Unverhofft kommt oft! Aponogeton robinsonii

Eigentlich hatte ich in aller Unschuld lediglich 20 Knollen der Krausen Wasserähre, Aponogeton crispus, bei einem Exporteur in Singapur bestellt. Es kamen dann im April 2003 auch 20 Apono­geton-Knollen an, die ich zunächst provisorisch in einen Wasserkübel mit ca. 15 cm Wasserstand in einem unge­heiz­ten Gewächshaus unterbrachte. Be­kannt­lich ist nichts so langlebig wie ein gutes Provisorium und so dauerte es ca. 3 Wochen, bis ich mich der Knollen entsann und sie nun in die für sie vor­gesehenen Aquarien pflanzen wollte.

Blühender Bestand der Schwimmblattform von Aponogeton robinsonii

Überraschung!
Ich staunte nicht schlecht, als ich nach den Pflanzen sah. Sie hatten schon kräf­tig ausgetrieben, 5-6 Blätter pro Knolle, und einzelne Pflanzen blühten sogar! Aller­dings sahen die Pflanzen so gar nicht wie Krause Wasserähren aus. Die Unterwasserblätter erinnerten vielmehr an einen Wasserkelch, sie sahen speziell der Art Cryptocoryne wendtii nicht un­ähnlich. Freilich hatten viele Pflanzen (18 der 20 Knollen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits Blätter geschoben, davon nur 5 Exemplare Unterwasser­blätter) gar keine Unterwasserblätter, sondern nur Schwimmblätter ausge­bildet, die, ober­flächlich betrachtet, etwas an unser Schwimmendes Laich­kraut, Potamoge­ton natans erinnerten.

Knospe von Aponogeton robinsonii. Sie ist zu­nächst von einem Hüllblatt (Spatha) um­geben, das im Falle von Robinsons Wasserähre nach dem Erblühen abfällt.
Erblühende Knospe. Noch hängt die Spatha wie ein Zipfelmützchen auf dem rechten Blüten­schenkel.

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Welche Pflanze hatte ich da vor mir?
Nun wurde ich natürlich neugierig. Unbedingt wollte ich wissen, welche Wasserähre ich erworben hatte. Die Schwimm­blätter führte ich zunächst auf den sehr niedrigen Wasserstand im Kübel zurück. Ich pflanzte nun alle 20 Knollen in einen großen Mörtelkübel mit den Maßen 80 x 40 x 40 cm und stellte diesen Kübel sonnig frei auf meiner Terrasse auf. Der außergewöhnlich war­me Mai des Jahres machte das möglich. Als Boden­substrat wählte ich lediglich feinen Sand ohne Düngerzusatz. Mein Leitungwas­ser ist mittelhart. Nach dem Einpflanzen und Ein­­­füllen des Wassers waren sämt­liche Blätter zwangsweise unterge­taucht, da die Pflanzen ur­sprünglich nur ca. 10 cm lange Blatt­stiele hatten und nun der Wasser­stand 35 cm betrug. Doch es folgte ein Phänomen, das ich bereits früher bei Seerosen (Nymphaea) beob­achtet hatte: Erhöht man über einem Schwimmblatt den Wasserspiegel, so wächst der Blattstiel in erstaunlicher Geschwindigkeit und das Blatt erreicht wieder die Wasserober­fläche. Die Apono­geton brauchten dazu nur 2 Tage! Fast täglich erschien eine neue Blüte, so dass ich dank des ex­zellenten Bestimmungs­schlüssels in dem Aqua-Planta-Sonder­heft ”Die Gattung Aponogeton” von H. W. E. van Bruggen meine Pflanzen problem­los identifizieren konnte. Es handelt sich um Aponogeton robinsonii, eine bislang nur aus Zentral- und Süd-Vietnam be­kannt gewordene Wasserähre.

Die Bütenähre ist bei A. robinsonii immer zwei­schenklig, die Einzelblüten sind nur auf einer Seite der Ähre angeordnet.

Ein Erstimport aus Versehen
An sich ist die Art A. robinsonii den Pflanzenliebhabern schon länger be­kannt. Ingo Hertel brachte 1980 einige Pflanzen mit und seither scheint sie sich, wenn auch eher bei spezialisierten Aquarianern, bei uns gehalten zu haben. Das liegt an mehreren Faktoren: Erstens braucht A. robinsonii, im Gegensatz zu vielen anderen Wasserähren, scheinbar keine Ruhephase in der sie die Blätter abwirft. Und zweitens blüht sie nicht nur leicht und reichlich, sondern setzt auch noch ohne Zutun stets einige Samen an. Drittens schließlich sind diese Samen ausgesprochen groß (bis zu 14 mm lang!) und entsprechend problemlos gestaltet sich die Aussaat. Die bisher in den Aquarien kultivierten Exemplare gehörten jedoch sämtlich einer voll­kommen anderen Wuchsform an. Diese entwickeln nämlich lange, bandartige Blätter mit gekräuseltem Rand, der Krausen Wasserähre gar nicht so un­ähnlich. Die Schwimmblattform war bis­lang nur aus Herbarmaterial bekannt. Meine 18 Exemplare waren wohl die ersten, die (erkannt) lebend nach Europa kamen.

Normalerweise sind die Blütenblätter reinweiß, doch vereinzel tauchen auch altrosa Blüten auf.

Aussaat
Wasserähren kann man in aller Regel nur über Samen vermehren. Eine Ausnahme bilden lediglich die ”lebendgebärenden Arten”, bei denen sich am Blütenstiel Jungpflanzen entwickeln. Aponogeton robinsonii fruchtet auch ohne künstliche Bestäubung sehr leicht, zumindest bei mir, wo allerdings auch mehrere Pflanzen zusammen stehen. Die reife Frucht schwimmt zunächst 3-4 Tage an der Wasseroberfläche. Dann ist die Samen­schale zerfallen und der Same sinkt zu Boden, wo er gleich munter seine ersten, noch winzigen Blättchen schiebt.

Abgeblühte Ähren ziehen sich in die Länge und tauchen nach und nach unter die Wasserober­fläche.

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Finale
Auch wenn Schwimmblattpflanzen bei vielen Aquarianern nicht sonderlich beliebt sind – mir machten meinen Robin­son-Wasserähren Spaß. Auf jeden Fall stellen sie mit ihren niedlichen Blüten eine Bereicherung von (sommerlichen) Freiluftbehältern dar. Es bleibt jetzt auszuprobieren, wie sich die Pflanze im Aquarium verhält und ob aus den Sämlingen wieder nur Schwimmblatt­pflanzen wachsen, oder auch die Unterwasserform. Und dann erwartete ich noch gespannt, was sich aus den ver­bliebenen 2 Knollen entwickeln würde, denn diese haben schließlich auch ange­fangen, Blätter zu treiben. Gerne hätte ich die schöne Pflanze weiter studiert. Doch es kam anders. Ich musste einige Wochen verreisen. Also gab ich den Kübel mit all seinem Inhalt zu einem Bekannten, der sich interessiert zeigte. Wie das Leben so spielt verloren wir den Kontakt zueinander und ich habe nie wieder von den A. robinsonii gehört.

Die Samen sind bei Robinsons Wasserähre erfreulich groß, so dass die Aussaat keine Mühe macht.

Und die Moral von der Geschicht?
Ich habe es keine Sekunde bereut, die berühmte Katze im Sack gekauft zu haben. Überraschungen pflanzlicher Art, seien es nun falsch deklarierte Samen oder Knollen, sind meist interessant und oft freudige Überraschungen. Aponogeton robonsonii war auf jeden Fall eine!

Frank Schäfer

Der Chinesische Riesensalamander

Molche und Salamander sind im allgemeinen kleine oder mittelgroße Tiere. Viele werden gerade einmal 10-12 cm lang, und das mit Schwanz. Viele Liebhaber sind von diesen Tieren begeistert. Zahlreiche Adjektive werden verwendet, um sie zu beschreiben, niedlich und faszinierend sind nur zwei davon. Und dann ist da Andrias davidianus … ein Gigant, den man kaum niedlich nennen kann – aber faszinierend!

Es heißt, der Chinesische Riesen­salamander könne 80 Jahre alt werden und eine Länge von 1.8 m erreichen, was ihn, zusammen mit seinem japanischen Cousin Andrias japonicus nicht nur zum größten Salamander der Welt macht, sondern zum größten rezenten Amphibium überhaupt! Allerding heißt es, dass solche Riesen heutzutage nicht mehr gefunden werden, wohl in Folge der Übersammlung, denn Riesensalamanderfleisch gilt in Asien als Delikatesse.

Beide Arten sehen sich sehr ähnlich. Unter­schiede gibt es in der Form und Anordnung der Tuberkel auf Schnauze und Kehle, die bei A. davidianus grundsätzlich paarweise ange­ord­net sind. Der Chinesische Riesensalaman­der hat außerdem eine etwas spitzere Schnau­ze und einen etwas längeren Schwanz.

A. davidianus bewohnt in der Natur haupt­sächlich sauerstoffreiche, klare Bergflüsse, von Qinghai bis Jiangsu und südlich bis Sichuan, Guanxi und Guangdong in China. Er kommt auch im Yangtse, dem Gelben und dem Perl-Fluss vor. Berichte über Vorkom­men in Thailand beziehen sich wohl auf einge­führte Exemplare.

Die Grundfärbung ist ein wolkiges Braun. Ein ganz seltsames, pinkfarbenes Exemplar wurde in der Huan-Provinz gefunden und, wie es heißt, “von einem ortsansässigen Farmer” sogar nachgezüchtet, aber weitere derart gefärbte Exemplare wurde aus der Natur nicht mehr gemeldet. Der Körper dieses kleinäugigen Salamanders ist stark abgeflacht, eine ideale Anpassung an schnellfließendes Wasser. Er besitzt ferner Hautfalten an den Körperseiten, mit denen er Sauerstoff aus dem Wasser aufnehmen kann.


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Ungeachtet der Größe, die sie erreichen können, sind Chinesische Riesensalamander bereits mit rund 35 cm fortpflanzungsfähig. Das Paarungsverhalten wurde bislang nicht beschrieben, doch ist es wahrscheinlich, dass es ähnlich wie beim Japanischen Riesen­salamander verläuft. Bei A. japonicus fällt die Paarungszeit in die Monate August-Sep­tember. Dann besetzt das Männchen eine Höhle und vertreibt alle Artgenossen, außer einem reifen Weibchen natürlich. Wenn ein entsprechendes Weibchen die Laichhöhle aufsucht, legt es etwa 500 Eier, die un­mittelbar vom Männchen besamt werden. Dann verlässt das Weibchen die Höhle. Das Männchen hingegen bewacht das Gelege bis zum Schlupf, was 50-60 Tage dauert.

Die frischgeschlüpften Larven sind etwa 3 cm lang und haben federartige Außen­kiemen. Die ersten 30 Tage fressen sie nichts und die Außenkiemen bleiben bis zu einer Länge von etwa 20 bis 25 cm erhalten (einschließlich Schwanz).

Auch wenn es keine “offiziellen” Zucht­berichte vom Chinesischen Riesensalaman­der gibt, ist bekannt, dass ab den 1970er Jahren in China mehrere Zuchtfarmen für die Art eingerichtet wurden. Die Datenlage über die dortigen Nachzuchterfolge ist jedoch un­be­friedigend. Eine erfolgreiche Nachzucht in Europa beschreibt K. Haker in 1997 in Sala­mandra, 33, 69-74, aber dem scheint bislang nichts nennenswertes gefolgt zu sein.

Das ist wirklich zu bedauern, denn der Chinesische Riesensalamander gilt als “kritisch gefährdet” in der Roten IUCN-Liste (2004, abgerufen am 30 Juni 2020). Demnach gab es “einen drastischen Zusammenbruch von Popula­tionen, vermutlich um 80% des ursprüng­lichen Bestandes in den letzten drei Generationen.” Da die Generationsfolge mit geschätzten 15 Jahren sehr lange dauert, übt diese Tatsache zusätzlichen Druck auf die überlebenden Populationen aus. Hinzu kommen Überfischung zu Speisezwecken, Biotopzerstörung, Vergiftung und Ver­schmut­­­zung des Wassers durch Pestizide und Dünger usw.

Gelegentlich wird der internationale Tier­handel mit lebenden Exemplaren als Gefähr­dungsursache genannt. Wenn Lebend­handel tatsächlich stattfindet, ist er sicher sehr gering, denn die Art ist zum einen für die private Haltung denkbar ungeeignet und zum anderen in Anhang I von CITES gelistet. Das bedeutet, dass jeglicher inter­nationaler Handel verboten ist. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen, wie zu For­schungs- und Lehr­zwecken, oder wenn es sich um Gefang­enschaftsnachzuchten der mindestens zweiten Generation handelt. Letzteres muss von CITES selbst bescheinigt werden.

Innerhalb Chinas ist der Riesensalamander in Klasse II der streng geschützten Wildtier-Arten gelistet. Einigen Schutz genießt die Art dadurch, dass wildlebende Populationen in etlichen Nationalparks leben und darüber hinaus wurden mehrere Nationalparks (etwa 15) speziell zum Schutz dieser Art einge­richtet, so z.B. das Zhangjiajie Giant Salaman­der Nature Reserve. Nach Angaben auf der Website des Global Amphibian Assessment (www.globalamphibians.org) sind die Schutz­maßnahmen in sofern erfolg­reich, als dass das Verhältnis von Naturent­nahmen im Vergleich zu den in natürlichen Populat­ionen vorhandenen Exemplaren in den letz­ten Jahren im Abnehmen begriffen sind.

Im Januar 2008 wurde A. davidianus von der Zoologischen Gesell­schaft in London in die Liste der 10 bedrohtesten Amphibienarten im EDGE-Projekt aufgenommen (EDGE steht für Evolutionary Distinct and Globally Endange­red www.zsl.org/edge). EDGE wurde gegründet, um die “weltweit unheimlichsten und wunder­vollsten Kreaturen” aufzulisten und deren Schutz voranzutreiben.

Hoffentlich führt die verstärkte Aufmerk­samkeit gegenüber den Gefahren, die dem Chinesischen Riesensalamander drohen zusammen mit dem wachsenden Umwelt­bewußtsein zu einer rosigeren Zukunft für diese faszinierende Art, die seit der Zeit der Dinosaurier auf diesem Planeten existiert und der es droht, innerhalb unserer Lebenszeit von immer von ihm zu verschwinden.


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Seit 2019 weiß man, dass es in China nicht eine, sondern drei Arten von Riesensalamandern gibt, die sich jedoch mit Sicherheit derzeit nur anhand von DNS-Analysen unterscheiden lassen. Das verkompliziert natürlich die Schutzbemühungen, da nun zunächst eine Bestandsinventur gemacht werden muss, welche Species wo existiert und welchen Arten die in menschlicher Obhut befindlichen Tiere angehören.

John Dawes

Geradsalmler

Endlich ist das neue Bookazine (#8) erschienen und mit ihm der erste Teil der Darstellung aller afrikanischen Salmler, der u.a. alle Distichodus-Arten zeigt. Dies ist das erste Mal seit 1902, dass etwas derartiges versucht wurde. Über hundert Arten in 16 teils extrem unterschiedlich aussehenden Gattungen werden in der Familie Distichodontidae zusammengefasst, die ihren Populärnamen nach der gerade verlaufenden Seitenlinie erhalten haben. Neben idealen Aquarienfischen – klein, bunt, interessant – finden wir hier auch großwüchsige, teils langweilig gefärbte, teils aber auch prachtvolle Arten. Die meisten Distichodontidae sind Kleintier- oder Pflanzenfresser, etliche haben aber auch eine parasitische Lebensweise entwickelt und fressen Schuppen und Flossenteile anderer Fische.

Ichthyborus ornatus ist eine der flossenfressenden Arten der Familie Distichodontidae.

Grundsätzlich kann man zwei Hauptgruppen unterscheiden, die teils auch als eigenständige Familien gesehen wurden: die “normalen” Geradsalmler mit typischer Fischgestalt und unbeweglichen Oberkiefern, die sich von Pflanzen und Kleinlebewesen ernähren, und die spindelförmigen Flossenfresser, deren Oberkiefer beweglich ist und nach oben geklappt werden kann. Letztere sind reine Fleischfresser und ernähren sich, je nach Art, von Flossenstücken, Schuppen oder ganzen Fischen. Die größte Art der Distichodontidae ist Distichodus nefasch, bei dem der Größenrekord bei 83 cm Länge liegt und die kleinste Art ist Neolebias powelli, der gewöhnlich unter 2 cm Standardlänge (also ohne Schwanzflosse) bleibt.

Neolebias powelli ist die kleinste Art der Geradsalmler. Photo: Erwin Schraml
Monostichodus mesmaekersi gilt als Schuppenfresser.

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Die Gattung Distichodus Müller & Troschel, 1844
Mit derzeit 26 anerkannten Arten ist die Gattung Distichodus recht umfangreich; es ist aber ziemlich sicher, dass noch längst nicht alle existierenden Spezies erfasst sind, es gibt offenbar Artenkomplexe, die der Revision bedürfen. Aquaristisch sind nur wenige Arten bedeutsam. Teils werden sie sehr groß (es gibt allerdings auch kleinbleibende Arten), alle sind Pflanzenfresser und untereinander wie auch gegen andere Fische können sie manchmal sehr zänkisch sein. Nichts desto trotz sind viele Distichodus attraktive Fische und eine breitere aquaristische Erforschung der Gattung erscheint sehr wünschenswert, da bislang im Wesentlichen nur mit Daten aus Freilanduntersuchungen gearbeitet werden kann.

