Flittersalmler – Tyttocharax: Zwergfische für das Aquarium

1949 stellte W. Ladiges in der Fachzeitschrift “Wochenschrift für Aquarien- und Terrarienkunde” in dem Aufsatz “Drei unbestimmte Neuheiten” einen neuen Zwergsalmler vor, den er ein Jahr später formell als Microbrycon cochui wissenschaftlich beschrieb.

Adultes (= voll erwachsenes) Männchen von Tyttocharax cochui.

Verschiedene Aspekte von Tyttocharax cochui.

Ungewöhnliche Entdeckung

Die der Beschreibung zugrunde lie­genden Exemplare waren mit einem Zier­fisch­­transport bei dem damals weltbe­rühmten Import-Unternehmen “Aquarium Hamburg” eingetroffen, bei dem Ladiges, der später als Ichthyologe am Hamburger Zoo­logischen Museum tätig war, zu dieser Zeit arbeitete. Das ist an sich noch nichts unge­wöhnliches. Sehr viele Kleinfische der Tropen verdanken ihre Entdeckung dem Zier­­fisch­handel. Doch in diesem Fall liegen die Dinge etwas anders. Denn Aquarium Hamburg importierte eigentlich Blattfische (Mono­cirrhus polyacanthus) aus Peru. Da da­mals Zier­fische noch per Überseedampfer im­­por­tiert wurden, waren sie einige Wochen unterwegs. Damit die empfindlichen Raub­fische während des Transportes keinen Scha­den nahmen, packte der Exporteur kleine Futter­­fische mit in die Kanne. Das waren die neuen Zwergsalmler! Offenbar waren die Blatt­­fische leicht seekrank und hatten keinen großen Appetit entwickelt; wer weiß, wann der Flittersalmler sonst entdeckt worden wäre!

Die ersten Tyttocharax cochui erreichten uns als Futterfische für Blattfische im Jahr 1949.

Die wenigen Importfische stammten, wie sich recherchieren ließ, aus der Umgebung von Ramon Castilla (Provinz Loreto, 4°14’S, 69° 58’ W). Ladiges überließ sie zunächst dem bekannten Fachmann E. Roloff für Zuchtversuche, dem auch prompt die Vermehrung gelang, worüber er noch im Dezember 1949 in der gleichen Fachzeit­schrift, in der der Import vermeldet wurde, berichtete.

Schwanzdrüsensalmler

Man unterschätzt heute leicht, wieviele Fisch­arten vor dem zweiten Weltkrieg in Euro­pa bereits in den Aquarien gepflegt und gezüchtet wurden. Schon damals galt wie heute noch: nahezu alles, was die Mensch­heit über die Biologie von Klein­fischen weiß, verdankt sie beobachtenden Aquarianern. Zwar schränkte der ent­setzliche Krieg die Aquaristik ebenso wie alle anderen kultur­ellen Aktivitäten des Menschen massiv ein, man behalf sich aber, so gut man konnte. Man kannte einige Arten von Salmlern aus dem Süden Südamerikas, die eine ganz untypische, abweichende Fortpflanzungs­biologie im Aquarium zeigten: die Schwanz­drüsensalmler. Diese Fische haben ihren ei­gen­tümlichen Namen davon bekommen, dass sie an der Basis der Schwanzflosse umgebildete Schuppen haben, die eine Drüsenfunktion aufweisen, also in der Lage sind, Stoffe abzusondern.

Der große Drachenflosser, Pseudocorynopoma doriae, war vor dem 2. Weltkrieg ein beliebter Pflegling. Er gehört zu den Schwanzdrüsensalmlern. Heutzutage findet man ihn praktisch nicht mehr im Aquarium.

Die exakte biolo­gische Bedeutung ist bis heute unbe­kannt, doch man weiß, dass die abgesonderten Stoffe in irgendeiner Weise im Dienst der Fort­pflanzung stehen, denn nur die Männ­chen besitzen diese Schwanzdrüsen. Noch etwas weiß man: Schwanzdrüsen­salmler praktizieren eine innere Befruchtung. Die Weibchen sind jedenfalls in der Lage, auch bei Abwesenheit von Männchen be­fruchtete Eier zu legen. Und genau das beo­bachtete Roloff: die Weibchen des da­mals noch namenlosen Zwergsalmlers, der nur etwa 2 cm groß wird, legten an der Unter­seite von Blättern ihre Eier ab, genau wie er das von Schwanzdrüsensalmlern her kannte.

Zu Roloffs und Ladiges’ Zeiten fasste man noch alle Schwanzdrüsensalmler in der Unterfamilie Glandulocaudinae zusammen; heutzutage unterscheidet man zwei Unter­familien, die Glandulocaudinae und die Stevardiinae. Beide gehören zur Familie der Salmler, Characidae. Tyttocharax gehört zu den Stevardiinae.

Tyttocharax

Zwei rivalisierende Männchen von Tyttocharax tambopatensis, dem Hochrückigen Flittersalmler; alle hier genannten Populärnamen sind nur unverbindliche Vorschläge.
Tyttocharax tambopatensis, Weibchen

Die Gattung Microbrycon, in die Ladiges den neuen Zwergsalmler ursprünglich stellte, gilt heute als Synonym zu Pterobrycon, einem anderen Schwanzdrüsensalmler, bei dem die Männchen zwei vergrößerte, löffelartige Kör­per­­schuppen haben, mit denen sie auf akro­batische Art und Weise das Sperma in das Weibchen manövrieren. Die Gattung Tyttocharax wurde 1913 von Fowler für seine neue Art T. madeirae auf­gestellt. 1958 beschrieb Boehlke zwei weitere Arten in der Gattung, T. atopodus und T. rhinodus, beide aus Peru, die heute jedoch in die Gattung Scopaeocharax gestellt sind.

1995 beschrieben Weitzman & Ortega Tyttocharax tambopatensis, 2013 als vorerst letzte formell beschriebene Art Román-Valencia et al. Tyttocharax metae. Die gültig in Tyttocharax verbliebenen Arten kann man formell anhand des folgenden Schlüssels unter­scheiden:

1a. Fettflosse vorhanden … 3

1b. Fettflosse fehlt … 2

2a. Mt kleinen Knochenhäkchen an den Strahlen von Brustflossen und Schwanzflosse … T. metae

2b. Ohne solche Knochenhäkchen an den Strahlen von Brustflossen und Schwanzflosse … T. tambopatensis

3a. Schwanzwurzelfleck fehlt … T. cochui

3b. Schwanzwurzelfleck vorhanden … T. madeirae

Ganz so einfach ist die Sache aber wohl nicht, denn aus Peru kommt noch mindestens eine weitere Art vor, die keine Fettflosse besitzt. Sie unterscheidet sich von allen anderen Flittersalmlern durch dunkle Flossensäume der Schwanz-, Rücken und Afterflosse. Sie wurde von Aquarium Glaser mehrmals als Beifang zu dem Kolibrisalmler (Trochilocharax ornatus) importiert. Und im Netz finden sich Bilder einer weiteren Tyttocharax-Art aus dem Rio Vaupes, die einen längsovalen Ocellus (Augenfleck) in der Mitte des Schwanzstiels aufweist. Interessant finde ich auch, dass Román-Valencia et al. schreiben, T. tambopatensis-Männchen hätten im Leben einen orangefarbenen Bauch. So etwas habe ich bei den Import-Fischen noch nie beobachtet, weshalb sich die Frage stellt: gibt es da eventuell auch zwei Arten und wenn ja, welcher ist von beiden ist der „echte“ T. tambopatensis? Es gibt also aquaristisch noch reichlich zu erforschen an diesen winzigen Geschöpfen!

Zeichnung des Holotypen von Tyttocharax madeirae aus Fowler, 1913

Drei Arten werden gelegentlich impor­tiert, die hier im Bild vorgestellten Tiere hat allesamt Aquarium Glaser nach Deutsch­land eingeführt. Da sie sich ziemlich ähn­­lich sehen – sie sind ja winzig klein und stets in Bewegung, so dass man entweder ein sehr gut ausgeleuchtetes Aquarium oder ein Foto braucht, um die Unterschiede er­kennen zu können – werden sie auch gelegentlich gemischt importiert, zumindest T. cochui und T. tambopatensis, obwohl die Ar­ten nicht gemeinsam in der Natur vor­kommen. Die Vermischung geschieht erst beim Exporteur. Es ist eine unerquickliche Aufgabe für den Importeur, die beiden Arten dann auseinander zu sortieren. Bei Thoracocharax stellatus, dem Platinbeilbauch, der regelmäßig aus Kolumbien importiert wird, fand ich einmal als Beifang einen Tyttocharax. Ich gebe das Bild hier wieder, obwohl es meinen Ansprüchen eigentlich nicht genügt. Es handelt sich dabei aber aller Wahrscheinlichkeit nach um T. metae, von dem bislang (meines Wissens) kein Lebendfoto bekannt ist. Immerhin vermittelt das Bild einen Eindruck der Färbung. Leider war der gesamte Import stark mit Ichthyo infiziert. Um mir diese nervtötende Seuche nicht in das Fotobecken zu schleppen, wollte ich erst die Behandlung abwarten und – Schande über mich – vergaß dann die Angelegenheit wieder. Darum gibt es nur das „Notfoto“ aus dem Importbecken.

Bei diesem (leider unscharfen) Tyttocharax handelt es sich vermutlich um T. metae. Das Tier kam als Beifang zum Platinbeilbauch Thoracocharax stellatus aus Kolumbien zu uns.

Flittersalmler im Aquarium

Dieser Flittersalmler kommt manchmal als als Beifang von Trochilocharax ornatus aus Peru zu uns. Es handelt sich wohl um eine unbeschriebene Art. Man erkennt sie an den dunklen Säumen der unpaaren Flossen; eine Fettflosse fehlt. Früher sprach ich sie irrtümlich als T. madeirae an.

Alle Tyttocharax-Arten sind trotz ihrer Klein­heit – wie bereits mehrfach erwähnt werden sie nur 2-3 cm lang – leicht im Aqua­rium zu halten. Es sind robuste Tier­chen, die man durchaus auch in Gesell­schaft fried­licher anderer Fische pflegen kann. Entschließt man sich für eine Pflege im Artenaquarium, sollte man es nicht allzu klein wählen, denn Flittersalmler sind äußerst lebhafte Fische, die Raum brauchen, um sich entfalten zu können.

Trochilocharax ornatus, ein weiterer niedlicher Zwergsalmler aus Peru. Als Beifang zu dieser Art findet sich der unbeschriebene Tyttocharax mit den dunklen Flossensäumen.

Tyttocharax sind sehr friedlich und lassen den Pflanzenwuchs völlig ungestört. Als Futter akzeptieren die Fische alles übliche Fisch­futter passender Größe, es darf durch­aus auch Trockenfutter sein. Im natürlichen Lenensraum ist das Wasser weich und leicht sauer, im Aquarium erweisen sich Tytto­charax diesbezüglich als anspruchslos, so lange die Wasserwerte nicht ins extreme abweichen. Wässer mit 5-20°dGH und ein pH-Wert von 6,5 – 7,5 sind gut geeignet, allerdings sollten weder Härte noch pH-Wert ständig schwanken.

Flittersalmler sind Schwarmfische oder – besser gesagt – soziale Fische. Man sieht sie nur selten in regelrechten Schwärmen schwim­­men. Aber in einem Aquarium mit Tyttocharax ist ständig etwas los, die kleinen Fische jagen einander und balzen in einem fort. Weniger als 10, besser aber 20 Indi­viduen sollten es schon sein, wenn man sich zur Pflege von Tyttocharax entschließt. Einzeln oder in zu kleinen Gruppen gepflegt sind Flittersalmler langweilig.

Zucht

Weibchen von Tyttocharax cochui, Cochus Flittersalmler

Wie bereits erwähnt laichten schon die ersten eingeführten Tyttocharax cochui bei Roloff ab. Detaillierte Zuchtberichte fehlen allerdings bis heute noch. Die Tierchen haben eine innere Befruchtung, wie sie im einzelnen vonstatten geht, das müssen die Aquarianer dieser Welt erst noch heraus­finden. Wichtig bei Zuchtversuchen ist, dass Pflanzen zur Verfügung stehen, an deren Blattunterseiten die Weibchen den Laich absetzen können. Als besonders geeignet erscheinen in dem Zusammenhang Ludwi­gia und ähnliche Pflanzen, die bis an die Wasseroberfläche wachsen, da Tyttocharax nur ungern das obere Drittel der Wassersäule verlassen. Es ist ferner sinnvoll, zur Zucht ein weiches Wasser mit einem pH-Wert um 6 zu wählen.

Frank Schäfer

Lexikon Flittersalmler

Microbrycon: bedeutet “winziger Brycon”; Brycon ist eine andere Salmlergattung.

Pterobrycon: bedeutet “Brycon mit Flügeln”

Tyttocharax: bedeutet “kleiner Charax”; Charax ist eine andere Salmlergattung

cochui: Widmungsname für den Exporteur Fred Cochu von Paramount Aquarium

madeirae: nach dem Rio Madeira, dem Typus­fundort

tambopatensis: nach dem Tambopata River


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Bingir am Brackwasser

1983 – ich hatte gerade mein Abitur gemacht – erfüllte ich mir einen Traum und reiste in die Tropen. Sumatra sollte es sein, die geheimnisvolle, riesige Sundainsel. Die Studienkollegin einer Bekannten meiner Mutter war dorthin gezogen, nach Padang, Provinz-West-Sumatra. So hatte ich eine Anlaufstation und kündigte mich mittels zweier Luftpostbriefe an. Internet und E-Mail gab es ja noch nicht; Isolde war sehr hilfsbereit und ihr Mann – Han, er arbeitete als Dozent an der Uni – heuerte einen meinem schmalen Geldbeutel angepassten Studenten als Führer für mich an, denn ich sprach kein indonesisch und mit englisch kam ich in ländlichen Gegenden nicht weiter. Der Student hieß Sam.

Da mein Etat, wie gesagt, sehr begrenzt war – ich hatte 6 Wochen lang in einem Möbelhaus hauptsächlich Küchen aufgebaut, das dabei erwirtschaftete Geld musste für Flug und alle anderen Kosten ausreichen – reisten wir auf Sumatra mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Einer der Sammelpunkte am Brackwasser blieb mir bis heute in lebhafter Erinnerung.

Nachdem wir, von der zentralen Busstation in Padang aus gesehen, „rechts raus“ keinen der ursprünglich von mir gesuchten Labyrinther gefunden hatten, beschloss ich, es am nächsten Tag „links raus“ zu probieren. Sam setzte uns in den entsprechenden Kleinbus und ab ging es entlang der Küstenstraße. So etwas ist übrigens nichts für schwache Mägen, denn diese Küstenstraße geht in wüsten Serpentinen mal bergauf und mal bergab. Darüber hinaus sitzt man ziemlich gedrängt in diesen immer voll besetzten Fahrzeugen. Es handelt sich um Kombi Wagen mit drei Sitzbänken in Fahrtrichtung und einer mit dem Rücken zum Fahrer. Den Rekord, den ich miterlebte, waren 20 (in Worten: zwanzig!) Personen im Fond. Unter Berührungsängsten darf man da nicht leiden! Dafür war es aber billig. Das Mobil hält überall an der Strecke, um Leute aufzunehmen oder zu entlassen.

Will man aussteigen, schreit man wild und möglichst laut „bingir“, dann stoppt die Mühle. Das scheint allerdings Indoslang zu sein, denn auf hochindonesisch heißt „stoppen“ berhenti. Sollten Sie, liebe Leser, also mal irgendwo in indonesischen Bussen „bingir“ rufen und man bringt, statt anzuhalten, Bier mit Eiswürfeln, probieren Sie es halt mal mit berhenti.

Hier sieht man das Brackwasserbiotop in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit

Ich kannte weder bingir noch berhenti am ersten Bach, an dem wir vorbeifuhren und in dem ich fischen wollte, weshalb ich dieses Mal auf Sams Sachverstand vertrauen musste, dem ich erklärt hatte, was für einen Biotop ich suchte. Der schrie bingir an einer Stelle, wo besagter Bach träge in eine Brackwasserzone floss. Dort gedachte ich eigentlich nicht zu fischen, denn erstens trat ich sofort beim Aussteigen in einen Kuhfladen, zweitens stank die Brühe gewaltig nach den Geschwistern dieses Fladens und drittens hatte ich mit Brackwasserfischen bis dahin nichts am Hut. Doch dann sah ich die Fänge der Knaben, die daselbst angelten, und erkannte sie als Anabas, den Kletterfisch. Das war nun erstens einer der von mir gesuchten Labyrinther, zweitens bei uns praktisch nicht zu haben und drittens war mir bis dahin nicht bekannt, dass diese Art ins Brackwasser geht (ich gestehe: ich hoffte auf eine phantastische neue Farbvariante.)

Unser Sammelpunkt lag unmittelbar am Meer, Ebbe und Flut waren deutlich zu spüren

Also bastelten Sam und ich uns aus dem Koran, gemeint ist nicht das religiöse Werk, sondern die Padangsche Tageszeitung selbigen Namens, jeder einen Sonnenhut und machten uns ans Fischen. Das erwies sich allerdings als nicht einfach. Die ersten Tiere, die wir sichteten, waren Meeräschen (Liza sp.). Sofort war meine Begeisterung geweckt, denn solche Tiere kannte ich bereits von früheren Urlauben an der französischen Atlantikküste. Die Pflege der kleinen Meeräschen, die ich mit nach Hause brachte, hatte mir viel Freude gemacht, bis eine Krabbe beschloss, sich diese Tierchen zum Abendmahl zu kredenzen. Im Verhalten erinnern Meeräschen an Bärblinge der Gattung Danio. Ständig spielen sie munter im freien Wasser. Leider unterschieden sich die indonesischen Meeräschen nicht nur in ihrer Herkunft von den französischen. Sie ließen sich kaum fangen und waren, gelang es doch, derart geschockt, dass sie häufig noch im Netz einem Herzkasper erlagen. Schade, denn die Tiere wären im Aquarium sicher sehr interessant gewesen.

Liza sp. eine junge Meeräsche aus dem Indo-West-Pazifik

Doch mittlerweile hatte ich Blut geleckt. Denn es gab nicht nur diese heiklen Geschöpfe, sondern auch viele verschiedene, oft bunte oder interessant geformte Grundeln wie die Spitzkopfgrundel Butis sp., wunderschöne Rotstirn-Argus (Scatophagus argus), Schützenfische (Toxotes sp.), Halbschnabelhechte (Zenarchopterus sp.), die unvermeidlichen Gemeinen Hechtlinge, Aplocheilus panchax, Kaninchenfische, Siganus vermicularis, Süßwassernadeln, Reisfische, Oryzias spec., Kugelfische, Dichotomyctere nigroviridis, ein Krötenfisch, Antennarius sp. ging auch ins Netz, dazu Krabben, Garnelen, massenweise Krötenkaulquappen (Duttaphrynus melanostictus) und dann war da noch der herrliche Schnapper Lutjanus argentimaculatus.

Die hechtförmige Schnauze von Butis verrät den Räuber.
Butis-Grundeln schwimmen oft mit dem Bauch nach oben

Der ungewöhnliche Mix aus Süßwasser- und Meeresfischen ist es, der den Reiz des Brackwassers ausmacht. Brackwasserzonen sind äußerst nährstoffreich, denn die meisten Süßwasserorganismen, die ins Salzwasser geraten, sterben ab, genau wie viele Meeresorganismen, die ins Süßwasser geraten. Und das passiert in großem Umfang zweimal täglich während Ebbe und Flut. Darum sind die Brackwasserzonen die Kinderstube vieler Korallenfische, denn draußen im Riff gibt es kaum etwas zu fressen. Viele Meeresfische sind als Jungtiere euryhalin, können also frei zwischen Meer und Süßwasser pendeln, wozu sie ein besonderer physiologischer Anpassungsmechanismus befähigt.

Argusfische, wie dieser junge indonesische Rotstirn-Argus, sind typische Brackwasserbewohner.

Insgesamt verbrachten wir drei Tage am Brackwasser. Der Grund war der Schnapper. Den wollte ich unbedingt haben. UNBEDINGT! Aber der ließ sich nicht so ohne weiteres fangen. Die kleinen, etwa 3-4 cm langen Tiere lebten zwischen Wurzeln der Palmen am Ufer und nur mit viel Geduld, List und Tücke konnte man sie erwischen. Am ersten Tag sahen wir sie bloß. Am zweiten fingen wir in 9 Stunden nur ein Exemplar. Am dritten Tag waren es fünf! Ich war selig! Man muss dabei bedenken, dass ich damals nicht die leiseste Ahnung hatte, um welche Fischart es sich handelte und wie groß sie werden würde. Ich dachte, es handele sich um eine Art Nanderbarsch und dass die Tiere kaum größer als 10 cm würden. Heute weiß ich, dass Lutjanus argentimaculatus satte 150 cm lang werden kann (wenngleich Tiere über 80 cm Länge äußerst selten sind), ihr wunderschönes Jugendkleid einem einfarbigen, dreckigen Rot weicht und erwachsene Tiere nur im Meer leben.

Diese Aufnahme entstand am zweiten Tag am Brackwasser und zeigt den ersten jungen Lutjanus argentimaculatus, den wir erwischen konnten.

Aber, wie gesagt, das ahnte ich alles nicht. Ich träumte von einer wundervollen Zuchtgruppe, einem Erstimport, vielleicht sogar einer neuen Art! Am Abend des dritten Tages gingen wir daran, die Fische zu verpacken. Den Tag über hatten wir die Tiere in flachen Plastikschüsseln gehältert und halbstündlich das Wasser gewechselt. Die kostbaren Schnapper sollten einzeln gepackt werden. Ich bat Sam, mir die Tasche mit weiteren Plastikbeuteln zu holen, die wir etwas weiter vom Ufer entfernt abgestellt hatten, da die Tüten, die wir am Ufer hatten, aufgebraucht waren. Da war erst ein Schnapper eingepackt. Sam verstand nicht, was ich wollte. Also ging ich selbst los. Das interpretierte der gute Sam aber leider völlig falsch; er dachte offenbar, ich würde zum Aufbruch blasen. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut am Rücken, wenn ich an den lauten Platsch denke, mit dem Sam die Schüssel mit den übrigen Fischen zurück in das Wasser schüttete. Über die Szene, die folgte, sei Schweigen bewahrt, ich sage nur so viel: Rumpelstilzchen war ein Dreck dagegen!

Adulter Mangroven-Schnapper, Lutjanus argentimaculatus. Photo: Sascha Schultz, von der Seite Martin F. Gomon & Dianne J. Bray, Lutjanus argentimaculatus in Fishes of Australia, accessed 06 Apr 2018, http://fishesofaustralia.net.au/home/species/548

Im Nachhinein war es aber wohl ganz gut so. Die kleinen Schnapper erwiesen sich im Padanger Leitungswasser als nicht haltbar und verstarben. Ich wollte darum am Ende der Reise, vier Wochen später, nochmals an der Stelle im Brackwasser fischen. An den drei Tagen, die ich dafür eingeplant hatte, gelang es mir allerdings nicht, auch nur ein einziges Exemplar zu fangen…

Frank Schäfer


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Sind Aquarianer wirklich schuld am Aus­sterb­en der Europäischen Flusskrebse?

Folgt man den jüngsten Publikationen, sowohl in der wissenschaftlichen wie auch in der Regenbogenpresse so könnte man tatsächlich zu diesem Schluss kommen. Selbst seriöse Wissenschaftler, die es doch eigentlich besser wissen sollten, scheuen sich nicht, den Handel mit Flusskrebsen zu Zwecken der Aquarienhaltung als tatsächliche oder zumindest potentielle Gefahrenquelle der bedrohten Edelkrebsbestände darzustellen.

Edelkrebs, Astacus astacus

Der historische Hintergrund

1890 wurden aus Nord­amerika Krebse nach Europa gebracht, um sie hier anzusiedeln. Das war zu der damaligen Zeit ein beliebter Zeitvertreib. Seit der klassischen Antike bis heute wurden und werden immer wieder fremdländische Tierarten ausgesetzt, um die heimische Natur zu „bereichern“, oder weil man sich sonst irgend etwas davon versprach. Fasan, Kaninchen, Regenbogenforelle, Karpfen, Sonnen­barsch – um nur einige zu nennen, sind z.B. in Mitteleuropa solche Exoten, die hier eigentlich nicht vorkommen. Von den Krebsen erwartete man sich einen praktischen Nutzen. Die einge­führte Art, der Kamberkrebs Faxonius limosus (früher: Orconectes limosus) (der Artname „limosus“ bedeutet „schlammig“) besiedelt in seiner Heimat Gewässer, die aufgrund ihrer schlechten Qualität von Edelkrebsen (meist Astacus astacus, es gibt weitere Arten, aber das ist hier nicht so wichtig) nie bewohnt werden könnten. Hinzu kam, dass man europaweit zwischen den 1870er und 1880er Jahren ein massives Krebssterben beobachtete, das die Bestände der ursprünglich vorhandenen Krebsarten bis an den Rand der Ausrottung brachte. Die Ursache dafür ist heutzutage nicht mehr eindeutig ergründbar. Ganz sicher spielte dabei aber ein Bakterium eine wichtige Rolle. Der Bacillus pestis astaci wurde von dem Münchner Forscher Hofer entdeckt. Ich zitiere hier den Eintrag zum Stichwort „Krebspest“ (jawohl, so nannte man das Massensterben der europäischen Edelkrebse VOR der ersten Einfuhr amerikanischer Arten bereits!) aus Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 611-612:

Krebspest, eine in allen Ländern Westeuropas, mit Ausnahme von Schweden und Norwegen, unter den Krebsen aufgetretene, ungemein schnell verlaufende Krankheit, an der die Tiere zu Tausenden in wenigen Tagen zugrunde gehen. Diese Epidemie ist zu Ende der 70er Jahre des 19. Jahrh. im Westen Europas (Frankreich, Belgien) zuerst aufgetreten und vernichtete Anfang der 1880er Jahre die reichen Krebsbestände Süddeutschlands und Österreichs. Sie ist seitdem regelmäßig von W. nach O. vorgeschritten. 1884 wurde die Weichsel überschritten, und zu Anfang der 1890er Jahre wurden die reichen Krebsbestände aller Arten in Rußland befallen. Wie im W., so sind auch im O. Europas die großen Ströme und die Mehrzahl ihrer Nebenflüsse von Krebsen fast völlig entblöst, und nur die Quellgebiete, besonders im Gebirge, sowie isolierte Seen zeigen namentlich im O. noch nennenswerte Bestände. Infolge der geringen noch vorhandenen Krebsmengen ist die K. zurzeit selten geworden, aber noch keineswegs erloschen, da sie hier und da auch in Deutschland alljährlich immer wieder von neuem auftritt. Die kranken Krebse werden allmählich matt, marschieren hochbeinig wie auf Stelzen, bekommen von Zeit zu Zeit krampfartige Zuckungen der Extremitäten, bis sie im Starrkrampf verenden. Vielfach werfen sie dabei spontan Scheren und Beine ab. Nach der Ursache wurde lange Zeit vergebens gesucht. Man vermutete sie in Parasiten der Kiemen und der Haut (Branchiobdelliden, die indessen trotz massenhaften Vorkommens unschädlich sind), ferner in Egeln (Distomum cirrigerum), in Sporentieren, besonders aber in Pilzen aus der Familie der Saprolegniazeen, und sprach von einer Mykosis astacina. Der eigentliche Erreger wurde 1898 von Hofer in München in dem Bacillus pestis Astaci entdeckt, der sich in allen bisher daraufhin untersuchten krebspestkranken Tieren ohne Ausnahme nachweisen ließ und auch bei künstlicher Infektion die Symptome der K. stets prompt auslöst. Derselbe Bazillus erzeugt bei Weißfischen die sogen. Schuppensträubung. Hofer machte durch seine Untersuchungen einen Zusammenhang der K. mit der allgemeinen Verunreinigung der Gewässer durch fäulnisfähige organische Substanzen der Fabrik- und Städteabwässer sehr wahrscheinlich, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. zuerst im Westen Europas auftrat. Hierdurch wurden viele Tausende von Infektionsherden im Wasser geschaffen, von denen sich Krebse und Fische direkt infizierten und auf ihren Wanderungen die Krankheit stromauf und stromab verbreiteten. Auch durch krebs- und fischfressende Vögel, den Fischotter, insbes. aber durch Krebsfanggeräte und durch Besatzkrebse konnten die äußerst widerstandsfähigen Krebspestbakterien von einem zum andern Wasser verschleppt werden und auch in nicht verunreinigten Wassern die K. erzeugen. Als bestes Vorbeugungsmittel gegen die K. ist die Reinhaltung der Gewässer zu empfehlen, ferner bei den neuerdings in großem Maßstab vorgenommenen Versuchen zur Einbürgerung des Krebses eine 14tägige Quarantäne aller Besatzkrebse in fließendem Wasser, wenn sie von weither transportiert oder von Händlern bezogen sind. Der Genuß krebspestkranker Krebse scheint für den Menschen nicht gerade schädlich zu sein, obwohl kleine Tiere, wie Ratten und Meerschweinchen, an dem Krebspestbazillus zugrunde gehen.“

Für Hessen stellte Ludwig Dosch in seinem Buch „Die Fischwasser und die Fische des Grossherzogtums Hessen mit Einschluß der Teichwirtschaft“ 1899 fest, dass ein klarer Zusammenhang von Einleitung der Abwässer von Papierfabriken und dem massenhaften Krebsaussterben von Astacus in zuvor ertragreichen Bächen und Flüssen bestand. Amerikanische Krebse waren Dosch für Hessen noch völlig unbekannt.

Kamberkrebs

Man versprach sich von der Einfuhr des Kamberkrebses ganz eindeutig eine Speisekrebsproduktion auch für solche Gewässer, in denen das mit Edelkrebsen nicht (mehr) möglich war. Was man nicht wusste: In Nordamerika sind viele Flußkrebse mit einer Pilzerkrankung (Aphanomyces astaci) infiziert, gegen die zwar die dort vorkommenden Arten ziemlich immun sind, nicht jedoch die Europäischen Arten. Und diese eingeschleppte Erkrankung rottete die verbliebenen Edel­krebsbestände in Mitteleuropa binnen weniger Jahre nahezu aus. Die Seuche wütete unter den von der ersten Krebspest schon stark angeschlagenen Edelkrebsen wie weiland der Schnupfen unter der Urbevölkerung Südamerikas.

Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben

Nun hatte man also erfolgreich das Gegenteil dessen erreicht, was man wollte: Statt zusätzlicher Krebsproduk­tion gab es praktisch gar keine mehr. Doch der Mensch wäre nicht, was er ist, hätte er keine Lösung für das Problem gefunden. Wenn also die amerikani­schen Krebse gegen die Seuche immun sind, setzen wir doch einfach diese aus! Schon bald nach 1890 war es geschafft, der Kamber­krebs ein unausrottbares Mitglied der freilebenden Tierarten Mitteleuropas. Bis heute ist er die häufigste Krebsart weit und breit, obwohl ihm der ebenfalls aus Nordamerika stammende Louisiana-Sumpfkrebs (Procambarus clarkii), der in großem Umfang erst in den 1970er Jahren importiert und als Speisekrebs kultiviert wurde, derzeit Konkurrenz macht – wohl wegen des Klimawandels, denn der Louisiana-Sumpfkrebs mag es warm. In Gewässern, in denen diese beiden Arten nicht überleben können, weil es zu kalt und zu nährstoffarm für sie ist, hat Homo sapiens zusätzlich den Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) seit 1960 ausgesetzt.

Louisiana-Sumpfkrebs

Daraus erwachsen natürlich weitere Gefahren für die ursprünglich heimischen Arten. War es zunächst „nur“ die fast 100%ig tödliche Krebspest, die als ständiges Seuchen­po­ten­tial weiter in den nordamerikanischen Krebsen schlum­mert, kam nun sekundär auch noch die Verdrängung der Edelkrebse durch die Konkurrenz der Kamber­krebse und vor allem der ökologisch vergleichbaren Signalkrebse hinzu. Besonders vertrackt ist, dass Signalkrebse den Edelkrebsen so ähnlich sehen, dass nicht speziell geschulte Menschen die beiden Arten kaum auseinanderhalten können. Dadurch kam und kommt es immer wieder dazu, dass „Wiederansiedlungen“ von Edelkrebsen tatsächlich mit Signalkrebsen vorgenommen wurden. Dies ist ein klassisches Beispiel dafür, dass „Wiederansiedlungen“ von Tier- und Pflanzenarten grundsätzlich zu unterbleiben haben. Nur in ganz wenigen, sehr speziell gelagerten Sonderfällen kann so etwas sinnvoll sein. Besser ist jedoch, man lässt es ganz und gar sein (mehr dazu siehe weiter unten).

Signalkrebs. Vom Edelkrebs unterscheiden die Art die auffallend hellen „Signalflecken“. Photo: Uwe Werner

Es ist bislang noch keine 100%ig tödliche Erkrankung bekannt geworden, weder bei Tieren, noch bei Pflanzen, noch bei Menschen. Es war darum stark anzunehmen, dass zumindest wenige Promille der ursprünglichen Krebspopulationen Mit­tel­europas eine gewisse Resistenz gegen die Krebspest-Pilzerkrankung haben. Andernfalls wären sie wahr­schein­lich auch längst vollständig aus­ge­storben. Was ich in der ersten Version dieses Blogs 2018 nur vermutete, hat sich inzwischen auch wissenschaftlich bestätigt. Im Weißensee in Kärnten (Österreich) koestieren Kamberkrebse und gegen die Krebspest immune Edelkrebse!

Sinnlose Polemik gegen Aquarianer

Was hat dies alles aber mit den Aqua­rianern zu tun? Die Krebshaltung im Aquarium ist zur Zeit populär wie nie zuvor. In den letzten 25 Jahren hat sie sich tatsächlich zu einem ernst zu nehmen­den Spezialzweig der Aquarien­kunde entwickelt. Damit nahm auch die Zahl der gehaltenen Arten zu und – logischerweise – die Zahl der Arten, die theoretisch, einmal ausgesetzt, auch in Mitteleuropa frei leben könnten.

Einen Sonderfall stellt dabei die Art dar, die als „Marmorkrebs“ (eine Form von Procambarus fallax), im Hobby weit verbreitet war. Diese Art, sie wird etwa 7 cm lang, existiert als parthenogentische Nur-Weibchen-Po­pu­­lation. Männchen sind bislang nicht bekannt geworden. Die Fortpflanzung erfolgt durch Klonen, d.h., es werden keine Gene neu kombiniert, wie das bei der Befruchtung geschieht, sondern die Nachkommen sind genetisch ein exaktes Abbild des Muttertieres. Es scheint, als sei der Marmorkrebs in der Lage, in Mitteleuropa ganzjährig über­leben zu können. Erste Funde in freier Wildbahn ließen die Alarmglocken schril­len: Ein „sich selbst klonender Monsterkrebs“ bedroht die heimischen Krebse! Ein einziges Weibchen reicht theoretisch, um eine neue Population aufzubauen! Und sie übertragen die Krebspest! Aquarianer haben sie ausgesetzt!

Marmorkrebs

Ich weiß nicht recht, warum diese Mel­dungen derart hohe Wellen schla­gen. Als Biologe und Natur­wissen­schaftler kann ich dazu nur sagen – na und? Selbstverständlich ist das Aussetzen fremdländischer Arten, sei es absichtlich oder aus Versehen, strikt abzulehnen. Aber es ist kaum anzunehmen, dass der Marmorkrebs irgend etwas in der freien Wildbahn anrichten könnte, was der Kamberkrebs, der Louisiana-Sumpfkrebs und der Signalkrebs nicht schon seit über 100 Jahren längst erreicht hätten. Die Pilz-Krebs­pest (Aphanomyces astaci) ist bereits flächendeckend und unausrottbar (!) mittels dieser Arten über ganz Mitteleuropa ver­breitet. Natürlich reicht theoretisch ein einziges Weibchen des Marmorkrebses, um eine neue Population dieser Art aufzubauen. Ebenso natürlich reicht theoretisch ein einziges Pärchen einer beliebigen anderen Art, um eine neue Population aufzubauen. Wo liegt da der große Unterschied? In der Praxis ist derartiges kaum zu befürchten. Intakte Lebens­räume werden bereits von Krebsen besiedelt (meist den Kamberkrebsen), dort hat keine andere Art eine große Chance. Aus Versuchen mit Wieder­aus­bürgerungen einst hei­mischer Arten oder auch aus künstlichen Ansied­lungsversuchen fremdländischer Arten weiß man, dass es mit dem Prinzip „Arche Noah“, also einem Pärchen pro Art, nicht getan ist. Meist werden viele hundert, meist tausende von Individuen benötigt, um eine erfolgreiche Ansiedlung zu ermöglichen, meist geht aber auch das schief. Doch es gibt zuge­gebenermaßen auch Aus­nahmen, wie Waschbär und Bisamratte eindrucksvoll zeigten; die Gründe für den Erfolg dieser „invasiven Arten“ in fremden Lebensräumen, in denen sie ja in Konkurrenz zu eigentlich hochangepassten ursprünglich heimischen Arten treten, sind weitestgehend unverstanden. Es bedarf jedoch zweier Grundvoraussetzungen, damit eine Tier- oder Pflanzenart in einem Gebiet, in dem sie zuvor nicht vorkam, heimisch oder gar invasiv wird: erstens einer massiven anthropogenen Störung des Lebensraumes, die der Neuankömmling besser toleriert als zuvor vorhandene Arten. Und zweitens einer freien ökologischen Lizenz, also einer freien Planstelle im Biotop und einer dafür fehlenden Konkurrenzsituation.

Verbotene invasive Arten

Seit 2016 gibt es eine schwarze Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung. Die dort aufgeführten Tier- und Pflanzenarten dürfen nicht gehandelt, transportiert, gepflegt und in menschlicher Obhut vermehrt werden. Sie werden als schädlich kategorisiert und es ist die Aufgabe von Umwelt- und Naturschutzbehörden, die wildlebenden Bestände der auf dieser Liste aufgeführten Arten zu reduzieren und auszumerzen. Das dazu gehörige Gesetz fordert, dass nur solche Arten auf die Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung gesetzt werden dürfen, deren Bekämpfung mit vertretbarem Aufwand möglich ist. Alle hier genannten, als invasiv einzustufende Krebsarten, also Kamber-, Lousiana-Sumpf-, Signal- und Marmorkrebs stehen inzwischen auf der Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung. Da ihre Bekämpfung jedoch unmöglich ist – von vertretbarem Aufwand ganz zu schweigen – ist diese Listung illegal. Sie hat jedoch, bis es zu einer höchstrichterlichen Aufhebung der Listung kommt (wobei es unwahrscheinlich ist, dass diese jemals angestrebt wird) bindenden Charakter. Aquarianer dürfen also keine der genannten Arten zuhause im Aquarium oder im Gartenteich pflegen.

Die Verantwortung der Aquarianer und des Handels

Dennoch zeigt der Fall des Marmor­krebses die besondere Verantwortung, die Aquaria­nern und dem Tierhandel zukommt, sehr deutlich auf. Laien, denen der natur­wis­senschaftliche Hintergrund und das nötige Spezialwissen fehlen, glauben durchaus, wenn derartige Horror­meldungen in der Presse auf­tauchen, dass sie wahr sind. Schnell kann sich dann eine Lobby bilden, deren Ziel es ist, den Handel mit (in diesem Falle) Krebsen generell zu verbieten. Und das ist keine Fiktion, derart überzogene Forderungen sind bereits zu hören gewesen, in manchen Staaten sind sie sogar schon Realität! Aqua­rianer sollten daher niemals irgend­welche Krebse in die freie Natur ent­lassen. Gartenteichbesitzer sollten am besten ganz auf den Besatz mit Krebsen verzichten.

Auch Edelkrebse sollte man niemals aussetzen!

Selbst an sich einheimische Edelkrebse unbekannter Herkunft könn­ten im Falle eines Entweichens gene­tischen Schaden bei der ortsansässigen Population anrichten. Stellen Sie sich nur einmal vor, die ortsansässigen Tiere seien genetisch immun gegen die Krebspest und Ihre Gartenteichtiere nicht. Kreuzten sich beide, ergäbe das wieder einen hohen Prozentsatz nicht-immuner Tiere unter den Nachkommen, was die Popu­lation nachhaltig schädigen würde.

Der Handel sollte Krebse ausdrücklich nur zur Aquarienhaltung verkaufen und auf die besondere Verantwortung des Halters hinweisen.

Die Verantwortung aller

Aus genau den gleichen Gründen sind auch an sich gut gemeinte Wiederan­siedlungsversuche von Edelkrebsen grundsätzlich abzulehnen (von speziel­len Ausnahmen, auf die hier einzugehen unmöglich ist, einmal abgesehen). Aqua­rianer, Gartenteichbesitzer, Tier- und Pflanzenhalter allgemein müssen dafür Sorge tragen, dass aus ihrem Hobby kein Schaden an der freien Natur entsteht. Ebenso müssen Artenschützer, Biologen und Umweltschützer sich endlich von dem Gedanken lösen, die Natur sei ihr privater Freiluftzoo für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Die Natur gehört keiner beider Gruppen und gleichzeitig beiden. Ihr gemeinsames Ziel muss sein, die Natur in ihrer gesam­ten Schönheit und Vielfalt zu erhalten. Gezielte Desinformation und gegenseitige Verleumdungen helfen da nicht weiter. Nur Wissen tut es. Die Lehre aus der Vergangenheit und dem Fall des Kamberkrebses ist die bittere Lektion: mit einfachen Maßnahmen kann man angesichts der Komplexität natürlicher Regelkreise rein gar nichts erreichen.

Frank Schäfer


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Von Hottentottenfeigen und Meeresoliven

Zu den schönen Seiten alter Gewohnheiten gehört es, dass sie Beobachtungen über einen längeren Zeitraum ermöglichen. Wir lieben die Cote d´Azur und fahren jetzt schon seit 11 Jahren immer wieder einmal dorthin, um der Seele die nötige Urlaubs-Entspannung zu gönnen. Insgesamt waren es seit 2012 fünf Besuche, zwei im Frühsommer, zwei im Frühling und einer im Herbst. Selbstverständlich gehören zu solchen Urlauben für einen Biologen die Exkursionen in die Umgebung und vor allem die Beschäftigung mit Tier- und Pflanzenarten, mit denen man sonst nur wenig zu tun hat.

Reifende Hottentottenfeigen

Bei den Pflanzen ist die Hottentottenfeige sicherlich eines der auffallendsten Elemente der Strandflora. Nach ihr muss man nicht suchen, sondern man kommt gar nicht umhin, ihr zu begegnen. Für mich persönlich ist die rosa Blüte dieser Mittagsblumen-Art eine der schönsten Blumen überhaupt. Aber reine Freude kommt bei der Betrachtung nicht auf, denn die Hottentottenfeige ist keine in Südfrankreich ursprünglich vorkommende Art, sondern stammt aus Südafrika. Sie gilt in weiten Teilen der Welt als hochinvasive Problemspezies, die es unter Kontrolle zu halten gilt. 

Bereits der umgangssprachliche Name „Hottentottenfeige“ lässt politisch korrekte Menschen zusammenzucken. Denn als Hottentotten bezeichnet man in Europa und seitens der Kolonialmächte seit dem 17ten Jahrhundert ziemlich abwertend indigene Völker des südlichen Afrikas. Deren Behandlung durch weiße Siedler und ihre Behörden war zumindest zeitweise grauenhaft bis hin zum versuchten Genozid. Diese Verbrechen dürfen selbstverständlich in keinster Weise verharmlost werden! Aber zugleich hat der Begriff des Hottentottentums Eingang in die deutsche Sprache gefunden und bezeichnet den Zustand einer fröhliche Unordnung. Für unvoreingenommene Menschen ist der Begriff positiv besetzt und nicht abwertend. Diese Ambivalenz in der Begrifflichkeit spiegelt sich in meinen Augen auch in der Hottentottenfeige, weshalb ich den Namen hier ganz bewusst verwende.

Rosafarbene Carpobrotus: C. acinaciformis

Weißgelb blühende Carpobrotus: C. edulis

Weißgelb blühend, kleinere Blüte als C. edulis, beim Verblühen rosa färbend: die Hybride C. aff. acinaciformis

Aber zunächst ein paar biologisch/botanische Grundinformationen. „Die“ Hottentottenfeige gibt es nämlich gar nicht, vielmehr verbirgt sich hinter dem Namen eine taxonomisch hochkomplexe Gruppe von Mittagsblumengewächsen der Gattung Carpobrotus. Die eigentliche Hottentottenfeige wird auch Essbare Mittagsblume genannt und botanisch als Carpobrotus edulis bezeichnet. Sie blüht gelb und ihre essbaren Früchte sind groß und ansehnlich. Die Art (oder Form), die mich so nachhaltig beeindruckt, blüht aber rosa; ihre Früchte sind deutlich kleiner und botanisch bezeichnet man sie als Carpobrotus acinaciformis. Dabei sind sich die Botaniker uneins, ob es sich bei den beiden um gute Arten oder nur um Unterarten der gleichen Spezies handelt, die dann als Carpobrotus edulis edulis und Carpobrotus edulis acinaciformis zu bezeichnen wären. Beide Formen kommen hier in der Provence gemeinsam vor und sie hybridisieren offenbar auch miteinander, wodurch die trennenden Merkmale unscharf werden. In einer Studie untersuchten Suehs, Affre und Médail (2004a, 2004b) die Hottentottenfeigen einer kleinen Insel vor Hyéres auf Artmerkmale und kamen zu dem Schluss, dass es dort außen den beiden „reinen“ Formen eine komplexe Hybridform gibt, die sie Carpobrotus affine acinaciformis nennen, wobei das „affine“ kein wissenschaftlicher Name, sondern ein übliche Kürzel für „ähnlich zu“ ist. 

Bezüglich der Fruchtgröße unterscheiden sich die beiden „reinen“ Carpobrotus erheblich. Diese unreifen Früchte wurden am 11. Mai an Standorten gesammelt, die kaum 500 m voneinander entfernt sind. Obere Reihe: C. edulis, untere C. acinaciformis.

Interessant ist, dass Suehs et al. (2004b) die Beobachtung machen, dass die Hybridform weniger fruchtbar und ein erkennbar weniger aggressiver Invasor im Verglich zur „reinen“ C. edulis ist. In der Global Invasive Species Database liest sich der Eintrag zu Carpobrotus dagegen dramatischer: „Hybridisierung: Carpobrotus edulis hybridisiert in Frankreich mit C. acinaciformis. Die Hybride weist ein aggressives Wachstum auf und bedroht einige einheimische Arten wie Limonium spp. (Vila et al., 2000) … Es besteht die Sorge, dass die Hybridisierung zwischen Carpobrotus edulis und dem ebenfalls invasiven C. acinaciformis im Mittelmeerraum zu einer verstärkten Invasion führen könnte (Suehs et al. 2004a). Verringerung der einheimischen Artenvielfalt: Carpobrotus edulis kann zu einem starken lokalen Aussterben einheimischer Pflanzen führen, die endemische, seltene oder geschützte Arten im Mittelmeerraum sind (Suehs et al. 1999).“ (meine Übersetzung).

Die wundervolle Meeresnarzisse (Pancratium maritimum) coexistiert ganz fröhlich mit Carpobrotus.

Heutzutage schützen Zaunanlagen großflächig die ursprüngliche Vegetation auf dem Dünenkamm.

Die Ansiedlung von Carpobrotus im Mittelmeerraum Frankreichs reicht zurück in die frühen 1800er Jahre. Zunächst wurde sie wohl als reine Zierpflanze importiert, wie das mit südafrikanischen Mittagsblumen seit Beginn des 17ten Jahrhunderts geschah. Interessanterweise stammen gerade aus Südfrankreich die ersten Belege in wissenschaftlichen Sammlungen von wild wachsenden Exemplaren. Demnach begann die Invasion Ende des 19ten, Anfang des 20ten Jahrhunderts, ganz genau 1889. Damals wurde das allererste wildwachsende Exemplar auf der Insel Batz (Bretagne) gesammelt; bald darauf, 1903, fand sich die Pflanze bei Toulon an der Cote d´Azur. Zur genauen Verbreitungsgeschichte siehe Campoy et al., 2018. Natürlich sind solche Angaben immer nur ungefähre Werte, da eine erste wissenschaftliche Aufsammlung nicht zwangsweise mit dem ersten Auftreten zusammenfällt.

Fakt ist: Carpobrotus setzte sich in den folgenden Jahrzehnten äußerst erfolgreich durch. Es erscheint unwahrscheinlich, dass es sich dabei nur um Gartenflüchtlinge handelte, vielmehr wurde die Art auch als Bodenbefestiger gezielt angepflanzt. An diese Stelle muss eingeschoben werden, dass Carpobrotus heutzutage weltweit als Problempflanze gesehen wird, die in vielen Regionen zu fächendeckendem Massenwuchs in Alleinbeständen neigt.

Größere Reinbestände von Carpobrotus findet man am Strand von Pampelonne vorwiegend in anthropogen stark gestörten Biotopen.

Als Bestäuber der Hottentottenfeige fungieren vor allem Solitärbienen und -wespen. Die rosa Art verändert die Farbe während des Verblühens nicht.

Und wie verhält es sich hier, in der Region Pampelonne mit den Hottentottenfeigen? Die Bestände sind nach meinen Beobachtungen stabil bis rückläufig. In den letzten Jahren wurden intensive Bemühungen seitens der Verwaltung unternommen, die ursprüngliche Dünenflora zu unterstützen. Dazu wurden auf dem Dünenkamm großflächig die Vegetationszonen mit Stakatenzäunen eingegrenzt, so dass es zu keinen Störungen und Zerstörungen durch Strandbesucher mehr kommt. Bei der Gelegenheit wurden die Hottentottenfeigen offenbar manuell entfernt und sind in den umzäunten Gebieten nur noch vereinzelt anzutreffen. Die größenen Bestände (mehrere Quadratmeter) sind seit unserem ersten Besuch 2012 stets auf die gleichen Ecken im unmittelbar stark anthropogen beeinflussten Bereichen beschränkt und breiten sich weder aus noch gehen sie zurück. Sie sind meiner Einschätzung nach, genau wie die Wasserpest in Europa, zu ganz normalen Bestandteilen der lokalen Flora geworden. Selbstverständlich muss man sie unter Beobachtung halten. Aber eine gelegentliche manuelle Reduzierung der Bestände – falls angezeigt – scheint mir zumindest hier absolut ausreichend zu sein.

An vielen Stellen kommen der Invasor und die heimische Flora gut miteinander aus.

Sämlinge bilden eine Pfahlwurzel aus. Sie sind leicht durch ausrupfen zu kontrollieren.

Nach dieser Erkenntnis habe ich für mich beschlossen, mich wieder uneingeschränkt an den Hottentottenfeigen zu erfreuen. Essen mag ich sie zwar nicht, aber allein das Wissen um ihre positiven pharmakologischen Eigenschaften – der Saft aus den Blättern gilt als entzündungshemmend und wird medizinisch zur Reinigung von Wunden, bei Verbrennungen, Ohren- und Zahnschmerzen eingesetzt – finde ich großartig. Außerdem fasziniert mich die Anpassungsfähigkeit und Zähigkeit der Pflanze. Sie kann bei Bedarf von „normaler“ Photosynthese auf CAM-Stoffwechsel umsteigen. Bekanntlich nutzen Pflanzen ja die Energie der Sonne, um gasförmiges Kohlendioxid in Zucker umzuwandeln. Dazu müssen die Pflanzen das benötigte CO2 aus der Luft holen. Das tun sie über die so genannten Spaltöffnungen, die sich an den Blättern befinden. Das funktioniert so lange ausgezeichnet, wie kein Wassermangel herrscht. Denn wo etwas hinein kann – also in dem Fall CO2 – kann auch etwas heraus – in dem Fall Wasser. Viele Pflanzen haben dieses Problem dadurch gelöst, dass sie nur nachts, wenn die Verdunstungsrate nicht so hoch ist, ihre Spaltöffnungen aufmachen. Bloß fehlt es dann natürlich an der Sonnenenergie. Darum binden diese Pflanzen das CO2 nachts an ein Zwischenmolekül, von dem sie es tagsüber (bei geschlossenen Spaltöffnungen) wieder abspalten und damit Photosynthese treiben. Das nennt man CAM-Stoffwechsel (CAM steht für Crassulacean Acid Metabolism, englisch für den Crassulaceen-Säurestoffwechsel, also den Stoffwechsel der Dickblattgewächse, bei denen er erforscht wurde). CAM ist nicht so effektiv wie „normaler“ Stoffwechsel. Klar, bei Zwischenspeicherung geht immer etwas verloren, das kennt man ja aus der hochaktuellen Energiedebatte. Unsere Hottentottenfeigen können beides, normal und CAM, und schalten bei Bedarf einfach um. Es sind halt wahre Überlebenskünstler. Ich mag sie!

Carpobrotus beherrscht auch die Taktik des „grow and die“, also wachse und stirb. Diese Taktik besteht darin, dass in extrem unwirtlicher Umgebung zunächst nur kurze Vegetationszeiten genutzt werden. Der widerstandsfähige Samen überdauert jedoch lange im Boden. Zwischen den abgestorbenen Trieben (oben im Bild silbergrau) sammelt sich organisches Material, so dass sich nach und nach eine gewisse Humusdecke bildet, in der die Pflanze länger und länger zu existieren vermag, bis der Boden schließlich für ein dauerhaftes Leben geeignet ist.

Die Kultur von Carpobrotus in mitteleuropäischen Gefilden gelingt übrigens einigermaßen gut, wenn ein heller, trockener Platz zur Verfügung steht. Bei mir in Südhessen haben aus Südfrankreich mitgebrachte Hottentottenfeigen auch gut draußen überwintert. Was sie gar nicht abkönnen, ist kalte Nässe. Es ist völlig unproblematisch, sich Carpobrotus von einer Urlaubsreise als lebendige Erinnerung mitzubringen. Man kann einfach einen der Triebe abschneiden. An den Stängelknoten bewurzelt er sich bei Bodenkontakt jederzeit neu (was einer der Gründe ist, weshalb die mechanische Bekämpfung von unerwünschten Massenauftreten Schwierigkeiten macht. Jedes übersehene Stückchen kann wieder zu einer neuen Pflanze auswachsen). Es ist nicht zu erwarten, dass Hottentottenfeigen im Binnenland Mitteleuropas invasiv werden. Trotzdem sollte man Schnittreste so entsorgen, dass sie keine Möglichkeit haben, irgendwo Fuß zu fassen – aber das gilt ja ausnahmslos für alle Garten- und Kübelpflanzen.

Meeresoliven

Die zweite Pflanze, über die ich heute plaudern möchte, stellte mich erstmal vor ein großes Rätsel. Ich konnte sie ums Verrecken nicht zuordnen! Zuerst dachte ich, es seien angespülte Hottentottenfeigen, aber das stellte sich sehr rasch als Irrweg heraus. Also: was waren das für fleischige Dinger, die da im Spülsaum des Meeres massenhaft am Strand herumlagen? Die meisten sahen so aus, wie es Ridley Scott im Klassiker Alien (1979) darstellt: seltsame, etwa 2 cm lange Eier, die sich an der Spitze vierspaltig öffnen. Entworfen hat das Alien-Monster und seine Eier H. R. Giger. Ob Giger von meinen Strandeiern inspiriert war? Ausschließen möchte ich das nicht. Aber egal, diese Recherche brachte mich nicht weiter. Kleine reptiloide Monster enthielten die Eier jedenfalls nicht, sondern meist waren sie leer. wenn etwas darin war, so ein einzelner, grüner, harter Samen mit einer Längsriefe und einer Austriebsspitze. 

Die merkwürdigen Objekte vom Strand

Wenn sie sich öffnen, erinnern Meeresoliven stark an die Alien-Eier aus Ridley Scotts Klassiker.

Zunächst dachte ich an die Frucht einer Landpflanze, die bei Sturm ins Meer geraten sei. Ich sammelte einige intakte Früchte und ließ sie trocknen. Dabei wurden sie schwarz. Ich wollte herausfinden, ob der Samen seine Keimfähigkeit noch besäße, nachdem er ja offensichtlich einige Zeit im Meer geschwommen war. Die Ähnlichkeit mit einer Olive war wirklich verblüffend. Inzwischen recherchiere ich weiter, fand aber keine Pflanze der Strandvegetation, die derartige Früchte entwickelt. Doch dann wurde ich endlich fündig: Meeresoliven tauchten in der Alltagspresse auf; sie wurden vor den Balearen gefunden. Des Rätsels Lösung: es handelt sich um die Früchte des Neptungrases (Posidonia oceanica)!

Die Ähnlichkeit zu Oliven ist verblüffend.

Das Neptungras ist eines der ökologisch so ungeheuer wichtigen Seegräser. Botanisch ist es zwar mit den Eigentlichen Seegräsern der Familie Zosteraceae nicht verwandt, aber den Bewohnern der Seegraswiesen ist es wohl ziemlich wurscht, wer exakt ihren Lebensraum bildet. In Europa ist das Neptungras die einzige Spezies seiner Sippschaft. Ihren Verbreitungs-Schwerpunkt hat die Gattung in Australien. Im Mittelmeer vermehrt sich das Neptungras gewöhnlich vegetativ über Ausläufer. Samen- und Fruchtbildung sind eher selten. So kommt es auch, dass die „Meeresoliven“ selbst regelmäßigen Strandbesuchern gewöhnlich unbekannt sind. In der Literatur wird die Frucht darüber hinaus als viel kleiner (um einen Zentimeter lang) geschildert, während meine Meeresoliven doppelt bis dreimal so lang waren. Wie gesagt, normalerweise vermehrt sich Neptungras über Ausläufer. Ausläufer sind genetische Klone der Mutterpflanze. Genetische Analysen ergaben erstaunliches: möglicherweise sind Neptungräser im Mttelmeer die ältesten Lebewesen des Planeten, denn ihre genetische Struktur deutet auf ein Alter von bis zu 80.000 Jahren hin!

Diese Derivate des Neptungrases (links ein so genannter Seeball, wie er in der Dünung aus zerfaserten Blättern entsteht und rechts ein abgestorbener Strunk) kennt der Strandwanderer gut.

Die Frucht des Neptungrases ist schwimmfähig, der Samen aber nicht. So ist die Meeresolive eine optimales Verbreitungsmedium für große Distanzen. Sie löst sich von der Mutterpflanze, schwimmt auf, wird verdriftet, bis das Fruchtfleich verfault oder aufgefressen ist (bei angeschwemmten Meeresoliven konnte man hier an der Cote d´Azur beobachten, dass Schweine sie gerne fressen, aber das ist natürlich eine Sackgasse für die Pflanze), dann sinkt der Samen ab und kann im Idealfall eine neue Kolonie bilden. 

Meist sind die Samen grün, manchmal aber auch braun oder gelblich. Jede Meeresolive enthält nur einen Samen.

Warum plötzlich verstärkt Meeresoliven beobachtet werden, ist unbekannt. Es erscheint mir aber ziemlich wahrscheinlich, dass die enorme Fruchtbildung, die Neptungras aktuell zeigt, mit der Klimaerwärmung zusammenhängt. Posidonia oceanica ist bezüglich der Wassertemperatur ziemlich stenök. Sie stirbt bei Temperaturen unterhalb von 10°C und oberhalb von 20-22°C. Es wäre zumindest logisch, wenn die Pflanze auf steigende Temperaturen mit der Produktion von sich weit verbreitenden Samen reagiert, weil dadurch die Chance wächst, einen ökologisch günstigeren Lebensraum zu finden, in dem das Neptungras im Glücksfall erneut 80.000 Jahre als genetisches Individuum überdauern könnte! Außerdem erhöht die sexuelle Vermehrung die genetische Vielfalt und verbessert damit die Anpassungsfähigkeit, z.B. an höhere Wassertemperaturen. Asexuelle Vermehrung ist langfristig immer zum Scheitern verurteilt, da es ewig gleiche, sich nicht verändernde Lebensräume auf der Erde nicht gibt.

