Der Neonsalmler – ein Fisch, der die Welt veränderte

Man findet ihn in jedem Aquariengeschäft der Welt: den Neonsalmler, Paracheirodon innesi. Tausenden von Menschen verhilft er zum Lebensunterhalt, entweder, weil sie ihn züchten, oder, weil sie mit ihm handeln. Er steht für vieles, was die Aquaristik zu einer der schönsten Freizeitbeschäftigungen der Welt macht: Farbenpracht, spielerische Leichtigkeit der Unterwasserwelt, Frieden und Entspannung. Doch so alltäglich wie heutzutage war der Neonsalmler keineswegs immer…

Neonsalmler, wildfarbiger Aquarienstamm, Männchen

Wenn man heutzutage nach Iquitos in Peru will, steigt man einfach in einen Flieger und ist nach wenigen Stunden komfortabler Reise dort. In den 1930er Jahren dauerte eine solche Reise nicht nur viel länger, nämlich einige Wochen, sondern war auch erheblich strapaziöser und mit Gefahren für Leib und Leben verbunden. Es gab kaum wirksame Medikamente gegen die mitunter tödlichen Tropenkrankheiten. Iquitos lag, man entschuldige die drastische Ausdrucksweise, am Arsch der Welt. Kein Wunder, dass dort keine Zierfischfänger unterwegs waren. Der Neonsalmler wurde nur durch einen Zufall entdeckt. Auguste Rabaut, Abenteurer und Naturaliensammler aller Art, war eigentlich Schmetterlinge sammeln, als eine Indiofrau ihn auf den Neonsalmler aufmerksam machte. Rabaut hatte genug Instinkt, hier ein Geschäft zu wittern.

Neonsalmler, wildfarbiger Aquarienstamm, Weibchen

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Luxuriöser Fischtransport
Obwohl Rabaut kein Aquarianer war und nur über höchst provisorische Transportmöglichkeiten verfügte, gelang es ihm, 13 Neonfische lebend nach Paris zu der Firma Lepant zu schaffen, wo sie von J. S. Neel in Empfang genommen wurden. Neel erfand den Namen Neonfisch. Die Tiere wurden für unfassbare 6.500 $ an die Deutschen Hugo Schnell und Walter Griem nach Hamburg verkauft. Das war 1935. Fünf dieser Tiere wurden im Juli 1936 mit dem Zeppelin „Hindenburg“ für das Shedd Aquarium in Chicago in die USA geschickt. Nicht ohne Hindernisse, denn der Transport lebender Tiere an Bord eines Luftschiffes war verboten. Walter Chute vom Shedd hatte Fred Cochu mit der Aufgabe betraut. Der löste sie, indem er die Kanne mit den Neonfischen als „Fischkonserve“ deklarierte. Von den fünf Tieren kam nur eines lebend in Lakehurst an, dem Luftschiffhafen, an dem die „Hindenburg“ ein Jahr später, also 1937, explodieren würde. Hier wurde der Neonfisch mit großem Presserummel empfangen und ging mit einer eigens gecharterten DC-3 der TWA weiter nach Chicago. Der Transport kostete 3.000 $ und war wohl der teuerste Fischtransport aller Zeiten.

Albino-Zuchtform des Neonsalmlers

Ein Fisch wird “getauft”
Doch der „letzte Mohikaner“ fand ein begeistertes Publikum und bekam endgültig seinen bis heute verwendeten Populärnamen: Neonsalmler. Wissenschaftlich beschrieben wurde der Neon 1936 von dem Amerikaner George Sprague Myers, einem der führenden Fischkundler seiner Zeit, der konservierte Tiere die er von William Thornton Innes III, dem Herausgeber der seinerzeit bedeutendsten amerikanischen Aquaristik-Zeitschrift, erhalten hatte. Innes wiederum hatte konservierte Tiere von Rabaut aus Paris mit der Bitte um Bestimmung erhalten. Es handelte sich also um Exemplare des Erstimportes. Myers benannte den Neon zu Ehren von Innes als Hyphessobrycon innesi. Der Fundort, den Rabaut selbstverständlich geheim hielt, wurde mit „Umgebung von Iquitos“ angegeben.

Schleierflossige wildfarbene Zuchtform des Neonsalmlers.

Wettlauf um einen Fisch
Es folgte ein Rennen. Jeder wollte diesen Wunderfisch haben. Der Import versprach gewaltige Gewinne. Und man ging davon aus, dass der Neon sich bald nachzüchten lassen und dann im Preis erheblich fallen würde. Nur die ersten, die ihn bekämen, würden ein großes Geschäft machen. Über diesen Wettbewerb wurde sogar zwei kleine Romane geschrieben: Werner Ladiges, Ichthyologe in Hamburg und langjähriger Mitarbeiter des Zierfischimporteurs „Aquarium Hamburg“, schrieb aus seiner Erinnerung die erregende Entdeckungsgeschichte des Neons auf: „Schwimmendes Gold vom Rio Ukayali“. Und Wolf Durian, der eines der schönsten Aquarienbücher aller Zeiten (Der See im Glas, 1951) verfasst hatte, widmete dem kleinen Juwel ebenfalls eine spannende Lektüre: „Die Glühköpfe“ (Hamburg, 1961) .

Die Deutschen gewannen übrigens das Rennen um den Neon…

Der Fisch will nicht schlüpfen
Doch der Neon erwies sich hinsichtlich der Zucht als eine schwer zu knackende Nuss. Die Fische laichten durchaus willig, doch die Eier entwickelten sich nicht. Dann kam der 2. Weltkrieg und die deutsche Aquaristik kam praktisch zum Erliegen und damit auch alle Zuchtversuche mit Neonsalmlern. Erst nach dem Ende des furchtbaren Krieges konnten sich die Aquarianer wieder Zuchtversuchen widmen. Man fand heraus, dass es die Kombination von sehr weichem Wasser (KH unter 0,3° dH), Huminsäuren, einem pH-Wert zwischen 6,2 und 6,8, relativ niedrigen Temperaturen (Laichtemperatur 23-24°C, Hälterungstemperatur 18-22°C) und Dunkelheit (der Laich ist äußerst lichtempfindlich) war, die für die erfolgreiche Zucht entscheidend ist. Stimmt auch nur einer der Parameter nicht, ist ein Zuchtversuch zum Scheitern verurteilt.

Schleierflosige Zuchtform des xanthoristischen Lutino-Neonsalmlers ”Mon Cherie”

Händewaschen nicht vergessen!
Doch nicht nur die Bedeutung der Wasserchemie für die Fischzucht erlernte man am Neonsalmler. Ein Sporentierchen, Plistophora hyphessobryconis, der Erreger der gefürchteten und bis heute unheilbaren „Neonkrankheit“ (sie befällt auch eine ganze Reihe anderer Fischarten, jedoch sind Neons besonders empfänglich) raffte ganze Bestände der kostbaren Fischlein dahin. Dieses Sporentierchen befällt die Skelettmuskulatur, die daraufhin abstirbt. Es zeigte sich, dass peinliche Hygiene bei der Aufzucht der Neons einzuhalten war, wenn man dieser Seuche Herr werden wollte. Und so entwickelten die Aquarianer Pflegeprotokolle für die Aufzucht von Neonsalmlern (regelmäßiges Absaugen des Bodengrundes, häufige Teilwasserwechsel), durch die die Neonkrankheit in den Griff zu bekommen war. Solche Pflegemaßnahmen sind für Sie ganz selbstverständlich? Damals war es das noch nicht! Es gab damals durchaus noch viele Anhänger der Altwasseraquaristik, die jeden Tropfen gereiften Aquarienwassers für kostbar hielten. Dass wir heute so viele empfindliche Arten routinemäßig im Aquarium pflegen und züchten können verdanken wir ganz wesentlich den an dem Neonsalmler gemachten Beobachtungen und Erfahrungen.

Xanthoristische Lutino-Zuchtform des Neonsalmlers ”Mon Cherie”.

Ungeklärte Familienverhältnisse
Wildfänge des Neonsalmlers kommen heutzutage kaum noch auf den Markt, 99,99% der gehandelten Tiere sind Nachzuchten. Dabei hat man in der Zwischenzeit sogar neue Vorkommen des zierlichen Tieres entdeckt. Außer den klassischen Fundorten am Ucayali sind auch Fangplätze am Rio Purus und am Rio Putumayo bekannt geworden. Ob diese bis zu 1500 km voneinander entfernten Populationen genetisch unterschiedlich sind, wurde bislang nicht untersucht. Es ist aber zu vermuten, denn in den letzten Jahren ist eine ganze Reihe von auffälligen Zuchtformen beim Neonsalmler entstanden, wie der „Diamondhead“, der ein leuchtendes Köpfchen und eine Ausdehnung der Rotfärbung des Bauches in den Rücken aufweist. Oder die goldfarben-transparenten Lutinos, die fast wie Geisterfische wirken. Diese Zuchtformen wurden auch bereits auf schleierflossige Tiere gezüchtet, deren Ursprung wohl in den 1980er Jahren liegt, was jedoch leider (wie von so vielen Zuchtformen) nicht in der Literatur dokumentiert ist. Jedenfalls ist ein gehäuftes Auftreten solch ungewöhnlicher Abweichungen oft ein Anzeichen dafür, dass verschiedene Arten, Unterarten oder Populationen gekreuzt wurden.


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Der Diamondhead-Neonsalmler ist eine sehr beliebte Zuchtform, die erst in den letzten Jahren entstand.

Ein “goldiger” Parasit
Keine Zuchtform und nur als Wildfang erhältlich ist der Goldene Neon. Die Goldstaubkrankheit ist eine Hautreaktion auf die Infektion mit den Larvenstadien parasitischer, wirtswechselnder Saugwürmer (Metacercarien). Viele Salmler bekommen das. Die Infektion an sich ist harmlos, vermutlich werden aber die goldfarbigen Fische leichter Opfer von fischfressenden Vögeln, den Endwirten der Würmer. Die Nachkommen von Gold-Neons sind immer Normalfarben, da sie ja nicht mit den Metacercarien infiziert sein können. Dazu müssten sie den Kot infizierter Vögel fressen, der Aquarianern aber nicht zur Verfügung steht. Darum kann man bei Gold-Neons immer davon ausgehen, dass es sich um Wildfänge handelt. Die goldenen Tiere behalten diese Färbung zeitlebens, sie sind durch die eingekapselten Metacercarien in keinster Weise behindert und können genauso alt werden, wie normalfarbige Artgenossen.

Neonsalmler mit der Goldstaubkrankheit. Solche Fische sind immer Wildfänge.

Dieser Fisch ist einfach verführerisch
Die Welt hat sich seit der Entdeckung des Neonfisches verändert. Iquitos besitzt einen internationalen Flughafen. Der Neonsalmler wurde in eine andere Gattung überführt und heißt jetzt Paracheiroden innesi. Die Aquarienkunde hat einen Wissensstand erreicht, dessen Ausmaß man sich in den 1930er Jahren nicht hätte träumen lassen. Doch eines hat sich in den 88 Jahren seit der Entdeckung des Neonfisches nicht geändert: er ist und bleibt einer der schönsten Fische der Welt und zahllose Aquarianer kamen durch den Wunsch, solche Juwelen bei sich zuhause zu pflegen zum Hobby. Hoffen wir, dass es noch lange so bleibt!

Schleierflossige Zuchtform des Diamondhead-Neonsalmlers
Die besondere Farbverteilung des Diamondhead-Neonsalmlers ist in dieser Perspektive besonders gut zu erkennen.

Frank Schäfer

Literatur:

Durian, W. (1951): Der See im Glas. Ein Aquariumbuch für Jung und Alt. Schmidt, Berlin

Durian, W. (1961): Die Glühköpfe. Kinderbuchverlag, Berlin

Ladiges, W. (1973): Schwimmendes Gold vom Rio Ukayali. Wuppertal, 85 pp.

Voigt, W. (2005): Auguste Rabaut. Das Aquarium 428: 4-5

Warecka, W. (o.J.): Bunte Amazonienser erobern die Welt. Kataloge des OÖ. Landesmuseums. Neue Folge Nr. 61: 495-498

Ist Inzucht schädlich?

Nur wenige Begriffe in der Tier- und Pflanzenzucht sind so negativ besetzt wie der der Inzucht. Was ist eigentlich Inzucht? Man bezeichnet damit die sexuelle Fortpflanzung nahe miteinander verwandter Individuen. Gewöhnlich spricht man nur von Inzucht, wenn es sich um Verwandte ersten bis höchstens dritten Grades handelt. Eltern-Kind-Verpaarungen bezeichnet man zusätzlich als Inzestzucht.

Beim Breitmaulnashorn besteht eine starke angeborene Inzuchthemmung. Es war für die Zucht in Zoologischen Gärten wichtig, das zu erkennen, denn jung gemeinsam aufgezogene Tiere züchten nicht, sondern schalten auf „Geschwistermodus“, auch wenn sie überhaupt nicht miteinander verwandt sind.

Inzucht gilt als schädlich und auch als moralisch bedenklich. Warum eigentlich? Schließlich haben alle Angehörige einer Art letztendlich den gleichen Vorfahren, Arten könnten auch in der Natur gar nicht entstehen, würden sich nicht nahe verwandte Individuen miteinander paaren und so die neuen, arttypischen Merkmale, die während der Artbildung alternativ durch Mutationen oder Hybridisierung entstehen, festigen. Es gäbe keine einzige Haustierform ohne Inzucht, Rassenreinheit gar ist ohne enge Inzucht unmöglich zu erreichen.

Der Hund ist die am längsten domestizierte Tierart und stammt vom Wolf ab. Sämtliche Hunderassen entstanden durch strenge Inzucht.

Die Ablehnung der Inzucht beruht, pseudo-objektiv gesehen (wir sind nun einmal Subjekte und unsere Betrachtung der Dinge ist darum zwangsläufig immer subjektiv), auf der durch Inzucht steigenden Wahrscheinlichkeit, dass sich genetisch bedingte Krankheiten oder andere unerwünschte Gendefekte, die z.B. Schwachsinn oder körperliche Missbildungen hervorrufen, einstellen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn auch das Umgekehrte, nämlich die Verstärkung erwünschter, als positiv empfundener Eigenschaften, wie körperliche Stärke, Schönheit oder besonders hohe Intelligenz, kann durch Inzucht hervorgerufen werden. Auf dieser Grunderkenntnis beruhte der in früheren Jahrtausenden und Jahrhunderten eingeforderte Herrschaftsanspruch des Adels. Innerhalb adeliger Kreise, die durch strenge Heiratspolitik zumindest versuchten, ihr „Blut rein zu erhalten“, also möglichst eng inzuzüchten (in der Praxis funktioniert das nicht ganz so gut, Kuckuckskinder gibt und gab es seit jeher in allen gesellschaftlichen Gruppen), führte man den Herrschaftsanspruch über die Mitmenschen entweder darauf zurück, dass Götter oder zumindest Halbgötter irgendwo in der Ahnenreihe auftauchten, oder dass bestimmten Familien (in Religionen, die eine physische Einmischung der Unsterblichen in die menschliche Sexualität als unwahrscheinlich ansehen) den göttlichen Auftrag zu herrschen erhielten und der wäre gefährdet, wenn man sich unter Stand fortpflanzte.

Nach adeliger Vorstellung haben göttliche Kräfte ihre Finger im Spiel, wenn es um den Herrschaftsanspruch geht.

Darum war es z.B. unter den ägyptischen Pharaonen, die sich selbst als auf Erden weilende, sterbliche Götter sahen, absolut üblich, Geschwister zu heiraten und mit ihnen Kinder zu haben. In dünn besiedelten, schwer zugänglichen Regionen, in die es auch kaum wandernde Volkgruppen verschlug, zeigte sich allerdings oft die negative Seite der Inzucht beim Menschen, was gelegentlich zu zynischen Späßen Anlass gab.

Deformationen, wie hier der Wirbelsäule, werden oft mit Inzucht in Verbindung gebracht. Das abgebildete Tier ist ein Wildfang.

All das ist jedoch gar nicht oder nur sehr bedingt auf Tiere und Pflanzen  übertragbar. Kaum eine Organismengruppe hat eine so lange Kindheit wie der Mensch, pflanzt sich so langsam und in so hohem Alter fort. Biologisch nennt man eine derartige Fortpflanzungsstrategie übrigens eine K-Strategie. Bei Fischen z B., die fast ausnahmlos der Fortpflanzungsstrategie folgen, möglichst viele Nachkommen in die Welt zu setzen, von denen gewöhnlich mehr als 99,9 % vor dem Eintritt der Geschlechtsreife zugrunde gehen (so genannte r-Strategen), fallen erbgeschädigte Individuen kaum auf. Sie werden schlicht nicht groß. Man kann pauschal sagen, dass r-Strategen kaum Inzucht-Probleme haben. Zu den r-Strategen zählen praktisch alle für die Aquarien- und Terrarienpflege und -zucht in Frage kommenden Tier- und Pflanzenarten. Am anschaulichsten wird das bei Zuchtformen, denn wie eingangs schon erwähnt, können die ohnehin nur durch stenge Inzucht, oft sogar nur durch Inzestzucht, erhalten werden. Das funktioniert, wie manche Goldfisch-Varianten zeigen, schon seit mehreren Jahrhunderten sehr gut. Aber auch Goldorfen und Goldschleien gibt es schon 400-500 Jahre, ohne dass jemals wildfarbene Tiere oder gar Wildfänge in die Stämme eingekreuzt würden und gleiches gilt für etliche Karpfenformen.

Die Goldorfe wird seit dem Mittelalter in Inzucht gezüchtet.

Unter den Aquarienfischen sind es z.B. Blaue Fadenfische (sie basieren auf einer Mutation, die 1933 auf Sumatra auftrat), die seit der Entdeckung kontinuierlich weitergezüchtet werden. Weitere Beispiele solcher Langzeitzüchtungen von Zierfischen, die es in freier Natur nicht gibt, sind Albino-Makropoden, Schleierkampffische, Brokatbarben oder Schleierguppys. In anderen Fällen mussten Zierfische über Dekaden ohne „Blutauffrischung“ gezüchtet werden – und wurden es auch erfolgreich – weil ihre Herkunft nicht bekannt war, z.B. Schwarze Makropoden, Odessabarben oder Rote Spitzschwanzmakropoden, oder weil sie in der Natur ausgestorben sind oder zumindest so selten sind, dass ein kommerzieller Fang nicht lohnt. In diese Kategorie fallen zum Beispiel der Rote von Rio und der Blinde Höhlensalmler. Wieder andere Arten sind als Wildfänge deutlich kleiner und nicht so farbenprächtig wie die Aquariennachzuchten. Hier sind vor allem Zwergcichliden aus Südamerika zu nennen. Beim Schmetterlingsbuntbarsch gab es zu DDR-Zeiten auch Stämme, die speziell für Hartwassergebiete mit alkalischem pH-Wert gezüchtet wurden, also physiologische Zuchtformen.

Vom Schmetterlingsbuntbarsch gibt es zahlreiche Zuchtformen, die sich sowohl äußerlich wie auch physiologisch unterscheiden. Alle entstanden durch Inzucht.

Was passiert eigentlich bei der Inzucht? Grundsätzlich werden, gemäß der Mendelschen Regeln, rezessive Gene, also Gene, die verdeckte Eigenschaften vererben, in kurzer Zeit, nach 3-4 Inzuchtgenerationen, sichtbar. Darum tauchen bei Arten, bei denen der Wildfanghandel verboten wird, die jedoch eine gewisse Liebhaberschaft haben, relativ schnell Farbmutanten, wie Albinos, Lutinos, Melanos etc. auf. Da Züchter großwüchsige, farbenprächtige Nachzuchten gegenüber blassen „Mickerlingen“ stets bevorzugen, werden Zierfische unter Inzuchtbedingungen (man kann pauschal sagen, sämtliche Aquarienfischbestände, die regelmäßig als Nachzucht im Angebot des Zoofachhandels zu finden sind (das sind 70-80% aller gehandelten Süßwasserzierfische), sind grundsätzlich Inzuchtstämme, Ausnahmen sind so selten, dass man sie hier außer Acht lassen kann) im Allgemeinen größer, schwerer und bunter als die Wildfänge. Das steht in Wiederspruch zu Aussagen in alten Aquarienbüchern, ist aber trotzdem wahr. Wenn heutzutage einmal Wildfänge von seit Jahrzehnten gezüchteten Fischen auftauchen, etwa Schwarzen Phantomsalmlern, so sind diese Unterschiede meist sehr augenfällig. Die Wildfänge sind in einer Größe voll ausgefärbt und geschlechtsreif, in der bei ihren Aquarienvettern noch nicht einmal die Geschlechter erkennbar sind. Und bei vielen Apistogramma-Arten sind bereits nach wenigen Generationen so prächtige Exemplare entstanden, dass Laien die mausgrauen Wildfänge kaum als die gleiche Art erkennen.