In ihrer Heimat sind Distichodus – zumindest die größeren Arten – beliebte und wichtige Speisefische, die lokal bis über 70% der angelandeten Fänge ausmachen können. Als primär herbivore Macrophytenfresser (primär : vorwiegend, hauptsächlich; herbivor: Pflanzen fressend; Macrophyten: größere Pflanzen, auch Algen, im Gegensatz zu mikroskopisch kleinen Algen) sind sie zudem hochinteressante Objekte für Aquakultur, da sie vergleichsweise wertloses Grünzeug in wertvolles Protein umwandeln können und untereinander weit weniger aggressiv sind als die derzeit hauptsächlich dafür genutzen Tilapien. Einer Aquakultur in größerem Umfang steht allerdings noch entgegen, dass es bislang noch nicht zu einer erfolgreichen Nachzucht in menschlicher Obhut kam. Die besondere Schwierigkeit liegt wohl darin, dass diese Fische ein fein aufeinander abgestimmtes Massenablaichen praktizieren, bei dem die gesamte laichfähige Population binnen weniger Stunden oder Tage zur Fortpflanzung kommt. Zumindest in Kamerun ist das mehrfach dokumentiert worden und es gibt sogar einen Begriff dafür: “dok” (Brummet & Teugels, 2003). “Dok”-Ereignisse finden im oberen Cross River und im Ntem während der langen Regenzeit im Oktober/November statt und außer verschiedenen Distichodus-Arten ist auch Labeo batesii daran beteiligt. Nach einem “dok” färbt sich das sonst klare Wasser weißlich durch die Milch der Männchen. Dies ist das Sig­nal für die lokalen Fischer, die Laichgewässer mit Stellnetzen abzusperren, um den ausgelaichten Fischen den Weg für die Rückwanderung zu versperren und sie zu fangen. Der Laich wird nicht gesammelt und verwertet, um künftige”dok”-Ereignisse nicht zu gefährden.

Für Distichodus antonii, eine kongolesische Art, wurden zwei Peaks in der Gonadenentwicklung festgestellt, einer im April und einer im September. Die Eier sind klein und sehr zahlreich, es besteht ein Zusammenhang zwischen Eianzahl und Körpergewicht, die absoluten Eizahlen bei den untersuchten Tieren (40 Weibchen von 0,21-0,85 kg Gewicht) lag zwischen 94.000 und 344.500 Eizellen (Osombause Sango et al., 2013).

Das deckt sich im Wesentlichen mit Untersuchungen an Distichodus rostratus, die Shinkafi et al. 2013 im Fluss Rima in Nordwest-Nigeria durchführten. Sie untersuchten die Nahrung und sexuelle Reife des “grasseaters” (= Gras-Fressers), wie die Art dort genannt wird. Bei 66 untersuchten Exemplaren von 20,2 bis 46,2 cm Totallänge und 104,2 bis 846 g Gesamtgewicht, die über einen Zeitraum von Juli bis Dezember gesammelt wurde, waren 24 Weibchen und 42 Männchen. Äußere Geschlechtsunterschiede gab es nicht. Die absoluten Eizahlen betrugen hier 2.980 – 21.010, was deutlich weniger ist, als in einer ähnlichen Studie zu dieser Art, in der Berté et al. (2008) zwischen 81.048-100.747 Oozyten je Weibchen im Bandama River ermittelten. In dieser Studie war das Geschlechterverhältnis umgekehrt zu Gunsten der Weibchen (1:1,61), das kleinste sexuell aktive Männchen war 39,6 cm, das kleinste Weibchen 46,3 cm lang (jeweils Standardlänge), es wurde nur ein Peak in der Fortpflanzung festgestellt, nämlich von August bis Oktober.

Die Gattung Distichodus ist relativ leicht an der beschuppten Schwanzflosse zu identifizieren. Die Bestimmung mancher Arten kann kniffelig sein, weil die Jugendzeichnung teils erheblich von der Erwachsenenzeichnung abweicht und die Jungtiere mancher Arten einander imitieren. Es gab zahlreiche Verwechslungen in der wissenschaftlichen Literatur, erst recht in der aquaristischen. In einem der wichtigsten aquaristischen Bestimmungsbücher, dem sechsbändigen Aquarien-Atlas, sind die dort vorgestellten Arten teils völlig falsch benannt. Deshalb habe ich mich nach längerem Zögern entschlossen, im aktuellen Bookazine erstmals in der aquaristischen Literatur wirklich alle bekannten (und ein paar wissenschaftlich nicht eindeutig identifizierbare) Distichodus-Arten zu besprechen und abzubilden, auch wenn nur wenige Arten zur Zeit aquaristisch bedeutsam sind. Hier im Blog stelle ich nur die Arten vor, die im Aquarien-Atlas versehentlich falsch bezeichnet sind. Ich möchte damit keinesfalls den Aquarien-Atlas diskreditieren. Im Gegenteil, ich denke, er gehört nach wie vor zum eisernen Pflicht-Bestand jeder aquaristischen Handbibliothek.

In Band 1 sind Distichodus decemmaculatus, D. lusosso und D. sexfaciatus richtig bestimmt, der als D. fasciolatus bezeichnete Fisch ist allerdings D. antonii und der als D. affinis bezeichnete D. altus.

In Band 2 ist Distichodus rostratus als D. notospilus bezeichnet.

In Band 4 ist Distichodus engycephalus als D. rostratus bezeichnet.

In Band 6 ist Distochodus nefasch als D. engycephalus bezeichnet, der dort als D. mossambicus vorgestellte Fisch ist D. atroventralis, D. noboli ist korrekt bestimmt, D. petersii ist in Wirklichkeit D. brevipinnis und D. sp. cf. sexfasciatus eine Farbvariante von D. lusosso.

In den Bänden 3 und 5 sind keine Distichodus-Arten enthalten.

Jugendliches Exemplar von Distichodus antonii, Diese Tiere wurden in der Aquarien-Literatur bislang als D. fasciolatus fehlidentifiziert. Ausschnittvergrößerung: die arttypisch gezeichnete Fettflosse.

Distichodus antonii Schilthuis, 1891
Diese Art stammt aus dem Kongobecken und bildet mit D. fasciolatus Boulenger, 1898, D. langi Nichols & Griscom, 1917 und D. polli Abwe, Snoeks, Chocha Manda & Vreven, 2019 ein Artenkomplex. Die Arten sehen sich nicht nur sehr ähnlich, sondern leben auch – zumindest lokal – zusammen (syntop), worauf bei eventuellen Importen zu achten ist. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Arten ist die Oberkieferstruktur, was auf unterschiedliche Nahrungsnutzung der Arten hindeutet. Moelants et al. (2014) revidierten den Komplex und stellten dabei fest, dass die lange Konfusion der drei zuerst beschriebenen Arten, also D. antonii, D. fasciolatus und D. langi u.a. darauf zurückzuführen ist, dass das Typusmaterial aller drei Arten bereits aus einem Mix verschiedener Arten bestand.
Distichodus antonii unterscheidet sich von den in jugendlichen Stadien sehr ähnlich aussehenden anderen Arten durch die endständige Stellung der Mundspalte. Sämtliche mir bekannten bislang in der aquaristischen Literatur abgebildeten “D. fasciolatus” stellen tatsächlich D. antonii dar. D. antonii wird nach Boulenger gut 55 cm lang, andere Autoren geben sogar über 80 cm an, die Typuslokalität ist “Bayari Sea”, Mbutu, D. R. Kongo, eine heutzutage nicht mehr klar auszumachende Lokalität. Die Spezies besiedelt nahezu das gesamte Kongobecken, sie fehlt allerdings nach gegenwärtigem Kenntnisstand im Einzug des Luapula.
Spezielle Angaben zur Pflege im Aquarium gibt es nicht, unter der Bezeichnung “D. fasciolatus” werden Jungtiere als friedfertig geschildert, doch handelt es sich dabei kaum um ausführliche Erfahrungsberichte, sondern eher um kurzfristige Beobachtungsergebnisse an Frischimporten. Ein spezielles Farb-Merkmal, an dem man zumindest Jungtiere von D. antonii sehr gut identifizieren kann, ist die tiefschwarz gerandete, dreifarbige Fettflosse (von außen nach innen: schwarz-weiß-grau). Ab ca. 20 cm Länge beginnen die senkrechten Streifen zu verblassen, ab ca. 25 cm Länge sind gar keine eindeutigen Zeichnungsmuster mehr zu erkennen; ein rußiger, schwärzlicher Fleck oberhalb der Brustflossen scheint aber typisch für große Exemplare zu sein.
Im Freileben spielen Hühnerhirsen (Süßgräser der Gattung Echinochloa) eine entscheidende Rolle für die Existenz von D. antonii, denn sie bilden die Hauptnahrung der Art. Im Malebo Pool entwickeln die Fische sogar Jahresringe auf den Schuppen, weil in der Zeit des Niedrigwassers nicht genug Nahrung zur Verfügung steht und darum das Wachstum stagniert (Mbadu Zebe et al, 2010b). Mbadu Zebe et al. (2010a) untersuchten im Malebo Pool auch das unterschiedliche Nahrungsspektrum von drei dort syntop lebenden Distichodus-Arten, nämlich D. antonii, D. affinis und D. lusosso. Dabei stellten sie fest, dass die Nahrungspräferenz von D. antonii die Blätter und Fruchtstände der Echinochloa-Gräser sind, D. affinis eher Halme und Wurzeln dieser Gräser frisst und D. lusosso als Generalist ein breites Nahrungsspektrum nutzt, das nicht vorwiegend aus Pflanzen, sondern Detritus und tierischen Bestandteilen (Insektenlarven, Fische, Garnelen, Krabben etc.) besteht, wodurch die drei Arten, ohne in Nahrungskonkurrenz zueinander zu treten, coexistieren können.


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Distichidus altus, etwa 6 cm lange, junge Tiere vom Lac Mai Ndombe.
Zum Vergleich: Distichodus affinis

Distichodus altus Boulenger, 1899
Dieser Name ist im Hobby kaum verbreitet, der Fisch hingegen schon. Bei allen rotflossigen Tieren, die ich auszählen konnte und die in der aquaristischen Literatur als D. affinis bezeichnet wurden, handelt es sich tatsächlich um D. altus; in Sterba (1959) ist D. altus korrekt bezeichnet.
Die Typuslokalität der nach 3 Exemplaren beschrieben Art sind Kutu und Utanda, Lake Leopold II (= Lac Mai Ndombe), von diesem See wurde D. altus auch schon gelegentlich gemischt zusammen mit D. noboli importiert. Darüber hinaus ist die Art wohl auch weiter im Kongo verbreitet, ungewöhnlich ist die Meldung aus dem Tschad (Port-Archambault) durch Pellegrin (1904, 1914). Seit 1904 wurde kein Exemplar dort mehr gefunden, obwohl Blache et al. (1964) danach suchten. Meiner Meinung nach handelt es sich um eine Verwechslung von Fundortangaben und D. altus kommt nur im Kongobeken vor.
Distichodus altus ist “der” Rotflossen-Distichodus und ein hübscher, empfehlenswerter Fisch, der rund 15 cm Länge erreicht. Man muss seine pflanzenfressenden Gewohnheiten beachten, ansonsten ist die Pflege problemlos.
Zuchtberichte sind mir nicht bekannt, allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass wegen der häufigen Verwechslungen mit D. affinis die Zuchten dieser Art mit jener erfolgten.
Die Unterscheidung von D. altus und D. affinis kann mit Sicherheit nach meinen Beobachtungen nur anhand der Schuppenzahl zwischen Bauchflossenansatz und Seitenlinie erfolgen (8-9 bei D. altus, 7 bei D. affinis), aber es gibt auch Farbunterschiede. Bei D. altus sind alle Flossen (bis auf die farblosen Brustflossen) zumindest an der Basis kräftig rot, bei D. affinis manchmal nur rötlich überhaucht oder ohne jedes Rot (es gibt aber auch Populationen mit kräftig roten Flossen), und die Körpergrundfärbung ist bei D. altus bronzefarben bis bräunlich, bei D. affinis grau bis schwarz. Als recht zuverlässig hat sich die relative Position der Rücken- zur Afterflosse erwiesen. Denkt man sich eine senkrechte Linie vom Ende der Rückenflosse zur Bauchkante, so ist der Ansatz der Afterflosse bei D. altus fast an diesem Punkt (eine kleine Lücke gibt es schon), während bei D. affinis hier eine deutliche Lücke besteht, die Afterflosse also weiter hinten ansetzt. Allerdings sind alle diese Unterschiede eher subtil, eine Revision der beiden Arten erscheint wünschenswert.
Sowohl bei D. altus wie auch bei D. affinis gibt es Exemplare, die im Bereich der Körpermitte auffällige schwarze Schuppengruppen haben. Ich halte es für wahrscheinlich, dass es sich dabei um ein sekundäres Geschlechtsmerkmal der Männchen handelt.

Distichodus nefasch, adult, Exemplar aus dem Nil, ist Typusart der Gattung Distichodus und zugleich die größte Art dieses Genus. aus Boulenger, 1907
Distichodus nefasch, juvenil, aus Boulenger, 1907
Distischodus rostratus, Typusexemplar, unterer Nil. nach Boulenger, 1907

Distichodus nefasch (Bonnaterre, 1788) und D. rostratus Günther, 1864
Distichodus nefasch ist die am längsten der wissenschaft bekannte Art der Gattung, wenngleich es um Autorenschaft und korrekte Benennung einige Verwirrung gab. Lange Zeit wurde D. nefasch als D. niloticus bezeichnet, denn Bonnaterres Salmo nefasch galt als nicht verfügbarer Vernakulär-Name, was gegenwärtig anders gesehen wird; Müller & Troschel, die die Art nefasch zur Typusart ihrer Gattung Distichodus machten, wiesen die Autorenschaft von D. nefasch darum Lacepéde, 1803, zu. Nach Fricke, 2008, ist Salmo nefasch Bonnaterre aber durchaus verfügbar. Ein früher viel gebrauchtes Synonym dieser Art ist Salmo niloticus Linnaeus in Hasselquist, 1762; die Beschreibung von S. niloticus lässt auch wenig Zweifel, dass es sich dabei um D. nefasch handelt, denn zwei Indizien sind eindeutig: 1. die beschuppte Schwanzflosse und 2. dass der arabische Name “Nefasch” sei, aber das Buch von Hasselquist, F. (1762): D. Friedrich Hasselquists, der Akademien der Wissenschaften zu Stockholm und Upsala Mitglieds, Reise nach Palästina in dem Jahren von 1749 bis 1752. Auf Befehl Ihro Majestät der Königinn von Schweden herausgegeben von Carl Linnaeus. Aus dem Schwedischen [übersetzt von T. H. Gadebusch]. Johann Christian Koppem, Rostock: i-xviii + 1-606 wurde schon 1956 von der Kommision für zoologische Nomenklatur auf die Liste der verworfenen und ungültigen Werke für Zoologie gesetzt (ICZN Dir. 32 (1956). Siehe auch ICZN Opinion 57.)

Dieser Fisch in seiner arttypischen Jugendzeichnung aus Nigeria wurde in der gegenwärtigen Literatur stets als D. rostratus bezeichnet. Es handelt sich aber tatsächlich um D. nefasch.
Dieser “Äschen-Geradsalmler” wurde im Mergus Aquarien-Atlas Band 2 irrtümlich als Distichodus notospilus bezeichnet. Es handelt sich meiner Meinung nach tatsächlich um D. rostratus. Eine ausgeprägte Punkt- oder Streifenzeichnung im Jugendkleid fehlt bei dieser Art. Das oben abgebildete Tier ist rund 7 cm lang. Die Färbung bleibt bis zum jung erwachsenen Tier von ca. 15 cm Länge erhalten.
So sieht D. notospilus aus.

Noch schwieriger als die Ermittlung des korrekten Namens ist allerdings die Ermittlung, welche Distichodus-Art sich dahinter verbirgt, denn es gibt zwei gemeinsam im nilo-sudanischen Gebiet auftretende Zwillingsarten – D. nefasch und D. rostratus – die sich kaum sauber voneinander unterscheiden lassen. Da diese Schrift hier keine wissenschaftliche Revision des Komplexes sein kann, folge ich Boulenger (1907), der als den First Reviser dieser beiden Arten Günther (1864) benennt, da er als erster eine Trennung zwischen den beiden Arten durchführte; Boulenger folgt Günther aus Gründen der Stabilität, obwohl er (Boulenger) die beiden Arten lieber anders herum definiert hätte, weil Geoffroy St. Hilaire in seinem klassischen Werk über die während Napoleons Ägypten-Feldzuges gesammelten Fische nämlich D. rostratus als D. niloticus abbildete. Wie auch immer, Boulenger bildet als D. niloticus (= D. nefasch) einen Fisch ab, der als Jungtier deutliche senkrechte Streifen, einen Humeralfleck und einen Caudalfleck hat und bei dem auch in adultem Stadium noch andeutungsweise Streifen im Schulterbereich sichtbar sind, während er als D. rostratus ein einfarbiges Tier abbildet; die meristischen Werte, nach denen sie sich unterscheiden lassen (tendenziell mehr, also kleinere Schuppen bei D. nefasch) überlappen sich, so dass im Einzelfall eine Artbestimmung danach nicht möglich ist. Für D. rostratus gibt Boulenger keine spezielle Jugendfärbung an, erwähnt aber ein farbiges Aquarell von Delhez, das dieser von einem D. rostratus (sensu Boulenger) von St. Louis, Senegal, erstellte. Dabei erscheint mir besonders erwähnenswert die rote Iris, denn die zeigt auch die Abbildung in Sandon (1950), der sich auch außer Stande sah, D. nefasch und D. rostratus im Sudan sauber voneinander zu unterscheiden. Es ist immer etwas schwierig, einen Sachverhalt nur aufgrund einer Zeichnung zu beurteilen, aber an der Zeichnung von D. rostratus in Sandon (1950) finde ich die gebänderte Anale sehr bemerkenswert.

