Meistens geht es bei dem Thema „Wasserchemie“ um Dinge, die man leicht auch mit haushaltsüblichen Geräten und Messmethoden überprüfen kann, wie Härte und pH-Wert. So einfach ist es bei den Stoffen, die hier behandelt werden sollen, leider nicht. Aber keine Angst, auch wenn manches des Folgenden etwas alchimistisch angehaucht erscheint: es funktioniert!
Unsere aquaristischen Urväter vor etwa 150 Jahren hatten niemanden, den sie hätten fragen können, wie man ein Aquarium erfolgreich betreibt. Sie mussten hinaus in die Natur und beobachten, wie die Tiere und Pflanzen leben. Die Ergebnisse ihrer Beobachtungen übertrugen sie auf das Aquarium. Manches funktionierte, anderes nicht. Leider sind manche der wichtigsten Erkenntnisse von damals heute wieder in Vergessenheit geraten oder werden gerade wieder entdeckt.
Torf
Torf entsteht in Mooren. Moore sind niederschlagsreiche Feuchtgebiete, in denen sich Wasser ansammelt und in denen die Pflanzen-Neuproduktion größer ist, als die Masse des sich zersetzenden abgestorbenen Pflanzenmaterials. Auf diese Weise wächst ein Moor beständig nach oben und das abgestorbene pflanzliche Material gerät nach und nach in sauerstoffarme bzw. sauerstofflose Schichten, wo eine weitere Zersetzung durch Bakterien nicht mehr in nennenswerter Weise stattfindet. Diese Substanz nur unvollständig zersetzter Pflanzenreste nennt man Torf.
Torf kann aus allen möglichen Pflanzen entstehen, in unseren Breiten z.B. aus Heidekrautarten (Calluna, Erica), Seggen und anderen Sauergräsern, vor allem aber aus Torfmoos (Sphagnum). Auch wenn wir Mitteleuropäer mit dem Begriff „Moor“ meist nordische Gefilde assoziieren, ist das unrichtig. Das gesamte Amazonasgebiet ist z.B. moorig und der stark saure pH-Wert vieler der dortigen Gewässer ist auf die torfigen, nährstoffarmen Böden zurück zuführen.
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Torf ist grundsätzlich nährstoffarm, aber nicht immer sauer. Ob man mit Torf den pH-Wert im Aquarium absenken kann, hängt davon ab, welchen Torf man einsetzt. Zum Ansäuern eignet sich nur Hochmoor-Schwarztorf, der einen pH-Wert zwischen 3,5 und 4,5 erzielen kann.
Sekundäre Pflanzenstoffe – auch ohne pH-Wert-Senkung?
Aber es geht nicht nur um den pH-Wert, wenn wir mit Naturstoffen das Wasser beeinflussen und unseren Fischen ein möglichst naturnahes Milieu zu bieten versuchen. Wenn wir das Wasser über Torf filtern, so bekommt das Wasser einen bernsteinfarbenen bis braunen Farbstich. Der rührt von so genannten sekundären Pflanzenstoffen, die sich aus dem Torf lösen. Wie genau sich diese sekundären Pflanzenstoffe zusammensetzen, ist vielfältig und auch starken lokalen Schwankungen unterworfen. Was wir aber ganz empirisch aus Erfahrung wissen: diese sekundären Pflanzenstoffe haben eine überaus günstige Wirkung auf die allermeisten Süßwasserfische. Fische, in deren Aquarienwasser solche sekundären Pflanzenstoffe gelöst sind, werden seltener krank und zeigen intensivere Farben. Nicht immer ist es erwünscht, diesen Effekt in Kombination mit einem sauren pH-Wert zu erhalten, denn schließlich vertragen einige unserer Aquarienfische einen niedrigen pH-Wert nur schlecht.