Manchmal werden tropische Seegräser für die Meeresaquaristik importiert. Ihre Pflege gilt als schwierig. Echte Seegräser leben in Wurzelsymbiose mit zahlreichen Mikroorganismen und müssen unbedingt mit reichlich Originalsubstrat ins Aquarium eingebracht werden, um überhaupt eine Chance zu haben. Es sind Pfleglinge für absolute Spezialisten unter den Aquarianern.

zitierte Literatur:

Josefina G. Campoy, Alicia T. R. Acosta, Laurence Affre, R Barreiro, Giuseppe Brundu, et al.. Monographs of invasive plants in Europe: Carpobrotus. Botany Letters, 2018, 165 (3-4), pp.440- 475. (https://hal.science/hal-01927850/document)

Global Invasive Species Database: http://www.issg.org/database/species/impact_info.asp?si=1010&fr=1&sts=&lang=EN

Suehs, C. M., L. Affre, and F. Médail. 2004a. “Invasion Dynamics of Two Alien Carpobrotus (Aizoaceae) Taxa on a Mediterranean Island: I. Genetic Diversity and Introgression.” Heredity 92 (1): 31–40. doi:10.1038/sj. hdy.6800374.


Suehs, C. M., L. Affre, and F. Médail. 2004b. “Invasion Dynamics of Two Alien Carpobrotus (Aizoaceae) Taxa on a Mediterranean Island: II. Reproductive Strategies.” Heredity 92 (6): 550–556. doi:10.1038/sj.hdy.6800454.

Frank Schäfer

Schwimmende Nesselmützchen: Velella velella.

Unser erster Urlaubstag in der Provence in diesem Jahr ist ein Regentag. Mich stört das wenig. Das ganze Land ist ausgedörrt, die Behörden haben überall die Stauden-und Gras-Vegetation roden lassen, um die extreme Waldbrandgefahr wenigstens etwas zu reduzieren. Auf dem Gelände, das mir im vergangenen Jahr unzählige Beobachtungen an Pflanzen und Tieren ermöglichte – es handelt sich um einen sehr lichten Wald, eher eine parkartige Landschaft, mit hauptsächlich Kork-Eichen und Pinien – gibt es nichts als kahle Flächen, die einen ziemlich trostlosen Anblick bieten. Keine Spur von den wilden Gladiolen, Orichideen und Traubenhyazinthen, die hier letztes Jahr um die Wette blühten. Leider auch keine Spur von Reptilien oder Amphibien. Aber natürlich sind sie da, die Pflanzen haben ihre unterirdischen Speicherorgane, die Reptilien und Amphibien gute Verstecke, die ihnen erlauben, solche Dürrephasen zu überleben. Für mich heißt das aber: hier ist derzeit tote Hose, also ab an den Strand.

Ein Regentag am Strand ist gar nicht so verkehrt, da hat man seine Ruhe und Angespültes ist in viel besserem Zustand, als wenn die Sonne brennt. ich schlendere also so vor mich hin und denke auf einmal, da habe irgend ein Assi Scherben von blauen Glasflaschen entsorgt. Auf viele Meter leuchtet es mir überall blau entgegen, die Scherben sind etwa 5 cm groß. Das kann doch nicht wahr sein! Ist es auch nicht. Es handelte sich nämlich nicht um Glasscherben, sondern um eine ganz und gar eigenartige Quallenart, die Hydrozoen-Kolonie Velella velella, auch als Segelqualle bekannt.

Da kommen sie!

Gestrandete Segelquallen

Velella velella ist ein Kosmopolit, kommr also auf der ganzen Welt in warmen und gemäßigten Meeren vor. Es gibt nur die eine Art in der Gattung. Sie ist ein Mitglied einer sehr eigenartigen Artengemeinschaft, die man Neuston oder manchmal auch Pleuston nennt – so wie mann die Arten, die frei in der Wassersäule driften, als Plankton bezeichnet. Im Neuston leben Arten, die an der Wasseroberfläche leben und kaum oder gar nicht beeinflussen können, wohin es sie verschlägt. Die Segelqualle besitzt ein gallertartiges, aber festes Segel, das wie ein dreieckiges Mützchen über die Wasseroberfläche ragt. Dieses Segel besteht aus chitinartigen Subsatnzen. Chitin ist der Stoff, aus dem die Panzer der Insekten gemacht sind, also ein sehr robustes Material. Durch dieses Segel wird Velella vom Wind über die Ozeane der Welt verdiftet. Die Segelqualle gehört zu den wenigen Tierarten, die in zwei Varianten mit entgegengesetzter Symetrie existieren, etwa vergleichbar Schneckenarten, die links- und rechtsdrehende Gehäuse haben oder Plattfische, bei denen die linke oder die rechte Seite zur sehenden Seite werden kann. Schaut man nämlich von vorn auf die Velella, so sieht man, dass das Segel schräg ausgerichtet ist. Bei gestrandeten Velella ist das Segel bei allen Tieren nach der gleichen Seite ausgerichtet (in meinem Fall von hinten links nach rechts vorn), aber es gibt auch Exemplare mit der entgegengesetzten Ausrichtung. Da der Wind bei nach links ausgerichteten Segeln anders angreift als bei rechts ausgerichteten, wird so wohl verhindert, dass alle Segelquallen einer Population zugleich angespült werden und verenden. Der Erbgang dieses Phänomens und wie es letztendlich erhalten bleibt (sich also evolutionär nicht doch früher oder später die eine Form durchsetzt) sind ungeklärt.

Das „Segel“ ist bei Velella schräg zur Körperlängsachse platziert. Im Randgewebe als braune Kügelchen erkennbar: Chrysomitren

Was wir für das „fertige“ Tier halten, ist in Wirklichkeit ein steriles, eingeschlechtliches Zwischenstadium. Man kann das am besten mit den Kryptogamen im Pflanzenreich vergleichen, also den Farnen, Moosen, Bärlappen etc. Auch sie sind nicht zur sexuellen Fortpflanzung fähig, die erwachsene Pflanze produziert auf asexuellem Weg Sporen. Die Sporen keimen und bilder Spermien und Eizellen, die sich (ausreichend Feuchtigkeit vorausgesetzt) verpaaren und zu einer neuen Keimpflanze entwickeln.

Alle Velellia sind entweder männlichen oder weiblichen Geschlechts; äußerlich sichtbare Unterschiede der Geschlechter gibt es m.W. nicht. Velellia produzieren aber keine Spermien oder Eizellen, wie man das von einem „normalen“ Tier erwartet, sondern winzig kleine Medusen (Chrysomitren), also Mini-Quallen, die noch kein Segel haben. Dem bloßem Auge erscheinen sie als weniger als 1 mm große, transparente, in der Masse bräunliche Kügelchen.Von diesen Chrysomitren produzieren sie wahre Unmengen. In einem kleinen Aquarium, in das man ein paar gestrandete Segelquallen setzt, ist der Boden bald bedeckt mit Chrysomitren. Da diese Medusen auf ungeschlechtlichem Weg produziert werden, haben sie das gleiche Geschlecht wie das „Elterntier“, es gibt also männliche und weibliche Chrysomitren. Sie sind zunächst bewegungsunfähig und sinken. Eine bis heute herausragende Arbeit über die Entwicklungsbiologie von Velellia verfasste Richard Woltereck 1904. Er fand diese Larven der Velellia in über 1000 m Tiefe und beschrieb äußerst detailliert die anatomischen Veränderungen des Geschöpfes wärend der Verwandlung zum Geschlechtstier und zur an der Wasseroberfläche segelnden Velella. Ich möchte hier etwas ausführlicher als üblich aus dem einleitenden Text seines Werkes zitieren, weil es mich sehr beeindruckt:

Das fertige Segelquallenstadium nennt man Rataria.

Auftreten und Herkunft der Velella-Schwärme.

Wenn ich unsere Mittheilungen gerade mit der Entwicklung von Velella beginnen möchte, so liegt darin eine Anerkennung des Umstandes: im Engern, dass der unsern Fängen dienende, elegante Stationskutter ihren Namen trägt, im Weitern, dass diese schöne Siphonophore als die ausgesprochenste Charakterform der Cote d’azur angesehen werden kann, wie schon Vogt, Leuckart u. A. betont haben. Auch den Fischern ist die „Velette“ wohl das bekannteste der nicht nützlichen Seethiere, wenn auch ein wenig beliebtes, was man Angesichts der Wälle von verwesenden Velellen, die von den an die Küste getriebenen Schwärmen zeugen, leicht versteht. Diese Wälle — nicht selten über 1/2 m breit und hoch und 1 Kilometer lang — werden von der Brandung zusammengehäuft, nachdem Wind und Strom die Schwärme in die Buchten und an den Strand getrieben haben. Die Strömungen spielen dabei eine grössere Rolle, als man denkt. Ich konnte einmal (1902) an einem ruhigen Tage von der Höhe des Mont Alban bei Villefranche die Annäherung eines grossen Schwarmes beobachten. Mir fiel eine compacte Masse von dunkler Färbung auf, die sich vom Horizont her als langer hin und her gebogener Streif der Küste näherte — einer jener hellen Bahnen folgend, die man oft von erhöhtem Standpunkt auf dem ruhigen Meere bemerken kann. Erst später wurde ich über die Natur des Phänomens aufgeklärt, denn Abends war die Bucht von Villefranche mit Velellen übersät.

Diese Anhäufungen illustriren am besten die schwer vorstellbare Massenhaftigkeit ihres Auftretens, die den oceanischen Schwärmen, so weit ich nach dem subtropischen und tropischen Atlantic beurtheilen kann, kaum etwas nachgiebt.

Woher kommen diese Schwärme? Bekanntlich hat man auch in dem so gut durchforschten Mittelmeer noch nie die planktonischen Entwicklungsstadien der Velella gefunden, auch die in Unzahl von jedem Floss abgestossenen Chrysomitren findet man niemals geschlechtsreif. (Mit je einer Ausnahme werden wir uns später beschäftigen.) Es kann daher nicht Wunder nehmen, wenn die Ansicht geäussert wird, die Velellen seien nicht mediterraner, sondern atlantischer Herkunft und wie Porpita und die sehr selten auftretende Physalia durch die Gibraltar-Enge herein getrieben (für Physalia mag diese Vermuthung zutreffen). In dieser Vermuthung kann man bestärkt werden, wenn man bedenkt, dass die Thiere im Mittelmeer während der unruhigsten Monate gefunden werden — für Velella und Neapel giebt Lo Bianco April (Villefranche: Februar) bis Juni und October bis December an — trotzdem sie durch ihre Lebensweise dringend auf ruhige See angewiesen und deshalb auch vorzugsweise in den Passatregionen der Oceane zu Hause sind. Bei Velella ist wie bei allen echten Meeresspiegelbewohnern (z. B. auch Glaucus und Halobates, der durchaus nicht tauchen kann und übrigens ebenfalls, wie ich in West-Afrika sah, gelegentlich zu Millionen auf den Strand geworfen wird) die Lebensdauer einer Generation sehr begrenzt. Das nächste nach ihrem Auftauchen aus dem Wasser einsetzende schlechte Wetter muss sie auch auf offenem Meer vernichten, sobald sich überschlagende Wellen entstehen und die Velella-Flösse zum Kentern bringen. Man kann sich leicht überzeugen, dass eine einmal unter Wasser gerathene V. nicht wieder in ihre natürliche Lage zurückkehren kann. Daher die Mengen von bis auf die Luftflasche verwesenden Velellen und Porpiten, denen nach schlechtem Wetter das Schiff oft noch Tage lang begegnet. Diese Kurzlebigkeit erklärt auch die Quantität der von jedem Floss gelösten Geschlechtsmedusen und das Auftreten in so riesigen Schwärmen (cf. Eintagsfliegen).

Bei der Rataria gut sichtbar: die Wehrtentakeln. Für Menschen ist Velella völlig harmlos, im Gegensatz zu ihrer nahen Verwandten, der Portugiesischen Galeere (Physalia), einem der gefährlichsten Nesseltiere überhaupt, das jedoch im Mittelmeer nur ausnahmsweise vorkommt.

Trotz ihrer unverständlichen Vorliebe für die Aequinoctien müssen wir aber die Velellen als im Mittelmeer heimisch betrachten, vielleicht als heimisch geworden und noch an den — unbekannten — atlantischen Gesetzen im Auftreten der Generationen festhaltend. Zunächst ist es nicht einmal möglich, diese Gesetze für das Mittelmeer sicher zu stellen. Wenn wir die auf langjähriger Erfahrung beruhenden Angaben Lo Bianco’s als Grundlage nehmen, so ergeben sich zwei 3 monatliche Schwärmzeiten mit zwei ebenfalls 3 monatlichen Pausen dazwischen im Sommer und Winter. Während dieser Ruhezeiten können wir uns die Schwärme durch unreif bleibende Chrysomitren oder vielleicht besser — Angesichts der rudimentären Manubrien — durch Dauerstadien der Eientwicklung repräsentirt denken. 

Während jeder Schwärmzeit dürften mehrere Generationen anzunehmen sein; allerdings sind meine Daten für die Generationsdauer noch mehrdeutig und lückenhaft.

1903 konnte in Villefranche constatirt werden: Ende Januar im Auftrieb einzelne der noch zu beschreibenden „Conarien“ und Uebergangsstadien zur Rataria. Ende Februar: ein Velellenschwarm, dessen Leichen bis Mitte März an der Oberfläche trieben. Im Auftrieb Chrysomitren. Anfang März: Conarien und junge Ratarien, an Zahl bis Mitte d. J. zunehmend, die meisten in Tiefenfängen, einige im Auftrieb. Ende März: auf dem Meer eine ungeheure Menge jüngster und junger Ratarien, zwischen denen dann mehr und mehr grössere Velellen auftraten, bis auch dieser Schwärm Anfang Mai an der Küste zu Grunde ging.

Natürlich lässt sich danach noch durchaus nicht entscheiden, ob wir es, wie es immerhin den Anschein hat, mit 2 Generationen zu thun haben, deren erste im Januar als Larven, im Februar als Colonien auftrat, während die von ihren Geschlechtsmedusen erzeugte zweite Generation in den Larven von Anfang März und dem jungen Schwärm vom Ende dieses Monats zu suchen wäre.

Die Larven und der Entwicklungskreis der Velella.

Nur einmal sind bisher geschlechtsreife Chrysomitren beobachtet worden, und zwar in der Strasse von Messina, deren Auftrieb vermöge der Strömungsverhältnisse dadurch ausgezeichnet ist, dass in ihm auffallend viel Tiefseeformen (z. B. Radiolarien, Cephalopoden) gefunden werden. Metschkikoff (in: Arb. zool. Inst. Wien, V. 6) beobachtete in den rudimentären Manubrien derselben entweder Sperma, oder es war nur eine Gonade entwickelt und enthielt ein einziges grosses Ei mit purpurrothem Dotter.

Das nächste bekannte Stadium ist die durch Chun (in : Verh. D. zool. Ges., 7. Vers., Kiel) von den Canaren beschriebene einkammerige Rataria mit offenem Primärporus, an der ein „rundlicher Sack von rothbrauner Färbung“ auffällt, der „central unter einer kegelförmigen Erhebung des Bodens der Pneumatophore“ liegt.

Dieses Pigment ist das einzige, was uns bei den jetzt im Tiefenplankton gefundenen Larven, die in ihrer Mitte einen intensiv roth gefärbten Zapfen oder Kegel tragen, auf die Zusammengehörigkeit mit Velella hinweisen könnte. Im übrigen ist ihre Organisation so eigenartig, dass mir ihre Natur erst klar wurde, als ich im März 1903 die nöthige Reihe von Uebergangsstadien zur Rataria erhielt. Schon früher waren mir (1902) 2 oder 3 solcher Larven aufgefallen, aber unverständlich geblieben. In Villefranche waren bereits, wie eben erwähnt, im Januar 1903 einzelne solche Larven nebst Uebergangsformen durch Dr. Neresheimer gefunden und erkannt worden (ich möchte auch bei dieser Gelegenheit Herrn Dr. Neresheimer für die freundliche Ueberlassung mehrerer von ihm conservirter Larven meinen besten Dank aussprechen), und zwar im Oberflächenplankton; auch im März wiederholten sich solche Einzelfunde, während gleichzeitig Tiefenfänge aus 600, 800 und 1000 m eine grössere Anzahl Conarien zu Tage förderten.

Fig. 1 und 2 nach dem Leben. 60 : 1. Junge tentakellose und kurz vor der Metamorphose stehende Conaria, bei beiden oben Porus der Planula = Primärzoid; die untere Oeffnung der Fig.1 entspricht dem (nach oben geschlagenen) Limbusrand der Fig. 2, welche unten den (verschlossenen) „Primärporus“ der Luftflasche zeigt. Rechts darüber ein „Secundärporus“ als hellerer Fleck angelegt, seitlich erste Anlage des Segels. aus Woltereck, 1904, Tafel 17

Da diese Fänge jedoch mit offenen Netzen erzielt wurden, handelt es sich nur um eine Wahrscheinlichkeit, wenn wir als eigentliche Heimath der Velella-Larven die Tiefsee betrachten, eine Wahrscheinlichkeit allerdings, die noch durch verschiedene Gründe gestützt wird. Da ist zunächst der Umstand, dass diese grossen und auffallenden Larven, die doch in ungeheuren Massen vorhanden sein müssen, in dem so lange, so oft und so vieler Orts untersuchten Mittelmeerplankton bisher unbekannt geblieben sind. Ferner, dass die wohlbekannten Chrysomitren, die jeder Schwarm in unermesslichen Wolken producirt, immer aus dem Oberflächenplankton verschwinden, ehe sie geschlechtsreif werden, wobei die Ausnahme von Messina gerade die Regel bestätigt. (Auch bei Nizza werden übrigens auffallend viel Tiefenformen ohne Tiefseenetze erbeutet, wie Jedem klar wird, der die Vorräthe der freres Gal an (auf dem Fischmarkt erworbenen) Scopeliden, Argyropelecus, Abralia, Loligopsis etc. etc. durchmustert. Auch hier kann demnach vielleicht ein Aufströmen von Tiefenwasser an der Küste angenommen werden.) Sodann könnte man, wenn wir die Bedeutung des so vielen Tiefseebewohnern zukommenden rothen Pigments kennten, auch dieses, das in der blauen Rataria sogleich verschwindet, als Tiefseekriterium verwenden.(Auch bei unsern Fängen war das Vorwiegen der roth gefärbten Copepoden, Sagitten etc. in der Tiefe so auffallend, dass man einem frischen Fange mit blossem Auge ansehen konnte, ob er aus grössern Tiefen kam oder nicht.) Endlich sprechen, wie wir sehen werden, gewisse Züge der Organisation unverkennbar für diese Annahme.

Wir müssen aber noch weiter gehen. Die Ueberlegung, dass auch die zahlreichen Tiefenfänge keine geschlechtsreife Chrysomitra, sowie kein Furchungsstadium und keine Planula erbeuteten, dass ferner, obwohl bald darauf Millionen jüngster Ratarien an der Oberfläche auftraten, doch nicht Hunderte, sondern nur einige Dutzend jüngere Larven durch diese Fänge erhalten wurden, spricht dafür, dass wir mit unsern Netzen die eigentliche Heimath derselben noch nicht erreicht haben. Ja es scheint, dass vor Allem die „Brutstätte“ der Velella in den abyssischen Tiefen des Mittelmeeres zu suchen ist.

Demnach würden wir uns zu denken haben, dass die — zur Eigenernährung unfähigen — Chrysomitren, alsbald nachdem sie in gewaltigen Wolken von einem Schwärm losgelöst sind, in die grösst erreichbare Tiefe herabsinken, um hier (oder unterwegs) geschlechtsreif zu werden und jene grossen, rothgefärbten Eier zur Entwicklung zu bringen. (Es wird ein Augenmerk darauf zu richten sein, ob bei den Geschlechtsmedusen eine negative Phototaxis nachzuweisen ist, wie ich sie oben als Veranlassung der Tiefenwanderung junger Phronimiden erwähnte. Vor allem aber würde positive Barotaxis in Betracht kommen. Die (bisher auf diesen Punkt nicht gerichtete) Beobachtung gefangener Velellen zeigt nur ein schnelles Zubodensinken der gelösten Chr., das zunächst passiv zu sein schien.

Auch stark geschädigte Velella werfen noch hunderte von Chrysomitren ab. Der Boden eines kleinen Aquariums ist schnell bedeckt von ihnen. Sie sind von stark unterschiedlicher Größe.

Ebenso soll in diesem Jahre noch auf einen andern Punkt besonders geachtet werden. Bekanntlich besitzen die Velellen zahlreiche gelbe und bräunliche Zoochlorellen, von denen eine (sehr inconstante) Quantität den Geschlechtsmedusen mitgegeben wird. Für diese wären die Algen als assimlirende Symbionten nur dann von Werth, wenn erstere sich — vor der Geschlechtsreife — längere Zeit in belichteten Zonen aufhielten.

Da nun die „gelben Zellen“ in den bisher untersuchten Chr. meist kernlos erscheinen und oft ihre Inhaltskörner und -kugeln im Entoderm der Meduse zerstreut sind, so liegt es nahe, sie weniger als active Ernährer, als vielmehr als mitgegebene Nährsubstanz aufzufassen.)

Dieses Aufsuchen grosser Tiefen dürfte zwei vortheilhafte Seiten haben. Der Nachtheil des Nahrungsmangels fällt für diese Medusen, welche so wie so von der mitgebrachten Substanz zehren, fort, ebenso für das einzige Ei der Weibchen, das wiederum von der Chrysomitra alle Stoffe erhält, um bis zum Durchbruch der Mundöffnung an der zur Conaria umgebildeten Planula damit auszukommen. Unter diesen Umständen liegt der Vortheil, den die ruhige, an Feinden relativ arme Tiefsee für die massenhafte Nachkommen- bezw. Vorläuferschaft eines Velellenschwarms bietet, auf der Hand.

Da wir ferner (vgl. unten) annehmen müssen, dass von der Brutstätte aus die Larven einfach passiv, durch die Bildung specifisch leichter Stoffe, gerade aufsteigen, ergiebt sich daraus ein zweiter wesentlicher Vortheil. Ein Velella-Schwarm hat nur dann Aussicht, überhaupt zur Neubildung von Geschlechtsmedusen zu gelangen, wenn die Ratarien auf hoher See aus dem Plankton auftauchen — und die finden sie über den grossen Tiefen.

Man thut vielleicht gut daran, diese Betrachtung in den Vordergrund zu stellen und zu sagen: damit jeder neuen Velellen-Generation das Auftauchen auf hoher See, wo allein sie ihre Existenzmöglichkeit findet, thunlichst garantirt wird, musste ihre Entstehung in jene Schichten verlegt werden, über denen sich im Allgemeinen die küstenfernsten Meeresflächen befinden. In der That sieht man zur Erreichung dieses nothwendigen Ziels keinen andern Weg: gerade auf die hohe See würde kein Tropismus, keine Eigenbewegung von überallher die Nachkommenschaft auch in Landnähe verschlagener Schwärme zurückführen können, wie dieser eigenthümliche Umweg über die Tiefsee es thut. Eine secundäre Anpassung an diesen Umweg wäre dann, dass die Chrysomitra von der Muttercolonie Nahrung genug mitbekommt, um jene Schichten aus eignem Vermögen zu erreichen, ferner, dass sie ihrerseits nur ein Ei mit genügend Dotter ausrüstet, damit die Larve sich entwickeln und aufsteigen kann, bis die Eigenernährung wieder einsetzt. (Wir hätten demnach in diesen Verhältnissen ein Beispiel vor uns, wie ein Thier temporärer Bewohner der Tiefsee werden kann, ohne an ihre Ernährungsweise (entweder Detritusfresser, oder Fleischfresser mit Leucht-, Fang- und Spürorganen) angepasst zu sein.)

So gelangen die jungen Ratarien also schliesslich an den Ort ihrer Bestimmung, den Wasserspiegel der offenen See, wo sie den Verschluss ihrer „Luftflasche“ sprengen (s. S. 370), Luft einpumpen und so zu ihrer bekannten Stellung aufzutauchen vermögen. Mit dem Ueberwachsen des Saugporus durch das Segel, der Bildung von Secundärporen und Ringkammern etc. wird der definitive Zustand, zu dem noch die bekannte Schiefstellung des Segels fehlt, allmählich erreicht, worauf endlich die erneute Abgabe von Geschlechtsmedusen in die Tiefe den Kreislauf schliesst. (Diese Vorgänge sind durch Chun bereits bekannt geworden; doch treten diese nicht, wie Ch. meint, zur primären Luftflasche (über welcher sie angelegt werden), sondern zur ersten Ringkammer in Beziehung, die sich dadurch von den spätem Ringkammern unterscheidet, dass sie die Centralflasche zunächst bis hoch hinauf umscheidet, während letztere nur um den untern Rand angelegt werden.

Die neueste Publication über unsern Gegenstand (Schneider, in: Zool. Anz., 1898, No. 558) kommt zu ganz unhaltbaren Vorstellungen, die durch das unzureichende Material (eine „nicht ganz tadellos erhaltene“ Schnittreihe durch eine Larve, deren erste Ringkammer bereits fertig war, ferner ältere Ratarien mit 8 Ringkammern) zu erklären sind. Indem der Autor den Angaben Chun’s entschieden widerspricht, glaubt er den Primärporus neben dem Kamm zu sehen (in Wirklichkeit einer der Secundärporen, da der centrale Primärporus auf diesem Stadium längst überwachsen ist). Damit hängt seine Auffassung des Kammes als eines primären seitlichen Deckstücks zusammen. Ferner soll der Primärporus „der chitinigen Auskleidung entbehren und keine Ausmündung der chitinigen Luftflasche darstellen“ (cf. Fig. 17 u. 18!). Ferner „muss“ S. „ganz besonders die Ausbildung zweier Ersatzporen bestreiten“ (deren einer ihm in dem geschilderten Primärporus vorlag, während er den zweiten als späterhin mit der ersten Ringkammer communicirend ebenfalls selbst beschreibt). Weiterhin lässt er jene „von Chun [über der umkammerten Flasche] erwähnten Verdickungen des Luftschirms mit der 8. [!] Ringkammer in Verbindung treten.“ Schwer verständlich ist die scharfe Art, mit welcher der Verfasser diese Angaben den eindeutigen Resultaten, die sein Vorgänger an wesentlich jüngern Stadien gewann, entgegen stellt.)

aus: Woltereck R. (1904): Ueber die Entwicklung der Velella aus einer in der Tiefe vorkommenden Larve. Erste Mittheilung über die Tiefenplankton-Fänge der Zoologischen Station in Villefranche s. m. Zoologische Jahrbücher, Supplement-Band VII, Festschrift zum 70. Geburtstage des Herrn Geh. Raths Prof. Dr. A. Weismann, pp. 347 – 372, Tafeln 17-19. Kostenloser Download: https://www.biodiversitylibrary.org/item/49928#page/7/mode/1up

Ich habe im Zitat die Original-Orthographie des Jahre 1904 beibehalten, sie ist so charmant. Ansonsten ist der Text unverändert, lediglich die zahlreichen Fußnoten wurden von mir an entsprechender Stelle in Klammern in den Fließtext integriert, um die Lesbarkeit im Frame zu verbessern.

Segelquallen sind ästhetisch sehr ansprechende Geschöpfe

Nimmt man gestrandete Velella mit (sie nesseln übrigens die menschliche Haut nicht, aber eine gewisse Vorsicht ist besonders Allegikern zu empfehlen. Vor allem sollte man nach einer Berührung von Segelquallen nicht in die Augen oder an Schleimhautflächen fassen), so kann man vieles beobachten, das Woltereck schildert. Auch den Verlust der Schwimmfähigkeit; bei nicht zu sehr geschädigten Velella kann man die Schwimmfähigkeit allerdings wiederherstellen, indem man sie sanft mit einer stumpfen Pinzette am Segel nimmt, aus dem Wasser hebt, vorsichtig das anhaftende Wasser abschnickt und sie dann wieder auf die Wasseroberfläche aus kurzer Höhe fallen lässt. So halten sich die Segelquallen in einem mit Meerwasser gefüllten Behälter einige Tage, bevor sie zu zerfallen beginnen. Füttern muss man sie in dieser Zeit nicht; sie besitzen ja Zooxanthellen, also symbiotische Gewebs-Algen, die, wenn der Behälter nicht völlig dunkel steht, die Grundversorgung übernehmen. Hier befindet sich übrigens eine Logik-Lücke bei dem sonst so genauen Woltereck: woher kommen die Zooxanthellen in den fertigen Velella, wenn sie den Tiefsee-Geschlechtstieren nur als Nährstoffvorrat mitgegeben werden? Ich denke eher, es gibt beides: kernlose Algen als Nährstofflieferanten und kernhaltige Algen-Zellen, die den Grundstock der Symbiontenflora der asexuellen Oberflächenform bilden. Übrigens: wenn Velella im Beobachtungsbehälter zu zerfallen beginnen, färbt sich das Wasser intensiv blau, offenbar durch den tiefblauen Zellfarbstoff im Weichkörperrand der Segelqualle. 

Auch diese Schönheiten strandeten mit den Velella, aber ihnen ist mit Vorsicht zu begegnen: Nesselquallen der Gattung Cyanea (es handelt sich wohl um Cyanea capillata, die Gelbe Nesselqualle, auch Löwenmähne genannt) . Sie können für schmerzhafte Urlaubserinnerungen sorgen!

Im Labor ist die Aufzucht von Velella bereits gelungen; experimentierfreudigen Aquarianern tut sich hier ein weites Beobachtungsfeld auf. 

Ein kleine Flotte von Segelquallen im Aquarium: das hat was!

Frank Schäfer

Asiatische Saugwelse

Als Saugwelse bezeichnet  man in der Aquaristik üblicherweise Vertreter der ausschließlich in der Neuen Welt lebenden Familie Loricariidae. Sie ist als artenreich bekannt. Weil zusätzlich noch sehr viele unbeschriebene Arten existieren, wurden für unbestimmbare Arten sogenannte L-Nummern vergeben. In Asien gibt es aber auch Welse, die in strömungsreichen Gewässern leben und Saugapparate entwickelt haben, die es ihnen ermöglichen, sich energiesparend  in der Strömung an Steinen, Holz etc. festzuhalten. Während die Loricariiden zum Ansaugen ihr Maul benutzen, tun dies die Asiaten mit Hautfalten, die sich an Saugorganen am Bauch oder im Lippenbereich befinden.