Männchen des Aquarienstammes des Schwarzen Phantomsalmlers
Wildfangmännchen des Schwarzen Phantomsalmlers

Nach einiger Zeit der Linienzucht geschieht bei allen Inzuchtstämmen etwas, das man als die Passage des „genetischen Flaschenhalses“ bezeichnet. Die genetische Vielfalt nimmt dann so stark ab, dass es zum gehäuften Ausbruch von Erbkrankheiten kommt. Man nennt das die „Inzuchtdepression“. Ganz praktisch geht diese Inzuchtdepression in der Zierfischzucht gewöhnlich mit einer erhöhten Embryonensterblichkeit einher. Bei in großer Stückzahl gefragten, beliebten Fischarten ist das nicht sehr problematisch, die Inzuchtdepression relativ rasch überwunden. Hat der Stamm erst einmal den genetischen Flaschenhals passiert – was spätestens nach weiteren 2-3 Generationen der Fall ist – hört die Embryonensterblichkeit wieder auf, der Stamm wird wieder voll vital. Aber bei den so genannten Raritäten, also solchen Arten, für die es nur einen kleinen, speziellen Liebhaberkreis gibt, ist der genetische Flaschenhals oft das Ende der Art im Aquarium. Solche Raritäten werden gewöhnlich exzessiv gezüchtet, d.h. der Züchter zieht von der Art nur einige wenige Exemplare pro Generation auf, die der Bestandssicherung dienen sollen, da für größere Mengen keine Abnehmer zu finden sind. Gerät der Stamm aber in den genetischen Flaschenhals, reicht das nicht, dann muss man alle lebensfähigen Jungtiere aufziehen, sonst erhält man höchstwahrscheinlich nicht mehr ausreichend viele Zuchttiere für die nächste Generation. Leider lässt sich nicht zuverlässig vorhersagen, in welcher Generation der genetische Flaschenhals zu einer Inzuchtdepression führt. Nach meinen persönlichen Erfahrungen – hauptsächlich mit Labyrinthfischen – ist das meist in der siebten bis achten Folgegeneration einer Linienzucht der Fall.

Wildfangmännchen des Roten Spitzschwanzmakropoden. Nach meiner Erfahrung kommt es bei dieser Art in der siebten oder achten Generation zur Inzuchtdepression.

Der genetische Flaschenhals ist keine Erscheinung, die sich auf in Gefangenschaft gehaltene Tiere oder Pflanzen beschränkt. Er tritt auch in der Natur auf. Prominentes Beispiel ist der Gepard. Diese Großkatze ist in prähistorischer Zeit durch einen so engen genetischen Flaschenhals gegangen, dass heutzutage alle existierenden Exemplare einander uneingeschränkt als Transplantationspartner dienen können. Das geht in diesem Grad beim Menschen nur bei eineiigen Zwillingen, also genetischen Klonen! In der Natur ist der genetische Flaschenhals aber trotzdem der Hauptgrund für das Aussterben wildlebender Arten. Man darf ja nicht vergessen, dass r-Strategen mit Unmengen von Fressfeinden, Krankheitserregern und negativen Umweltfaktoren (z.B. Futtermangel) zu tun haben und dass genau deshalb gewöhnlich weniger als eins von tausend geborenen Jungtieren selbst die Geschlechtsreife erreicht. Sinkt eine Population einer wildlebenden Art bezüglich der fortpflanzungsfähigen Individuenzahl aufgrund fehlender Lebensräume unter einen kritischen Wert stirbt sie darum gewöhnlich unrettbar aus, da die während der Passage des genetischen Flaschenhalses produzierten lebensfähigen Nachkommen nicht ausreichen, um die hohen Verluste auszugleichen. U.a. deswegen ist Individuenschutz ein völlig ungeeignetes Mittel, bedrohte Kleintierarten (die ausnahmslos r-Strategen sind) zu schützen und genau deshalb sterben trotz aller Fang- und Haltungsverbote und Umsiedlungsmaßnahmen so viele Arten aus, wie man an der mitteleuropäischen Fauna und Flora so erschütternd sieht, die ja ausnahmslos (soweit es die Arten betrifft, die auch nur im Entferntesten eine Attraktivität für die private Pflege und Zucht haben) seit der Berner Konvention (1982) einem strengen Fang- und Sammelverbotverbot unterliegen.

Der Gepard ging in prähistorischer Zeit durch einen engen genetischen Flaschenhals.

Trotz teils winziger Gründerpopulationen und des Phänomens des genetischen Flaschenhalses mit der daraus folgenden Inzuchtdepression können auch hochgradige Inzuchtstämme in der Natur sehr vital und expansiv sein, wenn die Lebensräume intakt sind. Ein gutes Beispiel dafür ist die Gambuse, ein lebendgebärender Zahnkarpfen aus den USA, der im südlichen Europa zur Moskitobekämpfung ausgesetzt wurde. Die Milliarden heutzutage existierender, sehr expansiver und invasiver Gambusen im südlichen Europa gehen tatsächlich auf nur 12 Exemplare zurück, die 1921 aus Nord-Carolina nach Spanien gebracht wurden. Auch bei größeren Tieren mit einer vergleichsweise geringen Vermehrung konnten schon kleine Gründerpopulationen riesige, Millionen von Nachkommen umfassende Populationen aufbauen, so beim Waschbären, dessen in Deutschland lebende Population auf die überlebenden Tiere einer im Zweiten Weltktrieg zerstörten Pelztierfarm zurückzuführen ist, oder beim Goldhamster, dessen komplette Weltpopulation in Gefangenschaft auf einer initialen Inzestpaarung eines Wildfangweibchens und dessen Sohn beruht.

Gambusen

Bei Arterhaltungs-Zuchtprogrammen ist man sehr besorgt, Inzucht zu vermeiden, um eine möglichst große genetische Vielfalt zu erhalten, die bei einer eventuellen Auswilderung – so glaubt man – entscheidend für die Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Umweltbedingungen, Krankheitserreger etc. sein könnte. Allerdings zeigte sich bislang dort, wo man aus der Not heraus – einfach, weil zu wenige Exemplare einer aussterbenden Tierart übrig waren, um auch nur auf ein einziges Nachzuchttier egal welchen Inzuchtgrades verzichten zu können und die Gründerpopulation winzig war – dass die Inzuchtdepression in Gefangenschaft sogar bei K-Strategen überwindbar ist. Berühmte Beispiele sind der Kalifornische Kondor, der Davidshirsch, der Wisent oder das Prezwalski-Pferd. Ausgewilderte Exemplare dieser Arten sind überlebensfähig und bauen neue Populationen auf. Das Prezwalski-Pferd ging dabei übrigens schon durch seinen zweiten genetischen Flaschenhals. Wie 2018 bekannt wurde, ist es nämlich gar keine Wildpferdart, sondern eine verwilderte Haustierform. Diese Haustierform war die erste bisher bekannte domestizierte Pferderasse einer noch nicht identifiztierten Wildform, die vor etwa 5.500 Jahren in der so genannten Botai-Kultur als Fleisch- und Milchlieferant gezüchtet wurde. Nach dem Untergang der Botai-Kultur verwilderte dieses Pferd wieder, war aber, wie alle Haustiere, bereits durch einen genetischen Flaschenhals gegangen. Die heute lebenden Pferderassen, das nur am Rande, sind das Ergebnis einer zweiten, von der Botai-Kultur unabhängigen Domestikation einer ebenfalls noch nicht identifizierten Wildpferdart.

Das Prezwalski-Pferd galt bis 2018 als letzte überlebende Wildpferdart Eurasiens. Erst jetzt wurde erforscht, dass es sich in Wirklichkeit um eine verwilderte Haustierform handelt.

Die Erhaltungszucht von Zierfischen, von Tieren und Pflanzen allgemein, scheitert grundsätzlich nicht an Inzucht, das kann man mit einiger Sicherheit sagen. Inzucht führt jedoch zu einer genetischen Verarmung, weshalb es uns zumindest unter Hobby-Bedingungen kaum gelingen kann, die volle Bandbreite der äußeren Erscheinungsformen, sprich, der natürlichen Variabilität der Art, die selbst innerhalb einer Population erheblich sein kann, dauerhaft zu erhalten. Bei Männchen sehr vieler Apistogramma-Arten (und auch bei anderen Buntbarschen) gibt es z.B. einen Polychromatismus. Kein Züchter wird die grauen, farblosen Morphen weitervermehren, es findet immer, ob bewusst oder unbewusst, eine Auslese hin zu schönen, bunten Männchen statt. Auch bei vielen Lebendgebärenden Zahnkarpfen gibt es ein genetisch bedingtes Phänomen, das der Früh- und Spätmännchen. Frühmännchen werden schon wenige Wochen nach der Geburt geschlechtsreif, sind klein, weniger bunt und meist bestehen Würfe von Weibchen, die von Frühmännchen befruchtet wurden, vorwiegend aus Weibchen. Bei den prächtigen, großwüchsigen, oft erst im Alter von einem halben Jahr oder noch später geschlechtsreifen Spätmännchen ist es umgekehrt. Selbst wenn der Züchter bei der Zusammenstellung von Zuchttieren nicht aktiv eingreift, so tun es die Weibchen, die Spätmännchen bevorzugen.

Bei Apistogramma gibbiceps kommen, wie bei vielen Apistogramma-Arten, unterschiedliche Farbformen gemeinsam in einer Population vor, wie diese beiden Wildfangmännchen zeigen. Ein derartiger Polychromatismus ist bei Erhaltungszuchten kaum durchzuhalten, es findet in der Praxis immer eine Auslese zu Gunsten der als schöner empfundenen Tieren statt.

Die Bedeutung der Erhaltungszucht von Kleintieren unter Hobbybedingungen liegt weniger im Art-Erhalt von vom Aussterben bedrohten Tierarten. Hier können Hobbyisten zwar Erstaunliches leisten – und haben das auch schon sehr oft bewiesen – aber der Fokus des Artenschutzes muss endlich weggeleitet vom Individuum werden und hin zum Erhalt des Ökosystems, in dem die Art lebt; sonst bleiben alle Artenschutzbemühungen auf lange Sicht erfolglos. Die Bedeutung der Erhaltungszucht von Kleintieren in menschlicher Obhut liegt vielmehr darin, Erkenntnisse über die Arten zu gewinnen, die man von freilebenden Tieren niemals gewinnen kann. Unter diesem Aspekt spielt Inzucht eine untergeordnete Rolle. Per se ist Inzucht nicht schädlich. Man muss allerdings wissen, was sie bewirkt, um bei negativen Auswirkungen gegensteuern zu können.

Frank Schäfer


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Tanganjika-Clowns

Der Tanganjikasee im Herzen Afrikas ist ein riesiges Aquarium. Bereits in der Brandung und im kaum knöcheltiefen Wasser des Uferbereichs be­gegnen dem fischbegeisterten Besucher die ersten Buntbarsche, die – zumindest im südlichen Teil des Sees, etwa in Sambia – wie mit funkelnden Edelsteinen besetzt zu sein scheinen. Es handelt sich um kleine Buntbarsche, die Tanganjika-Clowns.

Portrait eines typischen Eretmodus cyanstictus aus Kavalla. Man erkennt die spatelförmigen, roten Zähne.

Es gibt mindestens fünf Arten von Tanganjika-Clowns, die sich auf drei Gattungen verteilen. Alle sehen sich außer­ordentlich ähnlich und sind ohne je­den Zweifel aufs engste miteinander ver­wandt. Die Einteilung in verschiedene Gattungen be­ruht auf den sehr unterschiedlichen Zahn­formen. Solchen Merkmalen wurde früher große Bedeutung für die stammesge­schicht­liche Beurteilung beigemessen. Heu­te sieht man das nicht mehr ganz so. Eigentlich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich ein Wissenschaftler dieser reizenden Fische annimmt und alle Arten in eine Gattung zusammenführt. Doch noch ist es nicht so weit.

Erste Gattung: Eretmodus

Bereits 1898 wurde diese Gattung von Boulenger aufgestellt. Lange Zeit galt sie formell als monotypisch, d.h. nur die ebenfalls 1898 beschriebene Art E. cyanostictus wurde ihr zugeordnet.

Männchen von Eretmodus cyanostictus von Moba
Weibchen von E. cyanostictus von Moba.

2012 beschrieb Burgess  Eretmodus marksmithi. So richtig „brandneu“ ist die Erkenntnis, dass es mindestens zwei Arten in der Gattung Eretmodus gibt, freilich nicht. Bereits seit etwa 30 Jahren kennt man diese erst kürzlich beschriebene Art in der Aquarienkunde, meist als Eretmodus sp. „cyanostictus north“, ein Name, der von Konings (1998) geprägt wurde. Er bezieht sich darauf, dass man den Fisch nicht im südlichsten Drittel des Tanganjikasees antrifft. Dort gibt es nur E. cyanostictus. Nach Konings, der von Burgess diesbezüglich zitiert wird, ist die südliche Verbreitungsgrenze von  E. marksmithi an der Westküste (Kongo) bei Kapampa, an der Ostküste (Tansania) bei Kapemba. Das Unterscheidungsmerkmal der beiden Arten ist im Wesentlichen die Maulstellung: deutlich unterständig bei E. marksmithi und fast endständig bei E. cyanostictus. Hinzu kommen Farbunterschiede. So weist E. cyanostictus immer viele blaue Punkte im Kopfbereich auf, die bei E. marksmithi fehlen oder nur ganz vereinzelt vorhanden sind. E. marksmithi zeigt darüber hinaus deutlich abgesetzte vertikale Binden in voller Körperhöhe und über die gesamte Körperlänge, während sich bei E. cyanostictus senkrechte Binden auf die untere Körperhälfte beschränken und nie am Körperende oder dem Schwanzstiel auftreten. Typuslokalität ist Makombe in Burundi, das gesamte der Beschreibung von E. marksmithi zugrunde liegende Material (sieben Exemplare) stammt aus dieser Population. Beschrieben wurde die Art zu Ehren des amerikanischen Aquarianers Mark Smith. Männchen werden etwa neun Zentimeter lang, Weibchen bleiben rund 20% kleiner.

Wildfangpärchen (Import Aquarium Glaser) von Eretmodus marksmithi (Weibchen vorn) von Makombe, Burundi, der Typuslokalität.

Leider muss ich feststellen, dass die Beschreibung von E. marksmithi kaum zeitgemäßen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Es wurde fast kein Museumsmaterial untersucht (lediglich fünf frisch gesammelte Exemplare von E. cyanostictus von Mpulungu, der Typuslokalität, werden aufgeführt), fast alle Angaben zu Verbreitung und Farbvarianz beruhen darum auf Literaturangaben (Konings und Tawil) und sogar die existierende Literatur wurde nur sehr unvollständig ausgewertet. So fehlt z.B. im Literaturverzeichnis die wichtige Arbeit von Rüber (1998), worauf schon Staeck (2013) hinwies. Schließlich ist es nicht gut, wenn eine wissenschaftliche Artbeschreibung in einer polnischen Liebhaberzeitschrift „versteckt“ wird. Denn wozu publiziert man eine solche Arbeit, wenn sie dann selbst für Fachwissenschaftler nur unter erheblichem Aufwand erhältlich ist? Ich danke übrigens Wolfgang Staeck sehr herzlich für die Überlassung einer Kopie.

Eretmodus marksmithi fehlt oft die blaue Tüpfelung der südlichen Art.

Sollte es zu der in der Einleitung angedeuteten Zusam­men­legung der Tanganjika-Clowns in eine einzige Gattung kommen, würde sie Eretmodus heißen. Die Typusexemplare von E. cyano­stictus stammen aus dem Süden des Sees, wo die Tiere immer die namens­gebenden blauen Tüpfel tragen.

Bei manchen Populationen von Eretmodus ist das Weibchen deutlich dunkler gefärbt als das Männchen. Dies ist ein Weibchen von Kavalla (D. R. Congo).
Pärchen von E. cyanostictus von Kavalla, links das Männchen.

Zweite Gattung: Spathodus

Nur ein Jahr noch Eretmodus beschrieb Boulenger auch Spathodus. Deren Typus-Art, S. erythrodon, sieht Eretmodus cyanostictus dermaßen ähnlich, dass man sie nur anhand der Zähne sicher auseinander halten kann. Sie sind bei Spathodus lang und zylindrisch, bei Eretmodus breit und spatelförmig. Allerdings zeigen die von Tawil (2005) abgebildeten S. erythrodon keinerlei senk­rechte Binden, wie sie für Eretmodus so typisch sind. Die zweite Art der Gattung, S. marlieri, sieht hingegen ganz anders aus. Sie weicht in mancher Hinsicht von den anderen Tanganjika-Clowns ab, so in der Brutpflege und bezüglich der relativ ausgeprägten Geschlechtsunterschiede, worüber gleich noch zu sprechen sein wird.

Männchen von Spathodus marlieri mit dem für Männchen dieser Art typischen Stirnbuckel.

Dritte Gattung: Tanganicodus

Diese Gattung wurde 1950 von Poll auf­gestellt, sie ist monotypisch mit der Art T. irsacae. Wiederum ist es die Zahnstruktur – in diesem Fall lang und zugespitz – die die Gat­tung von Eretmodus und Spathodus trennt. Es gibt jedoch ein Farbmerkmal dieser bislang nur aus dem Norden des Sees bekannten Art, das es relativ leicht macht, sie von den anderen Tanganjika-Clowns zu unterscheiden: bei Tanganicodus befindet sich in der Mitte der Rückenflosse immer ein auffälliger Fleck. Tawil (2005) hält die Unter­schiede der Tanganicodus von Kavalla (D. R. Congo) und M´Toto (ebenfalls D. R. Congo) für so gravierend, dass er in ihnen weitere, unbeschriebene Arten der Gattung sieht. Demnach enthält Tanganicodus eine be­schriebene und zwei unbeschriebene Arten. Die von Kavalla zeichnet sich durch das Fehlen senkrechter Bänder aus; sie besitzt nur waagerecht angeordnete, türkis­farbene Flecken. Die Art vom M´Toto kann man daran erkennen, dass bei ihr die hellen senkrechten Bänder im hinteren Körper­drittel breiter als die dunklen Binden sind. Bei typischen T. irsacae ist das genau umgekehrt, d.h. die dunklen Binden sind breiter als die hellen.

Weibchen von T. irsacae. Man beachte den für die Gattung typischen Rückenflossen­fleck.

Zwergbuntbarsche

Alle Arten der Tanganjika-Clowns bleiben unter der 10-cm-Marke, an der nur männliche Spathodus marlieri kratzen. Grund­­­sätzlich werden die Männchen aller Arten etwas größer als die Weibchen. Bei vielen Farbformen ist das die einizige Mög­lichkeit, die Geschlechter zu unter­scheiden. Eretmodus-Männchen werden etwa acht, Weibchen nur 6 cm lang, gleiches gilt für Spathodus erythrodon, S. marlieri wird 10 bzw. 8 cm lang und Tanganicodus ist mit höchstens 6,5 bzw 5,5 cm der kleinste aller Tanganjika-Clowns.

Uferhüpfer

Es wurde eingangs schon erwähnt: Tanganji­ka-Clowns sind ausgesprochene Flach­was­ser-Bewohner. Man stelle sich aber den Tanganjikasee bloß nicht wie einen Bagger­see in heimischen Breiten vor. Das ist im Gegenteil ein riesiges Süßwasser-Binnen­meer mit einer entsprechenden Dünung. Auch bei ruhigem Wetter gibt es immer einen leichten Wellenschlag, doch bei Sturm können meterhohe Brecher entstehen. Im Geröll des Uferbereichs finden die Tanganji­ka-Clowns ihre Nahrung: Aufwuchs. Das sind Algen und die darin lebenden Klein- und Kleinstlebewesen. Dabei ist jede Art der Tanganjika-Clowns durch ihre besondere Zahn­form etwas anders spezialisiert als die nahen Ver­wandten. So können bis zu drei Arten Clowns gemeinsam vorkommen, ohne sich in direkte Konkurrenz zueinander zu begeben. Bei allen Clowns ist die Schwimmblase re­duziert, denn zuviel Auftrieb würde in ihrem Biotop mehr Schaden als Nutzen bringen. Die daraus resultierende, hüpfende, auf den Menschen erheiternd wirkende Schwimm­weise führte, zusammen mit ihren breiten Lippen, die oft auffallend blau gefärbt sind, zu ihrer populären Bezeichnung. Diese darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle Clowns ausgesprochen territoriale Fische sind, die besonders auf Artgenossen sehr aggressiv reagieren können. Speziell Männchen von Spathodus marlieri können sich zu wahren Tyrannen im Aquarium entwickeln. Trotz ihrer geringen Größe sollte das Aquarium für Tanganjika-Clown darum nicht zu klein sein und reichlich Versteck­möglichkeiten aufweisen.