Distichodus rostratus oder eine unbeschriebene Art (Anale!), geschlechtsreifes Tier, Aweil District, Sudan, 110 mm lang; Captain J. M. Stubbs bemerkt dazu „wiegt bis zu 3 Pfund. Wird in der Flussmitte im freien Wasser angetroffen. Sehr grätig, aber begehrt wegen seines Öls.“ Nach Sandon, 1950 (Zeichnung Mrs. J. M. Stubbs)

In Nigeria kommen nach Lévêque et al (1990) drei Distichodus-Arten vor: D. rostratus, D. engycephalus und D. brevipinnis. Sie erwähnen aber, dass Holly (1928, 1930) und Blache et al. (1964) eine vierte Art aufführen, D. niloticus, für dessen Existinz in der Ober-Guinea-Region Westafrikas Lévêque et al. aber keine weiteren Belege fanden und darum annahmen, es handele sich um fehlbestimmte kleine D. brevipinnis. Importiert als Aquarienfische wurden aber schon vier deutlich unterschiedlich aussehende Distichodus-Arten aus Nigeria, von denen eine im Aquarien-Atlas Band 2 irtümlich als Distichodus notospilus bezeichnet wird. Mit dieser Art hat der “Äschen-Geradsalmler” (dieser vorgeschlagene Populärname passt sehr gut) allerding nicht einmal entfernte Ähnlichkeit. Es ist mir nicht klar, auf welchem Fehler diese völlig falsche Bestimmung beruht; es handelt sich dabei m. E. um D. rostratus, während alle in der mir bekannten Aquarienliteratur abgebildeten “D. rostratus” tatsächlich D. nefasch zeigen. Diese letztgenannte Fehleinschätzung geht auf die ausgezeichnete Abbildung von “D. rostratus” in Stiassny et al. (2007: 424) zurück, die aber de facto einen D. nefasch in Juvenilzeichnung zeigt.

Tafel aus der Originalbeschreibung von Distichodus martini. Der obere Fisch ist ein D. brevipinnis (von Steindachner auch so bezeichnet), der untere ein Typusexemplar von D. martini. nach Steindachner, 1870

Distichodus martini Steindachner, 1870 aus dem Senegal (Typuslokalität: Dagana und Podor, Senegal) wurde seit Boulenger, 1909, als Synonym zu D. rostratus geführt, es handelt sich nach meiner Argumentation hier jedoch um D. nefasch. Die Streifung ist schräg (senkrecht bei D. nefasch aus dem Niger und Nil), ansonsten spricht nichts gegen die Synonymie. In Daget et al. (1982) wird D. martini als nomen nudum, verwendet von Schilthuis, 1891: 84 angegeben. Das ist aber nicht richtig. Schilthuis identifizierte lediglich kongolesische Distichodus, die Greshoff bei Boma, unterer Kongo, und bei Kinshassa, Stanley Pool, oberer Kongo, nahe Brazzaville, gesammelt und nach Amsterdam geschickt hatte, als D. martini Steindachner. Es dürfte sich dabei um D. antonii handeln, da D. martini (egal ob diese Form, D. nefasch oder D. rostratus) im Kongo nicht vorkommt.

Die Literatur über die Ökologie und Aquarienbiologie der großwüchsigen Formen Distichodus nefasch und D. rostratus – beide werden über 60 cm lang – ist wegen der ständigen Verwechslungen und Fehl-Identifizierungen kaum auszuwerten. Immerhin könnte die Erkenntnis, dass eben doch vier Arten im Niger vorkommen, die beobachteten Größen- und Wachstumsunterschiede der Populationen von “D. rostratus” in Nigeria (Berté et al., 2008, Nwani, 2006, Shinkafi et al., 2013) erklären.
Im Nil sind die Bestände der beiden Arten offenbar stark rückläufig (Neumann et al, 2016), was von anderen Autoren mit dem Bau des Assuan-Staudammes in Verbindung gebracht wird
Überall, wo D. rostratus vorkommt (Senegal bis Tschad, Nil, Cross River), wird er befischt und die bis zu 76 cm lange und bis über 6 kg schwere Art wird auch in Aquakultur gehalten. Die dazu verwendeten Fische werden allerdings nicht gezüchtet, sondern man fängt die Jungbrut und zieht sie dann geschützt bis zur Schlachtreife auf. D. rostratus ist ein ausgeprägter Pflanzenfresser und wird in großen Teilen seines Verbreitungsgebietes “Grass-Eater” (also Grasfresser) genannt. Man bedenke bei diesen Angaben bitte immer, dass wohl häufig Verwechslungen mit D. nefasch stattfanden und stattfinden.
Im Aquarium sind Jungtiere leicht haltbar, allerdings ist eine Bepflanzung des Aquarium aussichtslos. Untereinander sind die Tiere zänkisch, was man auch daran erkennt, dass es kaum Photos von Tieren ohne leichte Flossenschäden gibt. In hinreichend großen Aquarien ist dennoch eine Gruppenhaltung möglich und empfehlenswert. Tiere dieses Komplexes werden ganz gerne in Schauaquarien gezeigt, da sie trotz ihrer schlichten Färbung imposante Gestalten sind. Im Aquarium von Bremerhaven (Klimahaus 8° Ost) waren 2017 D. rostratus zu sehen.

Etwa 8 cm langer Distichodus engycephalus aus dem Niger in Nigeria.
Jugendliche Distichodus nefasch (oben) und D. engycephalus (unten) sehen sich ziemlich ähnlich. Abgesehen von Färbungsunterschieden hat D. engycephalus eine unterständige Mundspalte.

Distichodus engycephalus Günther, 1864
ist eine weitere nilo-sudanische Art. Typuslokalität ist der obere Nil bei Khartum, die Spezies kommt aber, genau wie D. rostratus und D. nefasch, auch im Niger-Einzug vor; das gesamte Verbreitungsgebiet umfasst den Senegal, Niger, Volta, Nil, das Tschad-Becken, den Wouri und den Cross River. Nach Daget et al. (1984) lebt sie vor allem über steinigem Boden. Vor allem als Jungtier sieht D. engycephalus D. nefasch ziemlich ähnlich. D. engycephalus wird normalerweise ca. 40 cm lang, was einer Totallänge von ca. 50 cm entspricht.
Jungtiere haben viele kleinere, etwas verwaschene Flecken am Körper und einen ausgeprägten Schwanzwurzelfleck. Letzterer verschwindet bei Exemplaren ab etwa 10 cm Länge (soweit ich das bei der sehr begrenzten Anzahl von Bildern und Tieren, die ich zu Gesicht bekam, beurteilen kann). Erwachsene D. engycephalus sind ab etwa 20 cm Länge einfarbig und mehr oder weniger silbrig-grau, wenngleich die dunklen Punkte noch durchschimmern, wie man auf dem Bild eines jung erwachsenen Tieres von einem Fischmarkt klar erkennen kann.
Distichodus touteei Pellegrin, 1906, Typuslokalität Niger River, bei Gaya, Boussa und Badjibo, Sudan, benannt zu Ehren des Sammlers Toutée, wurde bereits 1909 von Boulenger mit D. engycephalus synonymisiert. Ich habe bei der groben Examinierung der drei Syntypen, von denen besonders MNHN 1900-103 sehr gut erhalten ist, nichts gefunden, was gegen diese Synonymisierung spräche.
Njoku et al. (2009) untersuchten die Nahrungspräferenz von D. engycephalus von März 2003 bis Oktober 2004 im Lake Oguta (Süd-Nigeria) und fanden, dass Fadenalgen 31,2%, höhere Pflanzen 22%, Detritus 13%, einzellige Grünalgen 9,6%, Diatomeen 6,7%, Cyanobakterien (Blaualgen) 6% und Rotiferen 3,5% des Mageninhaltes ausmachten. D. engycephalus ist also ein herbivorer Fisch. Mir erscheint für die aquaristische Praxis der Detritus-Anteil in der Nahrung wichtig. Detritus, aquaristisch auch als Mulm bezeichnet, ist eine Masse aus verottendem pflanzlichen und tierschen Material. Er ist biologisch hochaktiv und enthält Unmengen Bakterien, Pilze und andere Destruenten. Es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass D. engycephalus – und wohl auch die anderen Distichodus-Arten – diesen Mulm als aktive Verdauungshilfe für das ansonsten schwer aufzuschlüsselnde pflanzliche Material in ihrer Nahrung brauchen. Stallknecht hat schon früher auf die Problematik überfilterter, übertrieben hygienischer Aquarien hingewiesen, in denen vorher problemlos seit Generationen gezüchteter Barben dahinsiechten, bis wieder etwas Mulm (also “Dreck”) im Aquarium zugelassen wurde. Von da an erholten sich die Fische und wurden wieder kräftig und gesund.
Bezüglich der Pflege kann ich kaum Angaben machen. Das fotografierte Exemplar war ein Einzeltier, das sich problemlos eingewöhnte und sich in keiner Weise auffällig verhielt.

Distichodus brevipinnis, etwa 8 cm langes Jungtier aus dem Niger in Nigeria.

Distichodus brevipinnis Günther, 1864
Auch die Typuslokalität dieser Art liegt bei Khartum am oberen Nil im Sudan, auch diese Art ist im Gambia, Senegal, Niger, Volta, Nil und Tschad-Becken verbreitet. Eine nennenswerte Umfärbung macht auch dieser Fisch, der ca. 59 cm lang wird, was ca. 70 cm Gesamtlänge bei bis zu 6 kg Gewicht bedeutet, durch, die Fleckung des Jugendkleides verschwindet im Alter.
D. brevipinnis ist eine pflanzenfressende Art, Details zur Autökologie sind mir – abgesehen von einigen eher allgemeinen Angaben über Wachstum und Parasitenfauna, nicht bekannt.
Das junge Exemplar, das wir hier abbilden, war ein einzelner Beifang zu D. nefasch aus Nigeria und fiel optisch wegen der gewaltigen “Goofy-Nase” sofort auf. Irgendwelche besonderen Beobachtungen konnte ich an dem Tier nicht machen.

Intertessant? Das waren nur sieben der 26 Arten. Alle finden Sie -ausführlich besprochen und bebildert – plus alle Arten von Xenocharax und der Familie Citharinidae im aktuellen Bookazine #8. Außerdem ist dort ein umfangreiches Literaturverzeichnis zu finden. Und ein ausführlicher Artikel über eine schlimme Amphibienkrankheit, den „Salamanderfresser“, der höchstwahrscheinlich mit der seit 1897 in Europa bekannten „Molchpest“ identisch ist und nicht, wie seitens der Behörden angenommen wird, erst jüngst durch Molchimporte für Terrarianer nach Europa kam. Und natürlich gibt es im Bookazine auch den beliebten und unterhaltsamen Teil „Vermischtes“, insgesamt hat das Bookazine 144 Seiten, durchwegs farbig bebildert.

Frank Schäfer

Hoplolatilus: Torpedobarsche – wunderschön und kaum bekannt

Vielen gelten die fantastisch bunten Korallenriffe als die artenreichsten Fischgründe der Erde. Das täuscht aber gewaltig. Verglichen mit der Vielzahl der Süßwasserfische (ca. 16.000 Arten) ist die Anzahl der Korallenfischarten (ca. 2.200) eher klein. Trotzdem sind es so viele, dass ein Aquarianerleben nicht ausreicht, alle einmal gepflegt zu haben. Das ist sehr schade, denn über viele Arten weiß man praktisch nichts. Dazu gehören die Torpedobarsche der Gattung Hoplolatilus, die ich ihnen im Folgenden etwas näher bringen will.

Hoplolatilus starcki – wunderschön, aber heikel.

Zoologische Besonderheiten
Torpedobarsche sind eine Gattung der Familie Malacanthidae, die nur zwei Gattungen, Malacanthus und Hoplolatilus, mit insgesamt 16 Arten enthält. Malacanthus ist aquaristisch bedeutungslos, da die drei bekannten Arten zu groß (um 30 cm) und zu farblos sind, um in nennenswerter Zahl Interessenten zu finden; hingegen sind von den 13 bekannten Hoplolatilus-Arten einige sehr attraktiv gefärbt. Keine wird größer als etwa 15 cm, die meisten bleiben deutlich kleiner.

Streit um einen Versteckplatz – harmlos!

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Höhlenbewohner am Fuß des Riffes
Torpedobarsche findet man nicht im Riff selbst. Sie brauchen Höhlen, die sie sich in den Sand graben oder für die sie Wohnhügel bauen. Darum leben sie an der Riffkante, in größeren Tiefen ab 20 Meter, meist aber erheblich tiefer. Man kann sie darum auch nur mit voller Tauchausrüstung fangen und muss sie sorgfältig dekomprimieren, also über mehrere Tage hinweg an die Wasseroberfläche transportieren, damit der plötzliche Druckunterschied sie nicht umbringt. Torpedobarsche leben paarweise oder in kleinen Kolonien. Sie entfernen sich nie weit von ihren Wohnhöhlen, in die sie sich bei vermeintlicher oder echter Gefahr blitzschnell zurückziehen. Früher wurden sie darum sehr häufig mit Betäubungsmitteln gefangen. Dieses Betäubungsmittel, eine Blausäure-Verbindung, hat aber leider verheerende Nebenwirkungen, an denen die Fische und auch die Fänger oft sterben. Der Kampf gegen den Fang mit dem Betäubungsmittel Cyanid ist darum eine der wichtigsten Aufgaben der zeitgemäßen Meeresaquaristik. Sachgemäß gefangene und sorgfältig dekomprimierte Torpedobarsche sind wunderschöne, gut haltbare und sehr interessante Aquarienfische.

Ebenfalls sehr attraktiv: Hoplolatilus marcosi.

Friedliche Planktonfresser
In der Natur ernähren sich die Torpedobarsche ausschließlich von relativ kleinen Planktonorganismen. Je nach Art kann man sie darum relativ problemlos mit der großen Palette von tiefgefrorenen Futtermitteln, wie Mysis, Artemia, Mückenlarven, gehacktem Muschelfleisch, Fischrogen etc. ernähren. Man füttere immer möglichst abwechslungsreich, damit beugt man am sichersten Mangelerscheinungen vor. Beim Frostfutter darf man niemals am falschen Ende sparen: es muss sich um Top-Qualität handeln, darf nicht mehrfach aufgetaut und wieder eingefroren sein, denn dabei gehen jedes mal wertvolle Inhaltsstoffe verloren. Viele Exemplare lernen auch, Trockenfutter zu fressen. Das ist sehr gesund und gut verdaulich, muss aber unbedingt kühl, trocken und dunkel gelagert werden und nach Anbruch binnen 6 Wochen aufgebraucht sein, sonst gehen Vitamine und ungesättigte Fettsäuren verloren. Einige Arten, besonders der wunderschöne Blaukopf-Torpedobarsch (Hoplolatilus starcki), fressen in der Natur nur kleinstes Futter. Grobe Futterbrocken beachten sie erst gar nicht. Wenn diese Tiere erst einmal im Hungermodus sind, können sie oft nicht einmal gefrostete erwachsene Artemia verdauen. In solchen Fällen muss man die Tiere mit selbst erbrüteten, lebenden Artemia-Nauplien füttern, die man ggf. auch noch mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren anreichert. Das muss aber nicht unbeingt sein; die fotografierten Tiere – die Aufnammen entstanden bei Meeresaquaristik Reising in Alzenau-Wasserlos – fraßen und verdauten problemlos ”normalgroßes” Frostfutter.

Hoplolatilus fourmanoiri

Für Riffaquarien geeignet?
Aus dem bisher gesagten geht klar hervor: Jein! In einem sehr hell erleuchteten Steinkorallen-Aquarium, in dem nur sparsam gefüttert wird, können sich Hoplolatilus-Arten nicht wohlfühlen. Sie wollen etwas weniger Licht und zwei bis vier tägliche Futtergaben. Als Planktonfresser lassen sie allerdings sessile Wirbellose völlig in Ruhe, insofern eignen sie sich durchaus für Riff-Aquarien. Das Interesse an einer besonderen Fischart sollte aber bei der Pflege von Torpedo-Barschen im Vordergrund stehen, weniger der Wunsch, ein schönes Riffbecken mit einem dekorativen Fisch zu ergänzen.

Hoplolatilus cuniculus

Gruppenpflege
In der Natur leben Torpedobarsche niemals einzeln, sonder man findet sie zu zweit (Paare?) oder in Gruppen. Und so sollte man sie auch im Aquarium pflegen. Dabei müssen es nicht nur Angehörige der eigenen Art sein. Hoplolatilus sind unter einander sehr friedlich, da wird höchstens einmal mit offenem Maul gedroht, das war es dann auch schon. Ein Spezial-Becken mit verschiedenen Torpedobarschen ist eine echte Schau und bietet eine Unmenge von Beobachtungsmöglichkeiten. Man sollte unbedingt versuchen, von jeder gepflegten Art mindestens zwei, besser drei oder vier Exemplare zu erwerben. Das ist zwar leichter gesagt als getan; es gibt aber keine äußeren Geschlechts unterschiede und so muss man statistisch versuchen, in den Besitz beider Geschlechter zu kommen. Über das Ablaichverhalten oder gar die Jungfischaufzucht weiß man buchstäblich nichts. Man nimmt an, dass die Geschlechtsprodukte einfach frei ins Wasser abgegeben werden. Die Larven leben im Plankton und haben absonderliche stachelige Auswüchse im Kopfbereich.

Der wunderschöne Hoplolatilus purpureus.

