Sekundäre Pflanzenstoffe im Aquarium Teil 4: Heilkräuter für Fische

Schon immer verwenden Menschen Pflanzen als Heilmittel. In erster Linie kommen sie in der Humanmedizin zur Anwendung, doch auch Haustiere werden seit jeher damit behandelt. Nur bei Zierfischen ist es bisher völlig unüblich, Heilkräuter zu verwenden.

Seemandelbaum und Co. – und Zimt!

Heutzutage beschränkt sich die Anwendung pflanzlicher Heilmittel in der Aquaristik weitgehend auf den tropischen Seemandelbaum (Cattapa terminalis), dessen Blättern von manchen Anwendern geradezu Wunderwirkung nachgesagt wird. Seltener, aber immerhin noch gebräuchlich, sind die Zäpfchen der einheimischen Schwarzerle (Alnus glutinosus) und Laub der Walnuss (Juglans regia). Sie alle wurden in vorherigen Teilen dieser Artikelserie bereits besprochen. Weniger gut bekannt ist, dass Zimt in Form von Rindenröllchen des tropischen Zimtstrauches (Cinnamomum verum und weitere Arten der Gattung Cinnamomum) ein wirksames Heilmittel bei vielerlei Erkrankungen sein kann. In der Antike und im Mittelalter wurde Zimt auch im menschlichen Bereich weniger als Gewürz denn als Heilmittel benutzt. Man wendete Zimt bei Erkältungskrankheiten, als harntreibendes Mittel, bei Mentruationsbeschwerden und gegen Hämorrhoiden-Blutungen an. Dass Zimt heutzutage in vorwiegend winterlichen Rezepturen eingesetzt wird, hängt sicher mit dieser uralten Verwendung gegen Schnupfen und Husten zusammen.

Bei Zierfischen ist der Einsatz von Zimt eher etwas aus der Abteilung „Geheimtipp und Voodoo“. Konkrete Anwendungshinweise kenne ich nur aus mündlichen Berichten erfahrener Aquarianer, die allerdings auf die prophylaktische Wirkung eines Zimtröllchens bei zu bakteriellen Erkrankungen neigenden Fischarten schworen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mit ein Züchter von Malpulutta kretseri (des Ceylon-Spitzschwanzmakropoden). Der Züchter führte seine jahrelange sehr erfolgreiche Erhaltungszucht dieses etwas schwierigen Fisches u.a. darauf zurück, dass in jedem der Zuchtbecken eine Zimtstange war. Der Züchter hatte den Zimt zusammen mit den Malpulutta von einer Reise nach Sri Lanka mitgebracht. Das war vor einigen Jahrzehnten noch legal möglich. Heutzutage sollte man sich derartiges zumindest bei Malpulutta lieber verkneifen, sonst drohen empfindliche Strafen!

Ich selbst habe Zimt noch nicht ausprobiert und kann darum auch keine Empfehlungen zur Dosierung geben.

Getrocknete Rinde des Zimtstrauches (Cinnamomum verum) ist ein beliebter Bestandteil der Weihnachtsbäckerei. Zimt ist aber nicht nur Gewürz, sondern auch eine Heilpflanze.

Heilkräuter können mehr!

Es gibt in der heimischen Natur sehr viele, pharmazeutisch hochwirksame Kräuter. Einige davon sind so potent, dass man lieber die Finger davon lassen sollte, um keine Vergiftungen zu riskieren, so z.B. Rainfarn (Tanacetum vulgare). Diese Pflanzen hat ohne jeden Zweifel hochwirksame Inhaltsstoffe, die gegen zahlreiche Wurmerkrankungen helfen könnten. Aber aus der Anwendung in der Humanmedizin weiß man auch, dass eine falsche Dosierung tödlich sein kann – für den Patienten! Andere Kräuter sind aber harmlos und trotzdem sehr wirksam. Hier sollen nur einige der bedeutsamsten Kräuter aufgeführt werden. Man muss sich aber bei der Verwendung von Heilkräutern absolut darüber im Klaren sein, dass der Wirkstoffgehalt in Abhängigkeit vom Standort, Entwicklungszeitpunkt der Pflanze und auch der Jahreszeit (manchmal sogar der Tageszeit) recht unterschiedlich ausfallen kann. Die hier gemachten Hinweise sind darum genau das: Hinweise, keine erschöpfende Abhandlung. Wer sich ernsthaft Kräutern beschäftigen möchte, sollte unbedingt zuvor entsprechende Handbücher zu Rate ziehen.

