Beim Berliner Schwertträger handelt es sich um eine ursprünglich durch Artkreuzung hervorgebrachte Zuchtform, die später durch Verdrängungszucht dem Aussehen von Schwertträgern angeglichen wurde. Bei roten und gelben Zuchtstämmen des Platys (Xiphophorus maculatus) treten gelegentlich als Folge einer spontanen Mutation schwarzgefleckte Tiere auf. Diese Farbmutation ist geschlechtsgebunden und kommt nur bei weiblichen Platys vor. Durch Kreuzung solcher schwarzgefleckter Platyweibchen mit roten Männchen des Schwertträgers erhält man Hybriden, bei denen auch die Männchen die schwarze Fleckung tragen können. Diese Hybriden stehen, wie alle bislang bekannt gewordenen Kreuzungen verschiedener Xiphophorus-Arten, intermediär zwischen den Elternarten. D.h., sie haben bezüglich des Aussehens etwas von beiden Elternteilen abbekommen. Die Hybridmännchen sind größer als normale Platys, doch so hochrückig und gedrungen wie diese. Von dem Schwert des hellerii-Vaters ist meist kaum etwas zu erkennen. Erst durch konsequente Weiterkreuzung der schwarzgefleckten Hybridmännchen auf rote Schwertträgerweibchen erhielt man schließlich Berliner Schwertträger.
Leider stellte man bald fest, dass gerade die schönsten Tiere mit hohem Schwarzanteil kaum lebensfähig waren, denn sie entwickelten Krebs aus den schwarzen Farbzellen. Was schlecht für die Fische war, ist ein Segen für die Menschheit, denn mit diesen Berliner Schwertträgern hatte man die ersten Modellorganismen, die eine Erforschung von Krebserkrankungen erst möglich machten. Unzählige an Krebs erkrankten Menschen verdanken ihre Heilung unmittelbar den Ergebnissen, die sich aus der Forschung an Berliner Schwertträger-Stämmen mit Farbkrebs ergaben.
Züchter müssen jedoch darauf achten, keine Tiere mit zu hohem Schwarzanteil zu züchten, damit die Fische keinen Krebs bekommen! Das sind wir aus ethischen Gründen unseren Tieren schuldig. Um das Auftreten von Farbkrebs zu vermeiden muss man immer wieder einmal einfarbige Schwertträger einkreuzen, meist wird man dazu rote Tiere nehmen, es gibt aber auch sehr hübsche Berliner auf andersfarbigem Grund.
Leicht zu verwechseln sind Berliner Schwertträger übrigens mit Güntheri-Schwertträgern und heutzutage sind wohl auch beide Formen stark miteinander verkreuzt. Es gibt nämlich auch in freier Wildbahn schwarz gefleckte Schwertträger. Einer der berühmtesten Ichthyologen aller Zeiten, Albert Carl Ludwig Gotthilf Günther (1830-1914), hat sie 1866 als erster der Wissenschaft vorgestellt. Er hielt sie für eine Farbvariante des gewöhnlichen Schwertträgers aus dem Rio Chisoy (Einzug des Rio Usumacinta) in Guatemala. Etwas später, 1896, beschrieben David Starr Jordan und Barton Warren Evermann in ihrem Klassiker „The fishes of North and Central America“ auf der Basis der Beschreibung und Abbildungen von Günther diesen Schwertträger als eigenständige Art Xiphophorus guntheri (Achtung, sie schrieben wirklich guntheri und nicht guentheri, diese ursprüngliche Schreibweise bleibt auch für alle Zeiten gültig!). Spätere Autoren werteten aber den „guntheri“ nur als Farbvariante oder als Unterart von X. hellerii. Diese Frage ist wissenschaftlich bis heute ungeklärt, in der Aquaristik bezeichnen die Liebhaber die schwarz gepunkteten Schwertträger aber fröhlich als „Güntheris“.
Kürzlich führte uns der Weg übrigens wieder einmal nach Berlin, es ist ja immer eine Reise wert. Und wenn ich in Berlin bin, muss ich auch in den Zoo. Berlin hat bekanntlich zwei Zoos, den ehemaligen West-Berliner Stadtzoo mit dem Aquarium und den ehemaligen Ost-Berliner Tierpark Friedrichsfelde. Beide haben ihren Reiz und Charme, ich liebe Friedrichsfelde wegen der fantastischen zoologischen Sammlung. Hier kann man z.B. im Dickhäuterhaus nicht nur Elefanten und Nashörner, sondern auch Seekühe, genauer: Amazonas-Manatis (Trichechus inunguis) bewundern, die in einem riesigen Aquarium leben. Naja, sie machen ja auch einen Haufen Dreck, da braucht man viel Wasser für die Verdünnung. In dem Manati-Becken schwimmen auch unzählige Guppys, sehr hübsche Quetzal-Buntbarsche (Vieja melanura, früher V. synspila), einige Schilderwelse und – tatah – Schwertträger! Besonders hat mich gefreut, dass ein feinsinniger Pfleger einige Berliner Schwertträger mit eingesetzt hat. Selbstverständlich ist das nicht, an jeder Ecke bekommt man solche Berliner Schwertträger nicht. Und wer das kleine Video von den Manatis (Aufnahmeort: natürlich Tierpark Berlin) genauer ansieht, der bemerkt auch, dass hier ein Berliner Männchen (es ist stets das gleiche, es ist rot und hat ein pechschwarzes Schwert) gleich drei Cameo-Auftritte hat – herrlich!
Frank Schäfer
Weiteren Lesestoff über Lebendgebärende Zahnkarpfen finden Sie hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=lebendgeb%E4rende
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Wenn ich von solchen Züchtungen höre, stellt sich bei mir immer ein diffuses Gefühl des Unwohlseins ein – einerseits existiert ja offenbar ein wissenschaftlicher Nutzen, andererseits kommen dann auch Tiere dabei raus, deren Leid und Tod frühzeitiger Tod schon genetisch angelegt ist. Das erinnert mich ein bisschen an Hunde wie den überzüchteten Mops, der nicht einmal richtig atmen kann.
Zu meinem eigenen Vergnügen in der Aquaristik sind mir jedenfalls Tiere lieb, die ihren Artgenossen in der Natur noch möglichst nahe stehen.
Vielen Dank für diesen interessanten Artikel!