Von Bitterlingen und Muscheln (Teil 2)

Im ersten Teil (https://www.aqualog.de/blog/bitterlinge-und-muscheln-faszinierende-eierverstecker-und-ihre-wirte-1/) ging es um die Fische. Nun sollen ihre Wirtstiere genauer betrachtet werden.

Teil 2: Muscheln

Dies ist gewöhnlich alles, was man von Muscheln im Aquarium sieht: die gefranste Einströmöffnung und die glattrandige Auströmöffnung. Die Muschel vegräbt sich so weit wie möglich im Boden.

Zur Zucht von Bitterlingen braucht man Muscheln. Die Art der Muschel ist den Bitterlingen grundsätzlich egal, sie nehmen an, was da ist. Gewöhnlich ziehen sie Großmuscheln, die so genannten Najaden, Kleinmuscheln (bei uns kommen davon Wandermuscheln und Körbchenmuscheln in Frage) vor. Aber es wurde schon mehrfach gezeigt, dass etwa Rhodeus amarus auch mit Wandermuscheln (Dreissena) notfalls vorlieb nehmen kann. Ganz ohne Muscheln geht es aber gar nicht. 

Die Wandermuschel begann, nachdem sie bis ins 18. Jahrhundert in Europa fast verschwunden war, sich mit dem zunehmendem Schiffsverkehr vom Schwarzen Meer aus massiv auszubreiten. Heute gibt es Populationen mit bis zu 100.000 Exemplaren pro m2! Sie gräbt sich nicht ein, sondern heftet sich mit so genannten Byssus-Fäden an festen Gegenständen an.

Körbchenmuscheln (Corbicula) werden ab und zu für den Aquarienhandel importiert, so wie diese Tiere aus Thailand. Sie gelten in der EU (und andernorts auf der Welt) als invasiv.

Alle einheimischen Großmuscheln außer der als invasiv eingestuften Sinanodonta woodiana stehen unter Naturschutz und dürfen nicht aus der Natur gesammelt werden, Wandermuscheln und Körbchenmuscheln aber schon. Wandermuscheln produzieren freischwimmende Larven, so genannte Veliger; sie sind keine Parasiten, sondern lassen sich nach einer gewissen Zeit irgendwo nieder und führend von da an ein sesshaftes Leben. Die aus Asien stammenden, bei uns ebenfalls als invasiv eingestuften Körbchenmuscheln (Corbicula) macht es ganz ähnlich; auch ihre Larven sind freischwimmend und keine Parasiten. Körbchenmuscheln sind bei uns übrigens meistens simultane Zwitter. Das bedeutet, ein und das selbe Tier produziert Eier und Spermien und befruchten sich selbst. Eine einzelne Körbchenmuschel ist somit bereits ein Zuchtpaar.

Die einheimischen Teichmuscheln (Anodonta) und die aus Asien in den 1960er Jahren mit Besatzfischen eingeschleppte Sinanodonta woodiana sind nur sehr schwer zu unterscheiden. Selbst Experten können sich ohne DNS-Analysen nie ganz sicher sein. Aber die Schalenform und die Skulptur des Wirbels (das ist die Stelle, an der die beiden Schalenhälften der Muschel zusammentreffen) geben sehr brauchbare Hinweise. Die oberen vier Muscheln auf diesem Bild sind Sinanodonta woodiana, die unteren vier Anodonta anatina.

Oben: Wirbelstruktur bei Anodonta, unten bei Sinanodonta

Die heimischen Großmuscheln sind allesamt Parasiten, wenn sie sich vermehren. Ihre Larven, man nennt sie Glochidien, befallen Fische. Ein solches Glochidium wird von Gewebe überwuchert und sieht dann, wenn sie sich auf dem Körper oder an Flossen befindet, einem Ichthyophthirius-Punkt nicht unähnlich. Der Sinn dieses Parasitismus besteht darin, gegen die Strömung flußaufwärts zu gelangen. Als praktisch unbewegliche Tiere würde alle Najaden sonst im Laufe der Jahrhunderte immer weiter Richtung Meer gelangen und irgendwann im Süßwasser aussterben. Fische wandern hauptsächlich während der Fortpflanzungszeit stromaufwärts. Darum ist jede Muschelart auf bestimmte Fischarten angewiesen, die in dem von der Muschel bewohnten Gewässer vorkommen.