Glyptothorax telchitta aus Bengalen wird etwa 15 cm lang.

In systematischer Hinsicht stellen sich die Asiaten, die übrigens zur Familie Sisoridae gehören, fast noch verworrener dar als die Südamerikaner. Etwa 310 Arten werden gegenwärtig akzeptiert, die sich auf 26 Gattungen verteilen. Am artenreichsten ist Glyptothorax mit ca. 100 anerkannten Arten.

Innerhalb der Familie Sisoridae werden zwei Unterfamilien unterschieden: die Sisorinae und die Glyptosterninae; früher wurden in der UF Sisorinae nur fünf Gattungen ohne Saugapparat geführt, doch zeigte eine aktuelle molekularbiologische Studie von Kumar et al. (2020), dass diese anatomisch begründete Einteilung nicht mit molekularen Befunden zu stützen ist. Sie vereinen in der UF Sisorinae darum sowohl Gattungen mit wie auch ohne Saugapparat, insgesamt 11 Gattungen. Die Monophylie der gesamten Familie Sisoridae ist sowohl anatomisch wie auch molekular gut belegt. Es erscheint mir darum fraglich, wozu man überhaupt Unterfamilien braucht, wenn es sich herausstellt, dass sie anatomisch nicht erkennbar oder definierbar sind. Für die aquaristische Praxis sind Unterfamilien innerhalb der Sisoridae jedenfalls bedeutungslos.

Sowohl auf Gattungs- wie auch auf Artniveau fällt die Bestimmung importierte Tiere schwer, denn zahlreiche Typus­exemplare befinden sich in chinesischen und indischen Museen und sind damit nicht so ohne weiteres zugänglich. Man muss sich also in vielen Fällen auf die verbalen Be­schreibungen und Abbildungen verlassen, eine Methode, die erfahrungsgemäß leicht zu Fehlbestimmungen führt.

Aquaristisch spielen die asiatischen Saug­welse mit Saugapparat keine Rolle, obwohl schon eine ganze Reihe von Arten importiert wurde. Dabei stellte sich heraus, dass es nicht nur interessante, sondern zum Teil auch ausgesprochen hübsche Welse aus dieser Verwandtschaftsgruppe gibt. Nur am Rande sei erwähnt, dass einige Arten der Gattung Hara (und Erethistes) – sie besitzen keinen Saugapparat – sich zu regelmäßig importierten, recht beliebten Aquarienfischen entwickelt haben. Auch Hara gehört zu der Familie Sisoridae, wird hier aber nicht weiter besprochen. 

Oreoglanis siamensis aus Thailand
Maulstruktur von O. siamensis. An der Oberlippe erkennt man gut das faltenartige Ansaugorgan.

Aus der Gattung Oreoglanis konnte Aquarium Glaser z.B. schon öfter O. siamensis Smith, 1933 importieren. Die Gattung Oreo­glanis wurde erst vor relativ kurzer Zeit (2001) von Ng & Rainboth revidiert, so dass die Bestimmung einigermaßen gesichert er­scheint. Artcharakteristisch für O. siamensis, der etwa 12 cm lang werden kann, ist, dass seine beiden großen Barteln, die Maxillar-Barteln, spitz zulaufen (bei seinen nächsten Verwandten sind sie abgerundet) und dass seine Augen relativ nahe beieinanderstehen. Sicher kennt man ihn nur aus dem Norden Thailands, wo er in dem oberen Mae Nam Ping-Einzug vorkommt, einem Fluss, der zum Chao Phraya-System gehört. Die Saug­orga­ne sind bei Oreoglanis am Rand des Kopfes und der Vorderkante der Brustflossen ausgebildet. Das Haftprinzip entspricht in etwa dem der Geckofüße und ist recht effektiv. Der gesamte Körperbau zeigt an, dass der Fisch in der Natur in schnell fließendem Wasser lebt. Der Körper ist flach und bietet kaum Reibungswiderstand. Die Brust- und Bauchflossen sind nach hinten auf­gebogen und wirken so wie die Heck­spoiler eines Rennautos: sie drücken durch die Strömungsverwirbelung den Körper fester an das Substrat. Ein Blick ins Maul ver­rät, was Oreoglanis frisst: Aufwuchs. Die Ober­kieferzähne stehen wie ein feiner mehrreih­iger Rechen beieinander, die Unterkieferbe­zahnung  aus zwei Zahnpolstern, die ihnen entgegenarbeiten.  Man bietet ihnen also im Aquarium möglichst feines Futter, wie ge­frorene Cyclops, aber auch Futtertabletten und Salatgurkenstücke. Im Aquarium zeigen sich die importierten Tiere nicht sehr empfindlich, wollen aber starke Strömung. Untereinander sind sie friedlich.

Aus der Gattung Glyptothorax möchte ich einige bereits impor­tierte Arten kurz vorstellen, aus Indien, aus Thailand und aus Indonesien. Wie schon in der Einleitung erwähnt ist die Gattung sehr artenreich. Ein wichtiges Be­stim­mungsmerkmal ist die Form des in diesem Falle bäuchlings zwischen den Brust- und Bauchflossen befindlichen Saug­apparates. Alle Glyptothorax-Arten sind Klein­tierfresser (in der Natur ernähren sie sich von Insektenlarven) und leicht mit den üblichen Fischfutter-Mitteln zu ernähren.

Glytothorax-Art aus Nordindien; es bestehen Ähnlichkeiten zu Glyptothorax anamalaiensis aus Südindien.
Braune Farbphase des Glyptothorax aus Nordindien, möglicherweise das Weibchen.
Gut zu erkennen: das hufeisenförmige Saugorgan der Glyptothorax-Art aus Nordindien.

Die indische Art konnte noch nicht bestimmt werden. Sie scheint sehr klein zu bleiben, die importierten Exemplare sind etwa 5 cm lang. Es gibt zwei Farbmorphen der Art, eine graue und eine braune. Dabei könnte es sich um einen Sexualdichromatismus han­deln. Die wenigen bislang importierten Exemplare sind jedoch zu kostbar, um sie für eine anatomische Untersuchung zu opfern. Der Saugapparat ist ganz ungewöhnlich bei dieser Art und ähnelt in der Form einem Hufeisen. Gesammelt wurde sie im Norden Bengalens, nahe beim Himalaya, im Einzuggebiet des Tista-Flusses, der zum Brahma­putra fließt. Wie viele andere Fische dieser Region ist die Art ein wenig sauerstoffbedürftig und mag es nicht zu warm (nicht über 24°C, besser sind 16-22°C), ist jedoch gut haltbar. Es besteht eine große Ähnlichkeit dieser Glyptothorax-Art zu Pseudolaguvia shawi, ebenfalls ein Vertreter der Sisorinae, der aus dem genannten Verbreitungsgebiet stammt. Es scheint dort einen ganzen Artenschwarm winziger Saugwelse zu geben. Erst kürzlich importierte Aquarium Glaser Pseudolaguvia muricata von dort; die Pseudolaguvia werden weiter unten beschrieben. Zwischen den P. muricata fanden sich als Beifang zwei weitere winzige Glyptothorax-Arten; keiner dieser Mini-Saugwelse scheint länger als 3 cm zu werden.

Pseudolagiva shawi aus dem Tista-Einzug sieht dem unbestimmten Glyptothorax sehr ähnlich. Auch von dieser Art gibt es eine braune und eine graue Phase.

Auch dieser winzige Glyptothorax (?) stammt aus dem Tista.

Ein weiterer Zwerg-Saugwels (Pseudolaguvia oder Glyptothorax) aus dem Tista.

Glyptothorax cf. lampris aus Thailand
Saugorgan von G. cf. lampris

Aus Thailand kommen gelegentlich Glyptothorax lampris Fowler, 1934 und G. trilineatus Blyth, 1860, zu uns, wo­bei die Bestimmungen noch nicht so ganz gesichert erscheinen. Bei ersterem könnte es sich auch um G. fuscus Fowler, 1934, bei letzterem um G. laosensis Fowler, 1934 handeln. Für die Praxis ist das jedoch nebensächlich, denn alle genannten Arten werden nur ca. 8 cm lang und sind somit gut für die Pflege im Aquarium geeignet.  Alle vier erwähnten Arten sind ziemlich weit in den Einzugsbereichen des Chao Phraya und des Mekong verbreitet.

Glyptothorax cf. trilineatus aus Thailand.
Bauchseite mit Saugorgan von G. cf. trilineatus.

Glyptothorax keluk

2022 erreichte uns ein Transport von kleinen (4-5 cm langen) Glyptothorax aus Indonesien. Glücklicherweise gibt es eine aktuelle Übersichtsarbeit über diese Welse aus Sundaland (Ng & Kottelat, 2016) und der Bestimmungsschlüssel führte problemlos zu der Art G. keluk. Dieser maximal 6 cm lange (Standardlänge ohne Schwanzflosse) Bauchsaugerwels wurde in genau dieser Arbeit auch wissenschaftlich erstbeschrieben. 

Bisher ist G. keluk nur aus dem System des Musi-Flusses in Süd-Sumatra bekannt. Woher die importierten Exemplare genau stammen, wissen wir nicht.

Glyptothorax sind anspruchsvolle Fische, die eine gute Strömung und sauberes, sauerstoffreiches Wasser fordern. Bezüglich der Ernährung stellen sie kaum Ansprüche, es sind unspezialisierte Kleintierfresser. Untereinander und gegen artfremde Fische sind sie, soweit bisher Beobachtungen dazu vorliegen, friedlich. Über die Fortpflanzung ist nichts bekannt. Von anderen Glyptothorax-Arten wird berichtet, sie laichten bei Hochwasser in trübem Wasser und tendierten dazu, zum Laichen flussabwärts zu wandern. Über eine Brutfürsorge wird nichts berichtet. Die Wassertemperatur wähle man nicht zu hoch, 22 bis 24°C erscheinen günstig. G. teluk ist ein ziemlich aktiver Fisch, der sich bei Beunruhigung zwar auch in Verstecke zurückzieht, aber auch sehr schwimmaktiv unterwegs sein kann. Die Färbung ist unspektakulär; die meisten Tiere sind uniform gelblich-rötlichbraun, einige dunkel schokoladenbraun gefärbt.

Pseudolaguvia muricata

Anschließend möchte ich noch kurz einen weiteren Mini-Saugwels erwähnen, weil er sich aktuell (April 2023) im Angebot indischer Exporteure befindet (wenn auch meist unter der falschen Bezeichnung Hara horai, das ist eine andere Art).

Die erste Art der Gattung Pseudolaguvia wurden schon 1927 beschrieben, doch erkannte man erst in jüngster Zeit, dass es sich um eine sehr artenreiche Gattung von Zwergwelsen handelt, die gewöhnlich nur ca. 2-3 cm lang werden. So wurden von 1927 bis zum Jahr 2013 nur vier Arten beschrieben, seither kamen 21 (!) neue Arten hinzu!

Typisch für Pseudolaguvia ist – genau wie bei Glyptothorax – ein Saugapparat an der Bauchseite. Die Arten leben in Bächen und kleinen Flüssen, die gewöhnlich feinen Sand als Bodengrund aufweisen. Hier findet man die Zwergwelse zwischen zerfallenden Pflanzenresten (Detritus).

Pseudolaguvia muricata stammt aus Nordbengalen in Indien und wird für die Aquaristik im Tista-Einzug gefangen. Ich hatte im Jahr 2000 Gelegenheit, sie im Biotop zu finden und den auf ihren Fang spezialisierten Fischer kennenzulernen. Die niedlichen Tiere werden etwa 2,5-3 cm lang und eignen sich damit hervorragend zur Pflege in kleinen Aquarien, zumal sie nicht sehr schwimmfreudig sind. Das Aquarium für Pseudolaguvia sollte feinen Sandboden aufweisen. Zusätzlich gibt man etwas totes Laub in das Aquarium. Gefressen wird alles übliche Fischfutter, sofern es ins Maul passt. Gegenüber Artgenossen und artfremden Fischen sind Pseudolaguvia vollkommen friedlich, auch Pflanzen werden nicht beschädigt.

Es gibt eher dunkle, schlanke Fische und etwas heller gefärbte, kräftigere Exemplare. Vielleicht handelt es sich dabei um einen Geschlechtsunterschied. Über die Fortpflanzung ist nichts bekannt, doch ist zu vermuten, dass die Tierchen ihre Eier, ähnlich wie Panzerwelse, ohne weitere Brutpflege an Pflanzen etc. anheften. Die Pflege erfolgt am besten bei Zimmertemperatur, das Wasser im natürlichen Lebensraum ist weich und neutral. Besonders wichtug sind zwei Dinge: keimarmes Wasser und geringe Futterkonkurrenz, denn die Pseudolaguvia sind langsame Fresser und kommen leicht zu kurz.

Frank Schäfer

Literatur

Kumari, K., Sinha, A., Koushlesh, S. K., Das Sarkar, S., Borah, S., BaItha, R., Behera, B. K. & B. K. Das (2020): Genetic differentiation and phylogenetic relationship of 11 Asian Sisorinae genera (Siluriformes: Sisoridae) with new record of Pseudolaguvia foveolata. Mitochondrial DNA Part A, 31(1), 35-41.

Ng, H. H. & M. Kottelat (2016): The Glyptothorax of Sundaland: a revisionary study (Teleostei: Sisoridae). Zootaxa 4188 (no. 1): 1-92

Ng, H. H. & W. J. Rainboth (2001):  A review of the sisorid catfish genus Oreoglanis (Silurifor­mes: Sisoridae) with descriptions of four new spe­cies. Occasional papers of the museum of zoology the university of Michigan No 732:  1-34

Rainboth, W. (1996): Fishes of the Cambodian Mekong. FAO species identification field guide for fishery purposes, Rome, 265 pp, 27 pl.


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Die Würfelnatter, Natrix tesselata: Deutschlands seltenste Schlange

Wissen Sie, wie viele Schlangenarten in Deutschland natürlich vorkommen? Richtig: es sind fünf Arten, vier ungiftige und eine giftige. Drei dieser Arten sind relativ häufig: die Ringelnatter, die Schlingnatter und die Kreuzotter. Eine Art, die früher sehr selten war, breitet sich aufgrund der Klimaerwärmung in jüngster Zeit aus: die Äskulapnatter. Doch die seltenste unserer einheimischen Schlangen, die Würfelnatter, ist in Deutschland extrem selten und bedroht.

Bevor wir uns dem eigentlichen Gegenstand des Interesses zuwenden, noch kurz ein paar Worte zu den anderen Schlangenarten. Die Ringelnatter (Natrix natrix), bei uns in zwei Unterarten vorkommend, mag feuchte Lebensbereiche und ernährt sich am liebsten von Fröschen. Außerdem frisst sie Molche, Fische und gelegentlich auch große Regenwürmer. Die Schlingnatter (Coronella austriaca) ist ein Bewohner trockener Böschungen. Sie frisst vorzugsweise Eidechsen, manche Populationen fressen aber auch nestjunge Mäuse oder Blindschleichen. Die Äskulapnatter (früher Elaphe longissima, jetzt Zamenis longissimus) ist ein Mäusefresser und mag warme Wälder, Obstgärten, Weinberge etc. Hier finden Sie einen ausführlichen Bericht über die schöne Schlange: https://www.aqualog.de/blog/zamenis-longissimus-europas-heilige-schlange/

Die Kreuzotter (Vipera berus) schließlich, unsere einzige Giftschlange, mag es feucht und relativ kühl. Sie ist die am weitesten nach Norden vordringende Schlangenart überhaupt. Sie frisst hauptsächlich Mäuse, manchmal auch Waldeidechsen (Zootoca vivipara).

Pärchen der Äskulapnatter, Zamenis longissimus
Junge Ringelnatter, Natrix natrix
Kreuzottern, Vipera berus, sind farblich sehr variabel. Es gibt graue, braune, rote und auch völlig schwarze Tiere. Immer haben sie eine senkrechte Pupille, daran kann man sie sicher von allen anderen heimischen Arten unterscheiden.
Schlingnatter, Coronella austriaca. Diese Art sieht einer Kreuzotter ähnlich und verhält sich auch so, ist aber völlig harmlos. Ihre runde Pupille macht sie unverwechselbar.

Die Würfelnatter ist weit verbreitet
In Deutschland sind alle Reptilien- und Amphibienarten mehr oder weniger gefährdet. Die extrem dichte Besiedlung unseres Landes durch den Menschen lässt den meisten Arten einfach nicht genug Lebensraum. Schlangen haben es nochmal schwerer als die anderen Arten, denn viele Menschen fürchten sich vor ihnen. Auch wenn die Zeiten, in denen jede Schlange totgeschlagen wurde, glücklicherweise vorbei sein dürften, so bringen ihnen die meisten Menschen doch keine Sympathie entgegen. Betrachtet man jedoch das Gesamtareal der Würfelnatter, so stellt man fest: diese Schlange hat ein gewaltiges Verbreitungsgebiet! Es gibt sie in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Kroatien (inklusive einiger adriatischen Inseln), Slowenien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Mazedonien, Serbien, Italien, Tschechien, Polen, der Slowakei, Russland, Albanien, Rumänien, Moldawien, Bulgarien, Ungarn, der Türkei, Griechenland (inklusive Kreta, Lesbos, Samos, Korfu, Kithira, Serifos, Euböa, Tinos), Zypern, Afghanistan, der Ukraine, Armenien, Georgien, Aserbeidschan, Kasachstan, Turmenistan, Tajikistan, Usbekistan, Kirgisistan, Pakistan, dem Iran, dem Irak, Syrien, Jordanien, dem Libanon, Ägypten, Israel und Nordwest-China. Auf der für die ganze Welt geltenden Roten Liste der bedrohten Tierarten wird die Art darum auch nur als ”least concern” (= kein Grund zur Sorge, also „nicht gefährdet“) geführt. Warum ist sie denn dann in Deutschland nur so selten?

Erwachsenes Exemplar der Würfelnatter
Die Vipernatter, Natrix maura, ist der Würfelnatter sehr ähnlich und gleicht ihr in der Lebensweise.

Eine erfolgreiche Art stößt an ihre Grenzen
Tatsächlich ist die Würfelnatter insgesamt als Art sehr erfolgreich und breitet sich auch ständig aus. In Deutschland hat sie – klimatisch bedingt – den absoluten Außenposten erreicht, in dem sie noch existieren kann. Sie war hier nie sehr häufig und kam immer nur in klimatisch besonders begünstigten Gebieten vor, die übrigens allesamt im heutigen Bundesland Rheinland-Pfalz liegen. Hier gibt es noch kleine Populationen in der Lahn und der Mosel, die meisten Tiere gibt es in der Nahe; im Rhein ist die Art wohl schon vor hundert Jahren ausgestorben. Es ist für den Fortbestand der Art in Deutschland besonders bedenklich, dass die vergleichsweise winzigen Vorkommen (nur wenige hundert Exemplare in Lahn und Mosel, mehrere hundert in der Nahe) auch noch voneinander isoliert sind, so dass ein genetischer Austausch nicht stattfinden kann bzw. eine Zuwanderung aus benachbarten Populationen nicht mehr möglich ist. Tritt in einem der Teilareale der Art eine größere Katastrophe auf (Chemieunfall, eine Seuche unter den Schlangen, ungünstige Witterung über mehrere Sommer), so kann das das Erlöschen der betreffenden Population zur Folge haben.

Kein Mist + keine Lohe = keine Würfelnattern
Früher, in den 1880er Jahren, wurden Würfelnattern auch gefangen und tot (als biologisches Anschauungsmaterial in Spiritus) oder lebendig (für 50 Pfennig bis 3 Mark, je nach Größe) in Zoohandlungen für die Terrarienhaltung verkauft. Das war für die auch damals kleinen natürlichen Bestände sicher nicht gut, doch so richtig schlecht ging es der Würfelnatter erst in den ”modernen”, aufgeräumten Zeiten. Bereits 1918-1923 wurde von den alten Terrarianern ein massiver Rückgang der Würfelnatter-Populationen durch Umweltzerstörung beklagt und ein Artenschutzgesetz gefordert. Die Legsteinmauern nahe warmer Quellen, einst perfekter Aufenthaltsort für die Schlangen, wurden verputzt. Das Gerbergewerbe, in dem zum Gerben des Leders so genannte Gerberlohe (das ist zerkleinerte Rinde von Eichen und Fichten, sowie Eichenlaub) verwendet wurde, gibt es heute praktisch nicht mehr. Die großen Haufen der Gerberlohe dienten den Würfelnattern aber als wichtiger Eiablageplatz. Überwintert haben die Tiere hier auch. Ein zweiter, sehr wichtiger Eiablageplatz für die Würfelnatter sind Pferdemisthaufen. In dem warmen, feuchten Mist entwickeln sich die Eier perfekt. Heute hat aber niemand mehr Pferdekarren, man fährt Auto. In Auspuffabgasen können sich Reptilieneier aber nicht entwickeln. Schließlich sind die Flussufer zu aufgeräumt. Die Schlangen, die das Wasser zur Überwinterung verlassen, müssen über offenes Gelände zu ihren Winterquartieren (wenn es diese Winterquartiere denn noch gibt) wandern, weil die ausgedehnten Schilfgebiete, die einst die Flussufer säumten, vernichtet wurden. Die gute Nachricht ist: durch umsichtigen Artenschutz, der vor allem die Anlage von Pferdemisthaufen an geeigneten Stellen beinhaltet, haben die Würfelnattern in Deutschland derzeit stabile Populationen.

Würfelnattern im Terrarium
Selbstverständlich darf man unter keinen Umständen Würfelnattern in Deutschland fangen und in das Terrarium setzen. Das wäre unverantwortlich und ist auch verboten. Da Würfelnattern leicht zu züchten sind, gibt es sie aber für wenig Geld als Nachzuchten zu kaufen. Man kann sie getrost als ideale Wassernattern für das Aqua-Terrarium bezeichnen. Würfelnattern werden nur 60-90 cm (extrem seltene Ausnahme: 130 cm) groß, sind ungiftig und kaum aggressiv und verlassen das Wasser nur zur Eiablage, zur Überwinterung und um sich zu sonnen. In der Natur jagen Würfelnattern am liebsten zwischen großen Kieseln. Man kann das Terrarium sehr schön nach dem Vorbild der Natur einrichten, indem man eine ruhige Flussbucht mit groben Kieselsteinboden nachstellt. In der Praxis kann der Landteil relativ klein ausfallen. Ein absolut trockenes Plätzchen sollte aber immer vorhanden sein. Zur Aufzucht von Jungtieren genügt schon eine schwimmende Insel aus dicker Korkrinde als Landteil. Über dem Landteil installiert man die Beleuchtung; an der wärmsten Stelle sollten 35°C erreicht werden. Hochträchtige Weibchen setzt man zur Eiablage besser in ein anderes Terrarium um (s.u.). Das entspricht den natürlichen Gegebenheiten, auch in der Natur müssen die Weibchen zu den Eiablageplätzen wandern. Der Versuch, im normalen Pflegeterrarium einen Landteil zu basteln, auf dem die Weibchen optimale Legebedingungen finden, endet meist im Desaster, weil entweder der Landteil versumpft oder der Wasserteil durch Erde, verrottendes Pflanzenmaterial etc. stark verschmutzt wird. Besser baut man den Landteil als Legesteinmauer, dann kann nichts passieren und eine solche Mauer sieht auch schön aus.

Jungtiere der Würfelnatter aus Terrarien-Nachzucht

Nicht nur freitags Fisch
Würfelnattern fressen praktisch ausschließlich Fisch. Am günstigsten ist selbstverständlich das Verfüttern lebender Futterfische passender Größe. Das hält den Jagdtrieb wach und gleichzeitig erhalten die Schlangen alle lebensnotwendigen Nährstoffe, Vitamine, etc. Aber die Beschaffung lebender Futterfische kann problematisch sein, glücklicherweise fressen Würfelnattern auch Tiefkühlfisch. Ideal sind Stinte (Osmerus eperlanus), die als ganze Fische, also mit Innereien, als Tierfutter angeboten werden. Fischfilet sollte man nur im absoluten Notfall verfüttern. Dauerhaft damit gefütterte Schlangen werden krank. Gefüttert wird 2-3 mal pro Woche.

Diese Aufnahme entstand in der Natur, die Würfelnatter hat an der Meeresküste eine Grundel erbeutet.

Zucht
Die Würfelnattern paaren sich im Terrarium gewöhnlich wenige Wochen nach der Winterruhe. Da diese Schlangenart vollkommen friedlich ist, kann man sie gut ganzjährig in Gruppen oder paarweise pflegen. Sind die Weibchen hochtragend und wollen legen, setzt man sie in ein gesondertes Eiablage-Terrarium um. Man wird im Allgemeinen weder Pferdemist noch Kompost im Zimmerterrarium als Eiablagesubstrat zur Verfügung stellen wollen, beides müffelt nämlich. Es geht aber auch ganz gewöhnliche Blumenerde (die gibt es auch in Bio), die man 15-20 cm hoch einfüllt. Das Terrarium stellt man auf eine Heizmatte, die man auf 30°C einstellt. Die Inkubationszeit der 5-25 Eier beträgt ca. 40-45 Tage bei 25-27°C, frisch geschlüpfte Jungschlangen sind etwa 23 cm lang.

Würfelnatter auf Tauchgang

Überwinterung
In Deutschland, wo die klimatische Verbreitungsgrenze der Art erreicht ist, sind die Würfelnattern oft nur Ende Mai bis Ende September aktiv. Der Rest des Jahres ist für sie zu kühl. In anderen Teilen ihrers riesigen Artareals sind Würfelnattern aber ganzjährig aktiv. Da die exakte Herkunft der Terrarienstämme meist nicht bekannt ist, genügt es, eine milde Winterruhe durchzuführen. Man schaltet dazu zunächst einfach die Beleuchtung aus, die ja im Terrarium gleichzeitig die Hauptwärmequelle dar stellt. Es ist wichtig, dass die Tiere jetzt Kurztagbedingungen (weniger als 12 Stunden Tageslicht) bekommen. Dann kann man sie nach ca. 1 Woche einwintern. Eine Überwinterungstemperatur zwischen 10 und 15°C genügt, wer keinen so kühlen Keller hat, kann die Schlangen aber auch im Kühlschrank überwintern.

Bauchseite der Würfelnatter

Frank Schäfer


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Das Aquarium von Livorno

Urlaub!!! Zwei Wochen frei!!! Nix wie weg!!! Wir machen eine kleine Rundreise durchs nördliche Italien. Oberste Priorität hat natürlich: den Kopf freibekommen und Energie tanken. Der Seele freien Lauf und den Läppi zuhause lassen. Aber ein bisschen Natur gucken gehört trotzdem dazu. Seit Jahrzehnten studiere ich die Mauereidechsen; die Pflanzen des Mittelmeerraumes faszinieren mich fast ebenso lang und ein besonderes Ziel der aktuellen Reise war der Mauergecko (Tarentola mauritanica). Mauereidechsen und Blumen gibt es in Italien ja überall in rauen Mengen, aber für Mauergeckos muss man in Küstennähe, da die Art nicht weiter als ca. 100 km landeinwärts geht. Ich dachte an die Festung von Livorno (Fortezza Nouva – siehe https://it.wikipedia.org/wiki/Fortezza_Nuova) als romantische Gecko-Kulisse. Und da waren sie auch – brave Tiere!

Eher zufällig bekam ich mit, dass Livorno auch über ein Schauaquarium verfügt. Ein Berufsaquarianer, der ein Schauaquarium nicht besucht? So etwas gibt es nicht, auch nicht im Urlaub. Mein liebes Weib nahm es auf sich, so lange in einem Café auf mich zu warten – die Gute! Es sollten vier Stunden werden..

Eingang zum Aquarium von Livorno

Zunächst ließ sich das Ganze nicht sehr gut an. Ich hatte natürlich gehofft, dass hier viele lokal vorkommende Mittelmeerarten ausgestellt und meine Bildersammlung um manch rare Spezies ergänzt würde. Und dann das verhasste Schild: Blitzlichtverbot! Diese Unsitte greift massiv um sich. Viele Besucher glauben inzwischen tatsächlich, Blitze schadeten den Fischen. Das ist aber Blödsinn. Ob andere Besucher durch fotografieren mit Blitz gestört werden, darüber kann man natürlich diskutieren. Aber Fakt ist ja, dass haufenweise nutzlose Handyfotos trotzdem mit Blitz gemacht werden, weil die User nicht kapieren, wo der Blitz abgestellt wird. Doch wer als „richtiger“ Fotograf blitzt, riskiert den Rausschmiss. Also muss man erst mal durch die Ausstellung hindurch und dann entscheiden, welche Art es wert ist, gegen das Blitzverbot zu verstoßen und dann am langgezogen Ohr herausgeführt zu werden.

Ich probiere es erst mal so. Ein Fuffzichstel kann ich grade noch so ohne Stativ halten, alle 3200 ASA rein, die die Kamera hergibt und Blende auf bis zum Anschlag. Das rauscht zwar wie Sau, aber vielleicht ist ja doch ein Zufallstreffer dabei. Am Anfang der Ausstellung gab es schon die ersehnten Becken mit Lokalkolorit. Im ersten der große Einsiedlerkrebs Dardanus calidus mit Schmarortzerseerosen (Calliactis parasitica) und ein Pärchen Grauer Lippfische (Symphodus cinereus). Oh wie gerne hätte ich den Einsiedler gemacht! Der war gut sichtbar, vorn an der Scheibe, was für ein Glück! Doch da wurde nix draus. Die Beleuchtung dieses Beckens war einfach zu duster. Mist. Eins weiter hellte sich meine Stimmung dann aber auf, auch hier waren ein Pärchen Grauer Lippfische, diesmal gemeinsam mit einem Kleinen Bärenkrebs (Sycllarus arctus), einem jungen Geißbrassen (Diplodus sargus) von ca. 15 cm Länge und einem Schwarzschwanz-Lippfisch (Symphodus melanocerus), dem Putzer des Mittelmeeres, untergebracht. Dieses Becken war besser beleuchtet. Der Geißbrassen hatte schlechte Laune und scheuchte die Lippfische ganz ordentlich.