Maulbrüter mit Elternfamilie

Neben ihrem hübschen Äußeren ist es vor allem ihre sehr spezielle Art der Brutpflege, die die Tanganjika-Clowns so anziehend für die Aquarianer macht. Es handelt sich nämlich um biparentale Maulbrüter, die eine dauerhafte Einehe eingehen. Das Wort biparental meint, dass beide Elternteile an der Brutpflege beteiligt sind. Das ist für maulbrütende Buntbarsche der afrika­nischen Grabenseen absolut ungewöhnlich. Normalerweise handelt es sich hier um agame Maulbrüter im weiblichen Ge­schlecht. Das bedeutet, dass die Männchen nach dem Ablaichen keine Paarbindung mit dem Weibchen haben, das sich alleine um Eier und ggf. die Brut kümmert.

Das Ablaichverhalten der Tanganjika-Clowns sei am Beispiel von Eretmodus geschildert. Es beginnt damit, dass das Weibchen mit dem Maul das Ablaichsubstrat – in der Regel eine waagerecht liegende Steinplatte, in Er­man­gelung einer solchen wird im Aquarium oft die Boden­scheibe freigelegt – reinigt. Das Männchen schwimmt zu der gereinigten Stelle, scheint dort Sperma abzugeben und entfernt sich. Das Weibchen setzt unter schüttelnden Bewegungen an der gleichen Stelle ein oder wenige Eier ab, dreht sich um, und nimmt die Eier ins Maul. Das Männchen schwimmt zu diesem Zeitpunkt wiederum zur Ablaich­stelle und gibt Sperma ab, das das Weibchen mit den Eiern ins Maul aufnimmt, wo die Be­fruchtung erfolgt. Es werden nur relativ wenige – etwa 30 – Eier abgesetzt, die jedoch vergleichsweise groß sind. Die einzelnen Eiablagen erfolgen immer in der geschilder­ten Reihenfolge, also Putzen durch das Weibchen, Absamen des Männ­chens, Auf­nahme der Eier, Absamen des Männchens. Das Weibchen übernimmt nun für etwa 10-12 Tage die Maulbrutpflege, hält sich jedoch stets in der Nähe des Männchens auf. Nach dieser Zeit übergibt es den Laich an das Männchen, das in weiteren 7-10 Tagen die Maulbrutpflege zum Ende bringt. Eine über das Freischwimmen der Jungtiere hinaus gehende Brutpflege wird nicht ausgeübt.

Dieses Verhalten zeigen alle Tanganjika-Clowns mit Ausnahme von Spathodus marlieri, der eine rein mütterliche (=mater­nale) Maulbrutpflege ausübt.

Geschlechtsunterschiede

Einer der größten Hinderungsgründe für eine erfolgreiche Zucht der Tanganjika-Clowns im Aquarium ist, dass man die Ge­schlechter nur sehr schwer unterscheiden kann, die hohe innerartliche Aggressivität aber andererseits eine Gruppenhaltung nicht zulässt. Grundsätzlich bleiben die Weib­chen immer kleiner, man wähle also mög­lichst das größte und das kleinste Tier aus einer Gruppe. Oft schwimmen die Paare auch beim Händler zusammen und man kann durch Beobachten herausfinden, wer zusammen passt. Aber bei manchen Popu­lationen sind auch Farbunterschiede zu beobachten; so sind die Weibchen von vielen Eretmodus-Populationen dunkler gefärbt als die Männchen. Bei einigen Populationen von E. marksmithi weisen die Weib­chen weni­ger blaue Farbanteile am Kopf auf. Bei der Population von Tangani­codus irsacae aus Ikola haben die Weibchen einen brei­teren, farbigen Saum in der Schwanz­flosse. Und bei Spathodus marlieri entwickeln die Männchen einen Stirnbuckel. Erstaunlicherweise sind die frisch aus dem Maul entlassenen  Jungtiere von Eretmodus manchmal sexualdichrom, Männ­chen sind dann dunkel, Weibchen hell gefärbt; das gibt dem Züchter die Möglichkeit, die Tiere zu sortieren und mit Geschlechtsangabe abzugeben; der Farbunterschied zwischen den Geschlechtern verliert sich während des Wachstums wieder.

Männchen von Tanganicodus irsacae aus Ikola (Tansania).
Weibchen von Tanganicodus irsacae aus Ikola.

Insgesamt sind Tanganjika-Clowns wunder­schöne, pflegeleichte Fische, deren erfolg­reiche Zucht im Aquarium jedoch immer noch eine Herausforderung darstellt.

Frank Schäfer

Zitierte Literatur:

Burgess, W. E. (2012): A new species of goby cichlid of the genus Eretmodus, E. marksmithi (Pisces: Cichlidae) from the northern part of Lake Tanganyika. Tanganika Magazyn (12): 23-31

Konings, A. (1998): Tanganyika cichlids in their natural habitat. Zevenhuizen, Verdujin Cichlids, 272 pp.

Konings, A. (1999): Tanganjika-Cichliden in ihrem natürlichen Lebensraum. Cichlid Press.

Tawil, P. (2005): Les cichlidés gobies ou éretmodines. Nouvelles especès en provenance de la côte ouest du lac Tanganyika. L´an Cichlidé, Vol. 5.

Rüber, L. (1998): Die Gattungsgruppe Eremodini. Untersuchungen zur Stammesgeschichte. Datz-Sonderheft Tanganjikasee: 36-39

Staeck, W. (2013): Weiterer Buntbarsch aus dem Tanganjikasee taxonomisch bearbeitet. Aquaristik Fachmagazin 229: 97-99

Lexikon Tanganjika-Clowns:

Eretmodus: bedeutet “mit Ruderblatt-ähnlichen Zähnen”

Spathodus: bedeutet “mit schwertähnlichen Zähnen”

Tanganicodus: deutet an, dass die Gattung aus dem Tanganjikasee stammt und sich durch die Zähne (altgriechisch “odous” heißt Zahn) von den beiden zuvor genannten Gattungen unterscheidet.

cyanostictus: bedeutet “mit blauen Punkten”

erythrodon: bedeutet “mit roten Zähnen”

marksmithi: Widmungsname für Mark Smith

marlieri: Widmungsname für G. Marlier, dem ehemaligen Leiter der Forschungsstation IRSAC in Uvira

irsacae: nach der Forschungsstation IRSAC in Uvira


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Phenacogaster tegatus

Nur selten wurde und wird dieser etwa 6 cm lang werdende Salmler aus dem südlichen Südamerika (Einzug des Paraguay-Flusses in Argentinien, Brasilien und Paraguay) importiert. Das ist schade, denn die bereits 1911 von Eigenmann unter dem Namen Vesicatrus tegatus – die Gattung Vesicatrus wird derzeit als Synonym zu Phenacogaster gesehen – beschriebene Art weist einige Besonderheiten auf, die die Beobachtung im Aquarium lohnenswert macht.

Die Gattung Phenacogaster: eine kurze Übersicht

Derzeit (August 2023) werden dieser Gattung 24 Arten zugeordnet. Aufgestellt wurde die Gattung 1907 von Eigenmann für die 1870 von Cope aus Peru (Pebas) beschriebene Art Tetragonopterus pectinatus. Die Beschreibung von Cope war von keiner Abbildung begleitet, darum zeichnete Fowler 1907 den Holotypus, den er in die Gattung Astyanax einordnete. Aufgrund dieser Zeichnung würde man wohl kaum einen Phenacogaster erkennen; kein Wunder also, dass Steindachner 1876 und 1882 zwei Synonyme zu P. pectinata fabrizierte: Tetragonopterus tabatingae und T. bairdii. Für das 19te Jahrhundert war es das.

Der Holotyp von Tetragonopterus pectinatus aus Fowler, 1907

Der Salmlerspezialist Eigenmann beschrieb 1909 zwei, 1911 drei weitere Arten, je eine Art beschrieben Norman (1934), Ahl (1936) und Fowler (1941); somit kannte man Mitte des 20ten Jahrhunderts 9 Arten, wobei ich das hier vereinfacht darstelle, die waren nämlich durchaus nicht alle in Phenacogaster untergebracht. Umgekehrt ist der 1911 von Fowler als Phenacogaster bondi beschriebene Fisch heute in Gymnocorymbus gestellt, zweifellos korrekt.

Gymnocorymbus bondi aus Kolumbien wird manchmal als kleiner Jungfisch mit hübschen orangefarbenen Flossen importiert. Mit zunehmendem Alter verliert sich das leider. Die Art wurde von Fowler fälschlich in Phenacogaster beschrieben; aquaristisch kannte man sie lange Zeit als Gymnocorymbus socolofi.

Dann war es lange Zeit still um diese Salmlergruppe. Erst 1995 folgte wieder eine Art-Beschreibung, zusammen mit einer neuen Diagnose der Gattung. Die brasilianische Ichthyologin Zilda Margarete Seixas de Lucena, bereits Seniorautor der 1995er Arbeit, entdeckte diese kleinen Salmler nun für sich und begann zu forschen. Das Ergebnis ist beeindruckend. Die zuletzt beschriebene Art, P. lucenae, wurde zu Ehren von Lucena benannt und ist die 15te neue Art seit 1995! Farblich sind Phenacogaster freilich keine Offenbarung. Die meisten sind kleine, durchsichtige Fische, meist mit einem Schulterfleck, oft mit einem Schwanzwurzelfleck. Sie sehen sich sehr, sehr ähnlich. Wer in die Feinheiten der Artunterscheidung einsteigen möchte, sollte mit der 2010er Arbeit „Descrição de nove espécies novas de Phenacogaster (Ostariophysi: Characiformes: Characidae) e comentários sobre as demais espécies do gênero“ von Lucena & Malabarba einsteigen (kostenloser Download hier: https://www.scielo.br/j/zool/a/47FyqVP45DrQ3wNV9Jwqt3k/?lang=pt), in der alle bis zu diesem Zeitpunkt erfassten Arten diskutiert werden und ein Bestimmungsschlüssel geliefert wird.

Phenacogaster-Arten werden kaum gezielt importiert. Dieses Tier wurde provisorisch als P. megalosticta bestimmt, aber sicher ist das nicht.

Dieses Exemplar sammelte ich aus einer Sendung aus Venezuela heraus. Vielleicht handelt es sich um P. prolata.

So richtig farblich vom Grundtyp abweichend sind nur zwei Arten, nämlich P. apletostigma, der einen sehr großen zweiten Humeralfleck hat und der eigentliche Gegenstand dieses Blogs, der „Sechsaugensalmler“ P. tegatus.

Phenacogaster tegatus

Obwohl auch diese Art keine plakativen Farben aufweist, sieht es doch mit seinem Flankenfleck und dem hell eingefassten Schwanzwurzelfleckt sehr hübsch aus. Mit dieser Färbung hat es etwas auf sich. Bekanntlich orientieren sich viele Raubfische bei der Jagd nach dem Auge der Beute. Sehr viele Fische haben darum – zumindest als Jungtiere – einen so genannten Augenflecken oder Ocellus im hinteren Teil des Körpers. Der Zweck der Übung besteht darin, den Räuber zu verwirren und ins Leere stoßen zu lassen. Phenacogaster tegatus hat nicht nur einen solchen Ocellus im Schwanzstiel, sondern auch noch in der Körpermitte. Die Verwirrung, die er damit erzeugt, ist pefekt, denn es gibt nur wenige Salmler, die derart konstant im engen Verband schwimmen, wie das Phenacogaster tegatus tut. Wegen dieser farblichen Eigenschaften habe ich bei einer Kurzvorstellung des Tieres auf der Homepage von Aquarium Glaser (https://www.aquariumglaser.de/fischarchiv/phenacogaster_tegatus_de/) den Namen „Sechsaugensalmler“ kreiert.

Salmler gelten ja im aquaristischen Sprachgebrauch generell als „Schwarmfische“. Dass das so nicht ganz richtig ist, wurde schon oft gesagt und geschrieben. Gemeint ist eigentlich gar nicht, dass die Tiere ein echtes Schwarmverhalten zeigen. Ein Schwarm reagiert bekanntlich wie ein großes Über-Individuum, jedes Schwarmmitglied orientiert sich bedingungslos am Nachbartier und agiert wie dieses. Nur so kommt es zum Schwarm. Unsere Aquariensalmler und – barben schwimmen hingegen nur höchst selten im Schwarm. Gewöhnlich tun sie es überhaupt nur, wenn eine akute Gefahr droht. Ansonsten kümmern sie sich eher um die eigenen Angelegenheiten, bleiben aber stets im Blick-Kontakt zu Artgenossen. Und das meint der Aquarianer, wenn er vom „Schwarmfisch“ spricht. Diese Tiere brauchen den ständigen Kontakt zu Artgenossen, um ihr normales Verhaltensspekrum ausleben zu können.

In diesem Sinne ist Phenacogaster tegatus unbedingt als Schwarmfisch anzusehen. Es gibt nur wenige Kleinsalmler, die derart auf Kontakt mit Artgenossen bedacht sind, wie der Sechsaugensalmler. Zur Not schließt er sich sogar anderen Arten an. Dazu dient ihm die Färbung auf dem Schwanzstiel. Dieser Ocellus ist nämlich exakt so gefärbt, wie der Ocellus bei dem Zwergpanzerwels Corydoras hastatus, dem Paraguay-Salmler (Aphyocharax nattereri, früher A. paraguayensis) und verschiedenen cheirodontinen Salmlern. Diese Arten imitieren einander allesamt in der Färbung. Ich nannte das einmal die „Paraguay-Connection“. Über sie gibt es einen Blog: https://www.aqualog.de/blog/die-paraguay-connection/

Alle genannten Arten schwimmen – zumindest gelegentlich – im gemischten Schwarm. Ihre Färbung könnte zweckmäßiger nicht sein. Der Ocellus-Effekt der Schwanzstiel-Zeichnung auf Raubfische wurde ja schon erörtet, dazu kommt, dass der Ocellus gleichzeitig als Orientierung für Schwarmgenossen dient. Der Vorteil von aus verschiedenen Arten zusammengesetzen Schwärmen liegt darin, dass eine verfügbare Nahrungsquelle mit weniger Artgenossen geteilt werden muss; ein Zwergpanzerwels ernährt sich ganz anders als ein Salmler und auch bei den Salmlern gibt es jede Menge Spezialisierungen. So hat man den Vorteil des Schwarmes mit der dort herrschenden erheblich größeren Sicherheit ohne den Nachteil, die Nahrung mit allzu vielen Artgenossen teilen zu müssen.

Wenn man also von dem selten angebotenen Phenacogaster tegatus nur wenige Exemplare erwerben kann, so kombiniere man sie mit fast immer erhältlichen Zwergpanzerwelse und/oder Paraguay-Salmlern. Ein derart besetztes Aquarium sollte gut ausgeleuchtet ein und über eine möglichst große, freie Sandfläche verfügen. Die Bepflanzung darf ruhig eher spärlich ausfallen, einige Wurzelstücke, Steine und etwas totes Laub (Eiche, Buche, Birke, Cattapa) vervollständigen das Bild. Das Wasser sollte stets klar gefiltert sein, jedoch keine allzu starke Strömung aufweisen. Als Biotop-gerechten Hingucker kann man noch ein oder zwei Paare Zwergcichliden (Apistogramma borellii, A. trifasciata oder Laetacara dorsigera) beigesellen, die etwas Farbe ins Spiel bringen.

Der Sechsaugensalmler ist eine völlig friedliche Art. Meines Wissens wurde noch kein ausführlicher Zuchtbericht über die Art publiziert, es ist jedoch zu erwarten, dass es sich um produktive Freilaicher ohne Brutfürsorgeverhalten handelt. Die Geschlechtsunterschiede sind bei der Art nur gering ausgeprägt. Die Männchen erscheinen hochrückiger und mit vergleichsweise größerer Afterflosse. Deutliche Größenunterschiede zwischen den Geschlechtern scheint es nicht zu geben.

Die aquaristischen Eckdaten für die Art: die Tiere sind nicht anspruchsvoll bezüglich der Wasserzusammensetzung. Die Wasserhärte spielt eine absolut untergeordnete Rolle, der pH-Wert darf zwischen 6 und knapp unter 8 liegen. Viel entscheidender ist die Tatsache, dass es sich um subtropische Fische handelt, die man nicht ganzjährig bei gleichbleibenden Temperaturen pflegen sollte. Viel besser tut es den Tieren, wenn sie bei Raumtemperatur gepflegt werden (18-22°C) und die Temperatur nur im Sommer um einige Grade ansteigt. Auch die Fortpflanzung lässt sich vermutlich durch die Zugabe von weichem Frischwasser und einem moderaten Temperaturanstieg auf vielleicht 26-28°C stimulieren. Gefressen wird von dem Sechsaugensalmler jegliches übliche Fischfutter passender Größe, egal ob lebend, trocken oder aus der Tiefkühltruhe.

Frank Schäfer

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Invasive Tilapia in Queensland – man kann nichts gegen sie tun

Die australische Fußball-Nationalmannschaft der Frauen hat gerade gegen die Engländerinnen verloren und ist somit aus dem Kampf um den WM-Titel ausgeschieden. Während aber im Sport jederzeit eine siegreiche Revanche möglich und denkbar ist, ist ein Sieg gegen eine Tierart nahezu ausgeschlossen. Denn Australien hat einen weiteren übermächtigen Gegner aus dem Tierreich: Tilapia. Nach dem Kaninchen (Oryctolagus cuniculus) und der Agakröte (Rhinella marina, früher Bufo marinus) zeigen nun Buntbarsche eindrucksvoll, dass der Mensch nur noch ohnmächtig zusehen kann, wenn er die Natur erst einmal entfesselt hat.

Als Aquarianer und Ökologe hat man zu Tilapien (Gattungen Tilapia, Coptodon, Oreochromis und Sarotherodon) schon immer ein gespaltenes Verhältnis. Einerseits sind die anpassungsfähigen und raschwüchsigen Fische ein Segen für die Menschen in Proteinmangelgebieten, denn die Fische können sich zur Not vegetarisch ernähren. Da sie ferner keinerlei Ansprüche an die Wasserzusammensetzung stellen, sogar mit Brackwasser kommen sie aus, und hohe organische Belastung tolerieren, kann man mit ihrer Aquakultur auch noch in Gebieten, in denen weder eine Viehhaltung möglich ist noch eine ausreichende Fischerei betrieben werden kann, den Eiweißbedarf der Bevölkerung decken.

Tilapia-Arten der Gattungen Oreochromis und Sarotherodon sind Maulbrüter im weiblichen Geschlecht. Dies ist O. niloticus.

Tilapien schmecken wirklich lecker. So lecker, dass man sie auch in Gebieten züchtet, wo das gar nicht nötig wäre – außer zu kulinarschen Zwecken. Entkommen Tilapien aus ihren Zuchtanlagen (und das tun sie früher oder später immer), dann zeigt sich ihr negativer Aspekt. Sie sind nämlich fremder Fischbrut gar nicht abgeneigt, auch alle möglichen anderen Kleintiere verschwinden in den großen Mäulern und die Fische vermehren sich dank ihrer hochentwickelten Brutpflege wie das schlechte Geld. Schon ganze Ökosysteme sind mit Tilapien verseucht, hunderte von Fischarten gelten wegen Tilapien als vom Aussterben bedroht.

Im Aquarium werden Tilapien so gut wie nie gepflegt. Es sind zwar schöne Tiere, aber die genannten Arten werden mit 30-50 cm Länge ziemlich groß und sie fressen sämtliche Wasserpflanzen. Kleine Fische auch. Es gibt zwar auch zwergige, bunte Tilapien, etwa in Kraterseen in Kamerun. Aber der negative Ruf, den Tilapien in der Aquaristik haben, verhindert stets, dass sie mehr als kurze Gastrollen im Hobby geben.

„Tilapien“ wurden vom Menschen weltweit in tropischen und subtropischen Regionen verbreitet. Dies ist ein Oreochromis-Jungtier aus Paraguay.

Was sind „Tilapien“?