Goldfisch mit starker Glochidiose durch Anaodonta anatina.

Najaden sind getrennt geschlechtlich, es gibt also Männchen und Weibchen, die sich äußerlich nicht unterscheiden lassen. Zur Befruchtung geben die Männchen ihre Spermien einfach ins Wasser ab, die Weibchen strudeln sie ein und das war es.

Jede Najadengattung bedient sich einer anderen Strategie bei der Fortpflanzung. 

Flussperlmuschel, Margaritifera margaritifera, aus Iconographie der Land- und Süßwassermollusken
von Emil Adolf Roßmäßler, Dresden und Leipzig, 1836, 1837

Die bei uns leider durch Lebensraumzerstörung so gut wie ausgestorbene Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera) stößt riesige Mengen winziger Glochidien aus. Die müssen durch das Atemwasser in die Kiemen von Bachforellen (Salmo trutta forma fario) gelangen, dem einzigen perfekt geeigneten Wirt. Karpfenfische eignen sich nicht als Wirt für Flussperlmuscheln. Flussperlmuscheln haben ein weiteres Problem; Fische werden nach mehrmaligem Befall mit Glochdien immun und stoßen sie dann ab, bevor sich die Glochidien entwickeln können. Es müssen also nicht nur spezifische Bachforellen sein (es handelt sich bei den Bachforellen um eine Tierart mit unzähligen, genetisch verschiedenen Standortformen),  sondern diese Bachforellen müssen auch noch selbsttätig reproduzieren, damit es immer wieder noch nicht immunisierte Wirtsfische gibt. Hierzulande gibt es kaum noch Gewässer, in denen nicht irgendwelcher Fischbesatz vorgenommen wird; darum sieht es für Flussperlmuscheln bei uns sehr düster aus.

Unio pictorum, die Malermuschel.

Die Lieblingsmuscheln der bei uns heimischen Bitterlinge sind Malermuscheln der Gattung Unio, von der es drei Arten bei uns gibt: Unio crassus, U. pictorum und U. tumidus. Zusätzlich ist in jüngster Zeit Unio mancus aus Südeuropa über den Rhein-Rhone-Kanal bei uns eingewandert und in Ausbreitung begriffen. Die Unio-Arten werden auch als Flussmuscheln bezeichnet. Sie geben ihre Glochidien in Form von wurstartigen Paketen ab. Sie parasitieren an den Kiemen von Karpfenfischen, besonders gut eignen sich aufgrund ihrer Ernährungsweise und ihres Wanderverhaltens der Gründling (Gobio gobio) und die Barbe (Barbus barbus). Die Fische infizieren sich, indem sie beim Gründeln die Glochidienpakete als potentielles Futter aufnehmen. Wie man leicht im Aquarium beobachten kann, stoßen die Fische beim gründeln nicht verwertbare Bestandteile (hauptsächlich Sand) durch die Kiemen aus. So infizieren sie sich mit den Glochidien der Flussmuscheln. Während die Eigentliche Malermuschel (Unio pictorum) häufig ist, sind U. crassus und U. tumidus in Deutschland sehr gefährdet.

Ganz oben eine Totalaufnahme eines Gründlings, Gobio gobio, darunter das Portrait eines Gründlings mit Kiemen-Glochidiose durch Unio pictorum. Die Glochidien stellen sich als helle Punkte in der unteren Hälfte des Kiemenbogens dar.