Höhlen, Höhlen, Höhlen
Damit sich ein Fisch wie ein Torpedobarsch gut eingewöhnen kann, braucht er passende Verstecke. Auch wenn es nicht schön aussieht: PVC-Röhren eignen sich hervorragend dafür. Im Zoofachhandel wird außerdem eine ganze Reihe von getöpferten Höhlen angeboten, die eigentlich für Süßwasserwelse gedacht sind, aber das ist den Torpedobarschen egal: sie nehmen sie trotzdem gerne an. Man sollte auch einige flache Steine auf ausreichend tiefen Sand platzieren, unter denen sich die Hoplolatius ihre eigenen Höhlen bauen können.

Hoplolatilus chlupatyi kann sehr schnell die Farbe wechseln.

Ausbruchkünstler
Eine unabdingbare Grundvoraussetzung für die langjährige erfolgreiche Pflege von Torpedobarschen ist ein absolut ausbruchsicheres Aquarium. Es kann einen in den Wahnsinn treiben, aber sie finden jeden noch so kleinen Spalt und schlüpfen hindurch. Da es mehr als nur unwahrscheinlich ist, dass ein Torpedobarsch Fluchtgedanken hegt, ist das vermutlich auf die angeborene Erkundung von kleinen Spalten als Versteckmöglichkeiten zurückzuführen. Diese in der Natur sicher sinnvolle ”Neugier” endet in unserem Fall jedoch immer tragisch, denn das Einzige, was die Torpedobarsche jenseits einer Spalte zwischen Deckscheibe und Aquarienrand finden, ist der Tod. Am besten ist es darum, einen innen lückenlos umlaufenden, etwa fünf Zentimeter breiten Glastreifen anzubringen.


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Lexikon

Torpedobarsche
Hoplolatilus: bedeutet ”bewaffneter Latilus”; bezieht sich auf die Kiemen­deckeldornen; Latilus ist eine andere Gattung Fische.
chlupatyi: Widmungsname für den deutschen Meeresaquarianer Peter Chlupaty.
cuniculus: bedeutet ”Höhle”; bezieht sich darauf, dass Torpedobarsche Wohnhöhlen besitzen.
furmanoiri: Widmungsname für Pierre Fourmanoir.
marcosi: Widmungsname (Erstbescheibung liegt nicht vor)
purpureus: bedeutet ”der purpur­farbene”
starcki: Widmungsname für Walter A. Starck II

Frank Schäfer

Dichotomyctere fluviatilis (früher: Tetraodon fluviatilis)

Die Grünen Kugelfische der Gattung Dichotomyctere sind sehr attraktive Brackwasserkugelfische. Wenn die Pflege in reinem Süßwasser erfolgen soll, muss das Wasser hart sein und der pH-Wert über 8 liegen; Salz brauchen die Fische nicht zum leben, aber es wirkt stressmindernd und darum krankheitsvorbeugend. Darum ist eine Meersalzzugabe von 5-10g/l sehr empfehlenswert.


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Dem Namen nach ist Dichtomyctere fluviatilis (früher: Tetraodon fluviatilis) die bekannteste Art der Grünen Kugelfische. Aber im Handel ist sie nur selten. D. fluviatilis stammt aus Indien und wird rund 20 cm lang. Meist wird die im Verbreitungsgebiet östlich sich anschließende Art D. nigroviridis als T. fluviatilis bezeichnet. D. nigroviridis bleibt mit 15 cm Endlänge kleiner und ist leich daran zu erkennen, dass er viele schwarze Punkte auf dem Rücken hat. D. fluviatilis hat hier breite Bänder.

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Frank Schäfer

Nachts cool – Zweihornchamäleons

Die Usambara-Berge im Nordosten Tanzanias gehören zu den ältesten Bergen dieser Erde. Sie enstanden bereits vor 600 Millionen Jahren. Es handelt sich um kühle, extem artenreiche Regenwälder, man spricht von einem ”Hotspot der Biodiversität”. Aus dieser Region erreichen uns  viele interessante Tierarten.

Zu diesen Tierarten zählen Zweihornchamäleons (Kinyonga spp.), eine faszinierende Gruppe von eierlegenden  Chamäleons. Einige werden mehr oder weniger regelmäßig importiert, andere stehen aus Nachzuchten zur Verfügung.

Kinyongia boehmei steht regelmäßig als Nachzucht im Hobby zur Verfügung.
Kinyongia boehmei

Natürliche Verbreitung
Die Usambara-Berge stellen nur einen Teil des Verbreitungsgebietes der Zweihornchamäleons dar. Sie leben entlang der Reste der etwa 3o Millionen Jahre alten Berg-Urwälder des so genannten Eastern Arc, der im Grenzgebiet zwischen Kenia und Tanzania verläuft und die Chyulu Hills, den Kilimandscharo, Mount Meru, die Taita Hills, North Pare, South Pare, die West- und Ost-Usambara-Berge, Nguu, Nguru und Uluguru – um nur die hierzulande geläufigsten zu nennen –  umfasst. Leider sind auch die Reste der einstigen Urwälder stark bedroht. Den Beginn des massiven Holzeinschlags machten u.a. die Deutschen, die im heutigen Tansania eine Kolonie unterhielten. Da das Klima in den Usambara-Bergen sehr angenehm ist, es wird ganzjährig tagsüber nicht wärmer als 30°C, nachts sinkt die Temperatur auf angenehme 15-17°C und es hier keine Malaria gibt, wurde das Gebiet bevorzugt von den Kolonialisten besiedelt. Das begann in den späten 1880er Jahren und aus dieser Zeit stammen auch die ersten Beschreibungen von Zweihornchamäleons.

Böhmes Zweihornchamäleon, eine relativ kleine Art, die inklusive des langen Schwanzes etwa 19 cm Länge erreicht.
Böhmes Zweihornchamäleon

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Schwierige Systematik
Früher stellte man alle Chamäleons in die Gattung Chamaeleo. Die Zweihornchamäleons wurden später in die Gattung Bradypodion überführt. Erst vor wenigen Jahren, nämlich 2006 (TILBURY et al.), stellte man für die eierlegenden  Chamäleons Ostafrikas eine eigene Gattung auf: Kinyongia. Hierher wurden auch die Zweihornchamäleons gestellt, die man wegen der undurchsichtigen Feinsystematik in der Regel als Kinyongia fischeri– Komplex ansprach. Hauptsächlich aufgrund molekularer Daten gelang es kurz darauf auch, Licht in das nomenklatorische Kuddelmuddel der Arten zu bringen (MARIAUX et al., 2009). In Folge dieser wichtigen Arbeit kam es zu weiteren Artbeschreibungen, insgesamt stellt man heute 18 Arten in die Gattung Kinyongia, von denen fünf erst in diesem Jahrtausend entdeckt und wissenschaftlich beschrieben wurden. Im Hobby werden nach wie vor viele der Import-Tiere als K. fischeri gehandelt. Allerdings ist just dies eine kaum je im Handel befindliche Art. Die meisten importierten ”K. fischeri” gehören wohl den Arten K. multituberculata und K. matschiei an. Bei Nachzuchttieren ist die richtige Bennenung dagegen meist gewährleistet, so etwa bei den K. boehmei.

Kinyonga multituberculata wird meist als K. fischeri angeboten. Man erkennt die Art ganz gut an dem Rücken­kamm, der sich bis auf den Schwanz ausdehnt. Länge bis ca. 35 cm. Oben Männchen, unten Weibchen.

Nicht easy-peasy, aber auch nicht unmöglich
Chamäleon-Haltung ist aus den verschiedensten Gründen nichts für Einsteiger in der Terraristik, sieht man von der zum Haustier gewordenen Art Chamaeleo calyptratus einmal ab. Die Tiere sind von Natur aus relativ kurzlebig, Wildfänge müssen regelmäßig gegen allerlei Plagegeister – innerliche Parasiten – behandelt werden, hinzu kommt, dass Chamäleons einen hohen Bedarf an Trinkwasser haben, das ihnen täglich gereicht werden muss (nur wenige lernen, aus Trinkschalen zu trinken, man muss es ihnen vorträufeln oder eine Tropftränke basteln), und sie sind auch nicht immer problemlose Kostgänger, denn sie verlangen Abwechslung in der Ernährung. Wegen ihrer Kurzlebigkeit haben sie eine für Reptilienverhältnisse hohe Stoffwechselrate und müssen täglich versorgt werden; das müssen berufstätige Menschen ebenso bedenken, wie alle, die gelegentlich in Urlaub fahren.


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Hinzu kommt, dass man bei Chamäleons viel stärker als bei den meisten anderen Echsen auf die artspezifisch sehr unterschiedlichen mikroklimatischen Ansprüche eingehen muss. Für die Zweihornchamäleons bedeutet das vor allem: eine kräftige Nachtabsenkung der Temperatur auf 15-18°C, was sich in Wohnräumen oft nicht so ohne weiteres realisieren lässt. In den meisten Fällen muss beim Terrarienbau eine Kühlvorrichtung vorgesehen werden, was erheblich mehr technischen Aufwand (und Kosten) verursacht als eine Heizung. Tagsüber kann die Temperatur 25-28°C betragen. Wer diese Nachtabsenkung der Temperatur nicht gewährleisten kann, sollte die Finger von den Zweihornchamäleonslassen, so schön sie auch sind. Es ist nicht möglich und sinnvoll in einem Blog ausführlich auf sämtliche Pflegebedingungen einzugehen kann, ich verweise darum auf die umfangreiche Spezialliteratur, die es ja glücklicherweise ausreichend gibt und um die ein gewissenhafter Pfleger dieser wunderschönen Tiere ohnehin nicht herumkommt. Zur Zucht siehe z.B. unseren Buchtipp, zur allgemeinen Pflege etc. empfehlen wir z.B. Necas, P. (2010): Chamäleons – Bunte Juwelen der Natur. Edition Chimaira, Frankfurt, 366 pp.

Usambaraveilchen und Chamäleons
Doch so viel möchten wir Ihnen noch mitgeben: glücklicherweise sieht es einiger maßen gut aus für viele Arten der Zweihornchamäleons. Trotz des hohen Alters ihres Lebensraumes können sich zumindest einige Arten ganz gut an den Menschen anpassen und treten als Kultur folger auf. Das ist auch der Grund, wes halb manche Arten regelmäßig im  Handel zu haben sind. Ein Terrarium mit einem Zwei horn cha mä le on (man wird sie in der Regel einzeln halten),  einigen flechtenbewachsenen Ästen und Usambara veilchen als Unterbe wuchs bringt den ganzen Zauber des uralten Afrikas ins Zimmer. Wenn Sie jetzt Lust auf die Pflege von Zweihornchamäleons bekommen haben: Ihr Zoofachhändler kann Ihnen sicher welche vom Großhändler seines Vertrauens bestellen.

Die unabhängig voneinander beweglichen Au­gen faszinieren immer wieder aufs Neue.

Lexikon
Bradypodion: bedeutet ”langsam-füßig”
Chamaeleo: bedeutet ”Erdlöwe”
Kinyongia: nach der Bezeichnung für Chamäleons auf Suaheli.
boehmei: Widmungsname für den Herpetologen Wolfgang Böhme (1944 – ).
fischeri: Widmungsname für den Herpetologen Johann Gustav Fischer (1819-1889)
matschiei: Widmungsname für den Zoologen Georg Friedrich Paul Matschie (1861-1926)
multituberculata: bedeutet ”mit vielen Knötchen”

Literatur
Mariaux, J., Lutzmann, N. & J. Stipala (2008): The two-horned chamaeleons of East Africa. Zoological Journal of the Linnean Society 152: 367–391.
Tilbury, C. R., Tolley, K. A. & W. R. Branch (2006): A review of the systematics of the genus Bradypodion (Sauria: Chamaeleonidae), with the description of two new genera. Zootaxa 1363: 23–38

Frank Schäfer


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Burmesische Zebrabärblinge: Danio kyathit und D. quagga

Zur Zeit sind wunderschöne Wildfänge dieser beiden Danio-Arten aus Burma im Handel, die sich durch besonders intensive Rottöne in den Flossen auszeichnen. D. kyathit und D. quagga ersetzen D. rerio, den Zebrabärbling aus Indien, in Burma. Bis auf die Färbung sind die drei Arten absolut identisch, auch, was Pflege und Zucht im Aquarium betrifft. 

Danio kyathit

Als man die Eigenständigkeit der Burmesen gegen D. rerio entdeckte, glaubte man zunächst, die gepunkteten und die gestreiften Tiere aus Burma seien artgleich und lediglich Farbvarianten, die man unter der Art D. kyathit zusammenfasste. Später entschloss man sich, die gestreiften Burmesen doch als eigene Art, D. quagga, zu beschreiben. Allerdings gibt es unter den Wildfängen immer wieder einmal einzelne Tiere, die Zwischenformen – so genannte Intergrades – darstellen, die also weder eindeutig D. kyathit noch eindeutig D. quagga sind. Die Natur ist eben etwas komplexer als wir es mit unserem Schubladendenken gerne hätten.


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Danio quagga

Die Burmesischen Zebrabärblinge sind in jedem Fall wunderschöne, problemlose Aquarienfische, die sich hervorragend für das ungeheizte Zimmeraquarium eignen. Die Temperaturansprüchen liegen bei 14-28°C, je nach Jahreszeit, zur Zucht darf es sogar noch etwas wärmer sein, aber wenn man die Tiere dauerhaft zu warm hält, verlieren sie Farbe und werden krankheitsanfällig. Die chemische Wasserzusammensetzung ist egal, jedes Trinkwasser ist zur Pflege geeignet. Gefressen wird jedes handelsübliche Fischfutter, Pflanzen werden nicht beachtet und anderen Fischen gegenüber sind Zebrabärblinge, die übrigens eine Größe von 4-5 cm erreichen, vollkommen friedlich.

Text & Photos: Frank Schäfer

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Die Geschichte vom Kölner Warmbachguppy

Die Liste von invasiven, nach Einschätzung der Behörden die ursprüngliche Artenvielfalt (das Fachwort für „Artenvielfalt“ lautet „Biodiversität“) bedrohenden fremdländischen Tier- und Pflanzenarten wird immer länger. Und als wichtigste Maßnahme zur Vermeidung der weiteren Verbreitung dieser Arten fällt den Behörden nichts besseres ein, als die Pflege und Zucht dieser Tier- und Pflanzenarten zu verbieten! Statt das Fachwissen der Pfleger und Züchter solcher Arten zu nutzen und sich diese Menschen, die einzigen, die sich wirklich mit den „invasiven“ Arten auskennen, zu Verbündeten zu machen, werden vollkommen nutzlose, aus wissenschaftlicher Sicht geradezu alberne Gesetze fabriziert, deren Kernmaßnahme – also das Pflege- und Zuchtverbot solcher als invasiv bezeichneten Organismen – objektiv ungeeignet ist, die Ausbreitung dieser Arten auch nur einzuschränken, geschweige denn zu verhindern.

Kölner Warmbachguppy

Begriffsklärung

Lebewesen, die nach 1492 (dem Jahr der Entdeckung Amerikas durch die modernen Europäer) in Ländern heimisch wurden, in denen sie zuvor nicht vorkamen, bezeichnet man als Neobiota, die Tiere als Neozoen, die Pflanzen als Neophyten. Durchaus nicht immer, aber doch meistens brachte der Mensch die Neobiota in die neuen Gebiete. In den allermeisten Fällen können Neobiota ohne ständige Fürsorge des Menschen aber nicht überleben. Das kann man schön in aufgegebenen Gärten beobachten, wo die angepflanzten Arten schnell zurückgehen und schließlich verschwinden.

Doch manchmal finden Neobiota in ihrer neuen Heimat Bedingungen vor, die eine Massenvermehrung erlauben. Dann bezeichnet man sie umgangssprachlich als „invasiv“ oder als Landplage. Bis sich in der neuen Heimat Bedingungen eingestellt haben, die eine massenhafte, unbegrenzte Vermehrung verhindern (meistens Krankheitserreger, manchmal auch Fressfeinde), explodieren die Bestände geradezu. Dann bekommen sogar Menschen, die sich sonst kaum für die Natur interessieren, mit, dass etwas vorgeht. Dann schreien sie nach den Behörden und fordern, dass das „Gleichgewicht der Natur“ (etwas, das es nicht gibt und nie gab, sondern lediglich eine Wunschvorstellung von Romantikern ist) wieder hergestellt werden soll – und zwar per Gesetz! Denn dann kann man Schuldige benennen und Strafen verhängen, was zwar den Schaden nicht mindert und an der Situation nichts ändert, aber dem Gerechtigkeitsempfinden der Masse gut tut.

Rein wissenschaftlich gesehen sagt das Wort „invasiv“ nichts über die Individuenzahl oder darüber aus, ob die Art in irgend einer Art und Weise negativen Einfluss auf irgend etwas nimmt. Aus wissenschaftlicher Sicht ist eine Art invasiv, wenn sie sich über die Grenzen des bekannten Vorkommensgebiets hinweg ausbreitet. Fertig. Das Wort wird aber inzwischen immer im negativen Sinne gebraucht, meint also tatsächlich wie miltärisch vorrückende, neue Gebiete besetzende und die ursprünglich dort vorkommenden Arten unterdrückende Spezies.


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Männchen der roten Naturform von Procambarus clarkii, dem Louisiana-Sumpfkrebs. Die Art wurde 1972 nach Spanien eingeführt, um als Speisekrebs gezüchtet zu werden. Heute ist sie in praktisch ganz Europa unausrottbar verbreitet, daran ändern auch Pflege- und Zuchtverbote nichts.