In den 1950er Jahren begann man, verschiedene afrikanische Buntbarsche aus der Verwandtschaft der Gattung Tilapia auf ihre Eignung zur Aquakultur und zur Bekämpfung des Welthungers zu untersuchen. Die Buntbarsche der Tilapia-Verwandtschaft haben mehrere Eigenschaften, die sie dafür besonders gut geeignet erscheinen lassen:

  • sie sind äußerst fruchtbar und gute Brutpfleger; so lässt sich aus wenigen Ausgangstieren rasch eine große Anzahl züchten.
  • sie sind schnellwüchsig und erreichen unter gewissen Umständen eine ordentliche Größe
  • sie lassen sich gut mit Futtermitteln auf pflanzlicher Basis ernähren, verwandeln also in Eiweißmangel-Gebieten für den Menschen wertloses Grünzeug in kostbares Protein
  • sie stellen nur sehr geringe Anforderungen an die Wasserqualität und zeigen eine hohe Toleranz gegen Versalzung
Sarotherodon melanotheron, eine maulbrütende „Tilapie“ mit hoher Salztoleranz

Hinter dem Sammelbegriff „Tilapia“ (Mehrzahl: Tilapien) verbergen sich, wie eingangs erwähnt, viele verschiedene Arten aus mehreren Gattungen. Die echten Tilapia-Arten und Coptodon sind offenbrütende Buntbarsche mit Elternfamilie. Das bedeutet, die Tiere legen ihre aus vielen hundert Eiern bestehenden Gelege auf festen Gegenständen (Wurzeln, Steinen etc.) ab und beide Eltern verteidigen den Laich und später die Jungfische aggressiv gegen potentielle Feinde. In Aquakultur sind aus dieser Gruppe hauptsächlich Tilapia mariae und Coptodon zillii, vor allem letztere Art besitzt eine sehr hohe Salztoleranz und kann sogar in reinem Meerwasser leben. Die Arten der Gattungen Oreochromis und Sarotherodon sind hingegen agame, maternale Maulbrüter, das bedeutet: die Männchen beteiligen sich nach dem Ablaichen nicht an der Laich- oder Jungfischpflege, sondern laichen mit zahlreichen Weibchen ab. Die Weibchen bebrüten die Eier im Maul bis zum Schlupf der Jungtiere und nehmen auch später noch eine Zeit lang die Jungen in Bedrohungs-Situationen zum Schutz ins Maul. Es sind weltweit vor allem Oreochromis aureus, O. niloticus, O. mossambicus, O. urolepis und etliche Hybriden in Aquakultur, aus der Gattung Sarotherodon ist es S. melanotheron – wiederum eine sehr salztolerante Art.

Tilapia mariae, ein Offenbrüter.

Coptodon zillii, ebenfalls eine offenbrütende Tilapie.

Fluch oder Segen?

Reisende Aquarianer hassen „Tilapien“, denn wo diese Buntbarsche im Netz zappeln, das lehrt die Erfahrung, nimmt die Vielfalt einheimischer Arten rapide ab. Unter Ökologen werden „Tilapien“ ebenfalls gerne als „Seuchen“ oder – englisch – „Pests“ bezeichnet. Ein Zusammenhang zwischen Biodiversitätsverlust und dem Auftreten von „Tilapien“ ist offensichtlich. Weit weniger offensichtlich ist allerdings, ob die „Tilapien“ tatsächlich für den Biodiversitätsverlust verantwortlich sind. Behaupten kann man so etwas nämlich leicht, es zu beweisen ist erheblich schwerer. Es kann genauso gut sein, dass die „Tilapien“ einfach nur besser mit den Gegebenheiten in vom Menschen gestörten Lebensräumen klarkommen als die ursprünglich heimischen Arten. Allerdings steht außer Frage, dass „Tilapien“ jede Nahrungsquelle nutzen, auch Jungfische anderer, einheimischer Arten, die daher mit einem zusätzlichen Predatorendruck (Predator = Freßfeind) klar kommen müssen.

Oreochromis urolepis hornorum

Alles Jammern nutzt aber nichts, denn es gibt zu den „Tilapien“ in vielen Ländern der Tropen einfach keine sinnvolle Alternative in der Aquakultur. Und so lange „Tilapien“ in Teichen gehalten werden, so lange werden auch Tiere in die freie Natur entkommen, sei es bei Hochwasserereignissen oder auf sonstigen Wegen. Und es steht außer Frage, dass „Tilapien“ lecker sind und schon Millionen von Menschen zu einer gesunden Portion Eiweiß und zu einem dauerhaften Einkommen verholfen haben, die sonst unter Mangelernährung und bitterer Armut hätten leiden müssen.

Lecker zubereitete Tilapia in einem Restaurant in Thailand

In Queensland in Australien ist der Besitz von „Tilapien“ seit Jahrzehnten verboten. Man darf sie nicht haben, weder lebend zur Aquarienhaltung, noch tot im Kühlschrank für´s Barbecue. Und doch sind inzwischen wohl alle größeren Flussysteme mit ihnen verseucht. Wenn sie noch nicht da sind, werden sie kommen. Woher stammen sie? Die Antwort der Verantwortlichen ist gemein: Aquarianer hätten die Tiere ausgesetzt. Gemein ist das deshalb, weil dieser Weg der Einbürgerung extrem unwahrscheinlich ist und es allmählich nicht mehr zu ertragen ist, wie sich Behörden auf private Tierhalter als Sündenböcke für alles und jedes Übel dieser Welt einschießen. „Tilapien“ waren – wie eingangs geschildert – nie in nennenswertem Umfang Aquarienfische und sie werden es auch nie werden, schon gleich gar nicht die großen Oreochromis, die in Queensland unterwegs sind (um welche Art es sich in Queensland genau handelt, ist der Presse nicht zu entnehmen). Wie sie statt dessen nach Queensland kamen? Höchstwahrscheinlich als ungewollte Beimischung zu anderen Besatzfischen (zum Zweck der kommerziellen und hobbymäßigen Speisefischerei), die, wie in aller Welt, auch in Queensland ständig in riesigen Mengen ausgesetzt werden. Diese Praxis ist absolut verwerflich. Denn erstens ist sie der Hauptweg, auf dem sich invasive Arten verbreiten. Mit den Besatzfischen kommen auch Krankheitserreger, das ist absolut unvermeidlich. Und am allerschlimmsten ist es, wenn eigentlich heimische, ursprünglich im Biotop heimische Arten aus Aquakulturen ausgesetzt werden. So gut wie nie wird dabei nämlich darauf geachtet, dass es sich dabei um die genetisch passende, tatsächlich vor Ort vorkommende Population handelt. Die Folge ist eine unkontrollierte Gendrift, die im Extremfall zum völligen Erlöschen (sprich: Aussterben) der heimischen Art führt. Übrig bleibt eine Kulturhybride, ein Haustier. Mit Erhalt von Artenvielfalt oder gar Artenschutz, als welcher dieses Aussetzen von Nachzuchtfischen oft deklariert wird, hat das mal überhaupt nichts zu tun. Was das Ganze noch perverser macht: aufgrund der eingeschleppten Krankheiten sind Gewässer, in denen besetzt wird, oft deutlich weniger ertragreich als solche, in denen nicht besetzt wird! Dass dennoch auf der ganzen Welt in großem Maßstab Fischbesatz durchgeführt wird, hat seinen Grund darin, dass dies ein erheblicher Wirtschaftsfaktor ist, mit dem große Geldsummen verdient werden. Ich kann allen Fischereiverantwortlichen nur dringend raten, auf Besatzmaßnahmen – von sehr speziell gelagerten Ausnahmen vielleicht abgesehen – ganz zu verzichten. Ist das Gewässer für eine Fischart gut geeignet, wird sich diese Fischart auch ohne Zutun des Menschen reichlich vermehren. Ist das Gewässer ungeeignet, dann bringt die ganze Besetzerei auf lange Sicht auch keinen Erfolg, aber das Ökosystem kann in der Zwischenzeit gewaltigen Schaden nehmen.

Oreochromis mossambicus, die wohl häufigste „Tilapie“ in Aquakultur

Das Beispiel der „Tilapien“ in Queensland zeigt einmal mehr, dass staatliche Stellen komplett versagen, wenn es um die komplexen Zusammenhänge im Natur- und Artenschutz geht. Seit Jahrzehnten werden auf der ganzen Welt haufenweise Gesetze geschaffen, die entweder nur albern oder aber kontraproduktiv sind. Statt immer weitere nutzlose Haltungs- und Fangverbote auszusprechen muss endlich eine sinnvolle, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Aufklärung in Kindergärten und Schulen her. Man darf Kinder nicht daran hindern, Fische, Frösche und Vögel zu fangen und zuhause zu halten, sondern man muss sie darin bestärken, es zu tun. Nur was man kennt, kann man schützen! Nicht durch Schmetterlingssammler sterben die Falter aus, sondern dadurch, dass ohne Schmetterlingssammler niemand mehr ihr Verschwinden bemerkt. In Queensland sind „Tilapien“ verboten. Aber offenbar haben die Behörden nicht bedacht, dass Fische nicht lesen können und sich einen Dreck um Gesetze der Menschen scheren…

Oreochromis niloticus. Diese Art wird über 40 cm lang, aber bereits mit rund 5 cm Länge geschlechtsreif.

Die Original-Meldung können Sie hier nachlesen: http://www.abc.net.au/news/2016-08-12/tilapia-infestation-in-south-east-queensland/7690180

Übrigens: in Brasilien hat man eine neue Nutzungsart für die dort in Aquakultur (und leider auch verwildert) lebenden Tilapien gefunden: als Wundverband bei schweren Verbrennungen! Dazu wird die Fischhaut speziell vorbereitet und anschließend auf die Verbrennung aufgelegt. Diese Form der Behandlung ist noch im Experimentierstadium, aber die bisherigen Erfolge sind bemerkenswert.

Fazit: Tilapien sind, wie alle Tier- und Pflanzenarten weder gut noch böse. Dort, wo sie invasiv sind, sollten sie uns als warnendes Beispiel dafür dienen, was passieren kann, wenn unbedacht so getan wird, als könnten wir die Natur in ihrer Komplexität kontrollieren. Das können wir nämlich nicht. Aber – und auch das zeigt der Fall Tilapia – selbst eine ausufernde Verbotspolitik ist kein geeignetes Mittel, um invasive Arten einzudämmen. Dazu kann nur ein einziges Mittel dienen: Aufklärung.

Frank Schäfer



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Hyla cinerea: Ein Wetterfrosch aus Nordamerika

Die Frösche Europas bewohnen sumpfige, unwirtliche Orte – mit einer Ausnahme: Laubfrösche. Diese schmucken, etwa 5 cm groß werdenden Tiere sind in Gebüschen zuhause, wo ihre frischgrüne Färbung sie hervorragend tarnt.

In Europa gibt es fünf Laubfroscharten, die sich allerdings so ähnlich sehen, dass Laien sie gewöhnlich nicht auseinander­halten können. Seit der Antike haben diese Frösche die Aufmerksamkeit des Menschen auf sich gezogen. Laubfrösche wurden an­geblich bereits in den Tempeln des Apollon gehalten, eines griechischen und römischen Gottes, der unter anderem für Heilung, Licht, Frühling und die schönen Künste zuständig war, und sollten dort allerlei Dinge vorher­sagen. So wie man aus dem Flug der Vögel den Willen der Götter und die Zukunft las, so sollte das auch mit Laubfröschen gelingen. Verkrochen sich die Frösche, so deutete das darauf hin, dass es schlechtes Wetter gäbe, saßen die Frösche hingegen gut sichtbar im Geäst, sollte es schönes Wetter geben.

Sagen Laubfrösche das Wetter voraus?

Diese Deutung des tierischen Verhaltens ist im Kern nicht falsch, wenngleich sehr un­genau. Als wechselwarme Tiere haben Laub­frösche grundsätzlich eine Körpertem­pera­tur, die der Umgebungstemperatur ent­spricht. Dabei liegt ihre Aktivitätstemperatur höher als bei anderen, bodenbewohnenden Fröschen. Ist es sehr kühl und regnerisch, sieht man darum kaum Laubfrösche. An milden Frühjahrstagen kann man sie hin­gegen sogar tagsüber beobachten (ge­wöhn­lich sind auch diese Frösche eher dämmerungs- und nachtaktiv), wenn sie ein Sonnenbad nehmen. Solche Frühjahrstage locken auch uns Menschen nach draußen, wir genießen es sehr, wenn der Winter endlich geht und die Natur wieder zum Leben erwacht. So ist der Laubfrosch emo­tional sehr positiv besetzt und sein Sicht­barwerden wird mit schönem Wetter in Verbindung gebracht.

Der in Deutschland heimische Hyla arborea

Im Mittelalter gab es den Aberglauben, ein vom Menschen um­sorgter, lebender Frosch im Keller beschere den Bewohnern des Hauses Glück und Wohlstand. Die Kombination aus dem aus der Antike überlieferten Glauben an die prophetischen Kräfte des Laubfrosches, der Naturbeobachtung und des mittelalter­lichen Aberglaubens führte wohl schließlich dazu, dass man (vermutlich im Biedermeier) begann, Frösche als Wetterpropheten in Einmachgläsern mit Leiter zu halten. Saß der Frosch am Boden, bedeutete das schlechtes Wetter, kletterte er auf der Leiter nach oben, so bedeutete das gutes Wetter. Erst die aufkommende Terrarienkunde im ausge­hen­den 19ten Jahrhundert machte Schluss mit dieser tierquälerischen Haltung.

Hyla arborea ist, wie die meisten Laubfrösche, zu einem ausgeprägten Farbwechsel fähig

Denn ein Laubfrosch kann in einem Einmachglas nur kurz überleben. Die hohe Form des Glases verhindert, dass über die Öffnung genug Luftaustausch stattfindet. Das Tier im Glas ist also oft kurz vor dem Ersticken. Wurde es in der Stube etwas wärmer und erreichte der Frosch dadurch „Betriebs­tem­peratur“, so kletterte er darum möglichst weit nach oben, weil dort die frischeste Luft war. An kühlen, regnerischen Tagen (man darf nicht vergessen, es wurde in dieser Zeit nur wenig und in einzelnen Zimmern ge­heizt), hockte die arme Kreatur am Boden, halb erstickt und kaum fähig, sich zu be­we­gen. Hinzu kam, dass bei Tiefdruck der Bo­den­grund im Glas benebelnde und stinken­de Faulgase freisetzte, was den Frosch erst recht daran hinderte, sich vom Boden zu er­heben.

Die Frage, ob Laub­frösche das Wetter voraussagen können, ist darum eindeutig mit „Nein“ zu beantworten, sie reagieren nur auf bestehende Wetter­lagen. Auch der nostalgischste Froschfan sollte darum niemals auf die Idee kommen, Laubfrösche in einem Einmachglas halten zu wollen.

Europa vs. Nordamerika

Wie schon erwähnt gibt es fünf Laub­froscharten in Europa, den auch in Deutsch­land weit verbreiteten (wenngleich durch Biotopzerstörung selten gewordenen) Hyla arborea, die den Mittelmeerraum be­wohnenden Hyla intermedia, H. meridionalis, H. sarda und H. savignyi. Der taxono­mische Status weiterer beschriebener For­men, etwa des Kreta-Laubfroschs oder des Iberischen Laubfroschs ist unter Fachwissen­schaftlern heftig umstritten, braucht hier aber nicht weiter zu interessieren. Diese Laubfrösche waren bis in die 1970er Jahre die Terrarienlaubfrösche schlechthin, denn sie sind sehr attraktiv und leicht zu halten. Doch dann wurden alle europäischen Froscharten unter ein Wildfanghandels­ver­bot gestellt (man nannte das Artenschutz) und sie gerieten nach und nach in Ver­gessenheit.

Hyla meridionalis Photo: Uwe Dost

Selbstverständlich kann man Laubfrösche leicht und effektiv nach­züchten, aber solche Nachzuchttiere sind natürlich deutlich teurer als Wildfänge, weshalb der im Südosten der USA weit verbreitete und sehr häufige Karolina-Laubfrosch (Hyla cinerea) heutzutage die am häufigsten und am preiswertesten zu erste­hende Laubfrosch-Art im Handel darstellt. Der Karolina-Laubfrosch unter­scheidet sich bezüglich der Färbung von den euro­päischen Arten am ehesten durch das Flankenband, das bei H. cinerea stets schnee­weiß ist, bei den Europäern schwarz. Übrigens hat das Handelsverbot keinerlei spürbaren Einfluss auf die Bestandsent­wicklung der europäischen Laubfrösche gehabt. Die Bestände sind dort, wo ihre Lebensräume zerstört wurden und werden immer noch rückläufig, hinzu kommt das weltweite Froschsterben.

Eine gesunde Froschpopulation kann durch die – auf die Gesamtpopulation bezogen immer ver­gleichs­weise geringfügige – Entnahme von Tieren zum Zweck des Lebendhandels nicht gefährdet werden.

Der Karolina-Laubfrosch

Bereits 1799 wurde dieser schöne und sehr charakteristische Laubfrosch beschrieben. Seine Verbreitung im Südosten der USA sieht Im Detail so aus: vom südlichen Texas östlich durch die Küstenebene auf die Florida-Halbinsel und Delaware; von Ost-Texas und dem westlichen Tennesee nach Norden in den Mississippi-Einzug und dem süd­östlichen Missouri, Zentral-, Ost- und Süd-Arkansas, dem südlichen Illinois, westlichen Kentucky und dem äußersten Südwesten von Indiana. Im nordwestlichen Puerto Rico wurde die Art eingeschleppt. Farblich variiert die Art etwas. Gewöhnlich sind die Tiere hellgrün und haben einen weißen Streifen auf der Seite, der entlang des Oberkiefers und der Flanke verläuft. Dieser Streifen kann jedoch auch manchmal fehlen. Manchmal haben die Tiere kleine goldene, dunkel eingefasste Punkte auf dem Rücken.

Hyla cinerea, der Karolina-Laubfrosch.

Eine Zeit lang unterschied man eine nördliche (Hyla cinerea evittata) und eine südliche Unterart (H. cinerea cinerea), wobei bei Hyla cinerea evittata der so typische Lateral­streifen fehlen sollte und der Kopf massiger wäre. Jedoch zeigte Reed (1958), dass diese Unterschiede überall in der Varianz der Art auftreten und als Unterart- oder gar Art­kriterium nicht taugen. Heute nimmt man daher an, dass der Karolina-Laubfrosch keine Unterarten ausbildet.

Männchen und Weib­chen sind äußerlich nur schwer zu unter­scheiden. Männchen besitzen eine kehl­ständige Schallblase und werden nur etwa 3,2 cm lang, Weibchen erreichen die doppel­te Länge, werden also 6,4 cm lang. Leider sind aber Weibchen nur sehr selten im Handel anzutreffen, denn die Männchen bilden große Rufgemeinschaften von meh­re­ren hundert Individuen. Dazu versam­meln sie sich besonders gerne in den schwim­menden Eichhornia-Wiesen, wo sie sehr leicht gefangen werden können. Da die Weib­chen nur zum Ablaichen zu den Männ­chen kommen und sich anschließend wieder in die Büsche der Umgebung schla­gen, entgehen sie den Tierfängern meist. Die Laichzeit des Karolina-Laubfrosches ist im Süden des Verbreitungsgebietes von März bis Oktober, im Norden von April bis September. Der Ruf der Männchen klingt aus der Entfernung etwa wie Kuhglockengeläut, aus der Nähe erinnert der Ruf eher an Gänsegeschnatter.

Wie viele Laubfrösche kann sich auch Hyla cinerea stimmungsabhängig braun färben.

Die Art ist sehr fruchtbar und während einer Saison kann ein Weib­chen mehrfach laichen. Die Größe der Gelege ist äußerst variabel und schwankt zwischen durchschnittlich 700 und 2150 Eiern (Minimum 478, Maximum 3946), je nach Vorkommen und wohl auch Größe und Kondition der Weibchen. Beim Schlupf sind die Kaulquappen ca. 4,5 – 5,5 mm lang und wachsen bis zur Metamorphose auf etwa 6 cm heran, wozu sie 28 bis 44 Tage brauchen.

Im Terrarium

Hyla cinerea ist sehr anpassungsfähig und gilt als Kulturfolger. Die wichtigste ökolo­gische Anforderung, die die Art stellt, ist, dass permanente Gewässer zur Verfügung ste­hen, die möglichst fischarm sein sollten (weil Fische Kaulquappen fressen) und die über eine reiche Vegetation verfügen. Die Männ­chen rufen von leicht erhöhten Rufplätzen, die zwischen 30 und 50 cm oberhalb des Wasserspiegels liegen. Als typische Baum­frösche springen Karolina-Laubfrösche kaum, sondern klettern und schreiten eher. All dies lässt sich im Terrarium leicht nachbauen.