Die dritte bei uns vorkommende Najadengattung ist Anodonta, die als einzige auch häufig in Teichen vorkommt und darum als Teichmuschel bezeichnet wird. Es gibt zwei Arten, die Gemeine Teichmuschel A. anatina und die Große Teichmuschel A. cygnea. Die Teichmuscheln kann man als einzige heimische Arten im Zoohandel kaufen. Diese Exemplare stammen aus Fischzuchtbetrieben in Osteuropa, meist aus Ungarn. Man darf sie auf gar keinen Fall aussetzen! Man muss es an dieser Stelle wiederholen: es geht beim Artenschutz bei Kleintieren nicht um das Individuum! Darum gefährdet weder das Sammeln zu Haltungszwecken irgendwelche Arten, noch kann das Aussetzen oder “Wiederansiedeln” bedrohter Arten zum Artenschutz beitragen. Beides ist aus wissenschaftlicher Sicht kompletter Unsinn! Besonders das Aussetzen und “Wiederansiedeln” richtet in 99,99% aller Fälle erheblich mehr Schaden als Nutzen an!

Anodonta anatina, die Gewöhnliche Teichmuschel

Teichmuscheln haben eine weitere Fortpflanzungs-Strategie, die von der der Flussperlmuscheln und der Fluss- oder Malermuscheln erheblich abweicht. Die Glochidien der Teichmuscheln sind mit Fäden miteinander verbunden. Nach dem Ausstoßen der Glochidien bildet sich eine Art Spinnennetz aus den Fäden. Die Infektion des Wirtsfisches erfolgt, indem der Fisch durch ein solches Spinnennetz schwimmt. Dabei heften sich die Glochidien am Körper oder – das ist die häufigste Infektionsform – an den Flossen an. Kiemeninfektionen kommen bei Anodonta kaum vor. Als Wirtfische dienen alle möglichen Arten, Teichmuscheln sind wenig wirtsspezifisch, wenngleich diesbezüglich Unterschiede in verschiedenen Populationen bestehen.

Anodonta cygnea, die Große Teichmuschel

Es gibt noch eine weitere heimische Najade, die Schwanenmuschel Pseudanodonta complanata. Über sie ist so wenig bekannt, dass man über ihre Reproduktionsstrategie nichts genaues weiß. Interessant ist, dass die Glochidien – im Gegensatz zu Anodonta – keine Haken an den Schalenenden haben; es ist also fraglich, wie sie eigentlich an den Wirt kommen. Als Wirtarten gelten die heimischen Barsche und Stichlinge; der Infektionsweg ist unbekannt. Die Schwanenmuschel wurde übrigens vom Vater der deutschen Aquarienkunde, Emil Adolf Rossmäßler entdeckt und 1835 wissenschaftlich beschrieben. 

Schwanenmuschel, Pseudanodonta complanata. Aus Iconographie der Land- und Süßwassermollusken von Emil Adolf Roßmäßler, Dresden und Leipzig, 1836, 1837

Wenngleich Muscheln nur für Spezialisten geeignete Pflegeobjekte im Aquarium darstellen, könnte man viele der für den Artenschutz so dringend benötigten Daten durch die Beobachtung im Aquarium erheben und  z.B. das Rätsel um die Fortpflanzung der hochgradig gefährdeten Pseudanodonta complanata klären. Viele der hier dargestellten Beobachtungen zu den Fortpflanzungsstrategien der Großmuscheln machte ich übrigens bei meiner Diplomarbeit 1989, bei der ich die Wirtspezifität von Anodonta-Glochidien untersuchte.

Wenn man Teichmuscheln im Zoofachhandel kauft, so besteht die große Wahrscheinlichkeit, eine aus Asien stammende Art zu erwischen, die inzwischen europaweit verbreitet ist: Sinanodonta woodiana. Diese Art wurde als Glochidium in den 1960er Jahren mit Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) und Silberkarpfen (Hypophthalmichthys molitrix) eingeschleppt. Diese beiden Karpfenfische wurden bis in die späten 1970er Jahre überall in Europa gezielt angesiedelt, denn sie ernähren sich von Algen und Pflanzen, der Graskarpfen von so genannten Makrophyten, also höheren Pflanzen und Fadenalgen, der Silberkarpfen siebt Mikroalgen aus dem Wasser. In den 1970ern war es durch die Überdüngung der Gewässer mit Phosphaten aus den Waschmitteln zu einem explosiven Algen- und Pflanzenwachstum gekommen, das alles Leben im Wasser zu ersticken drohte. 

