
Im Jahr 1958 entdeckte der in Bitaco, Kolumbien ansässige Zierfischexporteur William A. Kyburz einen wunderschönen, bis dahin noch nie lebend gesehenen Salmler. Die Art konnte als Nematobrycon palmeri (Eigenmann, 1911) identifiziert werden. Kyburz exportierte die Art 1960 in die Vereinigten Staaten und stellte sie erstmals in der Zeitschrift ”The Aquarium” vor. Er gab ihr den Namen ”Kaisertetra”. Es begann ein Siegeszug des Fisches um die ganze Welt…

Ein Wildfangmännchen des Kaisertetras.
Die ersten Kaisertetras sammelte Kyburz in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren in der Choco-Region in Kolumbien. Leider wissen wir nicht, wo exakt Kyburz sammelte, denn als die Wissenschaftler Stanley H. Weitzman und William L. Fink 1970 eine weitere Art Kaisertetra wissenschaftlich beschreiben wollten und diese Informationen zu erlangen suchten, war Kyburz bereits verstorben. Immerhin: sein Name wird weiterleben, so lange es Menschen gibt, denn eine weitere Salmler-Art, die sogar relativ eng mit den Kaisertetras verwandt ist, wurde ihm zu Ehren benannt: Pseudochalceus kyburzi (Schultz, 1966).

Pseudochalceus kyburzi wurde zu Ehren des Entdeckers der Kaisersalmler benannt. Die Art ist eine ausgesprochene Rarität im Aquarium.
Ideale Aquarienfische
Was macht eigentlich einen idealen Aquarienfisch aus? Er muss schön aussehen, friedlich sein, klein bleiben, leicht zu ernähren sein, keine Wasserpflanzen fressen und leicht zu pflegen sein. Alles Attribute, die uneingeschränkt auf die nur vier bis fünf Zentimeter lang werdenen Kaisersalmler zutreffen. Da auch die Zucht kein großes Problem darstellt, kann der Weltbedarf an Kaisersalmlern jederzeit leicht befriedigt werden.
- 55 Jahre Nachzucht haben dem Kaisertetra nichts ausgemacht – sie sehen noch genauso aus wie die Wildfänge.
- Ein weiteres Männchen des Kaisertetra.
- Die Weibchen der Nematobrycon-Arten (hier: N. palmeri) können immer leicht erkannt werden. Ihnen fehlt die Verlängerung der mittleren Schwanzflossenstrahlen.

Zwei rivalisierende Männchen

Männchen in Balzfärbung
Wieviele Arten?
Die Gattung Nematobrycon wurde 1911 von Carl H. Eigenmann aufgestellt. Typusart ist Nematobrycon palmeri, die Eigenmann unmittelbar im Anschluss an die Gattungsbeschreibung aufstellte. Als Gattungsdefintion nennt Eigenmann die innerhalb der Familie der Salmler (Characidae) einzigartige Kombination aus dreizipfeliger Schwanzflosse und dem Fehlen der sonst für die Salmler so typischen Fettflosse. Die Beschreibungsexemplare von N. palmeri waren 8-20 mm lang, von Herrn M. G. Palmer (einem Naturaliensammler, der für das Britische Museum auch Reptilien und Amphibien sammelte) bei Condoto am Rio Condoto und Novita am Rio Tamana, beides im Südwesten Kolumbiens gelegen, gesammelt. Bereits drei Jahre später beschrieben Eigenmann und sein Kollege Charles Wilson die Art Nematobrycon amphiloxus. Diese Art sei N. palmeri sehr ähnlich, aber robuster gebaut. Zusätzlich unterscheide sie sich dadurch, dass das dunkle Längsband zum Rücken hin nicht durch ein scharf abgesetztes helles Längsband begrenzt sei, sondern eher diffus auslaufe. In der Erstbeschreibung werden 79 Exemplare aufgeführt, die zwischen 14 und 54 mm Länge aufwiesen. Typuslokalität ist Boca de Raspadura, je ein Tier stammte von Tambo, Manigru und Istmina. Als 1961 eine weitere Nematobrycon-Art von Kyburz lebend exportiert werden konnte, nahm er an, es handele sich dabei um eben diesen N. amphiloxus. Die zweite, lebend importierte Art der Kaisersalmler hat im Leben leuchtend rote Augen und kann so am besten von dem blau-äugigen N. palmeri unterschieden werden. Bis zu Beginn der 1970er Jahre war dieser wunderschöne Kaisertetra, der auch als Regenbogen-Kaisersalmer bezeichnet wurde, im Hobby als N. amphiloxus verbreitet. Erst dann untersuchten die beiden schon eingangs erwähnten Wissenschaftler Weitzman und Fink die Sache genauer. In detektivischer Kleinarbeit fanden sie heraus, das der rotäugige Regenbogen-Kaisersalmler in Wirklichkeit eine wissenschaftlich neue Art war, den sie zu Ehren des Zierfischzüchters Rosario La Corte, Elizabeth, New Jersey Nematobrycon lacortei nannten. Da die Beschreibungsexemplare bereits Nachzuchtexemplare waren und der ursprüngliche Sammler, Kyburz, 1970 nicht mehr lebte, konnten Weitzman und Fink den ursprünglichen Sammelort nur aufgrund von Indizien (persönlicher Korrespondenz von Kyburz mit La Corte und Leonard P. Schultz) angeben. Er lag wohl im Oberlauf des Rio Calima. Was aber war nun Nematobrycon amphiloxus? Bereits unter den Wildfangnachzuchten der ersten Importtiere von N. palmeri tauchten plötzlich sehr dunkel gefärbte Exemplare auf. La Corte vermehrte sie gezielt weiter. Es gibt sie heute noch unter der Bezeichnung ”Nematobrycon palmeri Black”, wenngleich die aktuellen Stämme noch dunkler als die ursprünglichen Exemplare sind – das Ergebnis fortwährender züchterischer Bemühungen. Weitzman und Fink konnten zeigen, dass es eben solche dunkel gefärbten Exemplare sind, die der Beschreibung von Nematobrycon amphiloxus zugrunde lagen. Daher gilt heutzutage Nematobrycon amphiloxus nur noch als Synonym zu N. palmeri.