Man weiß bis heute nicht, wann und warum eine Art invasiv wird. Vorhersagen sind nicht möglich. Es war im 19ten und frühen 20ten Jahrhundert üblich und gesellschaftlich absolut akzeptiert, Ansiedlungsversuche mit fremdländischen Tier- und Pflanzenarten zu unternehmen, um die vorhandene Natur „zu bereichern“ und zusätzliche Beutetiere für Jagd und Fischerei oder Bäume, Sträucher und Blütenpflanzen wegen ihres interessanten Aussehens, ihres Holzes oder ihrer Früchte zu erhalten. Das ging fast immer schief, kaum eine Art hat sich dauerhaft etablieren lassen. Sie finden solche Ansiedlungsversuche schlecht? Recht haben Sie! Aber bedenken Sie bitte auch, dass keine einzige Haustierart und kaum eine Gartenpflanze je ursprünglich in Deutschland heimisch war. Deren Exis­tenz geht selbst dann, wenn es die biologische Art in Deutschland gab oder gibt, auf Populationen zurück, die in ganz anderen Gebieten der Erde domestiziert wurden, oder sie wurden züchterisch so verändert, dass man sie als Laie kaum noch als Angehörige der gleichen Art erkennen kann. Obwohl fast alle Pflanzen, die in Städten und deren näheren Umgebung wachsen, auf Anpflanzungen zurückgehen und alles andere als natürlich sind, leben auf und bei ihnen viele wilde, heimische Kleintiere. Aber das sind nur Ersatzlebensräume, die ursprünglichen Biotope sind zerstört und aus urbanen Gebieten (das ist praktisch ganz Deutschland) verschwunden. Da kann es nicht verwundern, dass manchmal unter den (in der Neuzeit meist illegal) eingebürgerten Tieren – seien das nun Waschbären, Eichhörnchen, Papageien, Fische oder Krebse – Arten sind, die hier günstige Bedingungen in nahezu konkurrenzfreier Umgebung finden. Und schon haben wir – schwupps – eine neue, invasive Art.

Welchen Anteil hat die Aquaristik an der Existenz der als schädlich eingestuften invasiven Arten?

Nur in wenigen Fällen kann man genau sagen, woher die Exemplare stammten, die den Grundstock der heute als invasiv und schädlich angesehenen Arten stammen. Soweit wir Aquarianer betroffen sind, ist nur eine Art auf der Liste der für Pflege und Zucht EU-weit verbotenen Arten, die wahrscheinlich ausschließlich (bewiesen ist auch das nicht; es handelt sich lediglich um Indizien, die dafür sprechen) durch die Aquaristik in die freie Natur gelangte, nämlich der Marmorkrebs (Procambarus fallax forma virginalis). Diese Krebsform ist parthenogentisch, d.h. es gibt ausschließlich Weibchen, die sich durch Klonen fortpflanzen. Das bedeutet, dass theoretisch ein einziges Exemplar ausreichen kann, um eine neue Population zu begründen. Wenn man heutzutage Marmorkrebse in Europa frei lebend antrifft, gehen die wahrscheinlich auf Aussetzungen von ehemaligen Aquarienexemplaren zurück. Die übrigen in der EU verbreiteten invasiven Krebsarten (von EU-weiter Bedeutung sind der Cumberkrebs, Orconectes limosus, der Signalkrebs, Pacifastacus leniusculus und der Galizische Flusskrebs, Astacus leptodactylus, weitere Arten kommen lokal vor) wurden von staatlichen oder halbstaatlichen Stellen gezielt importiert und in Teiche gebracht, um für die durch die Krebs­pest, eine Pilzerkrankung, durch die die in Europa ursprünglich heimischen Arten bis zur wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit dezimiert wurden, verschwundenen Speisekrebse Ersatz zu schaffen. Nordamerikanische Krebse sind gegen die Krebspest immun. Ob und wie Marmorkrebse in Europa als Schädlinge auftreten können, ist unbekannt; sie sind potentielle Überträger der Krebspest und somit unerwünscht, aber mit einer wissenschaftlich fundierten Einschätzung haben solche Ansichten nichts zu tun. Bei dem Handels-, Pflege- und Zuchtverbot für Marmorkrebse handelt es sich demnach um eine vorbeugende Maßnahme. Eine Ausrottung der in Europa bereits vorhandenen, wildlebenden Bestände ist unvorstellbar.

Es ist wahrscheinlich, dass die verwilderten Bestände des Marmorkrebses in Europa auf die unverantwortlichen Aussetzungen hirnloser Aquarianer zurückgehen. Aber ist es verhältnismäßig, alle Pfleger dieser Art pauschal zu kriminalisieren?

Unter Biologen ist es eine unumstrittene Erkenntnis, dass das einzige, was eine Kleintierart wirklich gefährden kann, der Verlust des Lebensraumes ist (der Fachausdruck für „Lebensraum“ ist „Biotop“). Die direkte Verfolgung einer Kleintierart ist in intakten Biotopen eine unerhebliche Randerscheinung für den Bestand. Das merkt man immer wieder daran, dass es einfach unmöglich ist, eine Kleintierart oder Pflanze, die man zur unerwünschten Art erklärte (z.B. weil man sie für invasiv hält) auszurotten. So etwas ist noch nie gelungen. Man kann die Bestände reduzieren, das wohl, aber auslöschen – das klappt nicht.


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Der Blaubandbärbling, Pseudorasbora parva, wurde unbeabsichtigt mit Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) und Silberkarpfen (Hypophthalmichthys molitrix) nach Europa importiert und verbreitet. Das geschah durch staatliche Stellen. Alle Versuche, die invasive Art auszurotten, blieben erfolglos.

Welchen Anteil hat die Terraristik an der Existenz der als schädlich
eingestuften invasiven Arten?

Zwei Arten Terrarientiere sind einem Handels- und Zuchtverbot unterworfen, nämlich Nordamerikanischer Ochsenfrosch (Lithobates catesbeianus) und Buchstaben-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta, mit ihren drei Unterarten Gelbwange, T. s. scripta, Rotwange, T. s. elegans, und Cumberland, T. s. troosti). Der Ochsenfrosch war nie wirklich Terrarientier, aber seine riesigen Kaulquappen wurden zeitweise gehandelt. Es kam auch zu Aussetzungen und lokalen Populationen. Zielgerichtet wurde der Ochsenfrosch aber in den 1930er Jahren zur Froschschenkelproduktion nach Europa gebracht. In Italien gibt es verwilderte Bestände. Um weitere Einfuhren zu verhindern, listete man die häufige Art im Washingtoner Artenschutzabkommen (WA). Durch diesen bürokratischen Trick konnte die EU künftig die Einfuhr verweigern, was seit 1997 auch geschah.

Idiotischerweise wurde der Ochsenfrosch aber in Deutschland auch in die Liste der “Besonders bzw. streng geschützten Arten” aufgenommen, weil er ja im WA stand. Dadurch wurde die Bekämpfung eventueller verwilderter Bestände zur streng verfolgten Straftat. Die Art steht immer noch im Bundesartenschutzgesetz als “streng geschützt”…

Den exakt gleichen Schildbürgerstreich machte der Gesetzgeber bei der Rotwangen-Schmuckschildkröte. Die Rotwange wird vor allem in Südeuropa als Konkurrentin zur bedrohten Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) gesehen. Auch wenn es dafür, wissenschaftlich gesehen, keinen Beweis gibt und die beiden Arten eine deutlich unterschiedliche Ökologie haben. Fakt ist aber, dass ausgesetzte Rotwangen ebensowenig in die Natur gehören, wie ausgesetzte Hunde und Katzen und dort durchaus, genau wie Hunde und Katzen, Schäden anrichten können. Richtige Terrarianer setzen keine Tiere aus, das sind immer nur fehlgeleitete “Tierfreunde”.

Dieses alte Rotwangen-Mädchen schaut in eine ungewisse Zukunft.

Man sollte nicht von eigenen Problemen dadurch ablenken, indem man auf die Probleme anderer hinweist. Aber die durch “invasive” Ochsenfrösche und Schmuckschildkröten verursachten Schäden sind in der EU ein Witz im Vergleich zu den Umweltschäden, die ausgesetzte und verwilderte Hunde und Katzen anrichten. Dennoch kommt (zu Recht!) niemand auf den Gedanken, deswegen generell die Hunde- und Katzenhaltung zu verbieten. Man kann sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass die Terrarianer lediglich zum Sündenbock gemacht werden, um langfristig den Weg für weitere Verbote – bis hin zum Generalverbot der Terraristik – zu ebnen. Leider sind im Feld arbeitende Wissenschaftler meist nicht in der Lage, zu überblicken, dass ihre Forschungen von populistischen Politikern missbraucht werden können und die Wissenschaftler selbst als Spielball von Intrigen dienen.

Nun endlich zum Kölner Guppy

Diese Fakten sollte man kennen, wenn man die Geschichte der Kölner Warmbachguppys erzählt bekommt und die teils absurde Diskussion darum verstehen will. In Aquarienzeitschriften wurde 1977 erstmals über sie berichtet, über die deutschen Wildguppys. Das war in den „Informationen der Deutschen Guppy-Förderation Nr.3“. Kurz darauf referierte Franz-Peter Müllenholz in der „TI“ Nr. 42 (Juni 1978) über das Vorkommen bei Köln, wo die Tiere in einem Bach lebten. Das Wasser war stark verschmutzt, es gab verkrüppelte Exemplare, aber insgesamt handelte es sich um hochvitale, schlanke Tiere.

Guppypärchen, Nachzucht von Tieren, die seit den 1970er Jahren als invasive Art im Gillbach in der Nähe von Köln leben.

Werner Ladiges, Redakteur der „TI“, bezweifelte, dass es sich hier tatsächlich um eine dauerhafte Population handelte. Doch zwei Nummern später, in der „TI“ Nr. 44 (Dezember 1978) wurde das Thema noch einmal kurz aufgegriffen. Es wurde klargestellt, dass der Bach mit Kühlwasser aus einem Werk gespeist wurde, wodurch die Wassertemperatur auch im März noch bei 19°C lag. Das ist natürlich entscheidend für Guppys, denn deren untere Temperaturtoleranz über einen längeren Zeitraum (einige Wochen) liegt bei etwa 14-16°C.

Wissenschaftlich ist das Guppyvorkommen schon länger bekannt, nämlich durch Friedrich (1973, nach Friedrich, 2005), der sie in der unteren Erft fand. Dort und im Gillbach, einem durch das Kühlwasser des Kohlekraftwerks Niederaußem (des größten deutschen Kraftwerks seiner Art) aufgeheizten Zufluss der Erft gibt es sie noch heute. Nicht nur Guppys, auch etliche andere tropische Organismen besiedeln diese Gewässer: Zebrabuntbarsche (Amatitlania nigrofasciata), Antennenwelse (Ancistrus sp.), Turmde­ckelschnecken (Melanoides tuberculatus), tropische Posthornschnecken (Planorbella duryi), der Ringelwurm Branchyura sowerbii und die Getigerte Planarie (Dugesia tigrina), die Garnelen Neocaridina davidi und Macrobrachium dayanum, dazu etliche Pflanzen: Azolla filiculoides, Egeria densa, Lemna aequinoctialis, L. minuta, Myriophyllum aquaticum, Pistia stratiotes und Shinnersia rivularis (Friedrich, 2005). Die Anwesenheit der meisten Arten geht wohl auf Entsorgung durch Aquarianer oder gezielte Ansiedlungsexperimente zurück, bei einigen Arten ist die Herkunft aber unklar.

Die untere Erft erhält ihr Warmwasser aus dem Braunkohletagebau. Es wird aus bis zu 400 m Tiefe hochgepumpt und ist entsprechend warm. Zunächst wurde eine große Rotalge (Compsopogon hookeri) dort nachgewiesen (Friedrich, 1966). Es wurde m.W. in der Arbeit nichts über Guppys gesagt (ich besitze die Originalarbeit leider nicht), denkbar ist jedoch, dass sie schon damals in der Erft vorhanden waren. Niederaußem wurde 1963 in Betrieb genommen, das ist also der allerfrüheste mögliche Zeitpunkt für die Besiedlung des Gillbaches mit Guppys. Heutzutage ist auch die Erft Heimat etlicher „invasiver“ Neobiota geworden (s.o.). Viele gehen, wie gesagt, sicher auf Aussetzungen von Aquarianern zurück, aber: so what? Ohne die industrielle Verschmutzung mit Warmwasser (der Fachausdruck für das aus dem Braunkohlebergbau abgepumpte Wasser lautet Sümpfungswasser) werden alle diese Tiere und Pflanzen auch wieder verschwinden.

Viele der “deutschen Wildguppys” aus dem Gillbach bei Köln haben ein Obenschwert.

Leider ist aber die Gehirnwäsche der Behörden bei einigen Aquarianern ziemlich erfolgreich. Schon Müllenholz empfahl 1978 die genauen Guppyvorkommen geheim zu halten, damit die Tiere nicht von Futterfischsammlern dezimiert würden. Aber damals war das noch Stand des Wissens. Heute wissen wir längst, dass der einzige Effekt, der von Guppyfängern ausgehen kann, der ist, dass es anschließend mehr Guppys gibt. Trotzdem treiben etliche Aquarianer, die Fundorte im Gillbach und der Erft kennen, immer noch eine Geheimniskrämerei darum. Sie glauben offenbar wirklich, man könne die Existenz der Fischchen mit Handnetzen bedrohen. Andere glauben, man müsse sogar unser (ohnehin anachronistisches, aber das ist eine andere Geschichte) Fischereirecht im Zusammenhang mit den Guppys in Anwendung bringen und drohen mit Anzeigen wegen Wilddieberei, sollten sie Aquarianer beim Guppyfangen erwischen. Da wird es nun aber wirklich pervers! Natürlich haben Gewässerpächter eine vorrangiges Nutzungsrecht der in „ihrem“ Gewässer vorkommenden Guppys, aber wozu sollen sie diese Fischchen denn wohl nutzen können? Es ist auf gar keinen Fall moralisch verwerflich, wenn man aus Neugierde (eine der edelsten menschlichen Tugenden) ein paar Guppys oder andere Kleinfischchen fängt. Eine Gesetzesänderung, die das ausdrücklich erlaubt, ist seit Jahrzehnten überfällig.

Die warmen Gewässer von Gillbach und Erft geraten immer wieder in die Schlagzeilen. Ganz aktuell hat ein Forschungsteam der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft entdeckt, dass nicht nur eine größere Anzahl tropischer Fischarten gut im Gillbach etabliert ist, sondern auch deren Parasiten. Man warnt vor der Einschleppung neuer, bislang unbekannter Krankheitserreger auf einheimische Fische. Der parasitische Wurm Capallanus cotti kommt im Gillbach nicht nur in den Exoten, sondern auch in heimischen Arten vor (genannt sind Gründling und Döbel), die sich an die höheren Wassertemperaturen angepasst haben. Die Tatsache, dass Camallanus cotti (siehe: https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/tropische-parasiten-im-rheinzufluss/) im Gillbach gefunden wird, ist gegenwärtig noch nicht wirklich bedenklich, da es keine Hinweise darauf gibt, dass diese Parasiten überleben können, wenn die Einspeisung des warmen Wassers endet. Auch Piranhas sollen schon in der Erft ausgesetzt worden sein. In Südamerika, der eigentlichen Heimat der Piranhas, fürchtet niemand diese Fische, weil sie objektiv für Menschen harmlos sind, aber erklären Sie das mal der Sensationspresse…

Man kann zu Neozoen stehen, wie man will (ja, das kann man wirklich, wir haben nämlich immer noch Meinungsfreiheit in Deutschland), die Kölner Warm­bach­guppys sind interessant. Und man muss noch nicht einmal nach Köln fahren und bei Fangversuchen die Attacken buchstabengetreuer Gesetzesliebhaber oder fehlgeleiteter Naturschützer riskieren, um sie selbst im Aquarium zu haben. Denn es gibt bei mehreren Großhändlern diese Kölner Warmbachguppys immer wieder einmal als Aquariennachzuchten zu kaufen.

Sie haben also den Weg zurück ins Aquarium gefunden, die Kölner Warmbachguppys, übrigens ein sehr interessanter Prozess vor dem Hintergrund co-evolutionärer Studien über das Verhältnis des Menschen zu seinen Haustieren. Im Gillbach und der Erft werden sie wieder aussterben, wenn die Einleitung warmen Wassers aufhört, das ist völlig sicher. Aber vielleicht bleiben sie als Kuriosum ja im Hobby erhalten. Wer weiß?

Frank Schäfer

Zitierte Literatur:
Friedrich, G. (1966): Compsopogon hookeri MONTAGNE neu für Deutschland. – Nova Hedwigia 12, 3/4: 399-403, Lehre 1966 (nicht gesehen).
Friedrich, G. (1973): Ökologische Untersuchungen an einem thermisch anomalen Fließgewässer (Erft/Niederrhein). – Schriftenreihe Landesanstalt für Gewässerkunde und Gewässerschutz NRW Heft 33, Kempen-Hüls.
Friedrich, G. (2005): Die untere Erft – Ein subtropischer Fluss. LUA Gewässergütebericht 2005: 101–103
Ladiges, W. (1978): Betr.: Guppypopulation in der Nähe von Köln. TI Tatsachen und Informationen aus der Aquaristik 12 (44): 42
Müllenholz, F.-P. (1978): Guppypopulation in der Nähe von Köln. TI Tatsachen und Informationen aus der Aquaristik 12 (42): 42-43

Kurz vorgestellt: Macrobrachium equidens

Die Bestimmung von Langarmgarnelen ist nach wie vor eine kniffelige Angelegenheit, da sich die Arten einerseits ziemlich ähnlich sehen und andererseits farblich hoch variabel sind. Macrobrachium equidens unterscheidet sich nach den Angaben in den Bestimmungswerken der Welternährungsorganisation FAO von anderen, ähnlichen Arten der indopazifischen Region durch das Vorhandensein zweier Stacheln am Vorderkörper. Sehr ähnlich und aus aquaristischer Sicht absolut vergleichbar ist z. B. M. idae.