Graskarpfen, Ctenopharyngodon idella, oben Wildform, darunter Albino-Zuchtform.

Silberkarpfen, Hypophthalmichthys molitrix

Warum die Chinesische Teichmuschel (Sinanodonta woodiana) sich so rasant in Europa ausbreitet und nun zu einem zusätzlichen Gefährdungsfaktor für die ohnehin schon ums Überleben kämpfenden heimischen Muschelarten geworden ist, ist völlig unverstanden. Was man weiß ist, dass die Chinesische Teichmuschel kürzer lebt, schneller wächst und sich früher und wohl auch unspezifischer fortpflanzt. Die heimischen Muschelarten leben gewöhnlich 20-30 Jahre, die Flussperlmuschel sogar weit über 100 Jahre, S. woodiana aber nur 6-8 Jahre. Dabei setzt sie ordentlich an, denn sie gehört zu den größten Muschelarten, die man bei uns antreffen kann. Die Fortpflanzungsstrategie der Chinesischen Teichmuschel ist identisch mit der der heimischen Teichmuschel, sie macht also ein Glochidien-Netz und befällt vornehmlich Flossen und ein wenig den Körper des Wirtsfisches.

Sinanodonta woodiana beim Ausstoßen der Glochidien.

Glochidien der asiatischen Teichmuschel.

Sinanodonta woodiana in verschiedenen Größen.

Unsere Naturschutzbehörden geben in jüngster Zeit  die Dramaqueen wegen der Chinesischen Teichmuscheln und machen einen Mordsstress, wo sie im Zoofachhandel auftaucht. Muscheln sind nicht leicht zu bestimmen. Es ist im Grunde genommen auch vollkommen gleichgültig, welche Art im Handel erscheint, denn sie sind ausschließlich zum Besatz von Aquarien und Teichen bestimmt. Weder wird eine gefährdete heimische Art seltener, wenn Teichwirtschaften in Osteuropa ihre Teichnachzuchten vermarkten, noch steigt das Verbreitungsrisiko für die Chinesische Teichmuschel signifikant an, wenn sie versehentlich als heimische Teichmuschel angeboten wird. Die Chinesische Teichmuschel ist bereits längst ein fester Bestand der heimischen Fauna geworden, sie ist auf alle Zeiten unausrottbar hier; damit muss man sich schlicht und ergreifend abfinden.

Ich wiederhole es nochmal: Generell gilt für alle Tiere und Pflanzen aus dem Zoofachhandel, dass sie niemals und unter keinen Umständen in die Natur ausgesetzt werden dürfen! Sie stammen aus Zuchtbetrieben und wurden speziell für die Pflege im Aquarium und im Gartenteich gezüchtet. In der freien Natur haben sie nichts zu suchen!

Zurück zu Muscheln und Bitterlingen!

Wer diesem ganzen Artenschutz-Unfug in Bezug auf Großmuscheln aus dem Weg gehen möchte, kann zur Zucht von Bitterlingen auch auf tropische Najaden zurückgreifen, von denen der Zoofachhandel drei Arten ziemlich regelmäßig aus Thailand importiert. Die erste und preislich günstigere ist Pilsbryoconcha exilis. Diese Art ist weit in Südostasien verbreitet und wird zudem durch Fischbesatz weiter verschleppt. Sie hat unbehakte Glochidien. Mir ist keine Untersuchung zur Wirtsspezifität dieser Art bekannt, es ist jedoch wahrscheinlich, dass der Fortpflanzungsmodus sehr ähnlich oder identisch zu unseren heimischen Unio-Arten ist und diverse Karpfenfische als Hauptwirte der Glochidien dienen.