Ein paar Becken weiter: zwei echte Raritäten. Mittelmeerhaarsterne (Antedon mediterranea) und Lanzen-Seeigel (Cidaris cidaris). Herrlich! Leider wieder ein sehr dunkles Becken. In dieser Abteilung fiel mir noch besonders ein Aquarium mit Wachsrosen (Anemonia sulcata) und den bei ihnen lebenden Grundeln (Gobius bucchichi) auf. Zu sehen gab es ferner Drachenköpfe, mehrere Arten Seesterne, weitere Lippfischarten, Krabben, Einsiedler, die Trug-Koralle (Parerythropodium coralloides) und Kaisergranate (Nephrops norvegicus), Langusten und Blutstriemenbarsche (Serranus cabrilla). Leider sind viele Becken so dunkel, dass man nicht nur nicht fotografieren kann, sondern auch die Beobachtung nur schwer möglich ist. Vielleicht ist das aber eine notwendige Maßnahme, um ein Veralgen der sessilen Bewohner zu verhindern. In einem dieser Aquarien schwamm ein Trupp Meerbarbenkönige (Apogon imberis) und ein kleiner Meerrabe (Sciaena umbra) von vielleicht 8 cm Länge. Den hätte ich soooo gerne fotografiert, aber das ergab nur schwarzen Adler auf schwarzem Grund.

Blick in das große Becken vom Charakter „Seegraswiese“, das von verschiedenen Brassenarten domniert wird.
Die Scheibendicke ist beeindruckend.
Dickes Glas, lange Belichtungszeiten, hohe ASA-Zahl, große Blende: schlechte Aufnahmen. Aber was für geile Fische…

Etwas frustriert zog ich weiter. Dann wurde ich aber mehr als entschädigt. Ein erstes Großbecken, hauptsächlich mit diversen Brassen-Arten, aber auch Dicklippigen Meeräschen (Chelon labrosus), Mönchsfischen (Chromis chromis), Meerjunkern (Coris julis), Pfauen-Lippfischen (Symphodus tinca) und einem großen Kleingefleckten Katzenhai (Scyliorhinus caniculata), von dem auch etliche Eier im (künstlichen) Seegras zu sehen waren. Der Katzenhai hatte sich mit einem sehr großen Exemplar des Streifenbrassens (Spondyliosoma cantharus) zusammengetan. Dem Streifenbrassen waren Teile seiner Beflossung abhandengekommen. Diese Brassen-Art ist etwas Besonderes, nicht nur unter den Brassen, sondern ganz allgemein unter den Meeresfischen, denn sie übt Brutpflege aus. So etwas – gang und gäbe unter Süßwasserfischen – ist im Meer die ganz große Ausnahme. Wie fast alle Meerbrassen ist auch Spondyliosoma cantharus ein protogyner Zwitter, beginnt das Leben also als Weibchen und wandelt sich vermutlich nach vier bis fünf Jahren zum Männchen um. Geschlechtsreif wird der Streifenbrassen mit etwa 20 cm im Alter von ca. 2 Jahren. Die Männchen wedeln mit der Schwanzflosse eine Grube in den Sand. Hier hinein werden die klebrigen Eier (10.000 bis 100.000 Stück, Durchmesser ca. 1 mm, Laichzeit Februar bis Mai) gelegt und 9 Tage lang vom Männchen bis zum Schlupf bewacht und mit Frischwasser befächelt. Die Plexischeibe dieses Beckens hatte eine beeindruckende Dicke.

Gegenüber dieses Beckens, in dem ein sandiger Biotop mit Seegrasbeständen gezeigt wird, befindet sich ein Streichelaquarium mit Rochen. Die Arten sind schwer zu bestimmen, ich denke, es waren Raja asterias und R. miraletus.

Von hier aus ging es in die Abteilung mit Fischen der tropischen Meere.

Das nächste Becken ist das größte des Aquariums in Livorno. Ein Becken mit Tieren des Indo-Pazifik, Inhalt: 300.000 Liter. Es enthält gleich zwei der Vorzeigetierarten des Aquariums: Napoleonfische und Meeresschildkröten. Es wäre aber ungerecht, das Becken auf diese zwei prominenten Arten zu reduzieren; da wäre z.B. der große Trupp Fledermausfische (Platax orbicularis). Diese Art sieht als Jungfisch völlig anders aus und erinnert dann eher an die aus dem Süßwasser bekannten Segelflosser (Pterophyllum). Die Jungfische leben in der Mangrove und imitieren hier tote Blätter. Wie diese lassen sie sich von der Strömung treiben. Die erwachsenen Fische sind hingegen aktive Schwimmer. Da Fledermausfische beliebte Speisefische sind, werden sie in Aquakultur gehalten und vermehrt. Jungtiere kommen auch in den Zierfischhandel. Es sind ausdauernde und schöne Pfleglinge.

Natürlich ziehen auch Haie immer den Blick auf sich. In diesem Fall sind es drei Arten: Schwarzspitzen-Riffhaie (Carcharhinus melanopterus), ein männlicher Weißspitzen-Riffhai (Triaenodon obesus) und Zebrahaie (Stegostoma fasciatum). Leider sind die Bestände aller Haie stark rückläufig, die Überfischung für Haifischflossen und das Öl der Leber zusammen mit der vergleichsweise geringen Vermehrungsrate dieser Tiere sind besorgniserregend. Der ovovivipare Zebrahai wird regelmäßig im Aquarium gezüchtet; Jungtiere sind sehr kontrastreich schwarz-weiß geringelt. Die beiden Riffhai-Arten sind echt lebend gebärend. Für den häufig in Schauaquarien gezeigten Schwarzspitzen-Riffhai existiert sogar ein Zoo-Erhaltungszuchtprogramm; der Weißspitzen-Riffhai wird seit 1982 erfolgreich in Aquarien gezüchtet. Wenngleich diese Nachzuchten ausreichen, um ggf. den Bedarf von Zoos und Schauaquarien zu decken, braucht man sich dennoch nicht der Illusion hinzugeben, man könne damit die Folgen des weltweiten Haisterbens mindern. Auch wenn alle Lebendhaltungen der Erde zu 100% aus Wildfängen bestehen würden, hätte das keinen spürbaren Einfluss auf die Wildbestände. Man muss Haie in Zoos und deren Nachzuchten genau wie andere Raubtiere sehen: als Botschafter ihrer Art, als Chance, die schönen Seiten dieser Tiere zu sehen und für ihren Schutz zu werben.

Das gilt letztendlich auch für die Napoleonfische, die größten Lippfische der Welt. Der Rekord liegt bei 2,3 m, das im großen Barriereriff vor Australien gefangene Tier war 190 Kilogramm schwer. Leider gehört der Napoleonfisch (Cheilinus undulatus) zu den bedrohtesten Meeresfischen überhaupt. Sein Fleisch ist sehr fest und wohlschmeckend, es werden bis zu 200$ pro Kilogramm bezahlt. Da der höchste Preis für frisch geschlachtete, noch lebend im Restaurant ausgesuchte Exemplare bezahlt wird, fangen die Fischer sie häufig mit Betäubungsmitteln, wie Cyanid, einer Blausäureverbindung. Die Fische erholen sich scheinbar von der Vergiftung; das täuscht aber. Meist tragen sie irreparable Leberschäden davon. Das Gift schadet aber nicht nur den unmittelbar damit gefangenen Fischen, sondern schädigt auch nachhaltig alle anderen Riffbewohner in der näheren Umgebung. Auch die Fischer, die sich der Schädlichkeit ihrer Handlungen nicht bewusst sind, bringen sich selbst und ihre Familien in höchste Gefahr, denn sie verzehren alle Fische, die den Fang nicht überleben. Es geht die Rede, dass eine hohe Zahl von Missbildungen bei den neugeborenen Kindern der Fischerfamilien zu beobachten ist. Dieser Gift fang ist die größte Seuche der tropischen Meere. Leider wurden und werden wohl auch immer noch auch Zierfische mit dieser Methode gefangen. Es ist mir unbegreiflich, dass dieser seit Jahrzehnten beklagte Missstand nicht unterbunden werden kann. Hinter dem Vertrieb des Giftes müssen schließlich kriminelle Vereinigungen stehen, man bekommt ja Blausäure nicht einfach so in der Apotheke nebenan oder im Supermarkt.

Die Bestände des Napoleonfischs befinden sich leider in einer steten Abwärtsspirale. Je rarer er wird, desto teuerer wird er, je teurer er wird, desto begehrter wird sein Verzehr als Statussymbol. Somit findet eine gnadenlose Ausplünderung der Bestände statt. An sich können Korallenfische aufgrund ihres gewaltigen Vermehrungspotentials solchem Feinddruck entgegenwirken. Napoleonfische werden z.B. mit rund 35 cm Länge geschlechtsreif, andere Quellen geben ca. 60 cm an. Es wird geschätzt, dass sie dann 5-7 Jahre alt sind. Wie die meisten Lippfisch-Arten haben Napoleonfische drei Geschlechter. Es gibt Weibchen, Primärmännchen und Sekundärmännchen. Primärmännchen werden bereits als Männchen geboren und bleiben zeitlebens Männchen. Sekundärmännchen hingegen waren zunächst Weibchen. Ab einer Größe von rund 60 cm, im Alter von etwa 15 Jahren wandeln sich die Weibchen in Männchen um. Beim Laichgeschehen finden sich Napoleonfische eines größeren Riffabschnitts zum Gruppenlaichen zusammen. Einige wenige große Sekundärmännchen befruchten den Laich fast aller Weibchen. Die Primärmännchen sind optisch und bezüglich der Größe nicht von Weibchen zu unterscheiden. Sie mischen sich in das Laichgeschehen als so genannte Sneaker (also „Schleicher“) ein und werden von den großen Männchen nicht als Konkurrenten erkannt. Aus unbekannten Gründen waren Napoleonfische nie wirklich häufig. Die Dichte wird auch in völlig unbefischten Gebieten auf höchstens 20 Exemplare auf 10.000m2 geeignete Rifffläche angegeben. Dabei werden von den Tieren jährlich Millionen von Eiern je Weibchen gelaicht. Das Wissen um die Details der Biologie dieser beeindruckenden Fische ist leider verheerend gering. So heißt es, Weibchen würden mit maximal 32 Jahren Lebenserwartung älter als die Männchen werden. Was ist der Grund, warum sich nicht alle Weibchen zu Männchen umwandeln? Warum verwandeln sich nur so wenige Larven, warum ist die Art auch in ungestörten Riffen so selten? Obwohl der Napoleonfisch ein sehr weites natürliches Verbreitungsgebiet hat, weiß man so, so wenig über ihn…. Aber die gute Nachricht zum Schluss: eine relativ neuen Studie aus dem Jahr 2015 (NOAA Technical Memorandum NMFS-PIFSC-48 . Status Review Report: Humphead Wrasse (Cheilinus undulatus). Kostenloser Download hier: https://repository.library.noaa.gov/view/noaa/9052) kommt zu dem Ergebnis, dass zumindest in absehbarer Zeit (den nächsten 50 Jahren) wohl kein akutes Risiko besteht, dass die Art ausstirbt.

In Livorno leben zwei große Männchen der Art, beeindruckende Gestalten! Die Weibchen haben eine rote Grundfärbung. Den komischen Namen „Napoleonfisch“ hat der Fisch übrigens davon erhalten, dass der Stirnbuckel erwachsener Männchen an den Zweispitz-Hut erinnern soll, den Napoleon Bonaparte zu tragen pflegte.

Leider sind auch die Meeresschildkröten weiterhin bedroht. Im Aquarium von Livorno wird ein wunderschönes, ausgewachsenes Paar der Suppenschildkröte (Chelonia mydas) gezeigt. Die Suppenschildkröte ist die einzige der sieben gegenwärtig bekannten Meeresschidkrötenarten, die sich weitestgehend auf pflanzliche Nahrung spezialisiert hat. Es ist darum relativ risikoarm, sie gemeinsam mit Fische zu pflegen. Die Art ist weltweit verbreitet, es wird kontrovers diskutiert, ob sie in Unterarten aufzugliedern sei. Geschlechtsreif werden Meeresschildkröten erst mit ca. 20 Jahren. Bis dahin gehen die meisten Schlüpflinge zugrunde; obwohl Meeresschildkröten riesige Gelege von bis zu 180 Eiern produzieren ist es darum schwierig, die Bestände zu stützen. Man versucht dazu vor allem, die Strände, an denen die Eier gelegt werden, zu schützen. Schildkrötengelege werden bereits durch eine Vielzahl von Fressfeinden gefährdet, Menschen, Schweine und Hundeartige graben sie aus. Bei besonders bedrohten Arten und Populationen der Meeresschildkröten werden die Schlüpflinge einige Jahre in Gefangenschaft aufgezogen, wodurch die individuelle Überlebenschance, die – statistisch gesehen – bei deutlich weniger als 0,1% der Schlüpflinge liegt, verbessert werden soll. Aufgrund des makellosen Panzers des Pärchens in Livorno (die Tiere haben Namen und heißen Ari und Cuba) sind die beiden wohl solche Aufzuchttiere. Sie sollen sich erst seit 2017 in Livorno befinden. Das Männchen ist leicht an der sehr langen Schwanzrübe zu erkennen.

Ein Schwarm Wimpelfische (Heniochus cf. acuminatus) stand leider stets zu tief im Becken, um die subtilen Artunterschiede zu H. diphreutes sicher erkennen zu lassen. Die schönen, über 20 cm großen Tiere trauten wohl der Räubergesellschaft, die sich in Scheibennähe aufhielt, nicht über den Weg. Zumindest bei den beiden großen Muränen, gut zu sehen war eine Große Netzmuräne (Gymnothorax favagineus), die andere Art huschte nur kurz durch das Becken und versteckte sich dann wieder, ist diese Vorsicht wohl angebracht, denn denen darf man nicht trauen. Das tun die Pfleger wohl auch nicht, die Muränen sind hübsch feist. Nur satte Muränen sind harmlose Muränen… Der Zackenbarsch (Epinephalus malabaricus) ist hingegen in der gegenwärtigen Größe (ich schätze 40-50 cm) noch keine Gefahr für die Wimpelfische, aber die Art wird immerhin bis 120 cm lang. Für die Wimpelfische harmlos sind auf jeden Fall die Rotfeuerfische (Pterois miles), die neugierig an der Scheibe den Besucher betrachten und posieren. Zwei über 20 cm große Großkaiser – ein Pomacantus imperator und ein P. annularis – wirken in dieser Gesellschaft trotz aller Farbenpracht eher unscheinbar und unauffällig, ebenso die skurrilen Nashornfische (Naso brevirostris). Sehr schön, dass auch in diesem Großbecken zwei Putzerfische (Labroides dimidiatus) ihrer Passion nachgehen können, hier kann man sehr naturnahe Beobachtungen an den winzigen Kerlchen machen, wie sie die Muräne und den Zackenbarsch bedienen. Ein Trupp noch jugendlicher Blaustreifenschnapper (Lutjanus kasmira) hat wohl ähnliche Motive wie die Wimpelfische sich recht eng beisammen zu halten.

Meine persönlichen Favoriten waren aber zwei Pferdemakrelen (Caranx hippos), die mit unfassbar herrlich mürrischen Gesichtsausdruck, dicht beieinander schwimmend durch das Becken patrouillierten. Irgendwie ist es ja schwer, sich von dem Gedanken zu lösen, dass solche silbrigen Schwarmfische nur namenlose und weitgehend persönlichkeitslose Tiere sind. Caranx hippos ist – zoogeografisch gesehen – hier eigentlich fehl am Platz, denn es ist eine atlantische Art, die sogar im Mittelmeer angetroffen werden kann und weit die Flüsse hinaufwandert. Das Aquarium hat ansonsten, wie schon erwähnt,  indo-pazifischen Besatz. Aber egal, die Besucher merken es eh eher selten und die Pferdemakrelen sind eine echte Schau. Die Maximallänge der Art wird mit 125 cm angegeben, gewöhnlich werden die Tiere um die 75 cm lang. Es sind begehrte Speisefische, Caranx hippos gilt, obwohl jährlich viele hundert Tonnen gefischt werden, als nicht gefährdet.

Die Karibik ist Thema des nächsten Großaquariums. Die Karibik, ein Teil des Atlantiks, der das Meer zwischen einer Inselkette (den großen und kleinen Antillen, den Inseln unter dem Winde und weiteren) und der süd- und mittelamerikanischen Küste, ist nicht sehr artenreich, vergleicht man das etwa mit dem Indo-Pazifik; aber es gibt dort dennoch eine sehr charakteristische Artengesellschaft, die in dem Aquarium gut abgebildet wird. Leider war aufgrund der Beleuchtung ein Fotografieren hier nahezu unmöglich. Sehr schade… Einige Arten werden hier darum nur erwähnt und nicht gezeigt, so ein sehr schöner Königin-Engelfisch (Holacanthus ciliaris) und drei der vier karibischen Doktorfisch-Arten, die erstaunlich friedlich miteinander umgingen, was bei diesen Tieren nicht so selbstverständlich ist.

In fünf sehr schönen Arten sind die Grunzer (Haemulinae) vertreten, sehr typische Karibik-Arten. Sie haben ihren Gebrauchsnamen nach der Fähigkeit bekommen, durch reiben mit den Schlundzähnen und der Schwimmblase als Resonanzkörper knarrende Geräusche von sich zu geben.

Hier kommen zwei Aufnahmen von Grunzern, die „normal“ geblitzt wurden, um die wahre Schönheit der Tiere zu zeigen. Dieses Bild von Haemulon flavolineatum entstand im Shedd-Aquarium in Chicago.
Dieser Haemulon plumieri schwimmt im Kattegat-Center in Greena (Dänemark).

Grunzer sind auch in der Hobbyaquaristik ab und an zu sehen, sie erreichen 15-30 cm Länge. Jungtiere sehen farblich  völlig anders aus als die erwachsenen Tiere. In der Natur fressen Grunzer hauptsächlich nachts, tagsüber halten sie sich in größeren Trupps auf, was gegen Raubfische ein Sicherheits-Plus bedeutet, gegen menschliche Fischer aber das Gegenteil. Grunzer sind wichtige Speisefische in ihrem Vorkommensgebiet. Ihrerseits fressen Grunzer Plankton, also kleine Krebstiere, Jungfische etc.

Bei Tauchern ist das „Küssen“ der Grunzer berühmt. Es handelt sich dabei um ein ritualisiertes Maulkämpfen, das uns Aquarianern ja von sehr vielen Arten bekannt ist.

Nach der Karibik geht es weiter mit Mittelmeertieren. Den Anfang macht der vielleicht schönste Fisch des Mittelmeeres, der Fahnenbarsch (Anthias anthias). Seine Exotik erwartet man eigentlich aus tropischen Gewässern, wo die Fahnenbarsche tatsächlich sehr artenreich verteten sind. Dort leben sie in riesigen Schwärmen an den Riffkanten und fangen Planktonorganismen. Das macht ihre Pflege für so manchen Riffaquarianer schwer. Denn häufiges Füttern in kleineren Portionen, wie es für die Haltung von Fahnenbarschen ideal ist, wird im Riffaquarium nicht gerne praktiziert. Das belastet nämlich das Wasser. Diese Einstellung zur Fischfütterung ist sehr schade; Fahnenbarsche sind durchaus auch mit Futtergranulaten als Ernährungsbasis zufrieden, die man in handelsüblichen Futterautomaten sehr leicht in kleinen Portionen mehrmals über den Tag verteilt verabreichen kann, auch als berufstätiger Mensch.

Fahnenbarsche in Livorno

Richtig gehaltene Fahnenbarsche sind durchaus nicht hinfällig, wie man in zahlreichen Schauaquarien, so auch in Livorno, beobachten kann. Dort schwimmen nämlich teils wahre Giganten von Fahnenbarschen, Exemplare die viel, viel größer als in freier Natur sind. Fische werden nun mal in menschlicher Obhut erheblich älter als draußen, wo Distress durch Parasiten, Nahrungsmangel, Fressfeinde und Konkurrenz mit Artgenossen das Leben erheblich verkürzt. Gewöhnlich wird Anthias anthias 10-15 cm lang, aber die Tiere in Livorno sind fast doppelt so groß. Es ist ein faszinierender Anblick, die Fische bei ihren Balzspielen zu beobachten, in denen sie ihr prächtiges Flossenwerk so richtig zur Geltung brngen.

Dieser Mittelmeerfahnenbarsch wurde nicht in Livorno fotografiert, sondern in einem Aquarium, in dem Blitzlicht erlaubt ist. So erkennt man Details der Färbung besser.

Bei den großen Flossen handelt es sich um typische Luxsbildungen, die zu nichts weiter gut sind, als den Weibchen zu imponieren. Man kann das am besten mit Pfauenfedern vergleichen. Vermenschlichend ausgedrückt besagen sie: wer es schafft mit derart unpraktischen Flossen zu überleben, der wird auch gute Gene an meine Nachkommen weitergeben. Draußen findet man nur relativ wenige Männchen, denn die Fahnenbarsche sind protogyne Zwitter. Sie beginnen ihr Leben allesamt als Weibchen. Erst nachdem sie einige Zeit als funktionelles Weibchen existiert und schon viele hunderttausend Eier gelaicht haben, wandeln sie sich in Männchen um. Fahnenbarsche geben ihre Geschlechtsprodukte einfach ins freie Wasser ab, wo sie sich im Plankton entwickeln; die Fische sind Dauerlaicher, nur der Mittelmeerfahnenbarsch, der als tropisches Element in das Mittelmeer gekommen ist und etwas höhere Temperaturen als andere Mittelmeerbewohner bevorzugt, legt in den Wintermonaten Laichpausen ein.

Meerrabe, Sciaena umbra

Der Sinn dieser Geschlechtsumwandlung liegt auf der Hand: ein Männchen reicht aus, um den Laich sehr vieler Weibchen zu befruchten. Und ein Weibchen, das es geschafft hat, bis zur Geschlechtsumwandlung zu überleben, gibt auf jeden Fall auch als Männchen gute Gene weiter. In Livorno und anderen Schauaquarien führt das allerdings dazu, dass man kaum Weibchen zu Gesicht bekommt. Die alten, prachtvollen Buben dort haben die Geschlechtsumwandlung längst hinter sich gelassen. Ab einer gewissen Größe der Männchen wird es auch schwierig, Weibchen nachzusetzen, denn Fahnenbarsche sind – zoologisch gesehen – sehr, sehr eng mit den Zackenbarschen verwandt. Wie diese können sie ganz ordentliche Brocken schlucken und das macht die kleinen Weibchen zu Futtertieren. So tanzen denn in LIvorno die Jungs ihr Männerballett und weit und breit ist keine Frau in Sicht. Nur ein paar Meerraben (Sciaena umbra), die das Aquarium mit den Fahnenbarschen teilen, sehen die Tänze, doch sie interressieren sich nicht dafür…

Zum Schluss kommt man in einen weiteren Raum mit einem riesenhaften Aquarium, in dem vorwiegend Großfische des Mittelmeerraumes schwimmen. In den Wänden rund um dieses Aquarium gibt es kleinere Aquarien, in denen kleine tropische Riff-Fische schwimmen, die man auch zuhause gut pflegen kann. Das ist zweifellos hübsch und darf in einem Schauaquarium nicht fehlen, war für mich aber weniger interessant. Sehr spannend ist es dagegen, die seltsamen Perlboote (Nautilus) zu beobachten, die letzten rezenten (also heute lebenden) Tintenfischverwandten, die eine feste Außenschale haben, so wie die längst ausgestorbenen Ammoniten.

Im Großbecken begrüßt mich zuallerst der Atlantischen Drücker (Balistes capriscus). Diese bis zu 60 cm lange Art ist der einzige Vertreter der Drückerfische, der sogar ab und zu in der Nordsee vorkommt. Im Aquarium gelten Drücker ganz allgemein als Rabauken, die gerne mal das ganze Aquarium beherrschen und auch keine Skrupel haben, den Pfleger zu beißen, wenn der ihnen blöd kommt. Aber in Großaquarien fällt so etwas nicht weiter ins Gewicht. Drücker sind intelligente Fische, ich habe bei ihnen oft den Eindruck, sie beobachten die Besucher genau so neugierig wie umgekehrt.

Brauner Zackenbarsch, Epinephelus marginatus

Natürlich dürfen auch die legendären großen Zackenbarsche (Epinephelus) in diesen Großbecken nicht fehlen. Es gibt mehr Arten von ihnen im Mittelmeer, als man gemeinhin denkt; auch wenn das auf den ersten Blick unwahrscheinlich erscheint: die weiter oben vorgestellten Fahnenbarsche (Anthias anthias) gehören auch zu ihnen! Die Fahnenbarsche sind nur mit zwei Arten im Mittelmeerraum vertreten, vier kleinere (15-30 cm) Zackenbarsch-Arten gehören zur Gattung Serranus, von denen der Schriftbarsch (Serranus scriba) wohl der bekannteste ist; Serranus cabrilla ist weiter oben abgebildet. Die Serranus-Arten sind funktionale Simulatan-Zwitter, d.h. sie haben gleichzeitig funktionsfähige Hoden und Eierstöcke. Zur Not können sie sogar ihren eigenen Laich befruchten und somit Klone von sich selbst produzieren! Die Ephinephelus-Arten, die allesamt deutlich über 1 m lang werden können, sind zwar auch Zwitter, aber protogyne, d.h., sie beginnen ihr Geschlechtsleben als Weibchen und wandeln sich dann nach einigen Jahren zu Männchen um. Funktional haben Epinephelus immer nur ein Geschlecht. Meist wird in Schauaquarien der Braune Zackenbarsch (Epinephelus marginatus) gezeigt, der eine maximale Länge von 140 cm erreichen kann. Auch in Livorno ist diese Art vertreten, die man früher als E. guaza kannte.

Zahnbrassen, Dentex dentex

Es ist natürlich nicht möglich, all die wunderbaren Fische zu würdigen, die im Aquarium von Livorno leben, aber eine Art hat es mir dann doch noch besonders angetan, die in diesem letzten Großbecken in mehreren prachtvollen Exemplaren vorhanden ist und die man sonst eher von der Speisekarte her kennt: die Zahnbrasse (Dentex dentex). Diese Brassen-Art wird maximal einen Meter lang. Erwachsene Zahnbrassen sind getrenntgeschlechtlich, aber manche jungen Exemplare sind – sozusagen als Notprogramm – zwittrig. So kann auch bei hohem Feinddruck noch eine gewisse Reproduktion der Art stattfinden.

Mein Fazit für das Aquarium Livorno: ein ganz wunderbares Schauaquarium mit hervorragend gepflegten Tieren, das auch verwöhnten Fischfreunden ausgesprochene Raritäten präsentiert. Ein Besuch ist absolut uneingeschränkt empfehlenswert!

Frank Schäfer

Hier geht es zur Homepage des Aquariums: http://www.acquariodilivorno.com/aquarium.php

Wer bis dahin mehr über die Tierwelt des Mittelmeeres lesen möchte findet hier den Lesestoff: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=mittelmeer


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Franky Karfreitag: Der Kreuzwels oder Minihai

Seit Jahrzehnten erfreut sich ein eleganter, silberglänzender Fisch großer Beliebtheit im Zoofachhandel. Der Populärname „Minihai“ hat sich unausrottbar eingebürgert. Dabei ist dieser Fisch weder Mini noch Hai. Mit einer Maximallänge von gut 30 cm gehört er als Aquarienfisch eher zur Bullenklasse und erreicht die Obergrenze der Größe von Fischen, die man gewöhnlich noch im Aquarium pflegt. Allerdings erreichen die Tiere sowohl in der Natur wie im Aquarium gewöhnlich nur 15-20 cm, aber auch das ist noch jenseits von „Mini“.

Ein Blick ins Gesicht zeigt: Barteln! Kein Hai hat so etwas und tatsächlich handelt es sich beim Mini-Hai um einen Wels aus der Familie der Ariidae, auf Deutsch auch Kreuzwelse genannt. Diese Welse leben, ganz im Gegensatz zu der überwältigenden Mehrzahl ihrer Vettern, vorzugsweise im Meer. Phantasiebegabte Menschen sehen in der Innenseite des Schädels ein Kruzifix, daher der Name „Kreuzwelse“. Kitschig ausgemalt kann man diese Naturkruzifixe vielerorts in Süd- und Mittelamerika kaufen.

Unterseite des Schädels eines Welses aus der Familie Ariidae, der nach Volkskunde Jesus am Kruzifix zeigt. Das linke Bild hat den vitruvianischen Menschen aus einem w:File:Vitruvian-Icon.png überlagert, um zu veranschaulichen, wo Jesus dargestellt sein soll, während das rechte Bild einfach der Schädel ist. In der linken oberen Ecke bildet die kleine schwarze Linie einen Maßstab von einem Zentimeter. Stirnseite nach unten. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Crucifix_catfish_skull_with_and_without_man.jpg

Kreuzwelse sind Maulbrüter im männlichen Geschlecht. Es handelt sich um eine sehr artenreiche Familie, über 150 Arten in 30 Gattungen sind gegenwärtig akzeptiert. Allerdings machen die Kreuzwelse den Systematikern das Leben schwer. Sie sehen einander sehr ähnlich, viele vermeintlich artabgrenzende Merkmale erwiesen sich im Nachhinein als im Laufe der Individualentwicklung variierende Kennzeichen. Und so ist die wissenschaftliche Literatur über Kreuzwelse sehr verworren und schwierig zu interpretieren. Kreuzwelse sind sehr häufig und treten in großen Stückzahlen auf, weshalb sie einen wichtigen Bestandteil der Küstenfischerei bilden.


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Nur eine einzige Art ist aquaristisch von Bedeutung, nämlich besagter Minihai. Er wird hauptsächlich aus Kolumbien (Zuflüsse des Pazifiks) importiert. Eigentlich ist er ein Brack- und Seewasserfisch, doch passt er sich problemlos an reines Süßwasser an, nur darf der pH-Wert nicht dauerhaft unter 7 sinken: saures Wasser bringt den Fisch um. Für die langjährige Pflege empfiehlt sich darum ein Brack- oder Meerwasseraquarium, denn hier ist das Wasser durch die Salzmischung gut auf einen pH-Wert von 8,3 gepuffert.