Die extem langen Arme von M. equidens sind schon beeindruckend. Die Männchen setzen sie bei Kommentkämpfen ein; wie Hirsche oder Sumo-Ringer schieben sie sich damit hin und her, wobei sie unblutig ermitteln, wer der Stärkere ist. Die Damen schauen zu, der Gewinner hat beste Chancen, zur Paarung akzeptiert zu werden. Die Zucht dieser Art unter Aquarienbedingungen ist aufwändig, da sich die Larven nur in Salzwasser entwickeln. 

M. equidens gehört zu den zu Speisezwecken stark befischten Garnelen-Arten und wird auch oft in Aquakultur gehalten. Flüchtlinge aus den Zuchtbetrieben sind in Westafrika und Brasilien verwildert und bilden dort heutzutage große Bestände. Die ursprüngliche Heimat dieser Garnele ist der gesamte indopazifische Raum. Erwachsene Tiere leben im Süßwasser.


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Text & Photos: Frank Schäfer

Glücklicherweise nicht ausgestorben: Trigonostigma somphongsi

Der Siamesische Zwergbärbling (Trigonostigma somphongsi, früher Rasbora somphongsi) wurde 1958 von Hermann Meinken anhand von Tieren beschrieben, die Ende 1957 aus Thailand für den Zierfischhandel importiert wurden. Der Import erfolgte offenbar zeitgleich durch J. van Hengel (Firma „Aquarium Westhandel“, Amsterdam) und A. Werner in München. Beide Importeure schickten Exemplare zu Meinken mit der Bitte um Bestimmung. Schon damals war daher der exakte Fundort unklar, was sich in der sehr ungenauen Angabe der Typuslokalität zeigte (in der eigentlichen Erstbeschreibung in der DATZ gibt es gar keine Angaben hierzu, in der etwas später erfolgten wissenschaftlich genaueren Beschreibung in Opuscula Zoologica heißt es „südliches Menam (Thailand)“.

Kleiner Trupp von Trigonostigma somphongsi

Die „technisch“ gültige Erstbe­­schrei­bung ist übrigens die zuerst (März 1958) in der DATZ erschienene Mitteilung, auch wenn Meinken das nicht so wollte; es kam früher ziemlich häufig vor, dass Wissen­schaftler irgendwo eine „vorläufige Mit­teilung“ oder dergleichen machten, die richtige wissenschaftliche Beschreibung aber später erfolgte. Darum sind die aus nomenklatorischer Sicht „technisch“ gül­tigen Erstbeschreibungen oft wenig infor­mativ, man muss sich bei der Recherche der Mühe unterziehen, auch die später er­schiene­ne, „ordentliche“ wissenschaftliche Arbeit zu studieren, um alle Informationen zu erhalten, die dem Beschreiber vorlagen. In diesem Fall geht Meinken in dem Artikel in der ”DATZ” mehr auf die Aquarienbiologie, in der ”Opuscula Zoologica” mehr auf anato­mi­sche und verwandtschaftliche Eigenschaf­ten des neuen Bärblings ein.

Ausgestorben!?

Seit etwa 20 Jahren galt die Art in der Natur als so gut wie ausgestorben. In dem Eintrag der internationalen Roten Liste nennt der Bearbeiter (C. Vidthayanon, 2013) als ur­sprünglich bekanntes Verbreitungsgebiet das Becken des Mae Khlong nahe Ratchaburi in Zentral-Thailand, wo die Art aber aufgrund von großflächiger Naturzerstörung nicht mehr vorkommen soll. Der einzige Grund, den Zwergbärbling nicht als „Ausgestorben“ sondern nur als „Kritisch Gefährdet“ einzu­stufen, war die Tatsache, dass immer wieder einmal Einzelexemplare in gemischten Zier­fischfängen auftauchten. Allerdings ließ sich nicht rekonstruieren, wo diese Tiere her­stammten, man wusste nur: irgendwo gibt es sie noch!

Erhaltungszucht

Eine kleine Schar begeisterter Privat-Aquarianer erhielt eine auf nur drei Tieren beruhende Welt-Aquarienpopulation ganz erfolgreich. Diese drei Tiere hatte Uta Hanel 2006 aus einer Sendung Boraras uro­ph­thal­moides (Schwanzfleckbärbling) herausge­sam­melt, es waren ein Männchen und zwei Weibchen. Dieser Stamm existiert auch heute noch in Deutschland, England und Thailand, aber aufgrund manchmal un­günstiger Geschlechterverteilung in der Nach­zucht und der Schwierigkeit, die Zuchten über Jahre hinweg zu koordinieren, stand der Siamesische Zwergbärbling immer auch im Aquarium am Rande des Aus­sterbens.

Männchen

Wiederfund!

Vor einigen Jahren ist es aber endlich wieder gelungen, die Art in der Natur aufzuspüren (Petsut et al., 2014). Es zeigte sich, dass dieser winzige Fisch in relativ großen Gewässern vor­kommt, nämlich den Kanälen, die die Nassreis-Felder bewässern. Dort ist er aber nur wenige Wochen im Jahr, während der Fortpflanzungszeit von Juli bis November, nachweisbar. Dann verschwinden die Tiere wieder im tiefen Wasser. Der neue Fundort befindet sich in Zentral-Thailand, Provinz Nakhornnayok, im Überschwemmungs­ge­biet des Bangpakong-Beckens.

Wiedereinfuhr

Aquarium Glaser konnte jetzt erneut einige Exemplare importieren! Möglicherweise handelt es sich dabei um Nachzuchten, aber selbstverständlich hat der Fang für die Aquaristik keinerlei Einfluss auf die freilebenden Bestände. Im Gegenteil: nur dank des Interesses der Aquarianer gelang die Wiederentdeckung und so werden jetzt gezielte Schutzmaß­nahmen erst möglich. Jedenfalls ist zu hoffen, dass sie nicht aus den bewiesenermaßen für den Artenschutz bei Kleintieren völlig nutzlosen Sammel- und Haltungsbeschrän­kungen bestehen werden, sondern dass Schutz­gebiete ausgewiesen werden, in denen die Fische durchaus für den Handel gefangen werden können, ja, sogar sollten, wo aber die Natur insgesamt vor der Zerstörung bewahrt wird.

Weibchen

Pflege im Aquarium

Im Aquarium ist die Pflege der niedlichen, nur 2-2,5 cm lang werdenden Tierchen völlig unproblematisch. Für die Pflege ist die chemische Wasserzusammensetzung uner­heblich, nur zur Zucht braucht man weiches, leicht saures Wasser, das man jedoch zur „normalen“ Pflege und Aufzucht eher meiden sollte; wie so viele andere kleine Fische neigen auch Trigonostigma som­phongsi in solchem Wasser zu Infektionen mit Piscinoodinium. Wie ihre nahen Ver­wandten, die Keilfleckbarben (Trigonostigma heteromorpha, T. hengeli und T. espei) laichen die Siamesischen Zwergbärblinge an der Unterseite von breitblättrigen Pflanzen ab. Die Tiere leben am liebsten im Trupp, zur Paarung sondern sich aber einzelne Paare ab, wobei das Männchen kurzfristig ein Laichrevier verteidigt. Zur Zucht eignet sich sehr gut das so genannte V-Becken, hier kann man extensiv züchten und ziemlich regelmäßig Jungtiere absammeln. Aber auch ein paarweiser, klassischer Zuchtansatz ist möglich. Allerdings haben diese kleinen Fische offenbar Laichzeiten und pflanzen sich  nicht ganzjährig fort, auch im Aquarium nicht. Um also Risiken wegen Piscinoodinum zu vermeiden, pflege man die Tiere zunächst in mittelhartem, neutralen Wasser und tausche das Wasser erst gegen weiches, leicht saures Wasser aus (bzw. setzt die Tiere in ein Zuchtbecken um), wenn man Balz­spiele und Laichansatz bei den Weibchen beobachtet. Einen ausgezeichneten Zucht­bericht liefert Meulengracht-Madsen (1966).

Pärchen

Aufatmen…

Die Liste der durch die Aquarienkunde und den Zierfischhandel entdeckten und so über­haupt erst bekannt gewordenen und nun letztendlich (hoffentlich) auch noch vor dem Aussterben geretteten Arten wird durch Trigonostigma somphongsi sehr be­reichert. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Aquarianer nun nach dieser Art fragen, so dass es sich vielleicht sogar lohnt, das niedliche Fischchen kommerziell nachzu­züchten. Damit wäre ein weiterer, sehr wichtiger Schritt zum Artenschutz getan.

Frank Schäfer

Literatur:

Meinken, H. (1958): Rasbora somphongsi, eine neue Zwergrasbora. XXIX. Mitteilungen der Fischbestimmungsstelle des VDA. Die Aqua­rien- und Terrarienzeitschrift 11 (3): 67-69

Meinken, H. (1958): Rasbora somphongsi nov. spec., eine neue Rasbora aus Siam (Pisces: Cyprinidae, Unterfam. Rasborinae). Opulusca Zoologica Nr. 19 (Oktober 1958): 1-6

Meulengracht-Madsen, J. (1966): Ein Zucht­er­folg mit Rasbora somphongsi Meinken. Die Aquarien- und Terrarienzeitschrift 19 (7): 194-196

Petsut, N., Panitvong, N., Kulabtong, S., Petsut, J. & C. Nonpayom (2014): The first re­cord of Trigonostigma somphongsi (Meinken, 1958), a critically endangered species, in its natural habitat of Thailand (Cypriniformes, Cyprinidae). Biodiversity Journal 5 (4): 471-474

Vidthayanon, C. (2013): Trigonostigma som­phongsi. The IUCN Red List of Threatened Species. Version 2014.3. <www.iucnredlist.org>. Downloaded on 16 January 2015.

Und weiteren Lesestoff über Barben finden Sie hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=barben


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Kurz vorgestellt: Sphaerichthys vaillanti

Den farblich schönste aller Schokoguramis ist sicher Sphaerichthys vaillanti. Die Art kommt im Kapuas-Einzug im indonesischen Teil der Insel Borneo vor. Von den Sphaerichthys-Arten ist diese aber nicht nur die schönste, sondern auch die am leichtesten haltbare. Das heißt aber nicht, dass sie ein anspruchsloser Fisch ist. Auf die Dauer wird man nur Freude an den Tieren haben, wenn man sie naturnah pflegt, also in sehr weichem, sauren Schwarzwasser mit viel Laub am Boden und Lebendfutter. Leider wird die innerartliche Aggressivität der Schokoguramis immer wieder unterschätzt, sicherlich der Hauptgrund, wenn Probleme mit (distressbedingten) Krankheiten auftreten.

Die Männchen sind erheblich unscheinbarer als die getigerten Weibchen gefärbt. Die Männchen sind es auch, denen die Maulbrutpflege obliegt. In neutraler Färbung sehen die Männchen dem Kreuzband-Schokogurami (Sphaerichthys selatanensis) sehr ähnlich, sind aber erheblich spitzköpfiger.

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Frank Schäfer

Biotopaquarium (Teil 6 und Schluss): Rote Neon aus Kolumbien

Viele Aquarianer wissen gar nicht, dass es zwei Arten Rote Neon gibt, eine brasilianische – das sind Paracheirodon axelrodi – und eine kolumbianische, die wissenschaftlich noch unbeschrieben ist (die wissenschaftliche Beschreibung durch mich, Frank Schäfer, ist in Vorbereitung). Die brasilianische Regierung hat in der Vergangenheit den Zierfischexport aus politischen Gründen immer wieder einmal erschwert; da blieb Kolumbien nicht untätig und schloss nur zu gerne die Lücke, die sich auftat. Der kolumbianische Rote Neon ist sehr leicht vom brasilianischen anhand des Verlaufs der Neonbinde zu unterscheiden. Sie verläuft beim brasilianischen Roten Neon bis hinter die Fettflosse, beim Kolumbianer aber nur bis vor die Fettflosse. Der kolumbianische Rote Neon bleibt zudem etwas kleiner und ist hochrückiger als die brasilianische Art. Freilich ist die „Länderbezeichnung“ für die beiden Arten etwas vereinfachend, es gibt zwar in Brasilien keine Kolumbianer, in manchen Gegenden Kolumbiens kommen aber brasilianische Rote Neon vor, so dass sie manchmal gemischt in Importen aus Kolumbien auftauchen. Dann ist der Unterschied zwischen den beiden Arten besonders augenfällig.

Paracheirodon sp., der wissenschaftlich noch unbeschriebene Rote Neon aus Kolumbien

Ökologische Unterschiede zwischen den beiden Arten wurden bislang nicht beschrieben; es gibt aber Unterschiede in der Färbung der kolumbianischen Populationen der Beifänge. Bei Nannostomus und Axelrodia wurden sie bereits weiter vorn erwähnt, sie treten aber z.B. auch bei Schachbrettcichliden auf. Bei anderen Gattungen ersetzen nah verwandte Arten in Kolumbien ihre brasilianischen Vettern, etwa bei Biotoecus, wo die Art B. dicentrarchus statt B. opercularis auftritt. Die genannten Apistogramma-Arten kommen in Kolumbien gar nicht vor, ebenso fehlen die Nackenfleck-Panzerwelse.

Biotoecus dicentrarchus ersetzt in Kolumbien B. opercularis

Leider hat die Erkenntnis, dass die Roten Neon in Kolumbien und Brasilien unterschiedlichen Arten angehören, in der wissenschaftlichen Literatur noch keinen Eingang gefunden, so dass es kaum gesicherte Beschreibungen des Biotopes dieses Fisches in Kolumbien gibt. Mit einer Ausnahme: 1965 publizierte Herbert Axelrod in der Zeitschrift TFH die Entdeckungsgeschichte der Art Axelrodia riesei in den Llanos von Kolumbien; die Art war zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschrieben, Axelrod nannte sie da­rum „Ruby Red Tetra“. Weitere Fische, die die Expedition dort fand, waren: Mikrogeophagus ramirezi (Schmetterlingsbuntbarsch), Apistogramma macmasteri, Carnegiella strigata (Marmor-Beilbauch), Hyphessobrycon sweglesi (Roter Phantomsalmler), eine orangeflossige Variante von Corydoras aeneus (Metall-Panzerwels), Corydoras metae, Copella sp. und Pimelodus pictus (Engelswels).

Axelrodia riesei, der Ruby Red Tetra
Apistogramma macmasteri, Beifang von Roten Neon aus Kolumbien

Die Roten Neon lebten wieder in einem Gewässer, an dem die Palme Leopoldinia pulchra (siehe Teil 2 dieses Artikels) wuchs. Auch Axelrod wusste schon, dass diese Palme den Roten Neon anzeigt. Das Wasser des beschriebenen Biotopes war relativ tief (stellenweise 6 Meter bei einer Bachbreite von nur rund 3 Metern), kühl (23°C) und hatte einen pH von 6,4.


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Paracheirodon innesi
Paracheirodon simulans

Und noch mehr Neon…
Es gibt noch zwei weitere Neonfisch-Arten, den „gewöhnlichen“ Neon, Paracheirodon innesi, aus Peru und den Blauen Neon, Paracheirodon simulans, der in Brasilien und Kolumbien vorkommt. Die Biotope von P. innesi sind sehr unterschiedlich zu denen von P. axelrodi. Man kann die beiden darum nicht gut vergleichen; vielleicht beschreiben wir einmal in einem gesonderten Artikel ein Biotopaquarium für P. innesi. P. simulans hingegen kommt immer wieder als Beifang in Sendungen von P. axelrodi vor. Kolumbianische und brasilianische P. simulans unterscheiden sich äußerlich nicht. Man erkennt sie immer zweifelsfrei an der Längsbinde, die den gesamten Körper durchzieht. Der Bauch ist weniger rot als beim Roten Neon und P. simulans bleibt auch kleiner. Er ist mit maximal 2-3 cm Länge die kleinste aller Neofischarten. Lange Zeit konnte man sich nicht erklären, wie zwei so nahe verwandte Arten (Roter Neon und Blauer Neon) gemeinsam vorkommen können, ohne in Konkurrenz zueinander zu treten. Erst in allerjüngster Zeit konnten Marshall et al. zeigen, dass der Blaue Neon eine höhere Toleranz gegenüber hohen Wassertemperaturen zeigt und auch ganzjährig in den Palmsümpfen leben kann, während der Rote Neon wegen seiner geringeren Temperaturtoleranz stets zu Wanderungen gezwungen ist. Das Biotopaquarium mit Blauen Neon kann man also genau so einrichten, wie für den Roten Neon, auch die Beifische sind die gleichen, nur hat man mit dem Blauen Neon eine Art zur Verfügung, die sich auch noch gut für relativ kleine Aquarien eignet.