Der Karolina-Laubfrosch schreitet und klettert eher, als dass er hüpft.

Man richtet also das Terrarium für Hyla cinerea als Feucht- oder auch Aqua-Terra­rium ein, mit großem, gut gefilterten Wasser­teil und reichlich Bepflanzung. Gefüttert werden die schmucken Tiere mit weichen Insekten wie Stubenfliegen oder Heimchen. Der Karolina-Laubfrosch ist hauptsächlich in der Dämmerung aktiv, eingewöhnte Exem­plare sind jedoch auch tagsüber häufig zu beobachten. Die Temperatur sollte nur zur Überwinterung unter 20°C sinken, bereits bei 16°C werden die Tiere träge und in ihren Bewegungen unkoordiniert. Die Zucht des Karolina-Laubfrosches ist schon häufig ge­lungen und setzt lediglich eine Überwin­terung bei Temperaturen um 15°C und redu­zierter Beleuchtungsdauer (8-10 Stunden statt sonst 12-14 Stunden) von wenigen Wochen voraus.

Leider sind, wie bereits gesagt, Weibchen rar, weshalb man am besten 10 bis 15 halbwüchsige Exemplare erwirbt. Dann stehen die Chancen gut, auch Weibchen in der Truppe zu haben und nicht nur einen Männergesangsverein.

Frank Schäfer

Lexikon

Hyla: nach dem schönen Hylas, einem Gefährten des mythischen altgriechischen Helden Herakles. Hylas wurde auf einem gemeinsamen Abenteuer von Nymphen in einen Quellteich gezogen. Herakles suchte lange und vergeblich nach ihm und rief immer wieder seinen Namen.

arborea: bedeutet „zum Baum gehörend“

meridionalis: bedeutet „im Mittelmeerraum lebend“

cinerea: bedeutet „aschgrau“

evittata: bedeutet „ohne Streifen“

Eichhornia: Widmungsname für den preussischen Minister J. A. Fr. Eichhorn (1779-1856)

intermedia: bedeutet „dazwischen stehend“

sarda: bedeutet „von Sardinien kommend“

savignyi: Widmungsname für Jules-César Savigny, membre de l’Institut d’Egypte, 1777-1851

Literatur

Reed, C. F. (1958): Hyla cinerea in Maryland, Delaware, and Virginia, with notes on the taxonomic status of Hyla cinerea evittata. Journal of the Washington Academy of Sciences 46 (10): 328-332


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Stiphodon: Neongrundeln von West-Sumatra

Die Neongrundeln der Gattung Stiphodon sind kniffelig zu bestimmen, denn viele Arten sehen einander sehr ähnlich. Die Männchen können ihre Färbung in Se­kun­denschnelle ändern, artspezifisch ist die Balzfärbung. In neutraler Färbung sehen sich verschiedene Arten extrem ähnlich. Die Weib­chen aller Arten sind kaum voneinander zu unter­scheiden. Gewöhnlich zeigen sie ein Muster aus zwei parallelen, dunklen Streifen auf hellem Grund. Wie schwierig die Bestimmung ist, kann man auch daran ermessen, dass nur sechs der gegenwärtig 37 akzeptierten Arten (beschrieben wurden 44) vor 1980 wissenschaftlich beschrieben wurden, obwohl die Tiere in ihren Vorkommensgebieten sehr häufig und als tagaktive, bunte Tiere auch sehr auffällig sind.

Halbwüchsige Stiphodon ornatus.

Biotop von Stiphodon ornatus nahe Padang, West-Sumatra.

Die erwachsenen Exemplare aller Arten sind reine Süß­wasserbewohner, die in Bächen leben, die Larven entwickeln sich allerdings im Meer, wodurch viele Arten eine weite Verbreitung haben, denn die Larven werden passiv mit Meeresströmungen verdriftet und haben keine Möglichkeit, nach Beendigung der pelagischen Larvenphase irgendwo gezielt an Land zu gehen. Die maximale Größe von Stiphodon-Arten liegt bei etwa 6 cm, es sind also kleine Fische.

Voll erwachsene Stiphodon ornatus.

Die meisten Stiphodon im Handel rekrutieren sich aus zwei Arten, die im westlichen Sumatra gefunden werden, wie Maeda und Tan 2013 feststellten. Zwei dieser Arten sind sehr bunt: Stiphodon ornatus und S. semoni. Eine dritte, S. maculidorsalis, taucht hingegen nur ab und zu im Handel auf, sie ist nämlich ziemlich farblos. Unter den übrigen 34 Stiphodon-Arten, die nicht auf West-Sumatra vorkommen, sind einige weitere geradezu atemberaubend schön. Allerdings tauchen sie nicht in nennenswerten Stückzahlen im Handel auf, denn ihre Vorkommen liegen weitab der üblichen Fanggebiete. Das macht sie sehr teuer und da die Zucht – wegen der oben beschriebenen Aufzuchtbedingungen – in normalen Aquarienkellern kaum praktikabel ist, besteht kaum eine Nachfrage seitens der Aquarianer.

Stiphodon in der Aquaristik

Der erste mir bekannte Artikel über diese schönen Fische erschien 1960 in der Datz. Er stammte von Erich Schaller aus Wien, der später einen sehr charakteristischen, satirisch angehauchten Schreibstil entwickelte, eine Mischung aus Wiener Schmäh und Ephraim Kishon. Es war der allererste Aufsatz, den Schaller veröffentlichte. Schaller ist auch Autor des legendären Buches „Boshafte Aquarienkunde“. Von diesem später so typischen Schreibstil merkte man in seinem ersten Artikel noch nichts. Schaller waren weder der Name noch die genaue Herkunft der Fische, die er im November 1959 in der Wiener Zierfischhandlung Heintz erstand, bekannt. Man nannte sie dort „Leuchtgobius“ und ordnete sie vage einer Grundel-Unterfamilie Apocrypteinae zu. Schaller erstand 6 Exemplare, von denen 14 Jahre später, also 1973, noch 1 Exemplar lebte, keines wurde weniger als 10 Jahre alt. Als Schaller die Tiere erstand, hatten sie eine Länge von etwa 3,5 cm und wuchsen im Laufe der Jahre noch um etwa einen Zentimeter. Anfangs pflegte Schaller die Fische in einem Becken mit Sandboden, in das sich die Fische bei Beunruhigung auch gerne eingruben. Später machten die Leuchtgobius so ziemlich jedes wechselnde Interieur mit: hartes und weiches, kühles und warmes, klares und stinkiges (sic!) Wasser, auch leichtes Brackwasser nahmen sie hin. Aufgrund von Abbildung und Beschreibung denke ich, dass Schaller Stiphodon semoni pflegte.

In Indonesien kam es in den 1960er Jahren zu großen politischen Umbrüchen und Importe blieben vorerst einmal aus. Es wurden keine Leuchtgobius mehr eingeführt und entsprechend bestand auch keine Motivation, hinter den Namen der Fische zu kommen.

Erst 1974 erfahren Aquarianer wieder etwas von Stiphodon. Die unerschrockene und bewunderswerte Edith Korthaus hatte Indonesien bereist und von Sumatra – genauer gesagt: West-Sumatra – auch Fische mitgebracht. Die wissenschaftliche Aufarbeitung von zwei der Arten übernahm Hermann Meinken. Er beschrieb die Neongrundeln, die Korthaus mitbrachte, als Angehörige von zwei Unterarten, nämlich Stiphodon elegans elegans (Steindachner, 1879) (wie wir heute wissen: das Weibchen) und die neue Unterart Stiphodon elegans ornatus Meinken, 1974 (das Männchen). Der Irrtum, Männchen und Weibchen bei Arten mit erheblichem Sexualdimorphismus (= geschlechtsbedingte Unterschiede in Färbung und Körperbau) für unterschiedliche Taxa zu halten, geschah schon häufig. Aber dem erfahrenen Meinken hätte schon auffallen müssen, dass es nicht gut zwei Unterarten am gleichen Fundort geben kann. Da hatte er einen echten Aussetzer. Korthaus brachte sehr schöne Photos der Grundeln und hatte auch Kontakte zu Zierfischfängern und Exporteuren aufgebaut. Das wirkt bis heute nach und ist meines Erachtens der Grund, weshalb West-Sumatra immer noch einer der wichtigsten Sammelpunkte für Neongrundeln in Südostasien ist.

Titelblatt der Zeitschrift „Das Aquarium“ vom Juni 1974. Edith Korthaus war die Redakteurin dieser Zeitschrift. Die Tiere sind zwei topotypische Männchen von Stiphodon ornatus, die zusammen mit den Typusexemplaren gesammelt wurden.

Es dauerte aber weitere 10 Jahre, bis ab und zu Importe dieser schönen und unbedingt pflegenswerten Tiere erfolgten. Uwe Werner schrieb im Januar 1985 über seine Neongrundeln der Gattung Stiphodon, die er im Zoohandel erstanden hatte, und über die großen Schwierigkeiten, sie zu bestimmen. Das Unwissen über die zu dieser Zeit gerade mal 5 akzeptierten Formen (atropurpureus, formosum (ein Synonym zu atropurpureus), elegans, ornatus, pulchellus) war einfach zu gewaltig. Uwes Fische waren Stiphodon semoni, das ist aufgrund der Photos heute klar zu erkennen. Stiphodon semoni Weber, 1895, war von späteren Bearbeitern stets mit S. elegans synonymisiert worden, stand also gar nicht auf dem Zettel bei damaligen Bestimmungsversuchen.

Immerhin veranlasste mich Uwes Bericht, meinen eigenen ersten Aufsatz in einem der großen Fachblätter zu schreiben, der sogar sehr zeitnah zu Uwes Bericht veröffentlicht wurde (im Juni 1985). Ich hatte auf meiner ersten großen Tropenreise in der Nähe von Padang (West-Sumatra) einen klaren Bach mit Neongrundeln entdeckt und war von diesen wundervollen Tieren so begeistert, dass ich eine ganze Woche dort fischte und beobachtete. So konnte ich einige Daten beitragen, wie Neongrundeln in der Natur leben. Ich hatte 15 Exemplare mitgebracht und äußerte meine Hoffnung, dass die Jungtiere eine vernünftige Größe haben würden, so dass eine Aufzucht im Aquarium möglich wäre. Diese Hoffnung hat sich aber nicht erfüllt.

Diese Bilder der von mir nahe Padang gefangenen Stiphodon ornatus im Hälterungsbecken (ein lokaler Zoohändler hatte mir dankenswerterweise ein Aquarium zur Zwischenhälterung zur Verfügung gestellt) machte ich ohne Blitz und Makro-Objektiv mit einer vollmanuellen Canon AE-1. Entsprechend unscharf ist das Ganze, aber es zeigt die Farben – finde ich – sehr gut.

Im Februar 1986 brachte Georg Zurlo einen Zuchtbericht der damals importierten Tiere – also ebenfalls Stiphodon semoni. Seine Exemplare laichten an der Unterseite einer flachen Schieferplatte, die flach unmittelbar auf dem Sand auflag. Das Männchen hatte die Schieferplatte teils untertunnelt, an der Schieferplatte wurde abgelaicht. Das Gelege der etwa 4,5 cm langen Tiere umfasste über 1.000 Eier. Direkter Ablaichauslöser waren mehrere große, kurz hintereinander folgende Wasserwechsel in dem 50 x 30 x 30 cm großen Aquarium, nachdem zuvor 3 Wochen urlaubsbedingt gar kein Wasserwechsel stattfand. Die Wasserwerte waren pH 8, Gesamthärte 9-10°dH, Wassertemperatur schwankend 21-25°C. Die Larven waren entsprechend winzig, ein Aufzuchtversuch misslang. Es stand allerdings auch keine zur Aufzucht von Korallenfischen geeignete Anlage oder Planktonzucht zur Verfügung.

Aktuelle Importsituation

Importiert werden derzeit hauptsächlich diese drei nominellen Arten: S. semoni, S. ornatus und S. atropurpureus. Hinzu kommen Beifänge. Bespielsweise fanden sich in einem Import von Aquarium Glaser zum größten Teil herrliche Stiphodon ornatus, darunter als Beifang mehrere Stiphodon maculidorsalis. Ein einzelnes Tier, das sich ebenfalls im Import befand, hielt ich lange Zeit für Stiphodon pelewensis (ich bestimmte das Tier ursprünglich als S. weberi, der allerdings nach neuesten Erkennnissen ein Synonym zu S. pelewensis darstellt); inzwischen bin ich aber der Meinung, dass es sich um ein aberrantes, ablaichbereites Männchen von S. ornatus handelte, denn ich erinnerte mich an die Freilandbeobachtungen, die ich 1984 auf Sumatra an diesen Tieren machte.

Diese Neongrundeln werden als Stiphodon atropurpureus importiert.

Gewöhnlich leben derartig eng verwandte Arten nicht gemeinsam im gleichen Biotop, da sie sich Konkurrenz machen, aber bei Stiphodon erklären sich solche gemeinsamen Vorkommen (man nennt das Syntopien) wahrscheinlich durch die beschriebene Vermehrungsstrategie, also das planktische Larvenstadium im Meer. Ich nehme an, dass die Artenzusammensetzung lokal ständigen Veränderungen unterworfen ist, je nach Strömungsverhältnissen. Dass überhaupt jahrelang an bekannten Fundplätzen bestimmte Arten nachgewiesen werden können, hängt möglicherweise mit der Langlebigkeit der Tiere zusammen. Wenn jahrelang hintereinander Larven aus einem Bach ins Meer gespült werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Strömungsverhältnisse einmal wieder so sein werden, wie bei der Elterngeneration. Natürlich gibt es über die Alterstruktur von Stiphodon im Freileben keine Untersuchungen. Gewöhnlich überleben Kleinfische dieser Größenordnung keine zwei Jahre in der Natur. Aber hier liegen die Dinge aufgrund der speziellen Einnischung in klare, schnellfließende, küstennahe Bäche, wo Aufwuchs die wichtigste Futterressource darstellt, vielleicht etwas anders.

Die Bestimmung von Stiphodon wird dadurch aber auch nicht einfacher, denn selbst die exakte Kenntnis der Herkunft der Fische hilft nur sehr bedingt weiter. Kurz und gut: ohne Kenntnis der Prachtfärbung der Männchen kann man Neongrundeln kaum bestimmen.

Stiphodon semoni

Stiphodon atropurpureus ist – folgt man den Literaturangaben – weit verbreitet. Die Art ist aus Japan, Taiwan, Malaysia, den Philippinen und Südchina bekannt. Wissenschaftlich beschrieben ist sie allerdings von den Philippinen. Die Art ist extrem ähnlich zu S. semoni aus Indonesien und Papua Neu-Guinea. Durch reine Betrachtung kann die beiden Arten nicht unterscheiden. S. atropurpureus hat mehr Schuppen in der Längsreihe (30-37, meist 33-35, S. semoni hat 27-30), in der vertikalen Reihe (12-18, meist 15-17, S. semoni hat 10-11) und vor der ersten Rückenflosse, also insgesamt kleinere (und darum mehr) Schuppen am Körper. 

Am lebenden Tier ist das allerdings nicht erkennbar; es ist mehr als wahrscheinlich, dass S. atropurpureus und S. semoni ständig miteinander verwechselt werden. Auch bei Aquarium Glaser bleibt uns bleibt nichts weiter übrig, als auf die Angaben des Exporteurs zu vertrauen. Da sich die beiden Arten bezüglich ihrer aquaristischen Ansprüche und in der Färbung nicht unterscheiden, ist die Frage, um wen es sich im Einzelnen handelt, eher akademischer Natur.

Dieses Exemplar bestimmte ich zunächst als Stiphodon pelewensis. Inzwischen glaube ich, dass es ein Männchen von S. ornatus in Ablaichfärbung ist.

Wie man Neongrundeln fängt

Ein wesentlicher Grund dafür, dass wissenschaftlich so wenig über Stiphodon bekannt ist und so viele Arten erst in jüngster Zeit bekannt wurden, liegt daran, dass sie klein und schwer zu fangen sind. Stopft man sie dann direkt in Konservierungsflüssigkeit, in der der größte Teil der Färbung verloren geht, bekommt man ein völlig falsches Bild von den Tieren. Wer sich mit der Erforschung von Stiphodon beschäftigt, muss zwingend die Lebendfärbung berücksichtigen und die schwankt stimmungsbedingt und wohl auch altersabhängig gewaltig. So ist z.B. der berühmte Neonstreifen von S. semoni bei jüngeren Exemplaren bis 3,5 cm Länge oft nur schwach ausgeprägt und wird später oft jahrelang nur bei der Balz in voller Ausprägung gezeigt. Es gibt aber auch Männchen, bei denen der Neonstreifen permanent deutlich ausgeprägt sichtbar ist, bei ganz alten Männchen ist das sogar die Regel. Bei S. atropurpureus (ich meine jetzt die Tiere, die unter diesem Namen exportiert werden, Tiere mit Fundort Insel Leyte von den Philippinen, von wo S. atropurpureus beschrieben wurde, habe ich noch nicht im Aquarium gehabt) kann der Leuchtstreifen grün, blau oder rötlich aussehen. Das ist stimmungsabhängig. Bei ein und demselben Männchen kann die Farbgebung wechseln.

Diese Fische werden als Stiphodon atropurpureus gehandelt; ob das stimmt, oder ob es sich um eine Lokalvariante von S. semoni handelt, ist nicht geklärt. Die Farbe des Neonstreifens variiert in Abhängigkeit von Stimmung und Licht erheblich!

Bei den meisten Arten wird der forschungbegierige Aquarianer also selbst losziehen, sich durch den Dschungel behördlicher Auflagen und Unsinnigkeiten wurschteln und die Objekte der Begierde selbst fangen müssen. Auf Sumatra tat ich das mittels eines zweckentfremdeten Moskitonetzes. Mein indonesischer Begleiter, der Student Sam, zeigt wie das geht (und er war ausgezeichnet vorbereitet. Obwohl er nicht wusste, was wir unternehmen würden, hatte er blütenweiße Unterwäsche an!). Die eine Längskante des Netzes wird am Boden mit Steinchen beschwert. Die Oberkante in einem Loch am Felsen befestigt: fertig. Jetzt braucht man nur noch an Land bachaufwärts zu wandern und mit großem Getöse bachabwärts im Wasser Richtung Netz zu planschen. Mit verdammt viel Glück erwischt man auf die Art und Weise ein paar der cleveren Grundeln, die ja ihren Lebensraum in jedem kleinen Detail kennen. Meist lassen sie sich gar nicht jagen, sondern verschwinden im Sand oder irgendeiner Gesteinsspalte. Tricky ist auch, das Netz einzuholen, ohne den flinken Grundeln die Gelegenheit zu geben, wieder heraus zu schwimmen. Ist man zu vorsichtig, hat man ein leeres Netz. Geht man zu hastig oder gar hektisch vor, reisst man Löcher in das Netz und läuft Gefahr, die im Netz befindlichen Grundeln mit den Beschwerungssteinen zu verletzen.

Zum Schluss noch ein paar Biotopangaben

In der Natur leben die Neongrundeln in Schulen von 30 bis 50 Exemplaren, die aus beiden Geschlech­tern bestehen. Nur einzelne Männchen besetzen Reviere, deren Zentrum eine Laichhöhle unter einem flachen Stein ist. Während der Balz schwimmen die Männ­chen in die freie Wassersäule und legen ein auffälliges, kontrastreiche Balzkleid an, das sich im Falle von S. ornatus durch zwei breite dunkle Zonen auszeichnet. Wenn es ihnen gelingt, ein laichreifes Weibchen anzulocken, so laichen sie an der Unterseite eines Steines ab.

Im West-Sumatra ist das Wasser ganzjährig ziemlich warm. Ich maß überall ca. 28°C. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Küstengebirge aus teils noch aktiven Vulkanen bestehen und durch den Vulkanismus im Untergrund haben die Gewässer sozusagen Fußbodenheizung.

Edith Korthaus analysierte das Wasser am Fundort von S. ornatus: Temperatur 27°C, GH 5° dH, KH 4° dH, Leitwert 40 µS/cm (entspricht 34 µS/cm bei 20°C), pH 6,8.

Stiphodon maculidorsalis ist etwas unscheinbar gefärbt und wird darum kaum importiert.