Kreuzwelse sind gesellige Tiere und sollten immer im Trupp von 6 Exemplaren aufwärts gepflegt werden.

Zunächst bezeichnete man den Minihai als Arius jordani, dann galt dieser Name als Synonym zu A. seemanni. Und dann wurde die Art durch die Gattungen gereicht. Mal wurde er Arius, mal Sciades, mal Hexanematichthys und dann Ariopsis zugeordnet. Jetzt erschien eine Revision der Gattung Ariopsis. Nach dieser heißt unser Minihai jetzt richtig Ariopsis simonsi (Starks, 1906). Bislang war dieser Name in die Synonymie von A. seemanni verwiesen worden. Mal sehen, wie lange dieser Name nun Bestand hat…


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Ausgewachsenes Männchen des Minihais im Aquarium des Baseler Zolli
Ausgewachsenes Weibchen
Close-up der seltsam modifizierten Bauchflosse eines ausgewachsenen Weibchens.

Wenn die Fische ausgewachsen sind, entwickelten die Weibchen seltsame Modifikationen der Bauchflossen. Wozu diese Bauchflossenmodifikationen jedoch dienen, entzieht sich meiner Kenntnis. Über eine erfolgreiche Zucht im Aquarium ist mir nichts bekannt, sie sollte allerdings im Meerwasseraquarium relativ problemlos möglich sein. Der aquaristische Bedarf kann und sollte durch Wildfänge gedeckt werden, denn das ist ökologisch sinnvoller und eine wichtige Einnahmequelle für die lokalen Fischer in Kolumbien, aber durch die Zucht im Aquarium könnte geklärt werden, wie das Paarungsverhalten der Tiere abläuft, das bislang noch völlig unbekannt ist.

Frank Schäfer

Literatur:

Marceniuk, A.P., Acero, A.P., Cooke, R. & Betancur-R, R. (2017): Taxonomic revision of the New World genus Ariopsis Gill (Siluriformes: Ariidae), with description of two new species. Zootaxa, 4290 (1): 1-42.

Und weiteren Lesestoff zum Thema Welse gibt es hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=welse

Wer kennt die Wildform des Goldfisches?

Der Goldfisch und der Koi sind die beiden am längsten domestizierten Fischarten des Planeten. Für den Goldfisch gelten rund 1.000 Jahre als Haustier als nachgewiesen. Für viele Menschen ist ein Goldfisch einfach nur ein bunter Fisch, der lebhaft und friedlich ist, mit einem einfachen, strom­linienförmigen Körperbau und mit großen, freundlich drein­blickenden Augen. Ein Allerweltsfisch, Fisch der Kinder, unter aquaristischen Aspekten „der“ Anfängerfisch schlechthin, bei dem man kaum etwas falsch machen kann. Aber auch der einfache Goldfisch, den jeder kennt, ist bereits etwas anderes als der “echte Goldfisch”, ungeachtet der Tatsache, dass er ihm in Körper- und Flossenform gleicht.

Einfacher, „normaler“ Goldfisch, erwachsenes, rund 25 cm langes Exemplar.

Die natürliche Färbung des wilden Gold­fisches ist oliv-braun. Andere Färb­ungen kommen da und dort vor, vor allem in Flussniederungen, kleinen Seen und Neben­ge­wässern, aber man geht davon aus, dass es sich dabei um Abkömmlinge ausge­setzter domestizierter Goldfische handelt. Aber selbstverständlich kommen auch in reinen Wildpopulationen Farbvarianten vor.

Wildfarbener Goldfisch, Carassius auratus. Alle Goldfische sind anfangs so gefärbt, die Goldfärbung tritt erst im Alter von 1-2 Jahren ein. Viele Exemplare bleiben aber zeitlebens wildfarben.

Zoologisch gesehen ist der Goldfisch ein Vertreter der Gattung Carassius. Zu dieser Gattung gehört auch eine in Mitteleuropa allgegenwärtig verbreitete Art, die Karausche (Carassius carassius) – zumindest galt das Attribut „allgegenwärtig“ früher. Die Karausche ist von allen Karpfenfischen Mitteleuropas am besten an kleine, nahrungs- und sauerstoffarme Gewässer angepasst. Eine Weile erträgt sie sogar das völlige Fehlen von Sauerstoff (sie veratmet dann Milchsäure, so wie das unsere Muskulatur tut, wenn sie in Sauerstoffnot gerät), kann das Austrocknen des Gewässers in Schlamm eingewühlt überstehen und sogar einfrieren, ohne dauerhaft Schaden zu nehmen. Aber all diese Lebenszähigkeit nutzt ihr heutzutage nichts. Durch das Trockenlegen von Sümpfen, das Zuschütten von Kleingewässern und das allgemeine Aufräumen der Natur ist sogar die Karausche vielerorts verschwunden und steht mittlerweile in zahlreichen Bundesländern auf der Roten Liste. Verwechslungen mit anderen Carassius-Arten, heimischen und eingeschleppten, machen Bestandsaufnahmen oft fragwürdig, weshalb man über die tatsächlichen Bestände nur schlecht informiert ist. Zu unserer Ur-Großväter Zeiten, also zwischen 1850 und 1870, galt eine Hungerform der Karausche, der so genannte Moorkarpfen, als einer der geeignetsten Aquarienfische überhaupt – wen wundert es! Der Moorkarpfen wurde bzw. wird (es gibt ihn ja auch heute noch, wenngleich ihn niemand mehr im Aquarium pflegt) niemals länger als 5-7 cm, während Karauschen, die optimal mit Futter und gutem Wasser versorgt werden, 40 cm lang und 2,5 kg schwer werden können! Der Rekord steht sogar bei 64 cm. Das alles steckt genetisch in Carassius carassius.

Die Seekarausche ist die große, die Teichkarausche (= Moorkarpfen) die Zwergform von Carassius carassius. Arttypisch ist der Schwanzwurzelfleck, den kein anderer heimischer Karpfenfisch zeigt. Leider ist er stimmungsbedingt nicht immer sichtbar. Der Karauschkarpfen oben links ist eine Kreuzung von Karausche und Karpfen, erkennlich an den kleinen Barteln, die bei allen Carassius-Arten immer fehlen. aus „Unsere Süßwasserfische“ von Emil Walter, 1913

Es gibt/gab von der Karausche auch eine Goldform. Die entstand keineswegs durch eine Kreuzung mit dem Goldfisch, sondern durch eine spontane Mutation, die man Xanthorismus nennt, und die bei fast allen Fischen auftreten kann. Bekannte Beispiele für Xanthorismus sind unter den heimischen Arten die Goldorfe und die Goldschleie. Aber aus unerfindlichen Gründen interessiert sich niemand für die Goldkarausche. Ich versuche schon seit über 20 Jahren mal eine zu Gesicht zu bekommen, bisher vergeblich, von Kaufangeboten ganz zu schweigen.

Xanthoristische Fische. Die Goldorfe (Leuciscus idus) und die Goldschleie (Tinca tinca) sind seit dem Mittelalter dokumentiert und werden bis heute gezüchtet. Für die Goldkarausche liegen keine Daten vor. Ob es sie noch gibt ist fraglich. aus „Unsere Süßwasserfische“ von Emil Walter, 1913

Die bekannter Verwandter des Goldfisches ist der Giebel (Carassius gibelio). Von Gold­fisch und Giebel glaubte man sogar lange Zeit, sie seien so nah miteinander verwandt, dass es sich lediglich um Unterarten der selben Spezies handele: C. auratus auratus und C. auratus gibelio. Das Unterarten-Konzept wird heutzutage kaum noch angewendet. Man steht heute eher auf dem Standpunkt: entweder es gibt Unterschiede – dann ist es auch eine eigenständige Art – oder es gibt sie nicht, dann braucht man sie auch nicht extra zu benennen. Das trifft freilich nicht immer und überall so einfach zu. Sieht man eine Kohlmeise aus Italien neben einer Kohlmeise aus Skandinavien, so fällt sofort der Größenunterschied auf. Da aber in dem großen Gebiet dazwischen alle möglichen Mischformen zwischen diesen Extremen zu finden sind, bleibt man dabei, die beiden als unterschiedliche Unterarten zu sehen. Mischpopulationen zwischen Giebel und Goldfisch sind aber aus der Natur nicht nachgewiesen, darum geht man von zwei guten Arten aus.

Die Urheimat des wilden Goldfisches sind China, Zentralasien, Japan und einige Ge­biete Sibiriens, während der Giebel wohl auch in West-Sibirien vorkommt, allgemein aber als Bewohner des östlichen Europas gilt. Die beiden Arten können anhand geringfügiger anatomischer Merkmale auseinander ge­halten werden, wie etwa der Kopfgröße im Verhältnis zur Körperlänge (geringer beim Giebel), der Anzahl der Kiemendornen (35-46 beim Goldfisch und 39-50 beim Giebel), Flossenstrahlen und Anzahl der Schuppen in der Seitenlinie. Allerdings hat die buch­stäb­lich weltweite Verschleppung des Gold­fisches durch den Menschen dazu geführt, dass natürliche Verbreitung und popula­tions­­charakteristische Merkmale heutzutage kaum noch nachvollziehbar und viele der wil­den Populationen unklaren Ursprungs sind.

Giebel, Carassius gibelio

Der Goldfisch wurde bereits 1758 von Linné wissenschaftlich beschrieben. Die Beschreibung bezieht sich auf ein domestiziertes Exemplar. Das führte bei einigen Menschen zu der Idee, der Name Carassius auratus sei wissenschaftlich gar nicht gültig, weil die Internationalen Regeln für die zoologische Namensgebung explizit ausschließen, dass Haustiere mit einem eigenen wissenschaftlichen Namen belegt werden. Das ist aber falsch. Richtig ist: Haustiere bekommen keinen eigenen wissenschaftlichen Namen, weil sie per Definition artgleich mit der Wildform sind. Der Haushund ist darum immer Canis lupus, genau wie der Wolf, weil alle Haushunde vom Wolf abstammen; glücklicherweise kannte Linné den Wolf – er vergab den Namen Canis lupus. Da mit Linné die zoologische Namensgebung begann, braucht man nicht zu zanken. Wäre der Haushund jedoch in einer wissenschaftlich gültigen Arbeit früher als der Wolf als Canis familiaris beschrieben worden, so hieße der Wolf heute Canis familiaris und nicht Canis lupus, einfach weil Wolf und Haushund die gleiche zoologische Spezies sind und dabei der erstgeprägte wissenschaftliche Name der gültige ist. In der Causa Goldfisch ist es so, dass Linné die Wildform nicht kannte. Der Name Carassius auratus ist trotzdem verfügbar und muss auf den wilden Goldfisch und alle seine Zuchtformen angewendet werden.

Die Karausche – um die Beschreibung der bekanntesten Carassius-Arten abzuschließen – ist oliv-braun, aber deutlich hochrückiger als die beiden anderen Arten, die Rückenflosse der Karausche hat einen kon­vexen Rand (konkav bei den beiden anderen Arten), die Karausche hat einen Schwanzwurzelfleck (dieser fehlt bei allen anderen Carassius-Arten). Schließlich hat die Karausche unterschiedliche Zähl­werte bezüglich Flossenstrahlen und Kiemen­dornen.

Karausche, Carassius carassius (Population Görlitz, Deutschland), ein so genannter Moorkarpfen

Die weite Verbreitung des Goldfisches, die mit seiner außergewöhnlichen angeborenen Plastizität erklärbar ist, führte zu leicht unter­schiedlichen Formen, die teils von Ört­lichkeiten, teils von Umweltbedingungen  geprägt sind und das führte über die Zeit zu zahlreichen wissenschaftlichen Beschreibungen von Arten und Unterarten. 1945 gab es nicht weniger als 42 offizielle wissenschaftliche Beschreibungen von Goldfischen und anderen Carassius-Arten! Seit damals hat man die Artenzahl auf sechs reduziert.

Zuchtform „Super Red“ des Goldfisches

FishBase listet für Carassius folgende Formen als valide:

C. auratus (Goldfisch, Kin-buna*)

C. carassius (Karausche)

C. cuvieri (Japanische oder Weiße Karausche)

C. gibelio (Giebel)

C. langsdorfii (Gin-buna*)

Carassius praecipuus (eine Zwergart aus Laos, die nur 7 cm lang wird und erst 2017 beschrieben wurde) 

Die mit Sternchen (*) versehenen Populär­namen sind japanischen Ursprungs.

Zuchtform „Messing“ des Goldfisches.

C. auratus argenteaphthalmus ist eine umstrittene Unterart, die Nguyen 2001 beschrieb. Sie kommt aus Vietnam. In einer sehr aktuellen Arbeit (Rylková et al. 2018) wurde diese Carassius-Form genetisch untersucht. Dabei kam heraus, dass sich tatsächlich in Vietnam zwei genetisch unterschiedliche Formen finden, dass jedoch das von Nguyen als Artmerkmal angenommene rote Auge nicht zur Unterscheidung geeignet ist, da es bei beiden Formen auftreten kann – oder auch nicht; wenn argenteaphthalmus eine valide Form ist, dann eher als eigenständige Art, nicht als Unterart.

Sehr seltene Zuchtvariante des Goldfisches: weiß-matt. Dieser Farbform fehlt die reflecktierende Schicht silberfarbenen Pigments (Guanin), wodurch der Kiemendeckelt durchschtig ist.

Die einzige Carassius-Art, der die meisten von uns je in ihrem Leben be­gegnen werden, ist der Gemeine Goldfisch. Mit Giebel und Karausche kommen gewöhnlich nur Angler in Berührung. Seit 2007 wird allerdings auch Carassius langsdorfii in Europa nachgewiesen. Man nimmt an, dass dieser Fisch versehentlich mit Koi-Importen aus Japan nach Europa kam. Genetische Untersuchungen zeigen, dass die verschiedenen Carassius-Formen sich auf molekularer Ebene sehr deutlich voneinander unterscheiden, viel deutlicher jedenfalls, als man das nach äußeren Merkmalen annehmen würde.

Die eigentliche Wildform des Goldfisches bleibt ein rätselhafter Fisch. Es ist kaum zu erwarten, dass es heutzutage überhaupt noch möglich ist, reine Wildpopulationen davon zu finden, denn wenngleich bisher klimatische Gründe dafür sorgen, dass sich diese Fischart in Mitteleuropa nicht dauerhaft etablieren kann (was sich allerdings durch die weltweite Klimaerwärmung durchaus ändern könnte): dadurch, dass seit rund tausend Jahren Goldfische in China und anderen Teil des buddhistischen Asiens als glücksbringende, religiöse Handlung ausgesetzt werden, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass es nicht vom Menschen züchterisch beeinflusste Wildgoldfische überhaupt noch existieren.

Frank Schäfer

Aktuelle Literatur (Auswahl):

Chen, D., Zhang, Q., Tang, W., Huang, Z., Wang, G., Wang, Y., … & Zhang, J. (2020). The evolutionary origin and domestication history of goldfish (Carassius auratus). Proceedings of the National Academy of Sciences117(47), 29775-29785.

Kalous, L., Rylkov a, K., Bohlen, J., Sanda, R., & Petrt yl, M. (2013): New mtDNA data reveal a wide distribution of the Japanese ginbuna Carassius langsdorfii in Europe. Journal of Fish Biology, 82, 703–707. https://doi.org/10.1111/j.1095-8649.2012.03492.x

Kalous, L., Slechtov a, V., Bohlen, J., Petrty l, M., & Švátora, M. (2007): First European record of Carassius langsdorfii from the Elbe basin. Journal of Fish Biology, 70, 132–138. https://doi.org/10.1111/j.1095-8649.2006.01290.x

Knytl, M., Forsythe, A., & Kalous, L. (2022). A fish of multiple faces, which show us enigmatic and incredible phenomena in nature: Biology and cytogenetics of the genus Carassius. International Journal of Molecular Sciences23(15), 8095.

Kottelat, M. (2017): Carassius praecipuus, a dwarf new species of goldfish from the Mekong drainage in central Laos (Teleostei: Cyprinidae). Revue Suisse de Zoologie v. 124 (no. 2): 323-329.

Liu, Q., Liu, J., Liang, Q., Qi, Y., Tao, M., Zhang, C., … & Liu, S. (2019). A hybrid lineage derived from hybridization of Carassius cuvieri and Carassius auratus red var. and a new type of improved fish obtained by back-crossing. Aquaculture505, 173-182.

Rylková, K., M. Petrtýl, A. T. Bui and L. Kalous (2018): Just a Vietnamese goldfish or another Carassius? Validity of Carassius argenteaphthalmus Nguyen & Ngo, 2001 (Teleostei: Cyprinidae). Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research 2018;00:1–9. https://doi.org/10.1111/jzs.12223

Rylkov a, K., Kalous, L., Bohlen, J., Lamatsch, D. K., & Petrty l, M. (2013). Phylogeny and biogeographic history of the cyprinid fish genus Carassius (Teleostei: Cyprinidae) with focus on natural and anthropogenic arrivals in Europe. Aquaculture, 380, 13–20. https://doi.org/ 10.1016/j.aquaculture.2012.11.027

Sayer, C. D., Emson, D., Patmore, I. R., Greaves, H. M., West, W. P., Payne, J., … & Copp, G. H. (2020). Recovery of the crucian carp Carassius carassius (L.): Approach and early results of an English conservation project. Aquatic Conservation: Marine and Freshwater Ecosystems30(12), 2240-2253.


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Hepsetus odoe – ein Hecht für das Aquarium

Raubfische üben eine besondere Faszination auf den Betrachter aus. Besonders die im Reich der Fische über Familiengrenzen hinaus weit verbreitete Hechtform vermittelt den Eindruck unbändiger Kraft in Verbindung mit unvergleichlicher Eleganz.

Der einheimische Hecht (Esox lucius) lässt sich zwar problemlos im Aqua­rium pflegen, hat aber den Nachteil, dass er unabhängig von der Aquariengröße wächst – und das in einem rasanten Tempo.

Kleine Hechte, Esox lucius, kann man leicht im Aquarium pflegen; sie wachsen aber rasch heran.

Für Fans von Raubfischen bieten sich die in Afrika weit verbreitete Hechtsalmler (Hepsetus) als Alternative an.

Ungeahnte Artenvielfalt

Der Afrikanische Hechtsalmler, Hepsetus odoe, ist die einzige Art der in Afrika endemischen Familie Hepsetidae – so dachte man bis 2011. Doch dann wiesen Zengeya et al. nach, dass die im Quanza im südlichen Afrika vorkommenden Hechtsalmler einer bis dato fälschlich mit Hepsetus odoe synonymisierten Art, nämlich H. cuvieri  (Castelnau, 1861) angehören. Sie unterscheidet sich von H. odoe durch die niedrigere Zahl Kiemenrechen (8-13 gegenüber 14-21 bei H. odoe) und Beschuppungsmerkmale. Diese doch etwas überraschende Erkenntnis, immerhin ist Hepsetus praktisch über ganz Afrika verbreitet und aufgrund seiner interessanten Biologie und seiner Bedeutung als Speisefisch recht gut untersucht, lenkte die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler auf weitere Populationen, was zunächst (Decru et al., 2012) zur Beschreibung von Hepsetus akawo als neuer Art führte (zu dieser Art gleich mehr) und schließlich zur Beschreibung von H. kingsleyae und Revalidierung der bis dahin ebenfalls als Synonym zu H. odoe aufgefassten Form H. lineatus (ursprünglich beschrieben als Sarcodaces odoe var. lineata Pellegrin, 1926) als volle, gültige Art. (Decru et al. (2013))

Etwa 10 cm langes Exemplar von Hepsetus odoe, des Afrikanischen Hechtsalmlers.

Damit erhöhte sich die Artenzahl bei Hepsetus schlagartig auf fünf. Doch ein Ende war nicht wirklich abzusehen. Denn Decru et al. (2013) fanden bei ihrer Studie, die sich auf die Hepsetus-Population der unteren Guinea-Region beschränkte, auch einige Individuen, die sich keiner der Arten eindeutig zuordnen ließen und bei denen sie Naturhybriden vermuten. Der Begriff „untere Guinea-Region“ ist zoogeografisch zu verstehen und umfasst die Küstenflusseinzüge vom Cross River (Kamerun/Nigeria) im Norden bis zum Shiloango (Angola, DR Congo) im Süden. 176 in Museumssammlungen aufbewahrte Hepsetus aus der unteren Guinea-Region wurden intensiv untersucht, wobei 24 Zählwerte und 36 Messstrecken von jedem Individuum erfasst wurden. Dabei ergab sich als vorläufiges Resultat das oben referierte Bild.

2015 kam als vorerst letzte Art noch Hepsetus microlepis (Boulenger, 1901) aus dem Kongo hinzu, ursprünglich unter dem Namen Sarcodaces odoe var. microlepis beschrieben; der erst 2013 beschriebene H. akawo stellte sich noch im gleichen Jahr als Synonym zu H. odoe heraus, statt dessen wurde der bis dahin als H. odoe fehlidentifizierte Hepsetus aus dem westlichen Westafrika (vom Senegal bis Chavally River) als H. occidentalis neu benannt (Decru et al, 2013b).

Rein farblich, das dürfte nicht verwundern, unterscheiden sich die bis jetzt anerkannten Arten von Hepsetus nur unwesentlich, jedenfalls so weit es konservierte Tiere betrifft. Lediglich H. microlepis bildet eine Ausnahme. Diese im Kongo recht weit verbreitete Art ist einheitlich fast schwarz gefärbt. Leider ist mir kein Lebendfoto dieses Hepsetus bekannt.

Geschlechtsreifes Paar von Hepsetus odoe, das Männchen ist vorn im Bild.

Eine 2017 publizierte Studie zeigt, dass die molekulargenetischen Untersuchungen an den genannten sechs derzeit gültigen Hepsetus-Arten (Hepsetus cuvieri; H. kingsleyae; H. lineatus; H. microlepis; H. occidentalis; H. odoe) bestätigen, was durch morphologische Befunde herausgefunden wurde, nämlich die Gültigkeit dieser sechs Arten.

Hepsetus kingsleyae ist endemisch im Ogowe-Becken in Gabun. Er unterscheidet sich von H. odoe und H. lineata durch den schmaleren Kopf, von H. occidentalis durch die geringere Anzahl Schuppen in der Seitenlinie und von H. cuvieri durch die höhere Anzahl Kiemenrechen. Die Art wird etwa 25 Zentimeter lang.

Hepsetus lineatus kommt in den Flüssen Sanaga, Nyong und Ntem (Kamerun), den gesamten Ogowe und Nyanga-Becken (Gabun) und den Kouilou-Niari und Shiloango-Becken (DR Congo) vor. Die Art kommt teilweise sympatrisch und sogar syntop mit H. kingsleyae vor, zu Unterschieden der beiden Arten s. dort. Von H. odoe unterscheidet sich H. lineatus durch die höhere Anzahl Schuppen in der Seitenlinie (50-64 bei H. lineatus, 43-51 bei H. odoe) und die niedrigere Anzahl Kiemenrechen (12-18 bei H. lineatus, 17-23 bei H. odoe). Von H. occidentalis lässt sich H. lineatus am sichersten durch die Messtrecken zwischen den Nasenöffnungen und dem Abstand zwischen Nasenöffnung und Unterkiefer unterscheiden, während H. cuvieri und H. lineatus eine Reihe von Beschuppungsmerkmalen und die Anzahl der Kiemenrechen unterscheiden. Außer H. kingsleyae und H. lineatus sind die Hepsetus-Arten gewöhnlich allopatrisch, schließen sich also gegenseitig geografisch aus. Im Kongo kommen allerdings drei Arten vor, H. microlepis, H. lineatus und H. cuvieri.

Aber es ist recht praktisch, dass dort, wo zwei Arten benachbart zueinander vorkommen, die Mess- und Zählunterschiede besonders signifikant sind. Die stellenweise gemeinsam vorkommenden Hepsetus kingsleyae und H. lineatus lassen sich relativ leicht auseinanderhalten, da H. kingsleyae viel zierlicher und schlanker als der massige H. lineata ist. Es soll aber auch nicht verschwiegen werden, dass ein von Decru et al. (2013) untersuchtes Exemplar Hybridcharakter zwischen H. odoe und H. lineatus aufweist. Es könnte also sein, dass H. odoe und H. lineatus im Norden der unteren Guinea-Region gemeinsam vorkommen.

Es würde an dieser Stelle viel zu weit führen, alle die ausführlichen Untersuchungen, die an den Tieren vorgenommen wurden, zu referieren. Es ist auch derzeit nicht damit zu rechnen, dass irgend eine Art außer Hepsetus odoe im Handel auftaucht. Diese Art wird allerdings regelmäßig aus Nigeria für die Aquaristik importiert.

Es ist zu erwarten, dass in Zukunft noch mehr Hepsetus-Arten beschrieben oder aus der Synonymie geholt werden. Vielleicht kommen die diversen Arten dann auch einmal lebend zu uns. Zu wünschen wäre das, denn Hepsetus sind wirklich interessante Aquarienbewohner.

Uralter Fischadel

Portrait eines erwachsenen Hechtsalmlers mit ausgeklappten Hautlappen am Maul.

Der Hechtsalmler weist viele ­Besonder­heiten auf, die ihn von den anderen Salmlern unterscheiden. Dazu gehört eine einfache Hilfsatmung über die als Lunge fungierende Schwimmblase, die dem Tier das Überleben in sauerstoffarmen Sümpfen ermöglicht. Verschiedene anatomische Besonderheiten zeigen, dass die nächsten heute noch leben­den Verwandten des Hechtsalmlers in Süd­amerika leben. Dabei handelt es sich um die ebenfalls gelegentlich im Aquarium ge­pflegten und gezüchteten Arten der Familie Ctenoluciidae. Das bedeutet, dass die Ahnen beider Gruppen zu einer Zeit gelebt haben, als Afrika und Südamerika noch eine gemeinsame Landmasse bildeten. Verschiedene Merkmale im Schädelbau zeigen deutlich, dass Hepsetus der alter­tümlichste aller heute noch existierenden Salmer ist.

Natürlicher Lebensraum

Hepsetus odoe zeigt eine hohe ökologische Toleranz, besiedelt jedoch hauptsächlich Sumpfgebiete und Still­wasserzonen.

Ein perfekter Räuber

Das Gebiss und die Körperform weisen den Hechtsalmler als Raubfisch aus. Sein Gebiss wird aus scharfen, spitzen Hundszähnen gebildet (der Fachausdruck lautet: canini­formen Zähnen), die vergleichsweise große Schwanzflosse ermöglicht dem Tier einen blitzartigen, schnellen Angriffsspurt und die Färbung aus bräunlichen oder olivfarbenen Bändern auf hellem Grund ist eine her­vorragende Tarnung. Die Fettflosse aller­dings, die den Salmlern zu ihrem deutschen Populärnamen verholfen hat und so überaus charakteristisch für fast alle Salmler ist (der Name Salmler ist eine verballhornte An­lehnung an die Sammelbezeichnung „Salmoniden“ für Forellen, Lachse, Saiblinge et., die ebenfalls eine Fettflosse besitzen), ist auffällig orange und lackschwarz gefärbt. Diese Flosse, so nimmt man an, dient der innerartlichen Kommunikation. In der Natur frisst Hepsetus nahezu ausschließlich Fische. Jungtiere im oberen Sambesi (Sambia) nutzen Fiederbartwelse (Synodontis) als Nahrungsgrundlage, später bilden Cichliden (Haplochromis, Tilapia) und Mormyriden die hauptsächliche Nahrung.

Wie groß wird Hepsetus?

Der Hechtsalmler wird durchschnittlich 30 cm lang. Mit Größenangaben bei Fischen ist das allerdings so eine Sache. Erstens wachsen alle Fische zeitlebens, wenn auch im Alter deutlich weniger als in der Jugend. Zweitens hängt die erreichbare Größe eines Fisches nicht nur von genetischen Anlagen ab, sondern auch in entscheidendem Maße von Umweltbedingungen. Der größte je bekannt gewordene Hechtsalmler war vermutlich (man kennt nur seinen Schädel) etwa 50 cm lang und wog rund 2 kg. Da der Hechtsalmler einen wichtigen Anteil des Fanges der lokalen Fischer in Afrika bildet, weiß man jedoch recht gut, wie groß die Tiere normalerweise sind und Exemplare von 30 cm gelten schon als kapitale Bur­schen. Gewöhnlich werden sie nur 20 cm lang und wiegen dann etwa 50 g. Die Geschlechtsreife setzt bei noch erheblich geringeren Größen ein. Männchen werden z. B. im Okavango-Delta mit 14 cm, Weibchen (die generell größer werden) mit 16 cm Länge geschlechtsreif. Diese Größenan­gaben beziehen sich immer auf die Standardlänge, also ohne Schwanzflosse. Unter den Bedingungen eines Aquariums, wo die Tiere ja erheblich älter werden als in der Natur und keinerlei Mangel leiden, ist also damit zu rechnen, dass alte Tiere auch mal über die 30-cm-Marke hinauswachsen.

Geschlechtsunterschiede

Detailaufnahme des Männchens. Man beachte die Form und Größe der After- und Rückenflosse.
Detailaufnahme des Weibchens.

Außer durch die Größe – Weibchen werden, wie bereits erwähnt, größer als die Männchen – unterscheiden sich die Ge­schlechter deutlich durch die Größe der Rücken- und der Afterflosse. Bei den Männchen sind beide Flossen erheblich stärker entwickelt. Besonders die Rückenflosse der Männchen ist sehr stattlich und reicht fast bis an die Schwanzflosse, was sie bei den Weibchen niemals tut.