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Roter Phantomsalmler, Hyphessobrycon sweglesi, Beifang zu Roten Neon aus Kolumbien
Carnegiella schereri, Beifang zu Roten Neon aus Kolumbien
Copelle metae, Beifang zu Roten Neon aus Kolumbien
Copella compta, Beifang zu Roten Neon aus Kolumbien
Hemigrammus saizi, Beifang zu Roten Neon aus Kolumbien
Hemigrammus tropis, Beifang zu Roten Neon aus Kolumbien
Nannostomus digrammus, Beifang zu Roten Neon aus Kolumbien


Weiterführende Literaturtipps:
Arbeláez, F., Gálvis, G., Mojica, J. I., & Duque, S. (2004): Composition and richnes of the ichthyofauna in a terra firme forest stream of the Colombian Amazonia. Amazoniana, 18(1), 95-107.
Chao, N. L. (1992): Into the flooded forest. Tropical Fish Hobbyist, 41(2): 94-110. (#440, October, 1992)
Chao, N. L. (1992). Exploring the Rio Demini in the dry season. Tropical Fish hobbyist, 41(3):131-146. (#441, November, 1992)
Chao, N. L. (2001). The fishery, diversity, and conservation of ornamental fishes in the Rio Negro Basin, Brazil–a review of Project Piaba (1989–99).
In: Conservation and Management of Ornamental Fish Resources of the Rio Negro Basin, Amazonia, Brazil: Project Piaba. Ning L Chao, et al, eds. Pp. 161-204. Manaus, Amazonas: Editora Universidade do Amazonas
Da Silva, A. L., & Begossi, A. (2009): Biodiversity, food consumption and ecological niche dimension: a study case of the riverine populations from the Rio Negro, Amazonia, Brazil. Environment, Development and Sustainability, 11(3), 489-507.
Geisler, R., & Annibal, S. R. (1984): Ökologie des Cardinal-Tetra Paracheirodon axelrodi (Pisces, Characoidea) im Stromgebiet des Rio Negro/Brasilien, sowie zuchtrelevante Faktoren. Amazoniana, 9(1), 53-86.
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Biotopaquarium (Teil 5): Weitere Begleitfische des Roten Neon

Iguanodectes adujai, erkennbar an der langen Afterflosse
Iguanodectes geisleri

Iguanodectes adujai
Iguanodectes geisleri

Diese beiden langgestreckten Salmlerarten kommen oft in gemischten Schwärmen vor, was wieder einmal die Frage aufwirft: wie machen sie das, ohne sich gegenseitig Konkurrenz zu machen? Sie sind im Biotop des Roten Neon nur Durchzügler, Vagabunden, die nicht lange an einem Ort bleiben. Mit etwa 8 cm Länge sind sie recht groß, aber auch schlank und sehr friedlich. Iguanodectes brauchen Platz, um sich ausschwimmen zu können und gut zu wirken. Wer das Biotop-Aquarium „Roter Neon“ in der etwas größeren Variante betreibt, der sollte sich aber einen Trupp dieser schönen Fische gönnen, wenn sie – was leider nur selten der Fall ist – einmal angeboten werden. Abgesehen vom Platzbedarf ist die Pflege der Tiere nicht schwierig, sie fressen jedes übliche Fischfutter.

Der Schachbrett-Cichlide, Dicrossus filamentosus, ist der häufigste Zwergbuntbarsch im natürlichen Lebensraum des Roten Neon.

Dicrossus filamentosus
Der Schachbrettcichlide ist der typischste Zwergbuntbarsch im Lebensraum des Roten Neon. Die Männchen haben eine leierförmige Schwanzflosse und werden fast 8 cm lang, die Schwanzflosse der Weibchen ist abgerundet. Weibchen bleiben immer kleiner als die Männchen. In der Natur laichen sie wohl mit etwa 3 cm Länge erstmals ab. Weibchen des Schachbrettcichliden, die schon einmal abgelaicht haben, erkennt man an den blutroten Bauchflossen. Bei jungfräulichen Tieren sind die Bauchflossen farblos. Dieser Zwergcichlide lebt in Haremsverbänden, ein Männchen betreut mehrere Weibchen. Die Art ist ein Offenbrüter, laicht also an der Oberfläche fester Gegenstände, am liebsten an Pflanzenblättern ab. In der Ernährung ist Dicrossus filamentosus (früher als Crenicara filamentosa bezeichnet) unproblematisch, aber die Fortpflanzung gelingt nur in Wasser, das den natürlichen Verhältnissen sehr nahe kommt. Im Gesellschaftsbecken werden die Jungfische aber trotz der guten Brutpflege durch das Weibchen in der Regel von Neon und Co. gefressen.


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Apistogramma diplotaenia, Wildfangmännchen
Rote Morphe von Apistogramma gibbiceps

Apistogramma diplotaenia
Apistogramma gibbiceps

Die Apistogramma-Arten sind im Gegensatz zu Dicrossus Höhlenbrüter. Das Weibchen bewacht auch hier Laich und frisch geschlüpfte Jungtiere, aber das Männchen ist stärker an der Brutpflege beteiligt als bei den Schachbrettcichliden und hilft, den Schwarm größerer Jungtiere zu betreuen. Es sind vor allen die zwei genannten Arten, die im unmittelbaren Lebensraum von Roten Neon gefunden werden. Der seltene Apistogramma diplotaenia ist eine ganz ungewöhnliche Apistogramma-Art, deren Doppelstreifen sie absolut unverwechselbar macht. Da der Import nur selten möglich und die Art in der Nachzucht relativ wenig produktiv ist, muss man schon Glück haben, um sie im Zoofachhandel angeboten zu bekommen. Glücklicherweise ist aber die Nachfrage nach den Tieren in jüngerer Zeit gestiegen, so dass sich nun auch Berufszüchter ab und zu der Art widmen, wodurch sie häufiger angeboten werden kann.
Apistogramma gibbiceps ist dagegen eher ein Fisch für Kenner, denn seine Pastellfarben wirken zunächst nicht sehr auffällig. Das ist schade, denn eingewöhnte Tiere sind wirklich wunderschön. Leider steht die Unscheinbarkeit der jugendlichen Exemplare einer weiten Verbreitung im Wege. Trotzdem: wenn man die Gelegenheit bekommt, diesen Fisch zu kaufen, sollte man sie wahrnehmen; man wird es sicher nicht bereuen!

Biotoceus opercularis, Wildfang-Männchen

Biotoecus opercularis
Dieser zarte, pastellfarbene Sand-Zwergcichlide gehört ebenfalls zu den Höhlenbrütern, hat jedoch eine ganz spezielle Brutpflege-Strategie entwickelt: den Sandhügelbau! Haben die Fische eine ihrer Meinung nach geeignete Ablaichhöhle gefunden (im Aquarium haben sich etwa 10 cm lange PVC-Röhren von etwa 2 cm Durchmesser bewährt, auch wenn sie nicht schön aussehen; das ästhetische Empfinden von Mensch und Tier ist halt ein unterschiedliches), so schaufelt zunächst das Männchen, später auch das Weibchen, Sand auf und zwar in der Art und Weise, dass die Röhre mit einem Neigungswinkel von etwa 30° im Sand vollständig verschwindet und nur der Höhleneingang sichtbar bleibt. Dabei kann es zu ordentlichen Sandhaufen kommen! Die unmittelbare Brutpflege übernimmt auch hier wieder das Weibchen, das Männchen sichert das Revier. Allerdings kann das Weibchen ziemlich garstig werden, wenn das Männchen der Bruthöhle zu nahe kommt, manchmal ist es sogar nötig, das Männchen vorübergehend aus dem Aquarium zu entfernen, um Verletzungen durch das Weibchen vorzubeugen. Darum sollte – obwohl Biotoecus opercularis nur etwa 5-6 cm lang wird – das Aquarium lieber etwas größer als zu klein sein. Bezüglich der Ernährung sind die Fische nicht schwierig, aber das Futter sollte nicht zu grob sein. Die bewährten Artemia-Nauplien stellen auch hier ein ideales Futter dar.

Aspidoras pauciradiatus
Corydoras adolfoi – hier ein Wildfang – war früher der häufigste Nackenfleck-Panzerwels im Angebot des Zoofachhandels. Heutzutage findet man dort eher C. dupliareus.

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Aspidoras pauciradiatus
Corydoras adolfoi

Panzerwelse sind als Bodenfische sehr beliebt, da ihr unaufhörliches Mümmeln im Sand dafür sorgt, dass es keine gammelnden Futterreste gibt. Trotzdem muss man sie natürlich auch gezielt füttern; Wurmfutter ist besonders beliebt, aber Futtertabletten aus Trockenfutter können ebenfalls die Nahrungsgrundversorgung sicherstellen. Die Nackenfleck-Panzerwelse (Corydoras adolfoi und ähnliche Arten) kommen allesamt aus dem Rio-Negro-Gebiet, statt C. adolfoi kann man auch C. duplicareus, C. nijsseni, C. burgessi oder – in größeren Aquarien – C. imitator, C. sp. „C39“ oder C. serratus wählen. Schöner als ein Sammelsurium wirken immer Aquarien, in denen nur eine der genannten Arten schwimmt, zumal sich die Fische im Aquarium auch kreuzen können, was zu unerwünschten Hybriden führt.
In kleinen Aquarien bietet sich der Schmerlenpanzerwels (Aspidoras pauciradiatus) an, der nur 2-3 cm lang wird und alle guten Eigenschaften hat, die der Aquarianer an Panzerwelsen so schätzt.

Ancistus dolichopterus, Jungtier, Wildfang. Dieser Antennenwels ist im Hobby auch als “weißsaum-Ancistrus” oder L183 bekannt.
Dekeyseria scaphirhynchus
Es gibt zahlreiche Farlowella-Arten, die sich allerdings nur von Spezialisten unterscheiden lassen. Farlowella amazonica gehört zu den besonders “langnasigen” Arten, so wie diese F. oxyrrhyncha aus Peru.

Ancistrus dolichopterus
Dekeyseria scaphirhynchus
Farlowella amazonica

Es gibt im Lebensraum des Roten Neon auch Saugwelse. Früher bezeichnete man die Weißsaum-Antennenwelse (Ancistrus dolichopterus, L183) als A. hoplogenys und den „Aquarien-Ancistrus“ als A. dolichopterus; der „Aquarien-Ancistrus“ ist ein Fisch, dessen Herkunft und Artzugehörigkeit sich wohl nicht mehr klären lässt, da vermutlich verschiedene, ähnliche Arten seit den 1950er Jahren versehentlich miteinander gekreuzt wurden. Während Weißsaum-Ancistrus oder L183 aus dem Einzug des unteren Rio Negro stammt und auf jeden Fall die Verhältnisse in den beschriebenen Biotop-Aquarium als ideal empfindet, sollte der „Aquarien-Ancistrus“ lieber nicht in sehr weichem, sauren Wasser gepflegt werden. Ansonsten unterscheiden sich beide Arten im Verhalten aber nicht, es sind typische Aufwuchsfresser und Höhlenbrüter, die auch gut die Scheiben von feinen Algenbelägen reinigen.
Ganz ähnlich lebt Dekeyseria scaphirhynchus, ist allerdings etwas versteckliebender und ist stärker auf Totholz als primären Lebensraum angewiesen. Ganz anders lebt hingegen Farlowella amazonica. Dieser Saugwels imitiert perfekt einen Pflanzenstängel und hängt sich gerne senkrecht an Gräser, grasartige Unterwasserpflanzen oder vom Land aus ins Wasser hängende Palmenwedel. Wenn man Farlowella im Biotopaquarium mitpflegen möchte, sollte man als Dekoration einige trockene Bambus- oder Schilf­stängel einbringen; dort halten sich die Schnabelwelse – so der deutsche Name für Farlowella – besonders gerne auf. Die Eier werden bei Farlowella nicht in Höhlen, sondern offen abgelegt, das Männchen bewacht den Laich bis zum Schlupf der Jungtiere.

Frank Schäfer

Thamnophis sirtalis tetrataenia – Die Königin der Strumpfbandnattern

Die San Francisco Strumpfbandnatter, Thamnophis sirtalis tetrataenia, gehört zu den schönsten Schlangen der Welt, leider aber auch zu den am stärksten gefährdeten.

Das Verbreitungsgebiet dieses Juwels unter den Terrarientieren umfasst nur einen sehr kleinen Teil der USA. Sie kommt ausschließlich auf der San Mateo Halbinsel von San Francisco vor. In erster Linie leider auf dem Gelände des dortigen inter­natio­nalen Flughafens. Allein diese Tatsache macht deutlich, wie schlecht es um die Erhal­tung dieser Unterart der gewöhnlichen Strumpf­bandnatter bestellt ist. Charakteris­tisches Merkmal aller drei in Kalifornien vor­kommenden Unterarten (Thamnophis sirta­lis concinnus, T. s. infernalis und T. s. tetra­taenia) ist der leuchtend rote Kopf. Von der dunklen Grundfärbung des Dorsums hebt sich bei der San Francisco Strumpfband­natter vom Kopf bis zum Schwanz ein deutlicher grün­licher manchmal auch hellblauer Dorsal­streifen ab. Einen starken Kontrast bilden ebenfalls die zu beiden Seiten angeordneten meist knallroten Lateralstreifen. Die Ventral­seite ist wiederum meist grün oder hellblau. Bei ausge­wachsenen Tieren sind die Weib­chen stets größer (bis. ca. 110 cm) und massiger als die Männchen (bis ca. 70 cm). Die männlichen Schlangen haben einen längeren und sich nur allmählich verjüngen­den Schwanz. Bei Thamnophis sirtalis tetrataenia tritt dieses Unterscheidungs­merkmal jedoch erst relativ spät im Wachstum auf, so dass nur die Sondierung bleibt, um das Geschlecht bereits bei Jung­tieren sicher feststellen zu können.


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Entschei­dend bei der Haltung von Strumpfband­nattern ist die gute Belüftung des Terrariums. Probleme traten früher häufig auf, da die Tiere zu feucht und stickig gehalten würden. Thamnophen sind zwar hervorragende Schwimmer, jedoch mögen sie Staunässe überhaupt nicht. Die Tempe­raturen sollten nicht zu hoch gewählt werden. 24 – 28 °C im Sommer bei einer Nacht­ab­senkung von 4 °C sind ausreichend. Die Tiere sollten ca. 2 bis 3 Monate bei 10 – 15°C überwintert werden. Teilweise wird auch eine echte Überwinte­rung im Kühl­schrank bei 8 – 10 °C empfohlen. Für die Haltung eignen sich Behältergrößen ab 80x40x30 cm. Größere Behälter sind jedoch vorzuziehen.

Die Ernährung der Tiere ist nicht schwierig. In erster Linie können Strumpfbandnattern mit Fisch oder Regen­würmern ernährt werden. Bei Verfüttern von Karpfenfischen (wie z.B. Goldfischen) ist diesen ausreichend Vitamin B zuzu­setzen, um eine Unterversorgung (Thiaminhypo­vitaminose) zu vermeiden. Wie alle Strumpf­bandnattern ist auch die San Francisco Strumpfbandnatter eine etwas unruhige Schlange, die sich nicht gerne aus dem Terrarium nehmen lässt. Fühlt sie sich stark gestört, sondert sie ein stinkendes Sekret aus der Kloake ab. Ansonsten handelt es sich um harmlose Tiere, die schon wegen der relativ geringen Größe keinen ernst­haften Schaden anrichten können.


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Die Dramatik um diese Unterart wird leider dadurch verstärkt, dass die zuständigen Behörden einerseits wirtschaftlichen Inter­essen den Vorrang vor außerökonomischen Zielen geben, auf der anderen Seite aber so starke Schutzgesetzte er­lassen haben, dass ein legaler Export von Wild­tieren unmöglich ist. Nur so wäre es jedoch mög­lich, außerhalb der USA genü­gend blutsfremde Tiere zu versammeln, dass ein gesunder Genpool ent­ste­hen könnte und so eine Erhal­tungszucht rea­listisch wäre. In Anbe­tracht der Gefahr, eines ihrer Wahrzeichen für immer zu verlieren, ent­schloss sich der Staat Kalifornien im Jahr 1986 dazu, 3 Tiere an den Zoo von Jersey (Jersey-Linie) zu vergeben. 1988 wurden von dort einige Jungtiere an den Zoo von Lodz weitergegeben. Auf demselben Weg er­reichen am 23. Juni 1986 fünf adulte Tiere (2.3) den Zoo von Rotterdam. Daraus resul­tierende Jungtiere wurden an sechs Züchter in ganz Europa aufgeteilt. Leider war es nicht möglich, daraus dauerhaft gesunde Nach­kommen zu erhalten. Inzuchteffekte verhin­derten den Erfolg des Programms. 1998 tauchten auf einer niederländischen Börse fünf Wildfang­nachzuchten aus den USA auf, so dass – zwar auf vermutlich nicht ganz lega­lem Wege – eine zweite Blutlinie in Europa etabliert werden konnte (Öster­reichische Linie).

Hoffnung macht die Nachricht, dass eine dritte Blutlinie in Deutschland aufgetaucht sein könnte.

Tim Tomaszewski

Biotopaquarium (Teil 4): Begleitfische des Roten Neon

In den ersten Teilen dieser Serie erörterten wir Grundsätzliches zum Thema Biotopaquarium und beschrieben natürliche Lebensräume des Roten Neon (Paracheirodon axelrodi), ­die Wasserzusammensetzung, die dort vorherrscht, welche Pflanzen dort wachsen und wie man das Biotopaquarium für Rote Neons einrichtet. Nun stellen wir Ihnen
typische Begleitfische des Roten Neon vor, die sich ideal für ein Biotop-Gesellschaftsaquarium mit Roten Neon eignen.

Nicht jeder Fisch, der in der Natur gemeinsam mit dem Roten Neon vorkommt, eignet sich für ein Gesellschaftsaquarium. Dies ist ein Trahira (Hoplias malabaricus) aus dem Rio Negro.