zwei rivalisierende Männchen der schwarzen Form des Kaisertetra.

Weibchen der schwarzen Form des Kaisertetra
Geografische Isolation
Es kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass die Kaisersalmler sich gegenwärtig in einem Stadium der Artbildung befinden und der dunkle ”amphiloxus” bereits im Begriff war, sich zu einer eigenständigen Art zu entwickeln. Alle Kaisersalmler leben in kleinen Waldtümpeln, die nur zu Überschwemmungszeiten in Kontakt mit den Oberläufe von Flüssen in der kolumbianischen Region Choco kommen. Bei N. palmeri ist das der Einzug des Rio San Juan und Rio Atrato und bei N. lacortei der Rio Calima. Der San Juan und der Calima vereinigen sich zwar irgendwann, aber die Hauptflüssen sind für Waldtümpelbewohner unüberwindbare Hindernisse. Sie können nicht zueinander kommen. Einst waren wahrscheinlich auch die Populationen von typischen N. palmeri und den dunklen N. amphiloxus derart voneinander getrennt. Doch die spanischen Kolionalherren haben in historischer Zeit einen Kanal zwischen den Rio Atrato und den Rio San Juan gegraben. Man kann sich gut vorstellen, dass ein solcher Kanal, der ja ruhiges, fast stehendes Wasser aufweist, kein ernstliches Hindernis für eine Art wie den Kaisersalmler darstellt. Und so haben sich die ursprünglich isolierten Populationen des Atrato und des San Juan durch den Einfluss des Menschen wohl wieder vermischt. Es kann als sicher gelten, dass die bislang wissenschaftlich beschriebenen Kaisersalmler sehr eng miteinander verwandt sind. Im Aquarium bestehen keine Kreuzungsbarrieren zwischen N. palmeri und N. lacortei. Wer das Glück hat, Wildfänge zu ergattern, sollte solche Stämme unbedingt reinblütig weiterzüchten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es noch unbekannte Nematobrycon-Populationen im Einzug der zahlreichen Flüsse im Südwesten Kolumbiens gibt.

Der Regenbogen-Kaisertetra, Nematobrycon lacortei, unterscheidet sich am deutlichsten durch das rote Auge von N. palmeri.
Überraschung!
Aber auch außerhalb Kolumbiens gibt es zumindest eine Salmlerart, die zu den Kaisersalmlern zu rechnen ist. Das wissenschaftlich noch unbeschriebene Tier stammt aus Brasilien (leider sind keine genaueren Angaben verfügbar). Die Fettflosse fehlt, wie bei Nematobrycon, aber die mittlere Verlängerung des Schwanzflosse ist nicht vorhanden. Die Schwanzflosse ähnelt eher Inpaichthys, dem Königssalmler, der sich von Nematobrycon eben durch die Schwanzflosse unterscheidet, jedoch eine Fettflosse besitzt.