Pilsbryoconcha exilis

Sehr viel ansehnlicher ist die kuriose Haifischflossen-Muschel, Hyriopsis bialata. Die Gattung Hyriopsis hat große wirtschaftliche Bedeutung. Sie gehört zu den Arten, in denen Süßwasserperlen gezüchtet werden. Aber man isst auch ihr Fleisch und verwendet das Perlmutt der Schaleninnenseite für Dekorationsgegenstände. Insgesamt ist H. bialata noch nicht gefährdet, aber ihre Bestände gehen durch Umweltverschmutzung stark zurück. Darum wird diese Muschel auch in Aquakulturen gezüchtet. Man hat dabei bereits erstaunliche Erfolge erzielt. Die Glochidien von Hyriopsis sind nicht behakt, der Fortpflanzungsmodus entspricht also der unserer Unio-Arten. Als natürliche Wirte dienen Karpfenfische, wobei Barbonymus gonionotus und Labeo rohita in wissenschaftlichen Arbeiten genannt werden (die Literaturauswertung erweist sich in diesem Fall als mühselig, weil die meisten Originalarbeiten in Thai geschrieben sind). In Aquakulturversuchen sind aber auch Guppys, Welse, Tilapien und allerlei andere Fische erfolgreich als Wirtsfische verwendet worden. Man verwendet aber bei der Aquakultur inzwischen gar keine Wirtsfische mehr, sondern zieht die Glochidien in künstlichen, flüssigen Nährmedien heran. Auch die Aufzucht zur fertigen Muschel ist inzwischen mit großem Erfolg gelungen, wobei sich zeigte, dass bestimmte Mikroalgen zu bestimmten Lebensabschnitten geboten werden müssen, um ein optimales Wachstum und minimale Ausfälle zu gewährleisten. Werden diese allerdings geboten, so ist das Wachstum erstaunlich schnell. Die als Perlmuschel viel genutzte Art Hyriopsis (Limnoscapha) myersiana wächst unter optimierten Bedingungen binnen eines Jahres vom Glochidium bis zu einer Länge von 5-6 cm heran (S. Kovitvadhi et al., 2006).

Hyriopsis bialata

Man weiß bis heute nicht, wozu der kuriose, segelartige Schalenauswuchs bei Hyriopsis bialata dient. Im Aquarium gräbt sie sich ein, wobei die “Haiflosse” aus dem Boden ragt. Vielleicht ist das eine Schutzvorrichtung gegen Schlagverletzungen durch Steine in Hochwassersituationen, aber, wie gesagt, wissen tut das niemand. 

Scabies crispata

Die dritte Muschelart, die aus Thailand gelegentlich zur Haltung im Aquarium importiert wird, ist Scabies crispata. Die Art hat eine recht weite Verbreitung in Asien und ist aus Thailand, Kambodscha, Vietnam, Indien und China gemeldet. Dennoch weiß man bislang nur sehr wenig über die Art. Die Muschel wird nur 5-6 cm lang, was für die Pflege im Aquarium natürlich ein Vorteil ist, weil sie dadurch relativ wenig Nahrung braucht. Über die Fortpflanzung von Scabies crispata weiß man nur, dass sie unbehakte Glochidien hat, wie sie für kiemenschmarotzende Glochidien typisch sind. Der Gattungsname – Scabies – ist übrigens das medizinische Wort für Krätze, einer furchtbar juckenden Hautkrankheit, die von unter der Haut lebenden Milben verursacht wird. Bleibt sie unbehandelt, wird die Haut schrundig, so wie die Skulptur der Schale der Muschel.