Es gibt noch sehr viel aquaristisch zu erforschen an Neongrundeln. Gerade ist wieder Importzeit und Stiphodon ornatus, S. semoni und S. „atropurpureus“ werden im Großhandel angeboten. Nur zu, machen Sie ein Becken frei, es muss ja gar nicht groß sein. Feiner Sand als Boden, ein paar flache Steine, zur Deko ein paar Wurzeln in den Hintergrund und wer so gar nicht auf Pflanzen verzichten will, wirft ein paar Hornfarne (Ceratopteris) hinein. Was mir noch wichtig erscheint: diese Grundeln sind Sonnenkinder. In der Natur sah ich nur bei vollem Sonnenschein die beeindruckenden Balzspiele und im Photoaquarium zeigten die Fische (ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Arten) die besten Farben, wenn ich noch zwei große Baustellenleuchten zusätzlich auf das Becken richtete.

Eines garantiere ich: langweilig wird so ein Neongrundelaquarium nicht sein!

Frank Schäfer


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Das Bookazine #13 ist fertig!

Endlich ist es fertig, das 13te und zugleich letzte reguläre Bookazine. Ich bedanke mich bei allen treuen Lesern, auch für die bewiesene Geduld!


Leider hat es sich gezeigt, dass ein Printmedium vom Charakter des Bookazines nicht mehr wirtschaftlich herstellbar ist. Der hohe Anspruch, den wir an den Inhalt stellen, bedingt zeitraubende Recherchen. Dieser Zeitaufwand muss irgendwie finanziert werden. Der Verkaufspreis kann nur einen kleinen Teil der Kosten einer regelmäßig erscheinenden Publikation decken, die finanziellen Grundlagen liefern Werbeeinnahmen. Aber potentielle Werbepartner entscheiden sich angesichts sinkender Auflagen bei Print zunehmend gegen diese Form der Reklame. Nun kommen auch noch extrem steigende Kosten in den Bereichen Druck und Papier hinzu. Kurz und gut: die Herstellung des Bookazines kostet mehr, als sie einbringt.


Dennoch soll es weiter Bookazines geben. Nur nicht in regelmäßiger Erscheinungsform, sondern als Liebhaberstücke, die nur in Höhe des tatsächlichen Bedarfs gedruckt werden. Die Autoren und ich selbst haben das tiefe Bedürfnis, unser Wissen zu teilen. Aber das geht nun einmal nur noch auf Ebene eines ambitionierten Hobbys. Wir freuen uns, wenn Sie uns die Zustimmung erteilen, Sie über künftige Bookazines per Mail zu informieren – dazu einfach eine Mail an info@aqualog.de senden, vielen Dank.


Genug davon, nun zum aktuellen Heft! Einige der beliebtesten Zierfische der ganzen Welt wissen nicht mehr, wie sie heißen. Das ist schlecht. Eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit gibt vor, das Problem zu lösen, tut das aber nicht. Wir erklären detailliert, warum das so ist.


Und von diesen schönsten und beliebtesten Fadenfischen sind auch noch viele neue Arten entdeckt worden! Diese stellen wir ihnen erstmals in Wort und Bild auf breiterer Basis vor.


Schließlich räumen wir mit der populistischen Lüge auf, die Aquarienfreunde seien verantwortlich für das europaweite Krebssterben. Das ist blanker Unsinn und wir sagen auch, warum.


Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen


Ihr

Frank Schäfer

Schauerliche Piranha-Mythen

Eine der frühesten Darstellungen des Piranhas aus Marcgrav, 1648. Der Autor schreibt u.a.: … ita sitiens est sanguinis et cupiens carnis humanae, quare caute ab illo cavendum, was – frei übersetzt – heißt: … so durstig nach Blut, begierig nach Menschenfleisch, weshalb man diese Warnung weitergeben sollte.

Schreckenerregende Schauergeschichten haben Jahr­hunderte lang Reisende über die südamerikanischen Piranhas (wie sie in Brasilien heißen) oder Pirañas, Caribe oder Pirayas (so in den angrenzenden Ländern) verbreitet.

Präparierter Piranha aus einem brasilianischen Souvenirladen. Gar nicht so unähnlich zu Marcgraves Holzschnitt…

Im 19. Jahrhundert, der Zeit verschiedener großer Expeditionen, aber auch noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts „schönten“ Reisende ihre Berichte mit Gruselvergnügen, welche die Leser faszinieren sollten. Da war die Rede vom zentnerschweren, mehrere Meter großen Piraíba-Wels oder Filhote (Brachyplatystoma filamentosum), der angeblich badende kleine Kinder mit einem Schluck herunterspült oder vom „span­nungs­­geladenen“ Zitteraal, genannt Poraqué oder Peixe-elétrico (Electrophorus electricus), von dem man Tiere beinahe ähnlicher Größe angetroffen haben soll, und der mit seiner bis zu 600 Volt starken, selbst erzeugten Spannung sogar starke Kaimane lähmen kann.

Aufsehen und Schaudern erregte auch die Tatsache von der Existenz urinophiler (harnliebender) kleiner nadelförmiger Fische aus der Familie der Schmerlenwelse (Trichomycteridae [Vandeliinae]), die gelegentlich, dem Weg des Harns folgend, in die Harn­wege ins Flußwasser urinierender Säugetiere (und so auch Menschen) eindringen, sich dort verhaken und nur durch einen operativen Eingriff wieder zu entfernen sind. Eigenmann (1918) ließ sich sogar dazu verleiten, eine gesonderte Gattung Urinophilus (= „Urinfreund“) aufzustellen, die später allerdings wieder als jüngeres Synonym von Vandellia eingestuft wurde.

Harnröhrenwelse (dies ist Vandellia cirrhosa) sind tatsächlich sehr gefürchtet.

Neben den gelegentlich aggressiven „Echten Piranhas“ der Gattung Pygocentrus (welcher derzeit nur drei Arten angehören) fürchten die südamerikanischen Fischer heute hauptsächlich die verschiedenen Arten des Raia oder Arraia: der Stachelrochen. Diese Tiere liegen ruhend am Boden, oft unter Laub verborgen. Tritt ein Mensch auf sie, so schnellt peitschenartig der mit einem großen Stachel besetzte Schwanz des Fisches empor. Diese Verteidigungs­waffe des Fisches ist so kräftig, dass sie selbst Lederstiefel durchbohren und in den Beinknochen eindringen kann. Da die Fischer jedoch fast alle barfuß gehen, reißt der Stachel bei ihnen gefährliche Wunden, denn eine Drüse scheidet gleichzeitig neben einem Nervengift eine gewebe­zerstörende Substanz aus, deren Wirkung nur durch einen sofortigen Eingriff eines Arztes eingedämmt werden kann. Welcher der meist armen Fischer hat aber das Geld, einen Arzt hinzuziehen zu können — selbst, wenn einer in der Nähe wäre!?

Gefährliche Schönheit: Potamotrygon motoro

Auch in neuerer Zeit sollen die fleischfressenden Piranhas nach den Wünschen einiger Horrorfilm-Produzenten die Betrachter von Fernsehfilmen und -berichten das Gruseln lehren. Bezeichnend für den Horror war Ende der 1990er Jahre ein Hollywood-Streifen zum Thema „Piranhas . . . “. Dabei sind „Piranha-Kunde“ und „Kunde vom Piranha“ (wie die Autoren solcher Medien-Spektakel sie auffassen) zweierlei. Deshalb folgt hier ein diesbezüglicher Auszug aus einem deutschen Wochenblatt der Regenbogenpresse:

Drama im Amazonas-Dschungel!

Goldsucher fielen Piranhas zum Opfer! (Amazonas/Brasilien) „Es war wie im Horrorfilm!“ erzählt Goldsucher Tony Miles (26). „Unser Boot prallte gegen einen Baumstamm. Jeff und Sam fielen in den Amazonas. Plötzlich kochte das Wasser. Hunderte Killer-Piranhas stürzten sich auf sie. Jeff und Sam hatten keine Chance. Die Piranhas fraßen sie in Sekunden auf. Ich sah nur noch weiße Knochen auf dem Fluss-Grund schwimmen.“ Der US-Abenteurer Tony Miles war mit seinen Freunden per Kanu in der Hölle des Amazonas (Brasilien) auf Goldsuche unterwegs. „Wir hatten im Fluss schon die ersten Gold-Nuggets gefunden“, sagt er. „Am nächsten Tag starben meine Freunde. In Panik bin ich zurückgepaddelt. Keine zehn Pferde kriegen mich zurück. Auch wenn da Gold für Millionen liegt!“

Eine beeindruckende Physiognomie: ausgewachsener, rund 50 cm langer Schwarzer Piranha, Serrasalmus immaculatus.

Geschichten wie diese sind, wenn ihnen überhaupt eine ähnliche Tatsache zugrunde liegt, von der Phantasie des Autors oder Redakteurs stark in Richtung „Horror“ ver­bessert: Da wird erzählt, dass „hunderte“ von Piranhas zwei „komplette“ Männer (das mögen rund 170 kg Lebend­gewicht sein) innerhalb von Sekunden aufgefressen hätten, so dass nur noch die „weißen“ Knochen zu Boden ge­sunken wären. Sah der genannte Mr. Miles sie durch das Amazonas-Weißwasser (eine absolut lehmtrübe und somit undurchsichtige Brühe) dort liegen? Oder durch das eben­so undurchsichtige Schwarzwasser? Vorher hatten sie „im Fluss“ die ersten „Gold Nuggets“ gefunden. Nuggets? Wo um alles in der Welt findet man die im Río Amazonas? Warum wohl brauchen Goldsucher soviel Quecksilber, um die feinen Partikel des Goldes zu binden? Nuggets? Wohl zu viele Bücher vom Klondike gelesen?

Die rasiermesserscharfen Zähne der Piranhas sind von den Lippen verdeckt; man muss die Lippe nach unten ziehen, um sie sichtbar zu machen.

Der Wahrheit näher, weil sachlicher, kommt da schon die Zeitschrift „Weltbild“ (Nr. 148, Heft 10/00), in der die Frage „Sind die Piranhas wirklich so gefährlich?“ wie folgt be­antwortet wird: „Wenn zu viele Piranhas auf engstem Raum leben und die Nahrung knapp wird, können aggressive Arten auch dem Menschen gefährlich werden. Ansonsten aber gründet der üble Ruf der >Amazonas-Monster< auf einer Legende, ähnlich wie bei Wolf, Hyäne oder Weißem Hai. Piranhas sind Aasfresser und greifen lebende Beute nur an, wenn diese stark blutet.“

Wenn man das Wort „Aas“ liest, denkt man an Verwesendes und Stinkendes. Solch ein Fleisch schätzt ein Piranha sicher nicht. Da aber nach unsererem Sprachverständnis >tot< = >Aas< ist, muss man diese Bezeichnung wohl akzeptieren.

Piranhas haben mehr Grund, den Menschen zu fürchten als umgekehrt. Hier ging ein Serrasalmus aus der Verwandtschaft um S. rhombeus im Rio Negro bei Anavilhanas ins Netz.

Piranha-Angeln hat sich in einigen hotelnahen Gebieten zu einem gewissen Sport entwickelt, wobei sich gelegentlich beim Hantieren durch Ungeübte zeigt, dass Piranhas dann kräftig zubeißen können, wenn sie vom Haken genommen werden sollen und der Angler dem schnappenden Maul des Fisches zunahe kommt. Da es sich meist aber nur um halberwachsene Tiere handelt, sind diese „Einmalbisse“ in den meisten Fällen nicht weiter gefährlich.

Capybara

Goulding (1980) schildert einen Fall, wobei ein von einem Jäger verwundetes Capybara (Hydrochoerus capybara = ein so genanntes Wasserschwein, ein großer Nager, kein Schwein!) Zuflucht in einem Gewässer suchte, seine blutende Wunde von den Sensoren der Piranhas wahrgenommen und das Capybara innerhalb kurzer Zeit angegriffen wurde.

Zum Grillen vorbereitete Piranhas (Pygocentrus nattereri) auf einem Markt in Brasilien
So sehen Aquarianer Pygocentrus nattereri viel lieber.
Im Laufe des Wachstums verändern Piranhas dramatisch ihre Färbung und Figur, ein wesentlicher Grund für die immer noch chaotische Namensgebung bei diesen Fischen. Dies ist ein ausgewachsener Pygocentrus nattereri

Es werden gelegentlich auch Geschichten erzählt, wie manche Leute mit der Piranha-Angst anderer Geld zu machen versuchen. So berichtet Sterling (1973): „Es war ein sehr heißer Nachmittag. Mein Führer stoppte das Boot und schlug vor, wir sollten ein wenig schwimmen. So beiläufig fragte ich, ob es Piranhas im Wasser gäbe. »Kein Grund zur Aufregung«, sagte er, »wenn der Fluss nicht gerade von Piranhas wimmelt, vor allem bei Hochwasser. Man muss nur in Bewegung bleiben — darf sich nicht treiben lassen, nicht faulenzen.« Dann erzählte er die Geschichte von dem Steuermann eines großen Ausflugbootes, der seine Passagiere von Manaus aus zum Piranhafang (ein Vogelherz ist ein guter Köder) zu einem nahegelegenen See fuhr und gewöhnlich einen Motorschaden inszenierte, wenn man die Heimfahrt antreten wollte. Sein Komplize, ein stämmiger Schiffsjunge, zog sich dann bis auf die Hose aus und sprang ins Wasser, um die verhakte Schraube oder den verstopften Wasserzufluss wieder freizumachen. Die Damen schluchzten vor Angst und Bewunderung, während ihre Ehemänner betroffen drein­schauten. War der tapfere Junge wohlbehalten wieder an Bord, wurde er mit fürstlichen Trinkgeldern überschüttet, die er bescheiden akzeptierte. Den größten Teil davon bekam der Steuermann — gut, Steuermann würde der Junge selbst eines Tages werden.“

Jugendlicher Serrasalmus rhombeus, einer der so genannten Pirambebas.

Entsprechend dem mehr oder weniger aggressiven Ver­halten der unterschiedlichen Piranha-Arten haben die indianischen Bewohner längst eigene Namen für die einen oder anderen Fischarten geschaffen. Einer dieser Namen lautet „Pirambeba“ und wird oft für harmlosere Arten verstanden. Der erwähnte Autor Goulding erklärt jedoch, dass der Name von den gewässernahen Bewohnern in diesem Zusammenhang kaum angewendet wird, wohl aber wurde er in die wissenschaftliche Klassifizierung übernommen.

Die meisten der rund 40 wissenschaftlich anerkannten Piranha-Arten ernähren sich von Flossenstücken anderer Fische und sind für den Menschen harmlos, so wie dieser Serrasalmus geryi.

Wer bei einem kurzen (Urlaubs-) Aufenthalt in Amazonien Bekanntschaft mit Piranhas macht, hat es meistens mit dem rotbäuchigen „Piranha cajú“ (Pygocentrus nattereri) zu tun, den man am häufigsten in größeren Gruppierungen (sog. Schulen) antrifft. Der auch aquaristisch bekannte amerikanische Ichthyologe und Publizist Dr. George S. Myers veröffentlichte in seinem „Piranha Book“ (1972) unter der Rubrik „Wahrheit und Dichtung“ (S. 66) eine Geschichte aus der Feder von Harald Schultz, der als Indianerforscher und Ichthyologe viele Jahre lang in Amazonien arbeitete: „Als mein Vater 15 Jahre alt war, floh er vor angreifenden Indianern in einem kleinen, wackeligen Kanu. Das Boot schlug um, und er musste schwimmend seine Flucht fortsetzen. Als er das Ufer erreichte, konnte er nur noch als Skelett aus dem Wasser klettern. Später ist ihm derartiges nie mehr passiert . . . .!“ Dieser wohl eher ironisch aufzufassenden Mär dürfte wohl nichts hinzuzufügen sein. Sie wird seither in vielen ichthyologischen wie auch aquaristischen Büchern und Schriften zitiert.

Soviel zum Mythos; Wahrheiten und Erkenntnisse im Bookazine #5!

Frank Schäfer


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Astacoides: Süßwasserkrebse aus Madagaskar

Das Vorkommen von Süßwasserkrebsen auf der Insel Madagaskar ist ein zoogeographisches Rätsel. Denn in Afrika fehlen Süßwasserkrebse vollkommen. Auch auf Madagaskar sind die sieben endemisch dort lebenden Arten nur in einem rund 60.000 km2 großen Gebiet im Südosten der Insel in Höhen zwischen 500 und 2.000 m verbreitet. Dieser Teil von Madagaskar ist einer gewaltigen Abholzung und damit einer enormen ökologischen Veränderung unterworfen.

Madagaskar – wenn im Hochland Regenwald durch diese Landschaft ersetzt wird, sterben viele Tier- und Pflanzenarten aus.

Alle sieben Arten der Madagaskar-Krebse werden der Gattung Astacoides zugeordnet. Bis in die 1980er Jahre glaubte man, es gäbe nur eine einzige Art mit mehreren Varietäten. Einen umfassenden Überblick über die Gattung lieferte dann Hobbs (1987), der sechs Arten unterschied, vor wenigen Jahren wurde eine zusätzliche Art wissenschaftlich beschrieben (Boyko et al., 2005). Astacoides gehört in die Verwandtschaft der Südkrebse (Parastacoidea), die wir aquaristisch vor allem in Form der von Neu-Guinea und aus Australien kommenden Gattung Cherax kennen. Die Arbeit von Hobbs kann hier kostenlos heruntergeladen werden: https://repository.si.edu/handle/10088/5543; darin befinden sich auch anatomische Zeichnungen aller sechs von ihm unterschiedenen Arten, anhand derer eine Bestimmung zumindest konservierter Exemplare möglich sein sollte. Die sieben bislang bekannten Arten heißen Astacoides madagascariensis (A. Milne Edwards & Audouin, 1839), A. caldwelli (Bate, 1865), A. betsileoensis Petit, 1923, A. granulimanus Monod & Petit, 1929, A. crosnieri Hobbs, 1987, A. petiti Hobbs, 1987 und A. hobbsi Boyko et al., 2005. Der zuletzt beschriebene A. hobbsi unterscheidet sich sehr einfach von den übrigen Arten durch seine Färbung, die einheitlich weiß ist.

Astacoides betsileonensis erkennet man an dem stark bestachelten Carapax

Die Zugehörigkeit der Madagaskar-Krebse zu den Südkrebsen wurde auf molekularer Basis bestätigt (Crandall et al. 2000, Rode & Babcock, 2003), die Parastacoidea sind monophyletisch (das heißt, alle ihr zugeordneten Gattungen und Arten haben einen gemeinsamen Vorfahren). Molekulare Berechnungen weisen darauf hin, dass die Artbildung bei den Südkrebsen vor etwa 161 Millionen Jahren begann (Breinholz et al., 2009), was sehr gut zu den aktuellen Vorstellungen der Kontinetaldrift passt, wonach die Nord- und Südkrebse durch das Auseinanderbrechen der Urkontinente Gondwana und Laurasia während der Kreidezeit voneinander isoliert wurden und anschließend auch evolutionär eigene Wege gingen. Warum allerdings in Afrika keine Süßwasserkrebse (mehr?) existieren, erklären auch diese neueren Forschungsergebnisse nicht.

Grüne Farbmophe von Astacoides betsileonensis

Vier Arten der Madagaskar-Süßwasserkrebse konnte Aquaristik Service Reuter im Oktober 2007 nach Deutschland importieren; dies war der bis dahin wohl erste kommerzielle Import für private Haltungszwecke überhaupt – und, soweit ich weiß, auch der einzige.

Astacoides betsileonensis, rote Morphe

Die spektakulärste der importierten Arten ist sicherlich A. betsileonensis, eine bis zu 18 cm Gesamtlänge erreichende Art mit mächtigen, bizzarren Dornen am Carapax, was sie unverwechselbar macht. Die Art ist zudem sehr attraktiv rot und blau gefärbt. Die zweite Art ist A. madagascarensis, die größte Art der Gattung. Bei ihr sind die Seiten des Carapax nur granuliert, nicht mit Dornen versehen. Schließlich befand sich noch A. granulimanus in der Sendung, eine rund 14 cm (Gesamtlänge) lang werdende Art. Die beiden letzteren haben wesentlich kleinere Augen als A. betsileonens, auch daran kann man sie erkennen. Schließlich war ein Exemplar einer A. granulimanus sehr ähnlich gefärbten Art vertreten, bei dem es sich um A. caldwelli handeln dürfte.

Prächtiges Exemplar von Astacoides betsileonensis

Wenngleich die Madagaskar-Krebse nicht die größte bekannte Süßwasserkrebsart stellen, können sie doch beachtliche Längen erreichen. Die größte Art der Gattung Astacoides ist A. madagascarensis. Sie kann fast 9 cm Carapaxlänge erreichen, was einer Gesamtlänge von 19-20 cm entspricht. Die kleinste Art ist A. crosnieri, mit 5.3 cm Carapaxlänge (also etwa 11-12 cm Gesamtlänge).