Fortpflanzung

Schaumnest von Hepsetus odoe

Auch bezüglich des Fortpflanzungsverhaltens stellt der Hechtsalmler eine Ausnahmeerscheinung bei den Salmlern dar. Denn als einzige Salmlerart baut dieser Räuber ein Schaumnest, nicht unähnlich zu dem, das man von Labyrinthfischen her kennt. In der Natur ist die Fortpflanzung weniger an die Jahreszeit, als an die Wasser­temperaturen gebunden. Gelaicht wird bei Niedrigwasser und vergleichsweise hohen Temperaturen. Das bedeutet, dass z. B. im Okovango-Delta manche Populationen hauptsächlich zwischen August und Januar laichen, andere von August bis Mai, je nachdem, wie die jährliche Flut im Okavango das jeweilige Habitat erreicht. Beide Geschlechter sind offenbar am Bau und bei der Verteidigung des Schaumnestes beteiligt. Zum Schaumnestbau werden vermutlich auch die seltsamen Hautlappen eingesetzt, die die Tiere am Kiefer besitzen. Allerdings klappen die Fische diese Hautlappen auch aus, wenn sich die Wasserverhältnisse verschlechtern. Wenn die Tiere oberflächennah schwimmen helfen die Hautlappen wohl, die Sauer­stoffversorgung zu verbessern. Das Schaumnest ist kuppelförmig (etwa 17 x 16 cm und ca. 9 cm hoch) und wird in Ufernähe zwischen Röhricht angelegt. Die Eier – es sind durchschnittlich 2.600 – steigen während der Entwicklung an die Oberfläche des Nestes, wo auch die Larven schlüpfen. Hier sind sie besser vor Fressfeinden geschützt und optimal mit Sauerstoff versorgt. Das Hochsteigen der Eier wird wohl dadurch bewirkt, dass die Eltern nach dem Ablaichen weiterhin Schaumblasen unter dem Nest produzieren. Die Larven sinken im Nest nach unten und heften sich mit Zementdrüsen am Kopf an das Nest an. Das Nest wird nun signifikant flacher, es hat nun nur noch eine Höhe von etwa 2 cm, und breiter (ca. 40 x 30 cm). Die Eltern verteidigen das Nest, aber über eine direkte Brutpflege, also z. B. das Einsammeln von Jungtieren ist nichts bekannt.

Hechtsalmler im Aquarium

Im Aquarium sind Hepestus odoe wunderschöne und interessante Studienobjekte. Untereinander und zu fremden Fischen, die nicht als Futter in Frage kommen, sind sie friedlich. Lediglich bei sehr begrenztem Raum kann es einmal zu zänkischen Auseinander­setzungen zwischen Hechtsalmlern kommen. Insgesamt sind Hepsetus eher als schüchtern einzustufen, die sich selbst von Buntbarschen, die nicht einmal halb so groß sind wie sie selbst, ins Bockshorn jagen lassen. Ideale Gesellschafter sind ruhige Buschfische (Ctenopoma), Flösselhechte (Polypterus) oder Lungenfische (Protopterus). Die Ernährung ist erfreulich einfach, denn die Fische nehmen problemlos tiefgekühlte Fische als Nahrung an. Für Hechtsalmler ab 12 cm Länge bieten sich tiefgekühlte, ganze Stinte als ideale Ernährungsgrundlage an. Zur Not nehmen die Fische auch Filetstreifen, doch sollte das die Ausnahme bleiben. Die chemische Wasserzusammen­setzung spielt keine Rolle, die Wasser­temperatur kann zwischen 18 und 30°C liegen. Das Aquarium braucht nicht allzu groß zu sein, da Hepsetus ruhige Fische sind, die nicht viel schwimmen. Als Mindestmaß sind etwa 4x die aktuelle Körperlänge des Fisches für die lange Seite und 2-3x die Körperlänge des Fisches für die schmale Seite des Aquariums zu ver­an­schlagen. Die Beckenhöhe ist von unter­ge­ordneter Bedeutung. Pflanzen werden von Hepsetus nicht beachtet, allerdings sollte das Aquarium nicht allzu hell beleuchtet werden, sonst werden die Hechtsalmler scheu.

Es gibt noch viel an diesen fantas­tischen Fischen zu erforschen. Es wäre darum wünschenswert, wenn sich mehr Aquarianer mit der Pflege des Hechtsalmlers beschäf­tigen würden. Die gelungene Zucht im Aquarium – bislang wurde nichts darüber berichtet – könnte, wie bei so vielen Fischen, helfen, wesentliche Details zur Lebens­geschichte von Hepsetus odoe zu klären.

Mir wäre die Zucht beinahe gelungen. Mein Pärchen lebte in einem Aquarium, das 140 cm lang, 70 cm tief und 50 cm hoch ist. Dort lebte es gemeinsam mit verschiedenen Polypterus-Arten. Kurz nach einem Umzug in eine neue Wohnung kam es zum Schaumnestbau; leider hatte ich nur sehr wenig Zeit zum Beobachten, so ein Umzug ist eine üble Sache. Der Auslöser des Fortpflanzungsverhaltens war wohl der massive Wasserwechsel, denn ich nahm natürlich nur wenig Wasser aus der alten Wohnung mit. Während des Umzugs zerbrach eine der beiden Deckscheiben. Ich kam nicht gleich dazu, eine neue zu besorgen und leider sprang das Weibchen – wohl wegen der mit dem Fortpflanzungsverhalten verbundenen Aufregung – aus dem Becken und ich konnte sie nur noch tot bergen.

Das Erlebnis zeigt jedoch, dass eine Nachzucht im Aquarium durchaus möglich ist. Die beiden Tiere befanden sich zu dieser Zeit rund zwei Jahre bei mir und waren etwa 25 cm lang.

Frank Schäfer

Literatur

Zengeya, T. A., Decru, E.  & E. Vreven ( 2011): Revalidation of Hepsetus cuvieri (Castelnau, 1861) (Characiformes: Hepsetidae) from the Quanza, Zambezi and southern part of the Congo ichthyofaunal provinces. Journal of Natural History 45 (27-28): 1723-1744

Decru, E., Vreven, E. & J. Snoeks (2012): A revision of the West African Hepsetus (Characiformes: Hepsetidae) with a description of Hepsetus akawo sp. nov. and a redescription of H. odoe (Bloch, 1794). Journal of Natural History 46 (1-2): 1-23

Decru, E., Vreven, E. & J. Snoeks (2013a): A revision of the Lower Guinean Hepsetus species (Characiformes; Hepsetidae) with a descrition of Hepsetus kingsleyae sp. nov.. Journal of Fish Biology 82: 1351-1375

Decru, E., J. Snoeks & E. J. Vreven (2013b): The true identity of the holotype of Hepsetus odoe and the names of the two West African species of Hepsetus (Teleostei: Hepsetidae). Ichthyological Exploration of Freshwaters v. 24 (no. 2): 187-192.

Decru, E., J. Snoeks & E. J. Vreven (2015): Taxonomic evaluation of the Hepsetus from the Congo basin with the revalidation of H. microlepis (Teleostei: Hepsetidae). Ichthyological Exploration of Freshwaters v. 26 (no. 3): 273-287.

Decru, E., E. J. Vreven, K. de Gelas, E. Verheyen & J. Snoeks (2017): Species richness in the African pike genus Hepsetus: a perfect match between genetics and morphology. Journal of Fish Biology v. 91 (no. 2): 617-627.


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Biotopaquarium „Kleiner Fluss in Thailand“

Thailand ist der Urlaubstraum vieler Fernreisender. Auch Aquarianer zieht es immer wieder in das südostasiatische Land, denn hier leben viele schöne Aquarienfische und es macht große Freude, sie in ihren natürlichen Lebensräumen kennenzulernen. 

Ein kleiner Fluss im Khao Yai Nationalpark, Thailand

Der Lebensraum “Kleiner Fluss”

In kleinen Flüssen in kalkigen, bergigen Regionen, finden wir vor allem mittelgroße Fische, die zwischen 10 und 30 cm lang werden. Das Wasser ist klar, mittelhart bis hart, der pH-Wert liegt deutlich über 7. Das ist ideal, denn dieses Wasser entspricht sehr gut den meisten Leitungswässern in unserem Land. Wassermischerei kann man sich also sparen.

Die Strömung ist überall spürbar, aber selbst kleinräumig sehr unterschiedlich. Viele Fische nutzen den Strömungsschatten hinter einem Stein oder Baumstamm und stehen hier scheinbar ohne größere Flossenbewegungen im Wasser.

Unterwasserpflanzen fehlen meist in diesen Biotopen, nur da und dort gibt es Bestände der großen Genoppten Wasserkelche, Cryptocoryne crispatula var. balansae oder der Thailändischen Wasserlilie, Crinum thaianum. Unter Wasser fällt der Blick auf Geröll in allen Größen, vom relativ feinen Kies bis zu ordentlich großen Findlingen. An manchen Stellen hat die Strömung auch Sandbänke aufgeschoben. Abgestorbene Bäume und Äste, die ins Wasser fielen, sind Anziehungspunkte für eine vielfältige Fischwelt. 

Das Aquarium “Kleiner Fluss”

Es dürfte klar sein: für ein solches Biotopaquarium braucht man ein größeres Becken. Unter 180 cm Kantenlänge wird sich dieses Biotopaquarium nicht gut verwirklichen lassen, die meisten Fischarten müssten sonst Gäste auf Zeit bleiben, weil sie aus dem Aquarium herauswachsen.  Also: ein Aquarium 180 x 60 x 60 cm ist ein gutes Maß, es hat  rund 650 Liter Inhalt. Größer geht natürlich, aber viel höher als 60-70 cm sollte es nicht werden, sonst kommt man ohne Taucherausrüstung bei Pflegemaßnahmen nicht mehr in den Bodenbereich.

Die Strömung ist in der Natur oft ziemlich kräftig und reicht z.B. aus, ein solches Wasserrad anzutreiben, mit dem Wasser zur Bewässung der Felder gefördert wird.

Bei der Technik ist auf einen großvolumigen Filter zu achten, zusätzlich ist eine Strömungspumpe günstig. Die Wassertemperatur sollte 24-26°C betragen. Eine CO2-Düngeanlage ist sehr empfehlenswert. Statt einer durchgängigen Beleuchtung, die über die ganze Länge des Aquariums geht, ist es optisch viel attraktiver, mit Pendelleuchten über den Pflanzengruppen kräftige Lichtakzente zu setzen. Durch die stellenweise starke Strömung entstehen so sehr interessante “Sonnenkringeleffekte”.

Als Einrichtungsgegenstände kommen hauptsächlich Steine und Holz in Frage. Zunächst legt man den Boden des Aquariums mit Schaumstoff aus, um Punktbelastungen durch die teils sehr schweren Steine, die die Bodenscheibe zum Platzen bringen können, zu verhindern. Ich empfehle, zunächst mit den schweren Steinen und den größten Wurzeln zu beginnen und dann im gefüllten Becken Filterung und Strömungspumpe einzuschalten. Durch das Einwerfen von ein paar Handvoll Sand findet man heraus, wo strömungsarme Stellen sind – der Sand lagert sich dort ab. Sind diese Stellen an Plätzen, wo es optisch so gar nicht passt, kann man so lange mit der Strömungspumpe verschiedene Einstellungen ausprobieren, bis sich die strömungsarmen Stellen im Sinne des “goldenen Schnittes” im hinteren Beckendrittel befinden. Dort sollten die Pflanzengruppen entstehen. Beide genannten Pflanzenarten schätzen einen tiefgründigen, nähr­stoffreichen Bodengrund. Dazu bringt man als unterste Bodenschicht an den Pflanzplätzen eine 2-3 cm dicke Schicht lehmige Gartenerde ein. Die uralte Aquarianerweisheit, dafür die Erde von Maulwurfshügeln von ungedüngten Wiesen zu nehmen, hat bis heute nichts an Gültigkeit verloren. Wer gar nicht an solches Material kommt, kann auch Soil oder Gartenteicherde aus dem Zoofachhandel nehmen. Über diese Nährstoffschicht kommt eine mindestens 8 cm dicke Schicht feiner Kies (1-3 mm Körnung) oder Sand (kein scharfkörniger Bausand!).

In ruhigen Buchten ist der sonst meist geröllige Bodengrund durch Sandbänke ersetzt.

Im übrigen Aquarium braucht der Bodengrund hingegen nur wenige Zentimeter dick zu sein.  Es ist – aber das gilt für alle Aquarien – wichtig, immer nur eine Gesteinsart pro Aquarium zu verwenden und zwar in allen Größen, also vom fußballgroßen Findling bis zum Kies von 1-3 mm  Körnung. Nur dann entsteht ein naturnaher Eindruck, andernfalls sieht es im Aquarium eher nach Schuttabladeplatz aus. 

Sehr naturnah sieht es aus, wenn man an einer Stelle die Rückwand mit Wasserwurzeln von Weiden (Salix sp.) dekoriert, denn solche frei ins Wasser ragenden Wurzelbüsche sind in der Natur  immer zu beobachten. Sie stellen wichtige Ablaich- und Versteckzonen für die Fische dar. Leider gibt es diese Wurzeln nicht zu kaufen, man muss sie selbst auf einem Spaziergang sammeln. Man kann sie direkt verwenden, es bedarf keiner Vorbehandlung, aber es befinden sich oft sehr viele Kleintiere darin, die im Aquarium absterben können und dann das Wasser unnötig belasten. Darum sollte man die Wurzelbärte gut auswaschen. Man kann mehrere der Wurzelbärte mit Angelschnur unsichtbar zusammenbinden.

Schließlich kann man mit Bambusstängeln interessante Akzente setzen. Deren Haltbarkeit unter Wasser ist allerdings begrenzt, darüber sollte man sich im Klaren sein.

Die Fische für das Aquarium “Kleiner Fluss”

Mittelgroße Barben sind typische Bewohner solcher kleiner Flüsse. Sehr empfehlenswert ist es, einen Trupp der prächtigen Barbonymus altus als zentrales Thema zu wählen. Diese Barbe ist meist als “Schwanefeld-Barbe” im Handel. Die Schwanefeld-Barbe gehört ebenfalls in die Gattung Barbonymus (ihr wissenschaftlicher Name ist B. schwanefeldii), wird jedoch seit vielen Jahren kaum noch gehandelt. B. altus wird meist ca. 15 cm lang (Maximalgröße 25 cm), während B. schwanefeldii 20 – 35 cm groß wird. Die beiden Arten unterscheiden sich hauptsächlich durch die Schwanzflossenfärbung. Diese Flosse ist bei B. altus einfarbig rot, bei B. schwanefeldii an den Kanten tiefschwarz. Ebenfalls ähnlich, allerdings noch einen Tick größer ist Hypsibarbus wetmorei mit prachtvoll gelben Farben. Leider sind alle drei Arten als kleine Jungfische sehr unscheinbar gefärbt. Darum werden von Barbonymus altus auch häufig Albinos und Lutinos gezüchtet, die schon als kleine Tiere nach etwas aussehen; ich empfehle aber für das Biotopaquarium die Wildformen, auch wenn man etwas Geduld braucht, bis sie vollständig zeigen, was in ihnen steckt.

Wem diese Arten zu groß werden, dem bietet sich in Systomus orphoides eine nur etwa 10 cm lang werdende Alternative, ebenfalls sehr attraktive Tiere.

Systomus orphoides

Von einer der vier Arten beschafft man einen ordentlichen Trupp, 10-15 Exemplare mindestens. Diese Tiere sind eine Show und absoluter Blickfang des Beckens.

An dieser Stelle sei noch ein Wort zu den Größenangaben gestattet. Ich halte es für wenig sinnvoll, stets von der Maximalgröße auszugehen. Der größte Mensch war 2,72 m lang. Aber wie oft kommt so etwas schon vor? Bei Fischen ist das ähnlich, nur wachsen Fische zeitlebens und werden im Aquarium gewöhnlich erheblich älter als in der Natur; darum ist der obere der Durchschnittswerte, die ich angebe, als möglich anzusehen, während die Maximalgröße wohl nie erreicht wird; und wenn doch, wird sicherlich jedes Schau-Aquarium entzückt sein, das Weltrekordtier zu übernehmen! Doch zurück zu unserem Biotopaquarium “Kleiner Fluss”:

Weitere Karpfenfische kommen in kleineren Stückzahlen hinzu: ein Trupp algenfressender Tiere, die unablässig Steine und Wurzeln abweiden, ist sehr typisch für dieses Biotop. Stets im Handel sind Crossocheilus oblongus (früher: C. siamensis) und Garra cambodgiensis, die auch gerne miteinander verwechselt werden. Welche der beiden Arten man nimmt, ist aber nebensächlich. 

Garra cambodgiensis

Unter den Barben gibt es auch einige wenige Raubfische, die allerdings sehr typisch für diesen Lebensraum sind. Hampala macrolepidota und H. dispar trifft man hier häufig an. Auch sie sind gesellige Fische, angesichts der recht stattlichen Größe, die sie erreichen können (fast 70 cm, aber auch in der Natur sind Tiere über 35 cm Länge extrem selten) beschränke man sich aber zahlenmäßig auf 3-5 Exemplare. 

Jungfisch von Hampala macrolepidota

Eine sehr schöne Art, die ebenfalls oft in kleinen Flüssen mit recht kräftiger Strömung gefunden wird, ist Osteochilus vittatus (früher: O. hasseltii). Dieser Fisch wird gewöhnlich 15-20 cm lang, als Maximalgröße werden 35 cm angegeben. Diesen Karpfenfisch pflegt man ebenfalls in einer Kleingruppe, 3-5 Exemplare sind richtig. Im Gegensatz zu den bisher genannten Arten – die Themabarben sind Allesfresser, Garra und Crossocheilus Aufwuchsfresser, Hampala frisst große Brocken – sind Osteochilus-Barben hauptsächlich auf weiches Futter wie weiche Wasserpflanzen, Algen etc. spezialisiert.

Osteochilus vittatus

Als Kontrastfisch fehlt jetzt nur noch ein schlanker Karpfenfisch. In Thailand ist das im besprochenen Biotop typischerweise Rasbora paviana. Sie ist leider nur schwer erhältlich, da sie zwar überall im Land vorkommt, aber kaum exportiert wird. Im Gegensatz zu den häufig erhältlichen Rasboren wird R. paviana nämlich gut 15 cm lang und ist nicht sehr auffällig gefärbt. Aber im Trupp im großen Becken und als Kontrast zu den hochrückigen bislang aufgezählten Arten wirken sie sehr elegant und schön. Man kann, wenn man Zugang zu Großhändlern hat, sich eine Truppe aus Beifangtieren zusammenstellen, Jungtiere von R. paviana sind immer wieder einmal unter anderen Bärblingen aus Thailand zu finden.

Rasbora paviana

In den dunkleren Winkeln, im Bereich der Wurzeln, treiben sich Hummelwelse herum: Pseudomystus siamensis (früher: Leiocassis s.). Diese Welse werden rund 15 cm lang und passen hervorragend in das geschilderte Aqua­rium. Wenn abends das Licht ausgeht werden sie aktiv und vertilgen zuverlässig alle Futterreste. Da ihnen die aber kaum genügen, verlassen sie auch tagsüber zu den Fütterungszeiten die Düsternis und hauen rein, was reingeht. Wenn man diese Welse fangen muss, ist es das beste, sie in ein Gefäß zu treiben, denn sie verheddern sich gerne mal unauslösbar in den Maschen des Netzes mit ihren spitzen Flossenstacheln. Damit können sie auch heftig und sehr schmerzhaft stechen, also aufgepasst!

Pseudomystus siamensis

Weitere wunderschöne Arten für den Untergrund sind die 15-20 (max. 30) cm lange Tigerschmerlen, Syncrossus helodes und S. beauforti (beide früher unter Botia klassifiziert). In dem großen Becken fallen die zänkischen Eigenschaften dieser Arten nicht so sehr ins Gewicht. Es ist aber sehr wichtig, mindestens 10 Exemplare gemeinsam zu pflegen, sonst mobben sich die Tiere und es bleibt auf lange Sicht oft nur eines übrig.

Intelligente Räuber und Individualisten sind Stachelaale. Mastacembelus armatus und M. favus sind die großen Arten, die 40-60 cm, manchmal sogar bis zu 90 cm lang werden können. Sie sind an kein besonderes Biotop gebunden; man sollte sich, wenn  man ein großes Gesellschaftsaquarium mit thailändischen Fischen pflegt, aber das Vergnügen gönnen, diese cleveren Tiere, die ein persönliches Verhältnis zum Pfleger aufbauen können, dabei zu haben. Man muss allerdings das Aquarium absolut ausbruchsicher gestalten, wenn Stachelaale darin leben sollen.

Mastacembelus armatus

Ebenfalls ein Räuber kleiner Fische ist der Tausenddollarfisch, Chitala ornata. Die wundervollen Messerfische sind unvergleichliche Schwimmkünstler. Als potentielle Luftatmer sind auch sie an kein spezielles Biotop gebunden, können aber in dem geschilderten Lebensraum regelmäßig angetroffen werden. Im Verhalten ähneln sie Buntbarschen; auch die Brutpflege ist ähnlich. Beide Eltern betreuen Laich und Jungtiere, der Laich wird an feste Substrate, wie Wurzeln etc. angeheftet. Anekdotenhafte Erzählungen sprechen von bis zu 100 cm langen Tieren dieser Art, gewöhnlich ist sie aber mit 40-60 cm Länge ausgewachsen und gelten dann schon als kapitale Brocken. 

Chitala ornata

Die letzte Empfehlung für dieses besondere Biotopaquarium ist der Nadelhecht, Xenentodon canciloides. Wenn sich über das Flüsschen eine Brücke spannt, kann man die unvergleichlich eleganten Tiere meist gut beobachten, die nur knapp unter der Wasseroberfläche dahinziehen. Leider sind diese Fische sehr schreckhaft; darum empfehle ich nicht, sie gemeinsam mit Stachelaalen und Messerfischen zu pflegen, die immer mal wieder probieren könnten, ob man die Xenentodon nicht doch fressen kann. Die Pflege von Nadelhechten ist nur etwas für erfahrene Aquarianer, die über das Wissen und die Geduld verfügen, die nötig sind, um solche Tiere an Frostfutter in Form gefrosteter Fische zu gewöhnen. Bis das gelungen ist, brauchen die Nadelhechte lebende Futterfische. Vor der Anschaffung von Nadelhechten muss man unbedingt eine sichere Quelle für krankheitsfreie Futterfische erschließen. Gelingt all dies, sind aber Nadelhechte der Art Xenentodon canciloides im Aquarium sogar ganz gut nachzüchtbar.

Xenentodon canciloides

Frank Schäfer

Welsplaudereien

Teil 1: Panzerwelsschwärme – gibt es sie wirklich?

Die Panzerwelse der Gattungen Corydoras, Scleromystax, Brochis und Aspidoras werden in der aquaristischen Literatur ganz gerne pauschal als „Schwarm­fische“ bezeichnet, verbunden mit der Empfehlung, immer mindestens 4-6 Exemplare gemeinsam zu pflegen. Im Aquarium schwimmen Panzerwelse aber höchstens ab und zu mal im Schwarm, sind es also wirklich Schwarmfische?

Corydoras burgessi. Der Leuchtfleck im Nacken dient dem Schwarmzusammenhalt im Schwarzwasser.

Nun, zunächst sind 4-6 Exemplare niemals ein Schwarm. Denn ein Schwarm wird in der Biologie als großer (!), meist anonymer (die einzelnen Schwarm­mitglieder kennen einander also nicht) Ver­band von Tieren bezeichnet.

DAS ist ein Schwarm…

Bekannte Bei­spiele für Schwärme sind etwa Staren­schwärme (Star, Sturnus vulgaris, ein sehr häufi­ger einheimischer Vogel), Bienen­schwär­me oder Sardinenschwärme (Sardine, Sardina pilchardus, ein Meeresfisch).

Vogelschwarm
Stare (Sturnus vulgaris) bilden eindrucksvolle Schwärme mit fantastischen Flugmanövern.

Charak­teristisch für diese Schwärme ist, dass der Schwarm reagiert wie ein einziger, großer Organis­mus. Die Flugmanöver eines Staren­schwarms oder die Schwimmmanöver eines Sardinenschwarmes sind beeindruckend! Die Erforschung der Mechanismen, wie ein solcher Schwarm funktionieren kann, ist ein faszinierendes Forschungsgebiet.

Schwärme im Aquarium?

Es gibt fast keine Fischart, die im Aquarium im Schwarm schwimmt und sich, wie oben beschrieben, verhält. Die einzige Ausnahme ist der Rotkopfsalmler (Hemigrammus bleheri). Pflegt man diese Art in ausreichend großer Stückzahl (ab 50 Exemplaren auf­wärts) in einem hinreichend großen Aquarium (ab 150 cm Länge), so kann man tatsächlich – zumindest zeitweise – ein echtes Schwarmverhalten beobachten.

Hemigrammus bleheri

Alle anderen „Schwarmfische“, also die vielen Salmler, Barben, Bärblinge und auch die Panzerwelse, tun das gewöhnlich nicht. Im Gegenteil: auch wenn man 6 Panzerwelse im Aquarium hat, wird man sie nur selten dicht beieinander vorfinden. Die Tiere halten immer einen gewissen Abstand zueinander. Vor allem die sogenannten Sattelschnäuzer unter den Panzerwelsen sind fast als einzelgängerisch zu bezeichnen. Wie nennt man dieses Verhalten? Statt als „Schwarmfische“ sollte man diese Tiere eigentlich besser als „Gruppenfische“ oder als „soziale Fische“ bezeichnen. Das meint, dass Individuen der betreffenden Art in ständiger, gewöhnlich friedlicher inner­artlicher Kommunikation miteinander stehen. Im Aquarium kennen sich die Tiere häufig sogar persönlich (in der Natur dürfte das kaum jemals der Fall sein). Tatsache ist, dass solche Fischarten oft verhaltensauffällig werden, wenn sie einzeln gepflegt werden, darum auch die durchaus richtige Empfehlung, sie stets im Trupp zu pflegen. Im Gegensatz hierzu gibt es aber auch viele Fischarten, die lediglich tolerant gegenüber Artgenossen sind, sie aber nicht zum allgemeinen Wohlbefinden brauchen und dann gibt es auch noch die strikten Einzelgänger, die keinen Artgenossen – außer vielleicht noch einen Geschlechts­partner, aber auch den meist nur zu Zeiten der Fortpflanzung – tolerieren.

Panzerwels-Schwärme

Es stimmt, dass etliche Corydoras-Arten in der Natur in echten Schwärmen, also Ver­bänden von mehreren hundert bis tausend Individuen vorkommen. Diese Arten kommen entsprechend häufig und preis­wert in den Handel, denn sie sind leicht und in großer Stückzahl zu fangen.

Ein Schwarm Corydoras delphax aus dem Orinoko.

Leider kann man das echte Schwarmverhalten aber im Aquarium auch bei diesen Arten nur wenige Tage beobachten. In dieser Zeit schwimmen sie tatsächlich wie ein einziger großer Or­ga­nis­mus, als hätten sich die Schwarm­mitglieder abgesprochen. In Wirklichkeit macht aber nur jedes Schwarmmitglied sofort nach, was der Nachbarfisch macht. Haben sich die Tiere aber erst einmal eingewöhnt und gemerkt, dass ihnen im Aquarium keinerlei ernsthafte Gefahr droht, geben sie das Schwarmverhalten sehr schnell auf. Denn der biologische Nutzen – relativer Schutz vor Fressfeinden – ist im Aquarium nicht gegeben: dort gibt es keine Fressfeinde. Nun überwiegt der Nachteil des Schwarmverhaltens, nämlich das Futter mit dem Schwarmnachbarn teilen zu müssen. Darum vereinzeln sich die Panzerwelse sehr bald und jeder geht für sich allein seinen Alltagsgeschäften nach.

Corydoras ambiacus aus Peru bildet ebenfalls Schwärme.

Die Anwesenheit von Artgenossen hat trotzdem einen positiven Einfluss, denn sie zeigt den Panzerwelsen, dass im Bedarfsfall ja jederzeit ein Schwarm gebildet werden könnte. Das gibt den Fischen ein Gefühl von Sicherheit und erhöht somit das Wohlbefinden. Da sich die Panzerwelse dafür nicht individuell kennen müssen und aller Wahrscheinlichkeit auch nicht zählen können, genügen im Aquarium 4-6 Exemplare.

Corydoras granti (früher als C. arcuatus bekannt) schwärmt nur, wenn die Tiere frisch importiert sind.

Denen begegnet der einzelne Fisch im Aquarium ausreichend oft, um das Gefühl zu bekommen, dass reichlich Artgenossen vorhanden sind. Wenn also auch die Beobachtung eines echten Schwarmverhaltens bei Panzer­wel­sen im Aquarium nur wenigen Menschen (meist Mitarbeitern im Großhandel, die die Fische nach dem Import betreuen) für einen recht kurzen Zeitraum vergönnt ist: es gibt sie wirklich, die Panzerwels-Schwärme!

Teil 2: Amblydoras nauticus – der Knurrende Dornwels

Amblydoras aus Peru, wahrscheinlich A. nauticus

Dieser Dornwels gehört seit Jahrzehnten zu den am häufigsten importierten Vertretern der Familie. Allerdings ist Amblydoras nauticus seit 1950 falsch identifiziert worden, nämlich als Amblydoras hancockii; unter diesem Namen findet man die Fische in der meisten aquaristischen und wissenschaftlichen Literatur. Die Dornwelsart hancockii gibt es wirklich, es ist ein schwarzer Dornwels mit einem hellen Längsband, der heutzutage in der Gattung Platydoras steht. Es handelte sich also um eine klassische Fehlbestimmung von Amblydoras nauticus.

Amblydoras nauticus wurde 1874 aus Peru beschrieben; leider gab es von Anfang an Verwirrung um diese etwa 7-8 cm lang werdende, sehr friedliche Art. Der Erstbeschreiber Cope merkte nämlich nicht, dass sein Material zum Teil (4 von 6 Exemplaren) der von ihm selbst zwei Jahre früher (1872) beschriebenen Art Amblydoras monitor gehörte! Offenbar sind sich diese beiden Amblydoras-Arten also außerordentlich ähnlich. A. monitor hat aber eine sehr viel weitere Verbreitung: Brasilien, Kolumbien und Guyana. A. monitor wird auch etwas größer, nämlich 9 cm.