Kamille (Matricaria chamomilla)

Diese universelle Heilpflanze wirkt sanft antibiotisch und ist entzündungshemmend. Zugleich hat sie eine beruhigende Wirkung.

Echte Kamille (Matricaria chamomilla) ist ein universell einsetzbares Heilkraut. Man kann sie in Form von Kamillentee überall erwerben.

Wegerich (Plantago major, P. lanceolata)

Auch diese Pflanzen sind entzündungshemmend und haben sogar antivirale Wirkstoffe, wirken also gegen Viren. In der Humanmedizin benutzt man Wegerich gerne gegen Entzündungen der Magen- und Darmschleimhaut.

Wegerich (hier: Breitwegerich) wächst überall und ist sehr wirksam.

Johanniskraut (Hypericum perforatum)

Das Johanniskraut ist sehr wirksam zur Förderung der Wundheilung.

Johanniskraut ist wegen seiner wundheilenden und anti-depressiven Wirkstoffe in der Humanmedizin sehr beliebt.

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Birke (Betula spp.)

Die grünen Blätter der Birke enthalten Wirkstoffe, die den Heilungsprozess schlecht heilender Wunden fördern und Hauterkrankungen mildern. Über die Birke kann man hier weitere Informationen finden: https://www.aqualog.de/blog/laub-im-aquarium-teil-4-die-birke/

Getrocknetes grünes Laub der Birke enthält viele wertvolle Heilstoffe.

Schafgarbe (Achillea millefolium)

Der wissenschaftliche Name Achillea weist auf den antiken Helden Achilles hin, der angeblich mit dem Kraut seine Wunden behandelte. Die Schafgarbe wirkt blutstillend und wundheilend.

Schafgarbe ist ein seit der Steinzeit genutztes Heilkraut.

Vorbeugen und pflegen statt heilen

Der Einsatz von Heilkräutern im Aquarium ist immer dann angezeigt, wenn Fische einer besonderen physischen Belastung ausgesetzt waren, besonders, wenn es notwendig war, sie zu fangen. Ganz allgemein sind Fische gar nicht so sehr empfindlich, aber es lässt sich nun einmal auch bei sorgfältiger Handhabung nicht ganz ausschließen, dass es zu kleinen Wunden am Körper der Tiere kommt, die man allerdings in der Regel mit bloßem Auge nicht sehen kann. Dennoch können (nicht: müssen) solche Mikrowunden zu Eintrittpforten für mögliche Krankheitserreger sein, z.B. Pilze oder Bakterien. Falls das Immunsystem der betroffenen Tiere geschwächt ist, weil der Fisch negativen Stress erlebte, dann kann es zur Erkrankung kommen. Die Heilkräuter helfen dabei, dass sich die Wunden schnell schließen und sie rasch abheilen, die Kräuter hemmen das Wachstum der potentiellen Krankheitserreger und sie mildern die psychischen Folgen von negativem Stress. Letzteres ist zumindest für den Menschen bewiesen, über die Psyche von Fischen wissen wir kaum etwas. Besonders bewährt hat sich der Einsatz von Heilkräutern beim Neukauf von Fischen. Denn die Neuzugänge müssen doch allerhand verkraften und neigen darum, wer wüsste das nicht, leichter zu Erkrankungen als eingewöhnte Tiere. Da geht es den Fischen nicht anders als uns Menschen: wer unter negativem Stress steht, der wird leichter krank. Ist es trotz Kräutern doch passiert und eine Erkrankung aufgetreten, soll und muss diese mit konventioneller Fischmedizin behandelt werden. Die Kräuteranwendung ist keine Garantie dafür, dass Fische nicht krank werden, sie macht es aber sehr wahrscheinlich, dass keine Medikamente benötigt werden.

Wie bringt man Kräuter in den Fisch?

