugenfische intensiv geforscht wird. Unterschiedliche Forschungsansätze liefern dabei unterschiedliche Ergebnisse und diese wiederum werden von den Forschern unterschiedlich interpretiert. Ein “richtig” oder “falsch” gibt es dabei nicht, denn die Diskussion ist keineswegs beendet und jede Person, die sich mit den Argumenten auseinandersetzt, darf gemäß der wissenschaftlichen Freiheit für sich ganz persönlich entscheiden, welche der vorgetragenen Beweise für entscheidend gehalten werden. Und so findet man unseren kleinen Fisch in der Literatur unter den Namen Congopanchax brichardi, Aplocheilichtys brichardi, Poropanchax brichardi oder – das ist die zur Zeit am häufigsten gewählte Schreibweise – Poropanchax (Congopanchax) brichardi. Dabei bedeutet der in Klammern gesetzte Name “Congopanchax”, dass er als Untergattungsname benutzt wird. Als Aquarianer sollte man alle diese Namen kennen, um in der Lage zu sein, die gesamte existierende Literatur zu den kleinen Kostbarkeiten recherchieren zu können.
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Entdeckungsgeschichte
1952 beschrieb Max POLL einen kleinen, im männlichen Geschlecht maximal 2,5 cm, im weiblichen maximal 2 cm langen Leuchtaugenfisch als Aplocheilichthys myersi. Typusfundort ist “Ile Atena, Stanley Pool, Leopoldville”; Heute heißen die Örtlichkeiten Mbamu Island, Pool Malebe und Kinshasa. Man sieht, nicht nur wissenschaftliche Namen können sich ändern …
Fast 20 Jahre später, 1971, beschrieb POLL eine weitere, sehr ähnliche Art, diesmal aus dem zentralen Kongobecken (“Liyeke, bras mort de la riv. Tshuapa, route Boende-Watsi, 2km de Boende”) als Congopanchax brichardi und stellte A. myersi ebenfalls in die neu geschaffene Gattung Congopanchax. Seltsamerweise wurde in der Erstbeschreibung von C. brichardi der am stärksten ins Auge fallende Unterschied zwischen den beiden Arten kaum erwähnt: die Afterflosse von C. myersi setzt nämlich sehr weit vorn, fast unmittelbar hinter den Bauchflossen an, während die Afterflosse von C. brichardi etwa auf gleicher Höhe mit der Rückenflosse beginnt. Lediglich aufgrund der in der Erstbeschreibung genannten, sehr geringfügigen Unterschiede zwischen C. myersi und C. brichardi kamen Aquarianer irrtümlich schon auf den Gedanken, beide Arten seien identisch miteinander. Congopanchax brichardi wird in beiden Geschlechtern lediglich 2 cm lang.
Der natürliche Lebensraum
Das detaillierte Verbreitungsgebiet von Congopanchax brichardi, für den ich den deutschen Gebrauchsnamen “Brichards Kolibri-Leuchtaugenfisch” vorschlage, ist nicht bekannt. Der winzige Fisch wird mit normalen Fanggeräten nicht erfasst. Man weiß, dass die Art im Einzug des zentralen Kongo vorkommt, inklusive der flachen Bereiches des Tumba-Sees. Der Tumba-See ist überfischt, so stark, dass eine Brotfischerei dort manchmal nicht mehr möglich ist und einige ehemaligen Fischer dazu übergehen mussten, Landwirtschaft zu betreiben. Die bekannten Lebensräume von C. brichardi stellen laut Literatur kleine Zuflüsse, Bäche, Sümpfe und Uferbereiche dar, die einen starken Bewuchs an Unterwasserpflanzen aufweisen. Das Wasser dort ist sehr weich (20-50µS, also kaum 1°dGH), und sauer, der pH-Wert liegt zwischen 4,5 und 5,5. Leuchtaugenfische sind generell Schwarmfische, die Schwärme halten sich gerne nahe der Oberfläche auf.
U. SCHLIEWEN (mündl. Mitt.) fing die Art im Flachwasser des Mai Ndombe Sees. Das Wasser ist dort extremes Schwarzwasser und die Wassertemperatur sehr hoch, um 30°C. Er glaubt nicht, dass die Art dort in kleinen, kühlen Bächen vorkommt, wie die Schmetterlingsbarbe (Enteromius hulstaerti), sondern vielmehr in Totarmen und schwimmenden Wiesen der großen Schwarzwasserflüsse und eben in Schwarzwasserseen.