Astacoides madagascariensis

Männchen und Weibchen unterscheiden sich äußerlich kaum bei Astacoides. Zur Geschlechtsunterscheidung muss man die Tiere auf den Rücken drehen. Die Männchen haben ihre Geschlechtsöffnungen (Gonoporen) an der Basis des fünften Schreitbeinpaares, die Weibchen an der Basis des dritten. Bei Tieren gleicher Größe haben die Weibchen etwas flacher gebaute Hinterleibssegmente, doch das ist bei lebenden Tieren schwer zu sehen, zumal Astacoides dazu neigen, den Hinterleib untergeschlagen zu tragen. Die Fortpflanzung dieser Krebse ist bislang nicht detailliert beschrieben worden, doch kann man davon ausgehen, dass sie in groben Zügen der der aquaristisch gut bekannten Cherax-Arten gleicht.

Bereits 1929 wurde auf die starke Bedrohung der Bestände durch künstlich eingeführte Forellen und die Abholzung hingewiesen (Monod & Petit, 1929). Dass das in der Zwischenzeit nicht besser geworden ist, bedarf wohl kaum der Erwähnung; jetzt ist noch eine weitere Bedrohung hinzugekommen, nämlich eingeführte Marmorkrebse (Procambarus virginalis). Diese parthenogenetische Art (es gibt ausschließlich Weibchen, die sich durch Klonen fortpflanzen) kommt mit den veränderten Umweltbedingungen offenbar erheblich besser zurecht als die Astacoides und vermehren sich massenhaft (Gutekunst et al., 2018). Dadurch treten sie selbstverständlich in Konkurrenz mit den verbliebenen Restbeständen der bodenständigen Formen, die vielleicht gerade noch so, allen Widrigkeiten zum Trotz überlebt haben. Diese invasiven Massenauftreten fremdländischer Arten in vom Menschen gestörten Lebensräumen ist ein weltweit zu beobachtendes Phänomen, auf das von Politikerseite meist mit völlig ungeeigneten Maßnahmen reagiert wird. 1929 appellierten die Forscher, Grundeigner mögen auf ihren Geländen Krebszucht propagieren, um den drohenden Niedergang der Arten aufzuhalten; tatsächlich wäre das ein guter Weg, der z.B. bei vielen bedrohten Krokodilarten bereits zu beachtlichen Bestandszunahmen geführt hat. Überall, wo Krokodile in Farmen zur Leder- und Fleischgewinnung gezüchtet werden dürfen, also einen gewissen wirtschaftlichen Wert darstellen, da wachsen auch die wildlebenden Bestände, da weder ein pekuniärer Anreiz besteht, ihnen weiter nachzustellen, noch die Notwendigkeit, unliebsame Mitfresser bei der Fischerei loszuwerden – man arbeitet bequemer und lukrativer in den Krokdil-Farmen als auf dem Fischerboot. Wo jedoch die Krokodile unter strikten Schutz gestellt werden, Haltung, Zucht und Vermarktung von Krokodilprodukten restriktiver behördlicher Aufsicht oder gar totalen Verboten unterliegt, dort blüht der Schwarzmarkt mit illegal gejagten Wildkrokodilen und die Bestände brechen zusammen und verschwinden.

Bei diesem Astacoides handelt es sich höchstwahrscheinlich um A. granulimanus.

Kommerzielle Nutzung, das hat sich schon oft gezeigt, ist – vorausgesetzt sie wird intelligent betrieben – die wirksamste aller Artenschutzmaßmahmen, die man derzeit kennt. Dabei ist es unerheblich, ob diese kommerzielle Nutzung direkt (also durch Verzehr, Ledergewinnung etc.) oder indirekt (durch Öko-Tourismus bei ausreichend attraktiven Arten) geschieht. Dabei darf man auch nicht vergessen, dass eine solche Schutzmaßnahme sich auch immer positiv auf die Bestände zahlreicher unattraktiver, aber nichts desto Trotz ebenso bedrohter Tierarten auswirkt.

In Bezug auf die Madagaskar-Krebse bleibt die Hoffnung auf Artenrettung durch Aquakultur allerdings wohl Wunschdenken. Man ist das 1929 nicht angegangen und auch heute besteht scheinbar keinerlei Interesse bei der lokalen Bevölkerung, so etwas zu tun (Jones, Andriahajaina & Hockley, 2007).

Dieser Astacoides caldwelli zeigt, dass Astacoides dazu neigen, den Hinterleib untergeschlagen zu tragen

Über die Lebensweise der Madagaskar-Krebse in freier Natur ist kaum etwas bekannt. Man weiß, dass die Arten A. betsileonensis, A. caldwelli, A. hobbsi, A granulimanus und A. madagscarensis typischerweise in Fließgewässern mit gerölligem Boden leben, doch kommen die Arten A. crosnieri und A. petiti aus sumpfigen Gebieten. Eine neuere Studie (Jones et al., 2007)  liefert die genauesten zur Zeit zur Verfügung stehenden Daten. Sie bestätigen im Wesentlichen, was man bislang schon wusste: Astacoides sind äußerst empfindlich gegen die Störung des Lebensraums, vor allem die Abholzung ist ein gewaltiges Problem. Sie werden in großen Mengen als Speisekrebse auf die lokalen Märkte gebracht. Bei manchen Arten, z.B. beim imposanten A. betsileonensis, kommt hinzu, dass sie erst sehr spät geschlechtsreif werden. A. granulimanus und A. grosnieri haben die längste Jugendentwicklung, die man bislang von Süßwasserkrebsen überhaupt kennt. Nur rund 10% der etwa 900 auf Märkten vermessenen Abetsileonensis hatten eine Carapaxlänge über 6 cm und somit die Chance, bereits zu reproduzieren.

Leider wurde über die Aquarienpflege bisher kaum berichtet, das Interesse der Hobbyisten an diesen Krebsen ist wohl nur äußerst gering. Die Ernährung der Madagaskar-Krebse im Aquarium ist problemlos, sie sind Allesfresser, wie man das von Krebsen gewohnt ist. Ansonsten ist die Pflege der Tiere noch absolutes Neuland. Kühleres Wasser (um 12°C) wird besser vertragen, als wenn die Temperaturen über 25°C ansteigen. Untereinander sind sie nicht übermäßig aggressiv, doch ist eine Vergesellschaftung von Flusskrebsen allgemein immer eine riskante Angelegenheit. Wirklich sozial ist keine Art und ein frisch gehäuteter Artgenosse wird durchaus auch als Futter angesehen.

Frank Schäfer

Literatur

Boyko, C. B., Ravoahangimalala, O. R., Randriamasimanana, D. É. S. I. R. É., & T. H. Razafindrazaka (2005): Astacoides hobbsi, a new crayfish (Crustacea: Decapoda: Parastacidae) from Madagascar. Zootaxa, 1091 (1), 41-51.

Breinholt, J., Pérez-Losada, M. & K. A. Crandall (2009): The timing of diversification of the Freshwater Crayfishes. Crustacean Issues 18: 343-356

Crandall, K.A., Harris, D.J. & J. W. Fetzner (2000): The monophyletic origin of freshwater cray-fishes estimated from nuclear and mitochondrial DNA sequences. Proc. Roy. Soc. Lond. B. Biol.Sci. 267: 1679–1686

Gutekunst, J., Andriantsoa, R., Falckenhayn, C., Hanna, K., Stein, W., Rasamy, J., & F. Lyko (2018): Clonal genome evolution and rapid invasive spread of the marbled crayfish. Nature ecology & evolution, (3), 567.

Hobbs, H.H., Jr. (1987): A review of the crayfish genus Astacoides (Decapoda: Parastacidae). Smithsonian Contributions to Zoology, 1443, 1–50.

Jones, J. P., Andriahajaina, F. B., Hockley, N. J., Crandall, K. A., & O. R. Ravoahangimalala (2007): The ecology and conservation status of Madagascar’s endemic freshwater crayfish (Parastacidae; Astacoides). Freshwater Biology, 52 (9), 1820-1833.

Jones, J. P., Andriahajaina, F. B.  & N. J. Hockley. (2007): The potential of native species aquaculture to achieve conservation objectives: freshwater crayfish in Madagascar. The International Journal of Biodiversity Science and Management, (4), 217-222.

Rode, A.L. & L. E. Babcock (2003): Phylogeny of fossil and extant freshwater crayfish and some closely related nephropid lobsters. J. Crust. Biol. 23: 418–435

Varanus exanthematicus – der Steppenwaran

Manche Warane sind Riesen unter den Echsen. Nur die Krokodile stellen noch großwüchsigere Vertreter. Doch während die kleinsten Krokodile, die Glattstirnkaimane der Gattung Paleosuchus, immerhin noch 1.5 m Länge erreichen, werden die kleinsten Waran-Arten kaum 25 cm lang.

Portrait eines jungen Steppenwarans.

Der Steppenwaran, Varanus exanthe­mathicus, ist mit gut 1 m Maximal­länge die kleinste Art der Gattung Varanus aus Afrika, gehört aber, insgesamt gesehen, damit immer noch zu den größeren Waran-Arten. Im Gegensatz zu den Nil-Waranen (Varanus niloticus und V. ornatus), der zweiten Gruppe häufig angebotener afrikanischer Waran-Arten, ist der Steppenwaran aber sehr gut für die Terrarienpflege unter häuslichen Bedingungen geeignet. Das liegt nicht nur an seiner geringeren Größe – Nilwarane werden immerhin 2 bis 2.5 m lang. Vielmehr ist der Steppenwaran ein ruhiges und von Haus aus dem Menschen gegenüber freund­liches Tier. Man kann ihn auch problemlos in Gruppen pflegen, wenngleich er in der Natur meist einzeln angetroffen wird. Nilwarane hingegen sind temperamentvolle Beute­greifer, die strikte Einzelgänger sind. Sie brauchen Platz – sehr viel Platz -, um ihre Eigenheiten ausleben zu können und der Umgang mit ihnen ist ungefähr so erfreulich wie wenn man als Fremder einen bissigen Kettenhund zu handhaben hätte.

Die Heimat des Steppenwarans ist das Grasland West- und Zentralafrikas. Das (bekannte) Verbreitungsgebiet reicht vom Senegal im Westen bis nach Eritrea im Osten. Aus Gründen, die gleich noch erläutert werden, ist das Verbreitungsgebiet im Detail allerdings nicht recht bekannt. Man findet den Steppenwaran oft in der Nähe von Wasserläufen. Wie sehr viele Warane sucht er gerne Höhlen als Verstecke auf. In Regenwaldgebieten konnte der Steppen­waran noch nicht gefunden werden. Auch klettert die Art kaum. Der Steppenwaran hat einen Doppelgänger, den Weißkehlwaran (Varanus albigularis), der erheblich größer wird, nämlich 1.5 bis 2 m. Beide Arten sehen sich außerordentlich ähnlich und wurden bis Anfang der 1990er Jahre lediglich als Unterarten zueinander gesehen. Daher ist die ältere Literatur über Steppenwarane nur schwer auszuwerten und Angaben über Maximalgröße, öko­logische Preferenzen und das Verbreitungs­gebiet oft unsicher. Man kann in Fällen, in denen kein Museumsmaterial hinterlegt wurde, kaum noch entscheiden, welche der beiden Arten der Beobachter vor sich hatte.

Der Steppenwaran hat, verglichen mit anderen Waranen, einen relativ kurzen Schwanz.

Auch der Weißkehlwaran hat ein riesiges Verbreitungsgebiet, das große Teile des zentralen und südlichen Afrikas umfasst. Dort werden drei Unterarten unterschieden. Es scheint so, als seien Steppen- und Weißkehlwaran weitgehend allopatrisch, d.h., dass dort wo die eine Art lebt, die andere nicht vorkommt. Hingegen kommen beide Arten in Teilen ihres Verbreitungsgebietes mit Nilwaranen in Berührung, das sind also sympatrische Arten. Im Verhalten liegt der Weißkehlwaran zwischen Nil- und Steppen­waran. Er ist – ähnlich wie der Nilwaran – häufig schlecht gelaunt und stets bereit, den Menschen, der ihm zu nahe kommt, anzugreifen. Hauptsächlich teilt er dabei gezielte Schwanzschläge aus und faucht, wobei er sich kräftig aufbläst und somit größer erscheint, als er tatsächlich ist. Andererseits ist der Weißkehlwaran aber deutlich ruhiger im Verhalten – ähnlich wie der Steppenwaran – und daher für die Pflege in Großterrrarien noch einigermaßen ge­eignet. Auch die Vergesellschaftung mit Artgenossen gelingt beim Weißkehlwaran meist ganz gut.

Der nächste Verwandte des Steppenwarans ist der Weißkehlwaran. Hier ein Tier der tansanischen Popula­tion, deren Angehörige ungeachtet ihres Populärnamens durch ihre schwarze Kehle auffallen.

In den Monaten Juli bis September sind Babys des Steppenwarans regelmäßig im Zoofachhandel anzutreffen. Sie entstammen meist sogenannten „Farmzuchten“ aus Togo und Ghana. Darunter versteht man, dass die Gelege wilder Tiere eingesammelt und unter kontrollierten Bedingungen ausgebrütet werden. Von den so erhaltenen Jungtieren wird ein Teil herangezogen und schließlich ausgesetzt, so dass der natürliche Bestand gesichert bleiben soll. Der Rest wird vorher an den Zoofachhandel verkauft. Auch in der Natur überleben ja nur ganz geringe Prozent­zahlen der Jungwarane.

Wirklich gesicherte Studien zum Bestand des Steppen­warans gibt es nicht. Es gibt aber auch keinerlei Hinweise darauf, dass die Zahl wildlebender Steppenwarane rückläufig wäre. Wie alle Waranarten ist auch der Steppenwaran eine international geschützte Art und darf nur mit den entsprechenden Genehmigungen gehandelt werden. Daher kann man sie mit ruhigem Gewissen erwerben. Immerhin sollte man unbedingt von vornherein daran denken, dass diese niedlichen Babys, sie haben meist eine Länge zwischen 15 und 20 cm, sehr schnell wachsen.

Warane werden nicht sonderlich alt, verglichen mit anderen groß­wüchsigen Reptilien, wie Riesenschildkröten oder Krokodilen. Ihre Lebenserwartung im Terrarium liegt bei 20-30 Jahren. In der Natur dürften kaum jemals welche ein so hohes Alter erreichen. Bereits im Alter von 3 Jahren werden sie geschlechtsreif. Die Geschlechter sind äußerlich kaum zu unterscheiden, doch bei gleichaltrigen Tieren sind die Männchen stets erheblich größer als die Weibchen. Männchen können binnen einen Jahres von 12 cm (Schlupflänge) auf 40-50 cm heranwachsen, Weibchen werden in der gleichen Zeit nur 25-30 cm lang. Wenn man sich eine Zuchtgruppe aus Babys zusammenstellt, sollte man daher 2 größere und 3-4 kleinere Tiere nehmen. Die Wahrscheinlichkeit, damit beide Geschlechter erworben zu haben, ist groß. Wegen des riesigen Verbreitungsgebietes ist es nicht sinnvoll, nachträglich weitere Exemplare für Zuchtabsichten zu erwerben. Es ist sehr wahrscheinlich, Tiere unterschiedlicher Herkunft miteinander zu verpaaren und damit einen Haustierzuchtstamm zu etablieren, den die Welt nicht braucht.

Terrarien ab etwa 1 m2 Bodenfläche sind für die Pflege des Steppenwaranes geeignet, doch die doppelte Bodenfläche ist eher anzuraten; bei Gruppenhaltung muss man deutlich mehr Platz zur Verfügung stellen, die meisten Pfleger bauen dazu einfach ein ganzes ZImmer um. Allerdings ist der Steppenwaran, wie schon eingangs geschildert, ein ruhiger Zeitgenosse und bewegt sich nicht unnötig. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass er in der Natur aus­gedehnte Trockenzeiten von mehreren Mona­ten in einer Art Sommerruhe zu überstehen hat, in der er in einem Dämmer­zustand von seinen Reserven leben muss. Das muss man wissen, denn der häufigste Pflegefehler, den Terrarianer beim Steppen­waran machen, ist, ihn hoffnungslos ver­fetten zu lassen. Steppenwarane sind praktisch immer fressbereit. Und sie fressen nahezu alles, was tierischen Ursprungs ist. Am natürlichsten ist es, sie mit großen Insekten zu ernähren, doch weil Warane auch in der Natur opportunistische Fresser sind, die sich gerne an Aas etc. versammeln, neigen viele Pfleger dazu, ihnen Hunde- oder Katzenfutter aus der Dose als Hauptnahrung zu geben. Dieses energiereiche und ballast­stoffarme Futter, in Verbindung mit dem relativen Bewegungsmangel im Terrarium führt dann schnell zur Verfettung, die oft tödlich endet. Gut eingewöhnte, gesunde Tiere brauchen daher nur 1-3 mal pro Woche (je nach Alter, Jungtiere öfter, größere Tiere seltener) gefüttert zu werden. Nur trächtige Weibchen bekommen mehr. Lebendfutter ist unbedingt der Vorzug zu geben, denn dann werden aus den trägen Schlafmützen plötzlich reaktionsschnelle Jäger.

Steppenwarane baden gerne. Hier genießt ein Baby sein Vollbad ganz offensichtlich.

Abschließend noch ein paar Worte zur Einrichtung. Als Bodengrund nimmt man am besten feinen Sand, denn der lässt sich leicht reinigen. Eine Wasserschale mit stets frischem Wasser, die so groß sein muss, dass der Waran hereinpasst, ist unverzichtbarer Bestandteil der Einrichtung. Zur Nachtruhe lieben die Warane es, sich in enge Spalten und Höhlen zurückzuziehen. Diesem Bedürfnis kann man mit entsprechenden Steinaufbauten Rechnung tragen, besser kontrollierbar und weniger gefährlich (Einsturzgefahr!) sind einfache Holzkisten mit einem Einschlupf, durch den die Warane gerade noch so passen. Die Weibchen legen an solchen Orten auch bevorzugt ihre 16-53 Eier umfassenden Gelege ab. Unter dem heißesten Strahler kann die Temperatur bis 45°C betragen, nachts darf die Temperatur bis 17°C absinken.  Man sollte außerdem eine entsprechend großflächige Bodenheizung (Heizstein) zur Verfügung stellen, die eine Oberflächentemperatur von 30-35°C erreicht. Im Terrarium verlegte Kabel sind unbedingt gegen die Grabtätigkeit der kräftigen Tiere zu sichern, darum sind Heizkabel auch grundsätzlich nicht geeignet.

Frank Schäfer


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Zwei bemerkenswerte Schwimmpflanzen

Schwimmpflanzen erfüllen im Aquarium gleich eine ganze Anzahl von Aufgaben. Im Gegensatz zu den untergetaucht lebenden (der Fachausdruck lautet: submersen) Pflanzen wird man sie weniger ihres dekorativen Effektes wegen ins Aquarium einbringen.

Der Job der Schwimmpflanzen ist biologischer Natur. So fühlen sich z.B. viele Fische viel sicherer, wenn sie Deckung von oben haben. Das Ergebnis eines Schwimmpflanzenpolsters: Weniger scheue Tiere, die prächtigere Farben zeigen.

Für Jungfische sind die dichten Wurzelbärte der Schwimmpflanzen ideale Verstecke. Hier können sie sich vor den Fressgelüsten der anderen Aquarientiere in Sicherheit bringen und hier finden sie auch wichtige Zusatz­nahrung, wie verschiedene Kleinst­lebe­wesen. Manche Fische laichen auch gerne in den Wurzelbärten ab.

Schwimmpflanzen sind zudem gerade in der Einlaufphase eines Aquariums pefekte Helferlein, denn sie verhindern während der heiklen Anwuchsphase der im Boden wurzelnden Pflanzen, dass diese von Algen überwuchert werden. Freilich muss man aber auch immer darauf achten, dass die Schwimmpflanzen nicht überhand nehmen und die schwimmenden Polster regelmäßig auslichten.

Ganz wichtig für die Kultur der Schwimm­pflanzen ist, dass keine zu starke Filter­strömung herrschen darf, sonst wachsen die Pflanzen nicht. Auch Schwitzwasser, das von der Deckscheibe auf die Pflanzen tropft, ist tödlich für viele Schwimmpflanzen.

Moosfarne: zierlich & interessant!