Rote Neon – und was noch?
Man kann selbstverständlich ein Biotopaquarium als Artenaquarium betreiben, also nur eine Fischart pro Behälter pflegen. Aber viel interessanter ist ein Gemeinschaftsaquarium biologisch und – im Falle des Biotopaquariums – auch geografisch zueinander passender Fische. Im folgenden werden ein paar Arten, die mit etwas Glück im Zoofachhandel zu bekommen sind, vorgestellt. Alle werden zumindest ab und zu importiert, allerdings, darüber muss man sich im klaren sein, an jeder Ecke und jederzeit sind die meisten nicht zu haben. Es werden zudem nur solche Arten besprochen, die sich auch wirklich für eine Vergesellschaftung mit Roten Neon eignen. Im natürlichen Lebensraum gibt es nämlich – abgesehen von echten Raubfischen, die in einem Gesellschaftsaquarium grundsätzlich nichts verloren haben – auch Arten, die man besser in Artenaquarien oder in Becken mit sehr robusten Mitbewohnern pflegt, wie etwa der Kopfsteher, Chilodus punctatus. Der frisst Pflan­zen, wird recht groß (ca. 8 cm) und ist oft ein notorischer Flossenbeißer. Auch Skalare (Pteropyllum) – es gibt zwei Arten dieser prachtvollen Buntbarsche im Lebensraum des Roten Neon – gehören nicht in dieses Gesellschaftsbecken. Erstens sind nämlich Rote Neon die Leibspeise der Segelflosser (jedenfalls wenn große Segelflosser auf kleine Rote Neon treffen) und zweitens leben die Segelflosser zwar im gleichen Bach, aber in einem ganz anderen Kleinlebensraum. Skalare stehen in der Strömung im tieferen Wasser, Neon sind – wie in Teil 1 ausgeführt – Flach- und Stillwasserbewohner.

Der Hauptcharakter unseres Rote-Neon-Biotopaquariums wird ein Salmler-Gesellschaftsbecken sein, in dem man noch ein paar passende Vertreter weiterer Fischgruppen integriert, nämlich der Buntbarsche und der Welse. Dabei erhebt die Listung keinen Anspruch auf Vollständigkeit; es sind hauptsächlich die Arten, die nicht nur immer wieder einmal als „Beifang“ in den Importsendungen der Roten Neon auftauchen, sondern auch sortiert geschickt werden.

Copella meinkeni, Population aus dem Rio Negro-Einzug, Brasilien. Vorne Weibchen, hinten Männchen.

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Copella meinkeni
Diese Copella-Art ist ein enger Verwandter des berühmten Spritzsalmlers, Copella arnoldi. Letzerer bewohnt aber Savannencreeks im Einzug des Rio Xingu, passt also nicht in unser Biotop. Copella meinkeni ist in älteren Aquarienbüchern noch unter dem Namen Copella nattereri zu finden. Der Meinung von Marinho & Menezes, 2017, dass C. meinkeni ein Synonym zu C. nattereri sei, folge ich nicht. Den „echten“ C. meinkeni, einen typischen Begleitfisch des Roten Neon in der Natur, erkennt man an fünf bis sechs braunroten Punktreihen längs des Körpers.

Die wissenschaftlich noch unbeschriebene Art Copella sp. aff. meinkeni erkennt man an dem dunklen Fleck an dem unteren Ansatz der Schwanzflosse (Pfeil).

Es gibt eine weitere, sehr ähnliche, ab und zu importierte Art, die wissenschaftlich noch nicht beschrieben ist. Sie unterscheidet sich durch eher braune Punkte (eher rot bei C. meinkeni), eine etwas geringere Körpergröße (42 mm Standardlänge, also ohne Schwanzflosse, während C. meinkeni etwa 45 mm lang wird) und ein kleines, dunkles Dreieck an der Basis der Schwanzflosse (fehlt bei C. meinkeni). Die Männchen von Copella meinkeni besetzen zur Laichzeit ein kleines Brutrevier. Diese Art laicht auf Blättern von Wasserpflanzen, also unter Wasser, das Männchen bewacht den Laich. Das ist sehr spannend zu beobachten. Da die Männchen in dieser Zeit aber etwas ruppig sind, sollte ein Aquarium, in dem Copella mitgepflegt werden, nicht kleiner als 60 cm sein, sonst könnten die Mitbewohner durch das aggressive Copella-Männchen zuviel Zunder bekommen ohne ausweichen zu können.
Copella meinkeni besiedelt das oberste Beckendrittel, der Rote Neon das mittlere bis untere. Daher ist C. meinkeni ein idealer Beifisch zum Roten Neon.

Dieses Männchen von Poecilocharax weitzmani stammt aus Kolumbien.

Poecilocharax weitzmani
Dieser geradezu atemberaubende Salmler ist ein absoluter Blickfang im Biotopaquarium für Rote Neon. Er hat eine für Salmler sehr ungewöhnliche Lebensweise in Bodennähe und ist ausgesprochen verstecksüchtig.
P. weitzmani liebt Höhlen und Spalten aller Art. Entsprechend sollte das Aquarium nur schwach beleuchtet sein, dann färbt der Fisch sich am schönsten aus. Die Weibchen erkennt man an der erheblich schwächer ausgeprägten Flossen. Wenn die Männchen miteinander imponieren, ist das einer der schönsten Anblicke, die man im Aquarium haben kann. Dieser etwa 5 cm lang werdende Fisch hat den völlig unpassenden deutschen Namen Weitzmans Raubsalmler erhalten. Dabei ist er nicht räuberischer als der Rote Neon.
P. weitzmani ist ein Höhlenlaicher und betreibt Brutpflege. Das Männchen bewacht den an die Höhlendecke gehefteten Laich bis zum Schlupf der Jungen.
Die Pflege von P. weitzmani ist erfahrenen Aquarianern vorbehalten, da die Fische besondere Aufmerksamkeit bei der Fütterung brauchen. Die Art ist nicht sonderlich konkurrenzfähig und kommen beim Fressen oft zu kurz. Obwohl P. weitzmani keineswegs wählerisch bei der Futterannahme ist, sollte darum Lebendfutter der Vorzug gegeben werden.

Es gibt zwei Farbformen des Marmorbeilbauches im Rio Negro, hier Carnegiella strigata, Form “vesca”
Diese Farbform von Carnegiella strigata, ebenfalls aus dem Rio Negro-Einzug, ist die typische Variante
Der Schwarzschwingenbeilbauch, Carnegiella marthae, Exemplar aus dem Rio Negro-Einzug

Carnegiella strigata
Carnegiella marthae

Diese beiden Arten der Beilbauchsalmler kommen oft im Biotop des Roten Neon vor und leben auch oft in gemischten Schwärmen. Das ist insofern bemerkenswert, als dass die beiden Beilbäuche eine – soweit bekannt – identische Lebensweise haben. Wie sie gemeinsam leben können, ohne sich Konkurrenz zu machen, ist völlig ungeklärt.
Beilbauchfische sind strikte Oberflächenbewohner und können aktiv fliegen. Sie schwirren dabei mit ihren großen Brustflossen. Ihr Aquarium muss darum absolut dicht abgedeckt sein, sonst findet man sie früher oder später vertrocknet auf dem Fußboden. Bei der Fütterung muss man beachten, dass nur solches Futter angenommen wird, das auf der Wasserober­- fläche schwimmt. Das darf durchaus Flockenfutter sein, allein damit setzen die Tiere aber keinen Speck an. Kleine Fruchtfliegen (Drosophila) und Spingschwänze – beide Futtersorten muss man selbst züchten – sind auf die Dauer unabdingbar. Das Verfüttern von Fruchtfliegen kann unter Umständen nervig sein, da immer wieder Exemplare entwischen und man sie dann in den eigenen Getränken wiederfindet. Es hat sich darum bewährt, Drosophila einzufrieren und gefrostet zu verfüttern. Sie verlieren dabei kaum Nährstoffe. Das Einfrieren ist auch insofern ganz praktisch, als dass eine Fruchtfliegenzucht nicht kontinuierlich Futter liefert, sondern sich die Fliegen generationsweise in großer Menge entwickeln und es dann wieder 14 Tage bis zur nächsten Generation dauert. Frostfutter hat man hingegen immer und kontinuierlich zur Verfügung.
Nicht nur Beilbauchsalmler lieben Dro­so­phila, diese Fliegen sind für einen ganz großen Teil unserer Aquarienfische (außer für Aufwuchsfresser) das ideale und naturnächste Futter.

Nannostomus marilynae, Population aus dem Orinoko-Einzug.
Nannostomus unifasciatus, Population aus dem Rio Negro-Einzug.
Männchen der Rio Negro-Population von Nannostomus trifasciatus.
Pärchen der Rio Negro-Population von Nannostomus eques, oben das Männchen.
Diese eher rotbraune Variante von Nannostomus eques wurde bei Manaus gefangen.

Nannostomus eques
Nannostomus unifasciatus
Nannostomus trifasciatus
Nannostomus marilynae

Die Ziersalmler sind eine ideale Gesellschaft für Rote Neon, es sind friedliche Wesen, die mit ihrer ruhigen, zeppelin-artigen Schwimmweise einen wunderbaren Kontrast zu den anderen Salmlern darstellen. Die schräge Schwimmweise von N. eques und N. unifasciatus machen sie zusätzlich bemerkenswert. Alle vier Arten kommen nicht nur im Rio Negro-Einzug vor. Es gibt darum zahlreichen Farbvarianten. Für den ernsthaften Biotopaquarium-Fan ist es ein besonderer Ansporn, die exakt richtigen Varianten zu bekommen. Der N. eques aus den Lebensräumen des Roten Neon ist eine besonders dunkelbraune Form, der N. unifasciatus – beide Schrägsteher kommen übrigens gerne in gemischten Schwärmen vor – hat deutlich rosa-orangefarbene Töne. Der N. trifasciatus dieses Gebietes ist besonders hübsch und hat – zumindest im männlichen Geschlecht – fast immer einen roten Schulterfleck. Nur von N. marilynae sind bislang keine farblichen Unterschiede zwischen der Orinioko- und der Rio-Negro-Population beschrieben. Die Männchen aller Nannostomus-Arten erkennt man am besten an der Afterflosse, die stets anders geformt und meist auch anders gefärbt ist als die des Weibchens. Bei den Nannostomus-Arten muss man beachten, dass sie nur ein sehr kleines Mäulchen besitzen und bei der Fütterung dadurch leicht zu kurz kommen. Man sollte, wenn sich Nannostomus im Aquarium befinden, zwei- bis dreimal wöchentlich Artemia-Nauplien (frisch geschlüpft!) verfüttern.

Hemigrammus bleheri, der Rotkopfsalmler, der in der Natur im Biotop des Roten Neon vorkommt.
Petitella georgiae kommt aus Peru und ist so gut wie nie im Handel
Hemigrammus bellottii, Population aus dem Rio Negro-Einzug.

Hemigrammus bellottii
Hemigrammus bleheri

Diese beiden Schwarmfische leben nicht konstant im Biotop der Roten Neon, sondern ziehen hier nur durch. Es sind Vagabunden. Das macht sie besonders in größeren Aquarien sehr attraktiv, denn während die meisten Salmler nach der Eingewöhnung nur noch ausnahmsweise zur Schwarmbildung neigen und gewöhnlich eher jeder für sich stehen, schließen sich die beiden Hemigrammus immer wieder gern zu richtigen Verbänden zusammen. Dazu müssen sie natürlich auch in ausreichender Stückzahl gepflegt werden, etwa 20 Exemplare sollten es schon sein. Hemigrammus bellottii ist einer der häufigsten Salmler in Amazonien, aber leider nur sehr selten im Handel. Dafür wird aber der Rotkopfsalmler, H. bleheri, fast immer angeboten, wenn auch oft unter dem falschen Namen Petitella georgiae.

Hemigrammus stictus

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Hemigrammus stictus
Auch dieser bildschöne Fisch kommt regelmäßig gemeinsam mit Roten Neon vor. Leider ist er „Verkaufsgift“, denn wenn der pH zu hoch ist (ab pH 5 muss man mit dem Phänomen rechnen) verblasst die wunderschöne blutrote Schwanzwurzel und der Fisch ist – abgesehen vom schwarzen Schulterfleck – völlig farblos. In unserem Biotopaquarium kommt aber die ganze Schönheit des Tieres zur Geltung. Diese Art ist nicht so sehr Schwarmfisch, man kann sie gut in kleinen Trupps von 5-10 Exemplaren pflegen.

Hyphessobrycon copelandi

Hyphessobrycon copelandi
Die Sichelsalmler gehören zu den attraktivsten Vertretern seiner Gattung. Zusammen mit den Phantom-, Blut-, Schmuck- und Kirschflecksalmlern und weiteren bilden sie die „Rosy Tetras“, eine arten- und formenreiche Gruppe. Von all diesen kommt aber nur H. copelandi im Rio Negro-Gebiet gemeinsam mit Roten Neon vor. Es ist noch nicht geklärt, ob der Sichelsalmler tatsächlich zur Spezies H. copelandi gehört, denn die der Erstbeschreibung zugrunde liegenden Exemplare haben nicht die sichelförmig ausgezogene Rückenflosse. Allerdings deuten manche Aquarienbeobachtungen darauf hin, dass dieses Merkmal individuell unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Hyhessobrycon copelandi sind keine Schwarm­fische im eigentlichen Sinne, sondern bilden eher Mini-Reviere. Man sollte dennoch immer ca. 10 Exemplare pflegen, sonst können sie ihr interessantes Sozialverhalten nicht zeigen und man hat deutlich weniger Freude an den Tieren.

Diese hübschen roten Odontocharacidium aphanes stammen aus Peru.

Odontocharacidium aphanes
Der „Zornige Zwergpfeilsalmler“ ist ein drolliger und sehr interessanter Fisch. Es gibt nur eine wissenschaftlich beschriebene Art, nämlich O. aphanes, doch unterscheiden sich Tiere unterschiedlicher Herkunft farblich recht deutlich voneinander. Die „richtigen“ aus dem Biotop des Roten Neon sind ausgerechnet nicht die farblich buntesten, aber man muss auf der anderen Seite ohnehin froh sein, wenn man welche im Zoofachhandel ergattert; dann sollte man fünfe mal grade sein lassen und zuschlagen. Der niedliche Zwerg wird nur knapp 2 cm lang, ist dabei aber sehr zänkisch gegen Artgenossen. Aber bei der geringen Größe des Tierchens macht das schon in einem 60er Becken nichts mehr aus, sondern bietet zahlreiche, spannende Beobachtungsmöglichkeiten.
Odontocharacidium sind reine Bodenfische, die nur ausnahmsweise in freiem Wasser schwimmen. Sie fressen jedes übliche Fischfutter, picken es aber vom Boden auf. Darum muss man bei der Fütterung darauf achten, dass die Fischchen auch zu ihrem Anteil kommen. Artemia-Nauplien und feines Frostfutter (Cyclops etc.) stellen die besten Futtermittel für diese Tierchen dar.

Gelbe Variante von Axelrodia stigmatias aus Kolumbien

Axelrodia stigmatias
Ein weiterer Zwergfisch ist dieser Salmler, der nur rund 2 cm lang wird. Meist erfolgen Importe aus Kolumbien, meist werden die Tiere im Handel als A. riesei bezeichnet. Die Dinge sind aus wissenschaftlicher Sicht ziemlich kompliziert, zwischen A. stigmatias und A. riesei gibt es Zwischenformen und es wurde bereits in der Erstbeschreibung von A. riesei erwähnt, dass es darüber hinaus eine unbeschriebene Hyphessobrycon-Art gibt, die Axelrodia imitiert.
Von A. stigmatias gibt es eher gelbe und eher rote Farbformen, beide leben zusammen mit Roten Neon im Biotop. Es wird aber nur selten möglich sein, brasilianische Exemplare zu erwerben, da ihr Export lange Zeit nicht erlaubt war (Brasilien hatte eine Positivliste, es durften bis April 2020 nur Arten exportiert werden, die darauf standen, und A. stigmatias gehörte nicht dazu). Daher gelangten nur vereinzelte Tiere als unabsichtlicher Beifang mit Roten Neon zu uns. Aus pragmatischen Grün­­den sollte man es darum bei Axelrodia nicht zu eng sehen mit dem Biotop-Aquarium-Anspruch und auf kolum­bianische Exemplare zurückgreifen, denn sie sind einfach zu und zu niedlich…

Brittanichthys axelrodi, Männchen

Brittanichthys axelrodi
In den Augen aquaristischer Laien ist dieser ungewöhnliche Salmler vielleicht eher interessant als schön, wenn­gleich auch eine gewisse optische Faszination von dem eleganten Tier mit dem roten Schwanzstiel ausgeht. Der bekannte Südamerika-Forscher Rolf Geisler nannte das Tier einmal „der Fisch, der mich verrückt macht“, denn unglückliche Umstände verhinderten über Jahre hinweg, dass es ihm gelang, einmal einige der Fische lebend nach Europa zu bringen, um ihr Verhalten zu studieren. Die Männchen von B. axelrodi haben einen seltsamen Haken in der Schwanzflosse, dessen Funktion unbekannt ist. Es kann als nachgewiesen gelten, dass diese Salmler eine innere Besamung praktizieren. Die Weibchen heften ihre Eier in Reihen an feste Gegenstände an, aber bislang ist eine vollständige Zucht nur sehr selten geglückt, da sich die Jungfische – ebenso wie die erwachsenen Tiere – als äußerst empfindlich gegen auch nur geringfügige Veränderungen in der Wasserzusammensetzung erwiesen. Brittanichthys axelrodi kann man darum zu Recht als „Juwelensalmler“ bezeichnen. Früher war er äußerst rar, galt als kniffelig in der Pflege, die Tiere nahmen fast nur Lebendfutter an und waren sehr stressanfällig, was besonders den Transport und das Umsetzen zu einer riskanten Angelegenheit machte. Für die aktuellen Importe gilt das nicht mehr, man kann heutzutage sagen, dass die Pflege von Brittanichthys ähnlich einfach ist wie die des Roten Neon.

Mehr Begleitfische des Roten Neon gibt es nächste Woche im Franky Friday.

Frank Schäfer