Natürlich könnte man die Kräuter einfach in das Aquarium geben. Die wasserlöslichen Wirkstoffe werden dann abgegeben und gelangen über das Wasser in den Fisch und auf seine Haut. Allerdings empfiehlt sich diese Methode überhaupt nicht; denn alle in Heilkräutermischungen verwendeten Pflanzen werden grün geerntet und enthalten dem zu Folge reichlich Zucker und anderes fäulnisfähiges Material. Eine Massenvermehrung von Bakterien, Sauerstoffmangel und übler Geruch wären die Folge. Das schlechte Wasser würde die Fische eher schädigen, statt ihnen gut zu tun. Die Lösung des Problems: Tee! Man überbrüht die Kräutermischung einfach mit sprudelnd kochendem Wasser, lässt 10 Minuten ziehen, entfernt die Kräuter und hat eine einsatzfähige Lösung all der guten, erwünschten Wirkstoffe. Den Tee gibt man nach dem Abkühlen einfach in der gewünschten Dosierung in das Aquarium. Eine Überdosierung ist nicht zu befürchten, selbst in reinem Tee geschieht (wenn die Sauerstoffversorgung sichergestellt ist und der Tee nur als Bad für einige Stunden verwendet wird) den Fischen nichts. Der Tee ist – in eine saubere Flasche abgefüllt und verschlossen – im Kühlschrank mehrere Tage haltbar.

Risiken und Nebenwirkungen?

Die einzige Gefahr, die theoretisch von dem Tee ausgeht, ist, dass bei sehr hoher Dosierung der im Tee befindliche Zucker aus den Pflanzen zu einer verstärkten Bakterienvermehrung führt. Sollte dieser Fall wirklich einmal eintreten, ist das Malheur mit einem großzügigen Teilwasserwechsel schnell zu beheben.

Auswirkungen auf das Aquarium

Vor Jahren habe ich die Teemischung aus den oben aufgeführten und einigen weiteren Kräutern, die speziell für die Eingewöhnung neu erworbener Fische entwickelt wurde, in ihrer Auswirkung auf die Wasserchemie untersucht. Gemessen wurden die für Fische bedeutsamsten Parameter pH-Wert, Gesamthärte, Karbonathärte, Ammonium-, Nitrit- und Nitrat-Gehalt, sowie Phosphat, Chlor, Silizium und Kupfer. Als Testequipment diente der Aqua-Check von Söll, der alle genannten Parameter sehr bequem und exakt mit einer photometrisch arbeitenden Elektrode erfasst; lediglich die Härte wurde mit einem Tropftest erfasst, ebenfalls aus dem Aqua-Check-Koffer von Söll.

Gemessen wurden:

1. Das Leitungswasser, mit dem der Tee aufgebrüht wurde, vor dem Kochen
2. Das Leitungswasser, mit dem der Tee aufgebrüht wurde, nach dem Kochen
3. Der frisch aufgebrühte Tee nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur (der Tee muss allerdings für die Härtemessung mit Tropftest stark mit destilliertem Wasser verdünnt werden, da wegen der Gelbfärbung des Tees ein Farbumschlag sonst kaum sichtbar ist).
4. Das Aquarien-Rohwasser
5. Das Aquarienwasser nach der Einrichtung ohne Teezusatz
6. Das Aquarienwasser nach der Einrichtung mit Teezusatz (1 Esslöffel Tee / 10 l Aquarienwasser)
7. Das unbehandelte Aquarienwasser nach zwei Wochen ohne Wasserwechsel
8. Das mit Tee versetzte Aquarienwasser nach zwei Wochen ohne Wasserwechsel.

Die kleinen Testaquarien waren mit jeweils 10 Liter Aquarienwasser gefüllt und jeweils 5 Neonsalmlern (Paracheirodon innesi) besetzt. Die Testaquarien enthielten 1 Liter gewaschenen Flusssand als Bodengrund und wurden mit einfachen, luftbetriebenen Innenfiltern über Perlonwatte gefiltert. Die Fische erhielten täglich eine Viertel Futtertablette. Es zeigte sich bei dieser Versuchsanordnung, dass der Tee keinerlei nennenswerten Einfluss auf die Wasserchemie nimmt.

Kräuter selbst sammeln oder kaufen?

Soweit mir bekannt, bietet derzeit niemand eine fertige Teemischung zur Eingewöhnung neu erworbener Fische an. Wer selbst sammeln will, sollte über eine gute Artenkenntnis verfügen, um nicht versehentlich giftige Pflanzen zu sammeln und sich kundig machen, zu welcher Jahres- und Tageszeit welche Pflanzen gesammelt werden sollten. Die Pflanzen sind schonend zu trocknen und dunkel, kühl (unter 20°C) und trocken aufzubewahren.

Alles in allem stellen Heilkräuter in der Aquaristik eine wunderbare Möglichkeit dar, auch sehr empfindliche Fische optimal einzugewöhnen. Probieren Sie es doch einmal aus! Es ist ganz einfach…

Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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