Trotz der Überfischungs-Situation im Tumba-See und der nur ungenau bekannten Verbreitung wird Brichards Kolibri-Leuchtaugenfisch auf der Internationalen Roten Liste des IUCN mit “Least Concern” (= “Nicht gefährdet”) geführt.
Im Aquarium
Die größte Schwierigkeit bei Congopanchax brichardi für den Aquarianer besteht sicherlich darin, die Art überhaupt zu bekommen. Aus dem zentralen Kongogebiet erreichen uns nur relativ wenige Importe und Brichards Kolibri-Leuchtaugenfisch ist so gut wie nie dabei. Das hängt selbstverständlich damit zusammen, dass es vor Ort sehr schwierig ist, so kleine und zarte Fische überhaupt sachgerecht zu hältern. Angeschlagene Tiere sind zudem sehr transportempfindlich.
Dennoch kam es ab den 1990er Jahren zu gelegentlichen Importen des entzückenden Tieres nach Europa. Bei der Eingewöhnung muss man sehr sorgsam vorgehen, sonst sind Verluste unumgänglich. Sie sind sehr empfänglich für bakterielle (Schwäche)-Erkrankungen und den gefürchteten “Weichwasserparasiten” Piscinoodinum.
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Die fotografierten Exemplare führte Aquarium Glaser in der zweiten Januarwoche 2012 ein. Die Fische wurden von mir zunächst für eine Woche in einem 15-Liter Fotografieraquarium mit relativ weichem Wasser (8°dGH) und pH7 bei 22-24°C gepflegt, wo sie sich gut eingewöhnten. Das Fotografieraquarium wird ziemlich stark gefiltert, damit sich keine Schwebstoffe im Wasser halten. Eine Tauchpumpe mit einer Förderleistung von 40 Liter/Stunde betreibt den Filter. Die kleinen Fische tolerierten diese starke Strömung anstandslos, waren jedoch in dem klaren Wasser sehr schreckhaft. Auf die Dauer sollte man sie besser keiner starken Strömung aussetzen.
Nach Abschluss der Fotoarbeiten zogen die Tiere in ein kleines (30 x 20 x 20 cm) Aquarium um, das mit frei aufgefangenem, in einem kleinen Gartenteich gereiften Regenwasser befüllt wurde. Einige Erlenzäpfchen färben das Wasser in diesem Aquarium tiefbraun. Das Aquarium wird nicht befiltert, die Wassertemperatur liegt dort um 28°C. Gefüttert wurden die Fische ausschließlich mit lebenden Artemia-Nauplien. Die kleinen Fische hielten sich unter diesen Bedingungen sehr gut, ich gab sie nach rund 6 Monaten an einen befreundeten Aquarianer ab, der mit ihnen züchten wollte.
Magenuntersuchungen, die MATTHES in der Natur durchführte, ergaben, dass die Congopanchax sich von Cladoceren, Copepoden und kleinsten Insektenlarven ernähren.
Das von Erlenzäpfchen tiefbraune Wasser hat den Vorteil, dass die Fische sich sicher fühlen; die Huminstoffe aus den Erlenzäpfchen wirken leicht bakterizid und fungizid und die Entwicklung des lichthungrigen Piscinoodium wird zumindest gehemmt.
Dieter BORK gelang in den 1990er Jahren die Zucht der Tiere. Er setzte sie in einem 30-Liter Aquarium in der Gruppe (16 Tiere) bei 27°C, weichem Wasser (200µS/cm) und pH 6,8 an, als Laichsubstrat diente eine mit Javamoos bewachsene Wurzel. Die kleinen Tiere erwiesen sich als sehr produktiv (über 100 Jungtiere nach 14 Tagen), allerdings wachsen die Jungfische sehr langsam und brauchen 7-12 Monate bis sie erwachsen sind.
Lexikon zum obigen Artikel:
Aplocheilichthys: bedeutet “Fisch mit einfacher Lippe”
Poropanchax: bedeutet “Panchax mit Poren”, was sich auf Poren im Kopfbereich bezieht; Panchax ist eine andere Killifischgattung.
Congopanchax: bedeutet: “Panchax aus dem Congo”
myersi: Widmungsname für den Ichthyologen George Sprague Myers (1905–1985)
brichardi: Widmungsname für den Sammler und Exporteur Pierre Brichard (1921-1990)
Frank Schäfer
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