Muscheln sind auf die Dauer nur schwer im Aquarium zu pflegen, sie verhungern hier meist auf lange Sicht, weil das Angebot an mikroskopisch kleinen Lebewesen, die die Muscheln als Nahrung brauchen, zu gering ist. Man muss sie darum gezielt zufüttern, am besten mit Phytoplankton, also “grünem Wasser”. Das kann man verhältnismäßig leicht kultivieren und das schadet auch den Fischen nicht. Trotzdem empfiehlt es sich, wenn man sich ernsthaft mit Muscheln beschäftigen möchte, ein Spezialaquarium für die Weichtiere einzurichten, in dem man die Muscheln optimal versorgen kann. Das ist auch deshalb ratsam, weil ein massiver Glochidienbefall tödlich für Fische enden kann. Zur Fortpflanzungszeit sollten Najaden darum keinesfalls in Gesellschaft von Fischen gepflegt werden. Findet man Glochidien im Muschelbecken, so hat man mehrere Tage Zeit, künstliche Infektionen von Wirtfischen durchzuführen. Die Entwicklungsdauer am Fisch ist temperaturabhängig und dauert meist zwischen 8 und 12 Tagen. Danach fällt die Babymuschel ab und beginnt ein für Fische harmloses Leben.

Es werden immer wieder einmal Muscheln aus aller Welt importiert, einen dauerhaften Platz im Handel haben sie aber nicht. Die beiden oben abgebildeten Arten kommen aus Indonesien, ich habe keinen Versuch unternommen, sie näher zu bestimmen.

Eine Glochidiose am Fisch lässt sich nicht behandeln. Man kann zwar die eingekapselten Glochidien zum Absterben bringen, das nutzt aber dem Fisch wenig. Denn der leidet nicht unter dem kaum wahrnehmbaren Verlust von Körperflüssigkeiten, sondern an sekundären bakteriellen Infektionen oder – bei extremem Befall – unter der großflächigen mechanischen Zerstörung von Haut- und Kiemenepithel. 

Bitterling und Muschel – Symbionten?

Diese Frage kann mit einem klaren “Nein” beantwortet werden. In allen Fällen, in denen Bitterlinge unter kontrollierten Laborbedingungen mit Glochidien infiziert wurden, zeigten sie eine heftige Abstoßungsreaktion. Die Glochidien waren nicht in der Lage, sich am Bitterling zu entwickeln. Die manchmal in Aquarienbüchern zu findende Aussage, die Bitterlinge revanchierten sich für die Kinderstube, die ihnen die Muschel gewährt, dadurch, dass sie ihrerseits als Wirt für Glochidien dienen, ist haltlose Naturromantik. Bitterlinge sind Brutschmarotzer, Najaden temporäre Parasiten. Das ist alles.

Der Vorteil des Brutschmarotzertums für die Bitterlinge liegen auf der Hand, denn frisch aus der Muschel entlassene Bitterlinge (oben Rhodeus amarus) sind schon fertige kleine Fische.

Und die Wandermuschel? Im Grunde genommen ist sie die beste Wahl, wenn es um Muscheln im Aquarium geht, ungeachtet der Bitterlinge. Denn die Larven der Wandermuschel sind nicht parasitisch. Sie schwimmen frei im Wasser umher, bis sie sich an einem geeigneten Gegenstand festsetzen. Dort wachsen sie genau wie Miesmuscheln heran. Weil Wandermuscheln klein bleiben, brauchen sie nicht so viel Futter. Sie vertragen zudem höhere Wassertemperaturen sehr gut. Wer Muscheln für den Teich möchte, um ihn natürlich zu klären, ist darum mit Wandermuscheln (Dreissena polymorpha) ideal bedient. Leider gibt es Wandermuscheln nicht im Handel, man muss sie selbst sammeln (Achtung: Gesetzeslage beachten! Geschützt sind Wandermuscheln nicht), manchmal werden sie im Internet angeboten. Ähnlich gut eignen sich Körbchenmuscheln (Corbicula), die zudem den Vorteil haben, oft im Zoofachhandel angeboten zu werden. 

Frank Schäfer

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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