Dieser wissenschaftlich noch nicht bestimmte Fisch aus Brasilien hat viele Merkmale einer Nematobrycon-Art (Import Aquarium Glaser 2009)

Diese wissenschaftlich noch unbeschriebene Art wird im Hobby als Inpaichthys sp.Yellow Devil bezeichnet. Leider habe ich kein besseres Bild der Art, die sehr attraktiv sein kann.
- Der Königssalmler, Inpaichthys kerri, hat eine normale Schwanzflosse und eine Fettflosse. Dies ist ein Männchen.
- Weibchen von Inpaichthys kerri
- Pinkfarbene Zuchtform von Inpaichtys kerri
Im Aquarium
Die Pflege von Nematobrycon-Arten ist leicht und gelingt auch Einsteigern. Die Tiere lieben reich strukturierte Aquarien mit vielen Pflanzen. Der Bodengrund sollte dunkel sein, dann erstrahlen die Farben der Fische am leuchtendsten. Untereinander sind Kaisersalmler etwas territorial. Sie schwimmen zwar ganz gerne mal im losen Trupp, aber gerade Männchen verteidigen auch kleine Laichreviere. Man pflegt diese Fische darum am besten im Trupp ab 10 Exemplaren in Aquarien ab etwa 50 bis 60 cm Länge. Zur Zucht genügen auch schon ganz kleine Becken von wenigen Litern Inhalt. Wenn man die Tiere regelmäßig ablaichen lässt, kann die Nachzucht sehr effektiv sein und leicht über 150 Junge pro Paar und Laichgang bringen. Wenn die Fische nicht regelmäßig ablaichen, sind viele Eier nicht entwicklungsfähig. Gegenüber anderen Arten sind Kaisersalmler friedlich. Härte und pH-Wert sind – außer zur Zucht – unwesentlich. Jegliches übliche Zierfischfutter wird gerne angenommen. Alles in allem sind Kaisersalmler nicht nur schöne, sondern auch sehr interessante Fische. Der Einsteiger wird sie sicher zunächst hautsächlich des gefälligen Äußeren wegen anschaffen, aber auch der fortgeschrittene Aquarianer kann viele interessante Studien an ihnen vornehmen.
- Gelbe Zuchtform des Kaisettetra
- Gelbe Zuchtform des Kaisettetra
- Gelbe Zuchtform des Kaisettetra
- Gelbe Zuchtform des Kaisettetra
Kaisertetra oder Kaisersalmler?
Beides ist richtig! Im Deutschen bezeichnet man diese Fische allerdings meist als Salmler. Diese Name rührt daher, dass sehr viele Arten eine kleine, strahlenlose Fettflosse auf dem Schwanzstiel tragen. Eine solche Fettflosse kannte man in Deutschland früher vor allem von Forellen und Lachsen, die auch Salmen oder Salmoniden bekannt sind (abgeleitet von der lateinischen Bezeichnung Salmo). Als Ende des 19ten Jahrhunderts die ersten Aquarienfische aus der Familie Characidae importiert wurden, erfand man für sie die Bezeichnung ”Salmler”, was so viel wie ”kleiner Lachs” bedeutet. Der Name ”Tetra” ist im englischen Sprachraum verbreitet. Er ist die Verballhornung des wissenschaftlichen Gattungsnamens Tetragonopterus. Zu dieser Gattung stellte man früher die meisten im Aquarium gepflegten Salmlerarten.
Frank Schäfer
Literatur:
Weitzman, S. H. & W. L. Fink (1971): A new species of characid fish of the genus Nematobrycon from the Rio Calima of Colombia (Pisces, Characoidei, Characidae). Beaufortia 19 (248): 57-77
Weitzman, S.H. & W.L. Fink (1973): Nematobrycon amphiloxus of aquarists reidentified. Aquarium Hobbyist, 2 (2): 2-6, 46.
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An dieser Stelle meinen persönlichen Dank an Herrn Schäfer für seine fundierten und darüber hinaus außerordentlich lesenswerten Zusammenstellungen hochinteressanter Fakten zu den einzelnen Arten!
Die bildhafte Begleitung ist ebenso von hohem Niveau.
Ich stoße immer wieder bei Recherchen hinsichtlich von mir gepflegter Zierfische auf seine umfassenden, kompetenten Ausführungen und finde hier trotz überwiegender Kenntnis der gängigsten Informationen zu den einzelnen Arten immer wieder interessante Neuigkeiten.
Ich wünsche Herrn Schäfer und seinen Lieben für die Zukunft alles Gute, Gesundheit und Freude an allem Tun!
Mit den besten Güßen-
Marian Buschmann