Verschiedene Hersteller bieten Produkte an, die dem Aquarienwasser die beschriebenen Naturstoffe hinzufügen, das Wasser ganz leicht bernsteinfarben einfärben und eigentlich nicht pH-Wert senkend wirken. Wegen der Wünsche der Aquarianer werden aber oft z. B. Eichenextrakte zugefügt, die dann eben doch pH-senkend wirken. Daher ist es wichtig, genau die Herstellerangaben zu studieren: Wirkt das Mittel pH-senkend oder nicht? In Malawi- oder Tanganjikasee-Aquarien würde eine Zugabe solcher Produkte unnatürlich wirken, denn das Wasser dieser Seen wird von Huminstoffen nicht messbar beeinflusst.
Laub
Totes Laub von Bäumen gehört eigentlich in jedes Aquarium, denn es gibt nicht nur sekundäre Pflanzenstoffe ab, die im Falle von Seemandelbaum (Terminalia catappa) und Walnuss (Juglans regia) sogar therapeutisch zur Behandlung diverser Fischkrankheiten dienen, sondern stellt auch einen ganz wichtigen und oftmals unterschätzten Bestandteil der natürlichen Nahrung sehr vieler Aquarienfische dar. Wenngleich totes Laub an sich recht nährstoffarm ist, fällt es doch in derartig großen Mengen an, dass es die Grundlage sehr vieler Nahrungspyramiden in aquatischen Systemen ist. Das Laub selbst wird auch von Aquarientieren gefressen, etwa von vielen Harnischwelsen (Loricariidae), Salmlern (Characidae) oder Barbenverwandten (Cyprinidae), für Krebse ist Laub sogar die Hauptnahrung. Doch wichtiger für die meisten Fische und Zwerggarnelen ist der Aufwuchs auf den Blättern aus Bakterien, Pilzen und anderen Mikroorganismen. Selbst im Magen von Fischarten, die uns aus der Aquaristik als vorwiegend carnivor (fleischfressend) bekannt sind, etwa Zwergbuntbarschen (Apistogramma), findet man sehr große Mengen von Detritus, also den Zerfallsprodukten toter Pflanzen und Tiere, wobei Laub von Bäumen der wichtigste Detritus-Lieferant ist. Somit stellt Laub die Ernährungsgrundlage sehr vieler beliebter Aquarientiere in der Natur dar.
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Man kann das Laub fast aller Baumarten verwenden, von denen bekannt ist, dass sie nicht giftig sind. Es ist allerdings sehr bedeutend, dass man nur Laub verwendet, das der Baum bereits abgeworfen hat. Frisch geerntetes Laub kann man zwar trocknen und als Futter für bestimmte Aquarientiere verwenden, die Inhaltsstoffe sind jedoch ganz andere, als die in abgeworfenem Laub. Denn die Bäume können es sich nicht leisten, Nährstoffe zu verschwenden. Sie entziehen dem Laub darum (bei uns im Herbst, in den Tropen vor der Trockenzeit) vor dem Abwurf möglichst alle Nährstoffe. Verwendet man dagegen getrocknetes, frisches Laub, das sehr reich an Zuckerverbindungen und anderen Nährstoffen ist, können Wassertrübungen durch Bakterien oder andere Mikroorganismen auftreten, die diese Nährstoffe verwerten. Das muss für die Fische nicht zwingend schädlich sein, gesund ist es aber auch nicht und erwünscht schon gleich gar nicht.
Zusammenfassend kann man sagen, dass sekundäre Pflanzenstoffe einen ganz wichtigen Bestandteil der Wasserchemie in natürlichen Gewässern darstellen und dass sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass sie auch in Aquarien helfen, vielen Problemen vorbeugend zu begegnen und den Lebensraum Aquarium für seine Bewohner noch lebenswerter zu gestalten.
Weitere Informationen zu Laubsorten und zu Erlenzäpfchen hier im Blog:
Auch die Industrie hat die Vorteile der sekundären Pflanzenstoffe für die erfolgreiche Pflege von Tieren und Pflanzen erkannt und so werden mehr und mehr der oben genannten Produkte im Zoofachhandel angeboten. Probieren Sie sie ruhig aus, das schöne an diesen Naturprodukten ist, dass bei vernünftiger Anwendung keine nennenswerten unerwünschten Nebenwirkungen zu erwarten sind.
Frank Schäfer
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