Gezüchtet wurde A. nauticus noch nicht; die Beschreibung, dieser Dornwels sei ein Schaumnestbauer, bezieht sich vermutlich auf Verwechslungen mit Callichthys callichtys. Denn der Entdecker der Art Platydoras hancockii, John Hancock, beschreibt in einer Publikation aus dem Jahr 1828, dass der Dornwels aus Demerara (Guyana) bei Austrocknung des Wohngewässers über Land wandern solle und eben auch zur Fortpflanzung ein Schaumnest baue. Beides tut Callichthys callichthys, aber keine Dornwels-Art.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle als  „Amblydoras hancockii“ gehandelten Dornwelse in Wirklichkeit A. nauticus oder A. monitor sind. Die Unterscheidung der beiden Arten ist schwierig; sie kommen auch gemeinsam vor. Verlässliche Unterscheidungsmerkmale sind unseres Wissens nicht publiziert, die von Cope genannten scheinen nicht zuverlässig zu sein.

Teil 3: Trachelyopterus fisheri – der Wurzelwels

Gelegentlich wird ein sehr merkwürdiger Wels im Handel angeboten, nämlich Trachelyopterus fisheri. Ursprünglich stammt dieser „Schwemmholz-Wels“ (der englische Populärname ist „Driftwood Catfish“) aus Kolumbien, wo er im System des Rio Sucio vorkommt. Von dort gibt es nur sehr selten Importe. Nur einmal in den letzten Jahren – 2014 – hatte Aquarium Glaser ein Männchen dieser extraordinären Art als Wildfang im Stock.

Wie die Delfinwelse (Ageneiosus) entwickeln Trachelyopterus-Männchen zur Brutzeit einen riesigen Rückenflossenstachel, verdickte Oberkieferbarteln und ein penis-artiges Begattungsorgan, mit dem eine innere Befruchtung der Weibchen erfolgt. Alle diese Merkmale verschwinden zumindest bei Ageneiosus-Arten nach der Fortpflanzungszeit wieder, dann sind Männchen und Weibchen äußerlich nicht auseinanderzuhalten. Wie die Verhältnisse bei Trachelyopterus sind, ist noch unbekannt.

Interessanterweise wird diese seltene Art in Indonesien kommerziell für die Aquarienhaltung gezüchtet. Solche Nachzuchtexemplare sind inzwischen regelmäßig im Handel. Die Fische sind farblich sehr variabel, wir haben jetzt sogar einen Weißling darunter entdeckt. In der Großhandels-Anlage schwimmen diese Welse auch tagsüber aktiv herum und zwar am liebsten in engem Kontakt zu Artgenossen.

Solche Weißlinge sind unter den Nachzuchten nicht selten

Tracheyopterus fisheri wird gewöhnlich etwa 12-15 cm lang (das größte je bekannt gewordene Exemplar hatte eine Länge von 28 cm) und ist ein friedlicher Fisch, sehr kleine Mitbewohner werden allerdings als Nahrung angesehen.

Lexikon: Trachelyopterus: bedeutet „mit extremer Flosse“. fisheri: Widmungsname für Carl G. Fisher aus Indianapolis, der eine zweite Expedition zur Typuslokalität der Art ermöglichte.

Vorschlag eines deutschen Gebrauchsnamens: Fishers Wurzelwels

Teil 4: Corydoras tukano und Corydoras desana

Die Artenvielfalt bei den Panzerwelsen lässt sich kaum noch überblicken. Zu den schönsten, noch relativ neuen Arten im Aquarium gehört Corydoras tukano aus Brasilien. Dieser ”Panda” unter den Panzerwelsen wurde nach dem Tukano-Volk benannt, auf dessen Territorium die Art lebt. Corydoras tukano ist eine kleine Art (ca. 5 cm), bei der die Männchen deutlich größere Flossen entwickeln als die Weibchen.


Der ”Langschnäuzer” zu Corydoras tukano ist eine erst kürzlich wissenschaftlich beschriebene Art: Corydoras desana. Zuvor kannte man ihn im Hobby als Corydoras sp. „Glaser“, C. sp. „Tukano Longnose“ oder C. sp. CW 11. Belegte Vorkommen gibt es bislang nur aus einem Fluss im Einzug des Rio Tiquié (der wiederum ein Zufluss des Rio Uaupés ist, der zum oberen Rio Negro-Einzug gehört). Dieser Fluss heißt Igarapé Catanha. Der Artname „desana“ bezieht sich auf eine Ethnie, die entlang dieses Flusses lebt und sprachlich und kulturell eng mit dem Volk der Tukano verwandt ist.

Corydoras desana

Streng genommen ist Corydoras desana ein Sattelschnäuzer, kein Langschnäuzer. Diese Art gehört derzeit sicherlich zu den be­gehrtesten Panzerwelsen überhaupt, denn sie ist im Handel extrem selten und teuer. Selbstverständlich sind diese Tiere in der Natur nicht im eigentlichen Wortsinn selten, aber sie leben einzeln und sind sehr scheu, so dass in einem Zeitraum, in dem man tausende von Corydoras tukano fangen kann, nur ein oder zwei Exemplare von C. desana ins Netz gehen. Auch Aquarium Glaser kann die Art immer nur in wenigen Exemplaren importieren …

Corydoras reynoldsi


Der Sinn dieser Mimikry – also warum völlig verschiedene Arten einander farblich nachahmen – wurde erst in jüngster Zeit geklärt. Fischfressende Vögel und Raubfische meiden Panzerwelse künftig, wenn sie die kratzigen Tiere einmal heruntergeschluckt haben (falls sie sie nicht ohnehin vorher wieder ausspucken). So profitieren auch artfremde Tiere mit sehr ähnlichem Aussehen davon, wenn ein Räuber lernt, dass ”Panzerwels”  nicht schmeckt.

Corydoras sp. CW 12, der „Reynoldsi Longnose“

Es gibt ein Artenpaar in Kolumbien, dass sehr ähnlich zu den brasilianischen C. tukano und C. desana ist, nämlich Corydoras reynoldsi und dessen Langnase. Der Sattelschnäuzer ist in diesem Falle wissenschaftlich noch unbeschrieben. Ian Fuller vergab an ihn die Codenummer CW 12.

Corydoras reynoldsi gehört in die unmittelbare Verwandtschaft von C. tukano, während die beiden Langnasen am nächsten mit C. ellisae und C. septentrionalis verwandt sein dürften.

Frank Schäfer


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Myxocyprinus asiaticus: Wimpelkarpfen – geheimnisvoll und schön

Regelmäßig begegnen dem aufmerksamen Besucher im Zoofachhandel eigenartig-schöne Fische, die als Myxicyprinus asiaticus oder Wimpel­karp­fen, manchmal auch als Fledermausschmerle ausgezeichnet sind. In der deutschsprachigen aquaristischen Fach­literatur findet man allerdings kaum etwas aussagekräftiges über diese ei­gen­artige Kreatur…

10-12 cm lange Jungtiere eines Zuchtstammes aus Hongkong. Die Färbung, Zeichnung und Form der Rückenflosse variieren individuell.

Zunächst einmal: Myxocyprinus gehört gar nicht zu den Karpfen (Familie Cypri­nidae). Er ist vielmehr ein Mitglied der Familie Catostomidae, die auf deutsch Saug-Karpfen heißen – was wiederum irreführend ist, denn diese Catostomidae sind eine Schwester­grup­pe zu den Schmerlen (es gibt mehrere Familien bei den Schmerlen, die alle aufzu­führen hier zu weit ginge) und mit den Kar­pfen demnach nur sehr weitläufig ver­wandt.

Viele Amis, ein Russe und ein Chinese

Die Catostomidae umfassen derzeit rund 13 Gattungen mit insgesamt 68-80 Arten (die Quellen sind diesbezüglich widersprüchlich). Bis auf eine Art kommen alle in Nordamerika (hier jetzt einmal unpolitisch gesehen, also inklusive Kanada, mit Ausläufern nach Mexiko und Nordost­sibirien) vor. Und diese eine Art ist unser Myxicyprinus asiaticus. Die zweite Art, die mit Nordostsibirien asiatischen Boden erreicht, ist übrigens Catostomus catostomus. Sie lebt in mehreren Unterarten teils auf dem amerikanischen, teils auf dem asiatischen Kon­tinent, ist also zu einer Zeit entstanden, als die Beringstraße noch Land mit Süßwas­ser­flüssen war und nicht, wie heute, eine eisige, ca. 85 km breite Meerenge. Die Heimat von Myxocyprinus asiaticus liegt in West-China, wo er in dem Flusssystem des Jangstekiang vorkommt.

Nur eine Art?

Myxocyprinus asiaticus wurde 1864 von Bleeker unter dem Namen Carpiodes asiaticus beschrieben. 1872 beschrieb Dabry de Thiersant eine zweite Art, C. chinensis. Der Gattungsname Carpiodes wird heute nur noch für amerikanische Arten verwendet. Die Gattung Myxocyprinus wurde 1878 aufge­stellt. 1889 beschrieb Günther die Art Sclero­gnathus chinensis, die Nichols (1925) für artgleich mit Carpiodes chinensis, aber auf Unterart-Niveau von C. asiaticus verschieden einordnete. Nichols beschrieb 1925 als dritte Un­ter­art Myxocyprinus asiaticus fukiensis, der 1929 Tchang die vierte Unterart M. a. nan­kin­ensis hinzufügte. Somit existieren min­des­tens vier formell beschriebene Unterarten, doch eine moderne Revision der Gattung Myxocyprinus gibt es nicht.

Nichols liefert 1943 einen Bestimmungsschlüssel zu den Unterarten:

Rückenflossenstrahlen ca. 52, Afterflossenstrahlen 12, 53 Schuppen in der Längsreihe – asiaticus

Rückenflossenstrahlen ca. 57, Afterflossenstrahlen 14, 55 Schuppen in der Längsreihe – chinensis

Rückenflossenstrahlen 52-56, Afterflossenstrahlen 13-14, 47-49 Schuppen in der Längsreihe – fukiensis

M. a. nankinensis, der sich nach Tchang durch das Fehlen der dunklen Bänder und mehr Schuppen in der Längsreihe von fukiensis unterscheidet, wird von Nichols mit asiaticus synonymisiert. Nichols zitiert ferner Fang (1934), dem zufolge die innerartliche Varianz bei Myxocyprinus asiaticus so groß ist, dass es wenig Sinn macht, Unterarten zu unterscheiden.

Die im Handel be­findlichen Tiere stammen ausnahmslos aus Nach­zuchten.

Die Nominatform, Myxocyprinus asiaticus asiaticus, Abbildung aus Nichols, 1943
Dies ist die wissenschaftliche Erstbeschreibung von Carpoides chinensis durch Dabry de Thiersant, 1873. Gegenwärtig gilt diese Art als Synonym zu Myxocyprinus asiaticus.
Myxocyprinus asiaticus nankinensis (aus Tchang, 1929) wird ebenfalls als Synonym zu M. asiaticus gesehen.
Myxocyprinus asiaticus fukiensis (aus Nichols, 1943), ein weiteres Synonym?

Der Holotyp, anhand dessen Bleeker die Art 1864 beschrieb, liegt heute im Pariser Naturkundemuseum. Hier ist ein Foto des Tieres zu sehen: https://science.mnhn.fr/institution/mnhn/collection/ic/item/0000-2068?listIndex=489&listCount=40786

Eine bedrohte Tierart

Leider steht es um die natürlichen Vor­kom­men des Wimpelkarpfens nicht sehr gut. Der Flussfisch wird wegen seiner Größe und des offensichtlich wohlschmeckenden Flei­sches vom Menschen genutzt, doch hat das, ebenso wie die gelegentliche Entnahme von Jungtieren für die Aquarienpflege, kei­nen we­sent­lichen Einfluss auf die natür­lichen Bestände. Die Population des Min­jiang, des wasserreichsten Nebenflusses des Jangtse, gilt sogar schon als ausge­storben. Die wesentlichen Ursachen für das Ver­schwin­den des Fisches liegen in der Kon­struk­­tion von Staudämmen, der Wasser­verschmutzung und weiterer Gewässer­nutz­ungen durch den Menschen, denn Myxocyprinus asiaticus ist ein Wanderfisch. Im Februar wan­dern die Erwachsenen in die Laichgründe, die in flachen Stellen mit rasch fließendem Wasser liegen, wo sie von März-April ab­laichen. Die Erwachsenen bleiben bis zum Herbst in den Laichgebieten und wandern erst zum Überwintern in die tieferen Stellen der Flüsse zurück. In China ist der Fisch geschützt und es gibt Zuchtprogramme, die die natürlichen Bestände durch ausgesetzte Jungtiere stützen sollen.

Wimpelkarpfen, Myxocyprinus asiaticus, sind bereits als Jungtiere sehr attraktiv. Zuchtstamm Singapur.
Etwa 8 cm langes Exemplar von Myxocyprinus asiaticus. Zuchtstamm Singapur.

In Aquarium und Teich

Für Aquarien ist der Wimpelkarpfen nur als Jung­fisch geeignet, denn die Art wird üb­licher­weise ca. 40 cm lang. Die Rekordgröße liegt bei etwa 135 cm und 35 kg Gewicht. Die Art ist ein Kaltwasserfisch, der in Mittel­eu­ro­pa vollständig winterhart ist. Im Aquarium sollten die Wassertemperaturen dauerhaft nicht über 25°C liegen, am besten geeignet sind 16-22°C. Wimpelkarpfen sind gesellige Fische, die immer in Gruppen von min­destens drei Exemplaren gepflegt werden sollten. Wenn der Platz es erlaubt, sind größere Gruppen besser. Gegenüber art­fremden Fischen sind die Tiere, ebenso wie zu Artgenossen, völlig friedlich. In Gartenteichen machen sich Myxocyprinus sehr nützlich, denn sie weiden begeistert Algen von Boden und Gegenständen ab. Wenn man Wimpelkarpfen im Gartenteich pflegen möchte, darf man sie nicht vor Juni einsetzen, denn bei den gehandelten Tieren handelt es sich um Nachzuchten aus dem tropischen Asien, die sich erst langsam an die bei uns vorherrschenden niedrigen Wasser­tem­peraturen anpassen müssen.

Myxocyprinus asiaticus sind sehr gesellige Tiere. Diese Gruppe erwachsener Fische lebt im Artis-Aquarium in Amsterdam.
Erwachsenes, etwa 40 cm langes Exemplar.

Ein riesiger Wimpelkarpfen

Unter http://english.peopledaily.com.cn/200705/10/eng20070510_373479.html# finden sich Bilder eines voll ausge­wach­senen Männ­chens von Myxocyprinus asiaticus. Das Tier stammt aus dem Fluss Jialing, der Fundort ist Lang­zhong im Südwesten der Provinz Sichuan. Leider erhielten wir keine Verwertungsgenehmigung für die Bilder und können sie hier darum nicht direkt zeigen. Der größte bisher ver­mes­sene Wim­pelkarpfen war 125.9 cm lang und wog 45,86 Pfund.

Lexikon Wimpelkarpfen

Myxocyprinus: bedeutet “schleimiger Karpfen” asiaticus: bedeutet “aus Asien stammend” chinensis: bedeutet “aus China stammend” Carpiodes: bedeutet “karpfenähnlich” Catostomus: bedeutet “mit unterständigem Maul” fukiensis, nankinensis: nach den Fundorten (Fukien bzw. Nankin).

Frank Schäfer

zitierte Literatur:

Bleeker, P. (1864): Notices sur quelques genres et espèces de Cyprinoïdes de Chine. Nederlandsch Tijdschrift voor de Dierkunde v. 2: 18-29

Dabry de Thiersant, P. (1872): Nouvelles espèces de poissons de Chine. In: Dabry de Thiersant, P. (ed.), La pisciculture et la pêche en Chine. G. Masson, Paris. 178-192, Pls. 36-50.

Fang, P. W. (1934): Notes on Myxocyrinus asiaticus (Bleeker) in Chinese Freshwaters. Sinensia 4: 329-337.

Nichols, J. T. (1925): Some Chinese fresh-water fishes. I.–Loaches of the genus Botia in the Yangtze Basin. II.–A new minnow-like carp from Szechwan. III.–The Chinese sucker, Myxocyprinus. American Museum Novitates No. 177: 1-9.

Nichols, J. T. (1943): The fresh-water fishes of China. American Museum of Natural History, New York. i-xxxvi + 1-322, Pls. 1-10

Tchang, T.-L. (1929): Description de Cyprinidés nouveaux de Chine. Bulletin du Muséum National d’Histoire Naturelle (Série 2) v. 1 (no. 4): 239-243.

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Wasserpflanzenplaudereien

Baldellia ranuculoides – eine einheimische Amazonas-Schwertpflanze

Als ich vor vielen, vielen Jahren begann, Pflanzen zu studieren, war der ”Schmeil-Fitschen” mein steter Begleiter. Dieses Buch, das Bestimmungs­schlüssel zu allen Pflanzenarten Deutschlands enthält, öffnete mir die Augen für die große Vielfalt der Pflanzenarten und ihre verschiedenen Wuchsformen. War es zunächst nur Bestimmungshilfe, schmökerte ich später förmlich darin und wählte sogar meine Ausflugsziele danach aus, wo interessante Pflanzen wachsen. So wurde ich auch eines Tages auf Echinodorus ranunculoides, den Igelschlauch, aufmerksam…

Baldellia ranunculoides, emers, Habitus.

Echinodorus? Das ist doch die Gattung, in der die beliebten und wichtigen Aqua­rien­pflanzen, die so genannten Amazonas-Schwert­pflanzen stehen. Ich dachte immer, die gäbe es nur in der Neuen Welt!

Welche Gattung?

Und tatsächlich sind sich die Experten nicht ganz einig, in welche Gattung der Igel­schlauch denn nun gehört. In meinem alten Schmeil-Fitschen wurde er noch in Echino­dorus geführt, doch war auch zu diesem Zeitpunkt bereits die Zuordnung zur Gattung Baldellia Gesprächsthema. In Bal­dellia wird der Igelschlauch auch gegen­wär­tig geführt und molekulare Daten deuten auf eine enger­e Verwandtschaft von Baldellia mit Luronium und Alisma als mit Echinodorus hin.

Wieviele Arten?

Blüte von Baldellia ranunculoides, dem Igelschlauch.

Ähnlich verwirrend ist die Frage nach der Anzahl der existierenden Arten, doch wurde hier in allerjüngster Zeit viel geforscht (siehe Literaturverzeichnis). Wie fast alle Sumpf­pflanzen kann der Igelschlauch ein mannig­faltiges Aussehen annehmen, je nach­dem wie die Umweltbedingungen sind. So gibt es eine aufrechte Form mit löffel­för­migen Blät­tern, die keine Ausläufer bildet und eine krie­chende Form mit eher grasartigen Blät­tern, die zahlreiche Ausläufer bildet. Erstere wurde traditionell als B. ranuncu­lo­i­des ranuncu­lo­i­des, letzere als B. ranunculoides repens bezeich­net. Gegen­wär­tig geht man aber eher davon aus, dass es sich bei den beiden um eigen­stän­dige Arten handelt, die dann ent­sprechend als B. ranun­cu­­loides und B. repens zu bezeichnen sind. Während diese beiden über große Teile von Europa ver­breitet sind (allerdings sehr zerstreut vor­kommen und, wie fast alle Sumpf- und Was­ser­pflanzen Eu­ro­pas durch die fortwährende Biotopzer­störung durch den Menschen als hochgradig bedroht gel­ten), lebt die dritte Art, B. alpestris, endemisch im nördlichen Por­tu­gal und im nord­west­lichen Spanien.

Baldellia ranuculoides aus der ”English Bota­ny”, Bild von James Sowerby (1757-1822)
Baldellia repens aus der ”English Bota­ny”,
Bild von James Sowerby (1757-1822)

Igelschlauch im Aquarium

Seltsamerweise ist die vivaristische Literatur über den Igelschlauch ausgesprochen dürf­tig. Dabei handelt es sich um eine ideale Vivarienpflanze, die gegenüber ähnlichen Ge­wächsen, also etwa den Froschlöffeln, den Vorteil hat, relativ zierlich zu sein und damit keine riesigen Platzansprüche zu stellen. Für kleine Trogteiche ist Baldellia eine Idealpflanze. Leider ist derzeit nur B. repens (wenn auch unter dem Namen B. ra­nuncu­loides) in Gärtnereien käuflich zu er­wer­ben, die beiden anderen Arten nicht.. Ich erstand im März 2013 drei Töpfe Baldiella – es ist nach über 30 Jahren tat­säch­lich etwas aufregend, wenn man eine solche Pflanze erstmals lebend sieht, die man zuvor nur aus der Literatur kannte. Alle drei Pflanzen wuchsen in einem kleinen Aqua­rium von 40 x 20 x 20 cm sehr zufrie­den­stellend. Ich hatte sie einfach in ihren Töpfen (10-cm-Container) gelassen und das Aqua­rium mit Regen­was­ser aufgefüllt. Das Becken stand im Garten auf einem Tisch an der Ostwand unseres Hauses. Hier blühten die Pflanzen im Juli und August reich­lich. Im November räumte ich das ganz Aqua­rium in ein Badezimmer mit Oberlicht, wo die emer­sen Pflanzen sich zu sehr üppigen Un­ter­wasserpflanzen, die im Habitus an breit­blättrige Sagittarien erinnern, ent­wickel­ten. Ich beleuchte das Aquarium nicht zu­sätzlich. Die Wassertemperatur betrug zwischen 16 und 22°C. Das bedeutet, dass der Igelschlauch im Winter auch in Kaltwasser­aquarien unter Kurzlichtbedingungen in Vegetation bleibt, was ihn nochmal wertvoller als Vivarien­pflan­ze macht, denn viele einheimische Pflanzen ziehen bekanntlich im Winter ein. Der Igelschauch entwickelt einen intensiven Geruch nach Koriander, wenn die Blätter ver­letzt werden. Das ist nach meinen Beobach­tungen aber völlig harmlos für Fische, Schne­cken und Wasserasseln. Andere Tiere pflege ich nicht in diesem Aquarium. Alles in allem ist die „einheimische Amazonas-Schwertpflanze” eine schöne und vielseitig einsetzbare Vi­va­rien­pflanze, die viel öfter kultiviert werden sollte.

Die submerse Form des Igelschlauchs erinnert an Sagittarien oder Vallisnerien.

Teichrosen im Aquarium

Während Seerosen, Gattung Nymphaea, als Lotus oder Tigerlotus etablierte und beliebte Aquarienpflanzen sind, führen die Teichrosen oder Mummeln (Nuphar) nur ein Schattendasein in der Aquaristik. Dabei weisen sie viele Vorzüge auf, die sie zu idealen Aquarienpflanzen machen.

Im Gegensatz zu den Seerosen oder Lotus bilden die Teichrosen oder Mummeln auch in der freien Natur häufig ständig untergetaucht lebende, sogenannte submerse, Formen aus. Die im Aquarium unerwünschte Neigung, Schwimmblätter auszubilden, ist daher bei diesen Arten viel weniger ausgeprägt. Wenn man Teichrosen in relativ mageren Boden pflanzt wachsen sie oft über Jahre hinweg an dem selben Standort, ohne dass jemals Schwimmbläter auszukneifen sind. Wichtig ist allerdings, dass der Bodengrund genügend tief ist. Das heißt, am Standort der Mummel, die man am besten als Solitärpflanze verwendet, sollte die Bodengrunddicke 10 – 15 cm betragen. Da Teichrosen starke Wurzelzehrer sind, darf Lehm oder Ton im Bodenrund nicht fehlen. Regelmäßige Düngung ist ebenfalls angebracht.

Nuphar japonica Zeichnung © Tropica, Dänemark

Die Pflanzen haben einen dicken, kriechenden Wurzelstock, ein sogenanntes Rhizom. An der Spitze des Rhizoms werden die Blätter getrieben. Beim Einpflanzen ist unbedingt darauf zu achten, dass das Rhizom waagerecht im Boden zu liegen kommt. Es darf keine weichen oder fauligen Stellen aufweisen. Ist das dennoch der Fall, so muss man die entsprechenden Stellen mit einem sehr scharfen Messer großzügig ausschneiden. Die dabei entstandenen Wunden behandelt man mit Aktivkohle und lässt sie leicht antrocknen. Während des Antrocknens muss man aber unbedingt die gegen Austrocknung empfindlichen Blätter und die Rhizomspitze nass halten.

Unterwasserformen aller Nuphar-Arten sind sehr schön.

Einmal angewachsen, begeistern die Teichrosen den Betrachter immer wieder aufs Neue durch ihre zarten, frischgrünen, leicht gewellten Blätter. Sie bilden einen wundervollen Kontrast zu fast allen gängigen Aquarienpflanzen.

Obwohl alle Teichrosen-Arten in gemäßigten Klimaten vorkommen, vertragen sie dennoch die Temperaturen eines Tropenaquariums ganz ausgezeichnet. Die Lichtstärke ist bei Temperaturen bis 22°C mit 0,5 Watt Leuchtstofflampenlicht pro Liter Wasser absolut ausreichend, bei Temperaturen bis 27°C sollte man etwas stärker beleuchten.

Im Aquarium pflanzt man Mummeln am besten als Solitärpflanzen.

Ein ganz großer Vorteil der Teichrosen ist, dass sie trotz ihres appetitlichen Outfits von den allermeisten pflanzenfressenden Fischen nicht angerührt werden. Sie scheinen bestimmte Stoffe zu enthalten, die die Fische abschrecken.

Von Nuphar japonica gibt es eine rotblühende Variante „rubrotincta“.

Eine Blüte ist bei der Aquarienkultur nicht zu erwarten. Will man die Pflanze zum Blühen bringen, muss man sie im Freiland kultivieren und ihr Gelegenheit bieten, Schwimmblätter zu entwickeln.  Die Blüten sind meist selbstbefruchtend und so erhält man relativ leicht Sämlingspflanzen.

Frucht einer Mummel.

Vier Arten von Teichrosen werden in der aquaristischen Literatur erwähnt, wovon die schönste, Nuphar sagittifolia aus Süd-Carolina nur sehr selten im Hobby vertreten ist. In ihrer Heimat wird sie Spatterdock genannt. Im Habitus erinnert N. sagittifolia an eine Barclaya, sie hat lange, pfeilförmige Blätter.

Nuphar sagittifolia, der Spatterdock aus Carolina, ist eine Rarität.

Die am häufigsten angebotene Art ist die einheimische Teichrose, N. lutea und gelegentlich die ebenfalls mittel- bis nordeuropäische Zwergteichrose, N. pumila. Beide stehen unter strengen Naturschutz und dürfen nicht in der Natur gesammelt werden! Häufiger als im Aquarienpflanzenhandel kann man diese Arten als Gartenteichpflanzen erwerben.

Als letzte Art sei noch die Japanische Teichrose, N. japonica, genannt, die im Gegensatz zu den beiden heimischen, rundblättrigen Arten eher pfeilförmiges Laub ausbildet; sie wird im Wasserpflanzenhandel ziemlich regelmäßig angeboten.

Das Seegrasblättrige Trugkölbchen Heteranthera zosterifolia

Bereits um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde diese Pflanze zum Favoriten unter den Aquarienpflanzen. Sie ist in Südamerika verbreitet und findet sich u.a. auch in Venezuela.

Heutzutage fiele es sicherlich schwer, eine Pflanze zu vermarkten, die ei­nen derart zungenbrecherischen Ge­brauchs­namen trägt. Doch irgendwie hat das hübsche, stets frischgrüne Gewächs es geschafft, sich in den Herzen der Aquarianer festzuwurzeln.

Heteranthera zosterifolia, das Seegrasblättrige Trug­­kölbchen. Zeichnung: © Tropica, Dänemark

Ideale Stängelpflanze

Das Trugkölbchen gehört in die Familie der Hechtkrautgewächse (Pontederiaceae). Eine beliebte Gartenteichpflanze aus dieser Fa­milie ist das aus Nordamerika stammende Hechtkraut (Pontederia cordata), seiner blauen Blüten wegen. Berühmt-berüchtigtes Familienmitglied ist ferner die Wasser­hyazinthe, Eichhornia crassipes, die wegen ihrer starken Wuchskraft nach der welt­weiten Verschleppung durch den Menschen heutzutage zu den zehn schlimmsten ”pest species” (= Seuchenarten) der Erde zählt. Das Seegrasblättrige Trugkölbchen ist im Gegen­satz zu den beiden vorgenannten Arten eine Stängelpflanze. Ihr großer Vorteil gegenüber vielen anderen Arten mit dieser Wuchsform ist, dass sie nur relativ langsam wächst. Dadurch kann man Heteranthera zosterifolia auch wunderbar in kleinen Aquarien ver­wenden, ohne sie ständig einkürzen zu müssen. Stecklinge sollten ungefähr 10 cm lang sein.

Das Seegrasblättrige Trugkölbchen am natürlichen Standort in Venezuela.

Lichthungrig

Verglichen mit Amazonas-Schwertpflanzen (Echinodorus) oder vielen Cryptocorynen ist das Trugkölbchen ausgesprochen licht­bedürftig. Doch wächst sie, wenn eine Aqua­rienhöhe von 40 cm nicht über­schritten wird, auch noch bei 0,5 W Leucht­stoff­röhrenlicht/Liter Wasser Aqua­rien­inhalt noch befriedigend. Die Wasserhärte und der pH-Wert spielen bei der Kultur dieser Pflanze eine untergeordnete Rolle. Sie eignet sich für den Temperaturbereich von 18-28°C, es ist dabei jedoch zu bedenken, dass mit höheren Temperaturen auch der Lichtbedarf steigt.

Keine Pflanzenfresser!

Durch seine zarten Blätter verleitet das Trugkölbchen pflanzenfressende Fische doch sehr. Man sollte deswegen in einem Aquarium, in dem dieses Gewächs kultiviert wird, keine solchen Fische halten. Wer ein Paludarium betreibt, sollte es auch einmal mit Heteranthera zosterifolia versuchen: In flachem Wasser entwickelt die Art leicht eine hübsche Überwasserform und blüht dann auch reichlich. Allerdings sind die kleinen, einzeln stehenden Blüten ziemlich unauf­fällig und offenbaren ihren Reiz nur bei ganz genauem Hinsehen.

Frank Schäfer


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