Azolla filiculoides wird als „Feenmoos“ vermarktet. Zeichnung: Tropica

Zu den Pflanzen, die aquaristisch etwas in Vergessenheit geraten sind, gehören die Moosfarne (Azolla). Im Handel werden sie auch unter dem netten Namen „Feenmoos“ angeboten, was jedoch botanisch falsch ist und der darum möglichst nicht verwendet werden sollte. Diese filigranen Pflänz­chen verdienen es aber, einmal näher be­trachtet zu werden, denn sie sind wirklich ganz hübsch anzuschauen und sehr interessant. Moosfarne leben ursprünglich nicht in Europa, sind heutzutage jedoch weltweit verschleppt und sind oft ausgesprochen invasiv. In Europa findet man ver­wildert die Arten Azolla caroliniana und A. filiculoides; erstgenannte Art ist in rauheren Klimaten jedoch nicht winterhart.

Moosfarne erscheinen blaugrün in der Farbe, was von einer die Blättchen bedeckenden Wachs­schicht kommt, unter der symbio­tische blaugrüne Algen leben. Diese Algen können Stickstoff aus der Luft binden. Moosfarne lieben nährstoffreiche Gewässer. Wenn Moosfarne viel Licht erhalten ent­wickeln sie rötliche Blätter, was auch im Herbst geschieht.

Sie ist klein, aber hübsch und interessant: Azolla filiculoides

Die Verwendung von Moosfarnen kann im Aquarium oder im Gartenteich erfolgen. Im Teich besiedeln die Pflänzchen vor allem den schlammigen Uferbereich. Wer die Moosfarne aber um ihrer selbst willen beobachten möchte, der kann das auch in einem einfachen Einmachglas auf der Fensterbank tun. Hier kann man dann mit etwas Glück die Entwicklung der (weiblichen) Makrosporen und der (männlichen) Mikrosporen beob­achten, denn diese erstaunlichen Pflänzchen sind tatsächlich zweigeschlechtlich! Für die Vermehrung von Moosfarnen im Aquarium ist das jedoch bedeutungslos, denn sie wuchern fröhlich durch ungeschlechtliche Sprossenbildung. Unter günstigen Bedingungen verdoppeln sie ihre Biomasse alle 4-5 Tage.

Die bläuliche Farbe stammt von symbiotischen Blaualgen, die Luftstickstoff binden können.

Diese Vermehrungsfreude kann mancherorts zu bösen Problemen führen. In Südafrika gibt es den biologisch besonders interessanten Labyrinthfisch Sandelia bainsii, der nur ein sehr kleines natürliches Verbreitungsgebiet hat. Dort kämpft er schon länger ums Überleben, denn man hat Forellen und Barsche als Angelfische ausgesetzt, die Sandelia verdrängen. In den wenigen Gewässern, in denen S. bainsii überlebt hat, wuchert nun Azolla. Sie wächst derartig dicht, dass die Labyrinther große Schwierigkeiten haben, Luft zu holen; dazu kommt, dass S. bainsii bei der Flucht aus dem Wasser springt. Landen die Tiere dabei auf dem Azolla-Teppich, finden sie nicht mehr zurück ins Wasser und verenden elendiglich.

Sandelia bainsii ist u.a. wegen Azolla vom Aussterben bedroht. Photo: W. Foersch

Aber diese menschgemachte Katastrophe sollte nicht dazu führen, das Staunen über die kleinen Schwimmpflanzen zu vergessen oder gar auf ihre Pflege zu verzichten. Aquarienpfleglinge oder Gartenteichbewohner gehören nun einmal nicht in die freie Natur, überschüssige Pflanzen muss man kompostieren oder in der Biotonne entsorgen, wer kleine Schwimmpflanzenarten im Teich pflegt, muss dafür sorgen, dass keine Schwimmvögel auf dem Teich zwischenlanden können, die diese Pflanzen an ihren Füßen mitschleppen, dann passiert auch nichts. Abgesehen davon sind Moosfarne ohnehin schon weltweit verbreitet, dieses Kind liegt also längst im Brunnen und das lässt sich auch nicht mehr ändern. Moosfarne sind bezüglich ihrer Biologie spannende Pfleglinge.

Teich in Thailand. Die Azolla erscheint hier wie ein bräunlicher Belag an der Wasseroberfläche.

Im krassen Gegensatz zur ungeschlechtlichen Vermehrung steht nämlich die sexuelle Vermehrung der Moosfarne. Denn so rasch die durch Sprossung Klone entwickeln, so kompliziert ist ihr Sex. Es wurde schon gesagt, dass es männliche Mikrosporangien und weibliche Makrosporangien gibt. Sie sind in Sporenbehältern (Sporokarpien) untergebracht, die, je nachdem welche Sporangien sie enthalten, Mikrosporokarpien oder Megasporokarpien heißen. Diese Sporenbehälter sind meist paarig an der Pflanze zu finden. Bei Azolla filiculoides haben die Mikrosporokarien etwa 1,5 mm Durchmesser, enthalten 8-130 Mikrosporangien und jedes Mikrosporangium enthält 64 Mikrosporen, die zu Gruppen in 3-10 Massulae zusammengefasst sind. Die Megasporokarpien haben einen Durchmesser von ca. 0,5 mm; sie enthalten jeweils ein Makrosporangium mit einer Makrospore, die bereits eine kleine Kolonie der symbiotischen Blaualge enthält; diese Blaualge heißt übrigens Anabaena azollae.

Bei intensensivem Licht färbt sich Azolla rot bis rotbraun ein. Die grüne Pflanze auf dem Bild ist Utricularia aurea, eine fleischfressende Pflanze.

Wenn beide Sporentypen reif sind, platzen die Sporokarpien auf; die Mikrosporokarpien entlassen ein schwammartiges Gewebe von Massulae, das sich mittels Haftfäden an die Makrosporangien anheften. Gemeinsam sinkt das Gebilde nun auf den Gewässergrund. Dort beginnt die eigentliche Fortpflanzung; wie bei allen Farnen bildet sich ein Vorkeim, der Prothallus, der in diesem Fall ein Mischgewebe aus Massula und Makrospore ist. Dort wachsen Geschlechtsorgane, auf dem Mikrosporengewebe Antheridien, die begeißelte männliche Gameten (Antherozoiden, vergleichbar Spermien bei Tieren) enthalten und aus der von der Makrospore gebildeten Thallus in Archegonien genannten Geschlechtsorganen Oospheren (vergleichbar der Eizelle bei Tieren). Die Oosphere wird von Antherozoiden befruchtet, ganz ähnlich wie beim tierischen Sex, die Geschlechtszellen (Gameten) verschmelzen: ein neuer Farnpflanzenembryo mit neuer genetischer Kombination ist entstanden.

Geben Sie´s ruhig zu: wer bislang glaubte, im Kamasutra ginge es kompliziert zu, wird jetzt sehr bescheiden!


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Eine lebendgebärende Seerose

Seerosen sind mystische Pflanzen, die schon immer die Fantasie des Menschen angeregt haben. Darauf deutet auch der wissenschaftliche Gattungsname “Nymphaea” hin. Nymphen sind in der altgriechischen und römischen Mythologie gottartige Wesen, Naturgeister, die dem Menschen oft hilfreich sind. Im Gegensatz zu Göttern gelten sie als sterblich. Der Mythologie nach entstand die erste Seerose aus dem toten Leib einer Nymphe, die aus Eifersucht gegen Herkules starb.

Die Ablegerpflanzen von Nymphaea x daubenyana blühen schon, obwohl sie kaum eigenen Blätter haben.

Seerosen in Teich und Aquarium

Obwohl Seerosen in der Natur sehr häufig sind und ihre wunderschönen Blüten den Menschen schon immer fasziniert haben, sind sie erst vergleichsweise spät in Kultur genommen worden. Zunächst war es wohl die in Europa, Asien und Nordafrika weit ver­breitete und winterharte Weiße Seerose, Nymphaea alba, die in Gartenteichen ge­pflegt wurde. Erst um 1800 wurden auch andere Arten als geeignete Gartenpflanzen erkannt und um die Mitte des 19. Jahr­hun­derts entstanden überall in Europa See­rosen­häuser, um die sensationelle Vic­toria regia, die Riesenseerose, pflegen und aus­stellen zu können.

Große, prächtige, blühende Pflanzen von Nymphaea x daubenyana im beheizten Seerosenteich der Wilhelma in Stuttgart.

Es war in dieser Zeit, dass man mit Kreuzungen zu experimen­tieren be­­gann und jedes Jahr kamen neue, farben­prächtige Hybriden auf den Markt. Heute weiß wohl niemand so ganz genau, wieviele Züchtungen es gibt, es werden weit über 600 sein. In freier Natur gibt es etwa 40 Arten.

Als Aquarienpflanzen wurden die Seerosen noch viel später entdeckt. Noch Albert Wendt schrieb in seinem klassischen Werk “Die Aquarienpflanzen in Wort und Bild” (1952-1955), dass man im Aquarium an Seerosen keine Freude haben wird, weil sie viel zu groß werden, viel Licht verlangen und der fette Bodengrund, den sie zur optimalen Entwicklung verlangten (man verwendete damals für Seerosen eine Mischung aus Sand, altem Lehm und Komposterde, der etwas gut verrotteter Kuhdung zugesetzt wurde, das Ganze gut abgelagert – herrlich!) im Aquarium aus Rücksicht auf die Fische nicht verwendet werden könne.

Im Aquarium wirkt N. x. daubenyana auch als Unterwasserpflanze wunderschön.

Allgemein zog erst in den späten 1960er Jahren der Tigerlotus (Nymphaea lotus) als Aquarienpflanze in die Becken der Liebhaber ein und ist seitdem nicht mehr wegzu­denken. Die Pflanze verdankt ihren Erfolg in der Aquaristik einem Umdenken der Aqua­rianer. Versuchte man zuvor, die Seerosen naturnah zu pflegen, also mit Schwimm­blättern, um ihre herrlichen Blüten beob­achten zu können, lernte man am Tigerlotus, dass es möglich ist, die ökologische Flexi­bilität einige Arten dahingehend auszu­nutzen, dass man sie rein untergetaucht ( = sub­mers) kultivierte. So gepflegt sind etliche Seerosen ganz herrliche Unterwasser­pflan­zen. Man muss allerdings die von Zeit zu Zeit auftretenden Schwimmblätter konsequent auskneifen, sonst sterben die Unterwasser­blätter ab.

Die Entstehung der Nymphaea x daubenyana

Die genaue Entstehungsgeschichte dieser hübschen Seerose ist unbekannt, aber der bereits erwähnte A. Wendt sagt dazu, dass es zunächst ein Professor Caspary in Königs­berg (das heutige Kaliningrad, Russland) war, der die Arten N. micracantha und N. coerulea kreuzte und so unsere hier beschiebene Pflanze erhielt. Später soll Prof. Daubeny in Oxford die Kreuzung wiederholt haben.

Reich blühende Jungpflanze. Die blauen Spitzen der Blütenblätter deuten auf das Erbe von einer der Elternarten, N. coerulea, hin.

Während die Seerose in Deutschland zu­nächst als Nymphaea stellata prolifera hortorum vermarktet wurde, setzte sich sehr bald der Gartenname N. Daubenyana durch. Früher schrieb man Artnamen, die nach Personen benannt waren, mit großem Anfangsbuchstaben. Heute wird die Pflanze allgemein als N. x. daubenyana bezeichnet, wobei das “x” bedeutet, dass es sich um eine Kreuzung (= Hybride) handelt, und nicht um eine natürliche Art.

Verwendung

Ganz kleine Ablegerpflanze, die aber schon Blütenknospen zeigt.

Das faszinierendste an dieser Seerose ist sicherlich, dass sie, wie eine ihrer Stamm­el­tern, die N. micracantha, Ableger an der Basis der Blätter bildet. Diese blühen bei Frei­landkultur auch schon reichlich, wenngleich im Bonsai-Format. Aber auch im Aquarium ist diese Seerose eine herrliche Pflanze, deren zarte Unterwasserblätter sehr dekorativ wir­ken. Auch bei submerser Kultur bilden sich Jungpflanzen an den Blättern. Die Seerose ver­langt weiches bis mittelhartes Wasser, einen pH-Wert im sauren bis neutralen Bereich, viel Licht, Eisendünger und ist dankbar für CO2-Gaben. Im Freiland ist diese Seerose bei uns nicht winterhart.

Frank Schäfer


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Positivliste droht – und damit das Ende der Heimtierhaltung!


Cem Özdemir (Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft) forderte seit Oktober 2022 mehrfach die Einführung von Positivlisten, die de facto ein Ende der Aquaristik, Terraristik (inklusive Kleinsäugerhaltung) und Vogelhaltung bedeuten würde, aber auch – via Qualzuchtverordnung – zu einem massiven Eingriff in die Züchtertätigkeit bei Hunden, Katzen, Kaninchen, Nutzgeflügel und Nutzvieh führen würde.

Hierzu gibt es brandaktuell (23. Juni 2023) ein überaus Hoffnung machendes Update:

ZZF veröffentlicht Gutachten zur Positivliste

Der ZZF hat heute die von ihm beauftragte „Gutachterliche Stellungnahme zur rechtlichen Zulässigkeit der Einführung einer nationalen Positivliste für Heimtiere“ veröffentlicht. Das von Prof. Dr. Dr. Tade M. Spranger von der Universität Bonn erstellte Gutachten belegt unmissverständlich: Eine Positivliste für Heimtiere wäre rechtswidrig und würde gegen Völkerrecht, EU-Recht und Grundgesetz verstoßen.

Das Gutachten ist auf der Webseite tierwohl-statt-heimtierverbot.de auf Deutsch und Englisch frei verfügbar.

Prof. Spranger legt in seinem Gutachten auf 167 Seiten dar, dass zwar strengere Maßnahmen zum Schutz von Tieren grundsätzlich zulässig seien, aber eine nationale Positivliste einen Verstoß gegen geltendes Völkerrecht bedeute. Ihre Einführung stelle außerdem im EU-Recht unter anderem einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit dar. Eine Positivliste verletze zudem Grundrechte wie die Berufsfreiheit sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Derartige Eingriffe seien nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren.

Angesichts der aktuell lauter werdenden Stimmen zur Einführung von Positivlisten oder politischen Entwicklungen wie in Spanien ist das Gutachten von großer Bedeutung für die deutsche, europäische und internationale Heimtierbranche.

Mehr Informationen finden Sie weiter unten in diesem Blog und hier:

https://www.zzf.de/positionen/tierwohl-statt-heimtierverbot

Hier der Direktlink auf das Gutachten:

https://www.zzf.de/positionen/tierwohl-statt-heimtierverbot/gutachten

Die Pressemitteilung des Zentralverbandes Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. lautete:

Äußerungen von Cem Özdemir: „Schlag ins Gesicht von Millionen von Heimtierhaltern“
ZZF übt Kritik an Äußerungen von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zur Haltung von Heimtieren/ ZZF will Vielfalt in der Heimtierhaltung bewahren und lehnt sogenannte Positivliste als grundfalsch ab.

Der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. (ZZF) kritisiert Äußerungen des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir in einem Artikel der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft, veröffentlicht in Partnerzeitungen am 19. Januar 2023. Darin hatte der Minister angekündigt, die private Heimtierhaltung bestimmter Tierarten verbieten zu wollen und sich für eine sogenannte Positivliste auf EU‐Ebene einzusetzen.
ZZF‐Präsident Norbert Holthenrich hält diesen Vorstoß für grundfalsch: „Trotz des harmlos klingenden Namens wäre eine Positivliste nichts anderes als ein grundsätzliches Verbot der Heimtierhaltung“. Lediglich für einzelne Tiere auf der sogenannten Positivliste oder Erlaubnisliste gäbe es einen Ausnahmevorbehalt. „Damit wird der Eindruck vermittelt, dass die Haltung von Heimtieren im Prinzip etwas Schlechtes sei. Das ist ein Schlag ins Gesicht von Millionen von verantwortungsvollen Heimtierhaltern in Deutschland!“


Persönliche Geschmacksfragen dürfen nicht Richtschnur für die Politik sein
„Es ist anmaßend, wenn der Minister den Menschen vorschreiben will, welche Heimtiere sie halten dürfen und welche nicht“, sagt Holthenrich. Bundesminister Özdemir hatte in dem Interview suggestiv gefragt: „Warum braucht jemand etwa anspruchsvoll zu haltende exotische Tiere wie Schlangen oder ein Chamäleon zu Hause? Das habe ich nie verstanden“. Dazu erklärt der ZZF‐Präsident: „Persönliche Geschmacksfragen und willkürliche Diskriminierung dürfen nicht Richtschnur für die Politik sein. Die Haltung von Heimtieren ist immer anspruchsvoll. Ob Tiere für das Zusammenleben mit Menschen in normalen Privathaushalten geeignet sind, hängt davon ab, ob sie ihrer Biologie und ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten werden können.“
Das sei bei vielen vermeintlich exotischen Tieren wie Meerschweinchen, Zwerghamstern, Zierfischen, Wellensittichen und ebenso Schlangen und Chamäleons der Fall.

Ein beliebtes exotisches Tier, das als Heimtier geeignet ist: die Kornnatter 

Bislang gilt in Deutschland, dass Heimtierhaltung dem Grunde nach erlaubt ist und Ausdruck des in Artikel 2, Absatz 1 des Grundgesetzes geschützten Persönlichkeitsrechts ist. Menschen lieben Heimtiere: In knapp jedem zweiten Haushalt in Deutschland leben Menschen mit einem Heimtier zusammen. Von den Haushalten mit Kindern haben sogar mehr als zwei Drittel ein Heimtier als Lebensbegleiter. Das Leben mit Heimtieren trägt zum Wohlbefinden und zur Gesundheit des Menschen bei und wirkt sich positiv auf das soziale Miteinander aus. Auch Heimtiere profitieren bei artgerechter Haltung in menschlicher Obhut durch eine deutlich höhere Lebenserwartung.
Auch wenn Katzen und Hunde die am häufigsten gehaltenen Arten der rund 35 Millionen Heimtiere in Deutschland sind, werden auch tausende weitere Arten liebevoll und verantwortungsbewusst gepflegt. Eine Positiv‐ bzw. Erlaubnisliste würde diese Vielfalt behindern und einen radikalen Bruch mit dem bisherigen Verständnis des Zusammenlebens von Menschen mit Heimtieren in Deutschland darstellen.


Prinzip der Negativliste ist zielführend und verhältnismäßig
Der vor 75 Jahren gegründete Berufsverband ZZF tritt für eine tierschutzgerechte Zucht, Vermittlung und Haltung von Heimtieren ein. Dabei sind die Sachkunde des Tierhalters und das vielfältige Angebot von Heimtieren eine Voraussetzung für ein tiergerechtes und verantwortungsbewusstes Zusammenleben mit Tieren in Privathaushalten.
Um den Handel oder die Haltung von Tierarten einzuschränken, die vom Aussterben bedroht sind oder die als besonders gefährlich gelten, sind international und national Rechtsnormen erlassen worden, die auf dem Prinzip der Negativliste basieren. Beispiele sind das Animal Health Law VO (EU) 2016/429, die Unionsliste invasiver Arten, VO (EU) 1143/2014, das Washingtoner Artenschutzübereinkommen: VO (EG) 338/97 oder die Gefahrtierverordnungen der Bundesländer.
„Diese Regulierungsinstrumente sind konstruktiv und flexibel. Positivlisten dagegen verbessern nicht das Tierwohl und verhindern nicht den illegalen Handel mit Tieren. Um Menschen, Tier‐ und Pflanzenarten zu schützen, ist das Prinzip der Negativliste zielführend und verhältnismäßig“ sagt ZZF‐Präsident Norbert Holthenrich abschließend.

Der ZZF nennt weitere Argumente gegen die Einführung einer Positivliste, welche auch von der EU‐Kommission abgelehnt wird:


Positivliste gefährdet Tierwohl und Vielfalt in der Heimtierhaltung
– Mit Einführung einer Positivliste würde die Vielfalt der im legalen Handel und im legalen persönlichen Besitz befindlichen Heimtierarten eingeschränkt, aber nicht die mengenmäßige Zucht und Einfuhr einer Art. Das könnte negative Konsequenzen für den Tier‐ und Gesundheitsschutz haben.
– Es besteht das Risiko, dass eine Positivliste keine für bestimmte Lebens‐ und Wohnsituationen geeignete Tierarten beinhaltet und davon betroffene Heimtierhalter deshalb mit tierschutzrelevanten Konsequenzen auf für sie zwar ungeeignetere aber erlaubte Tierarten ausweichen.
– Eine Positivliste könnte zu unerwünschten Folgen durch den Erwerb aus unkontrollierten Quellen (vgl. illegaler Welpenhandel) und in der Folge zu Tierschutzproblemen bei der Haltung von Heimtieren führen. Tiere, die am Zoofachhandel vorbei und über unprofessionelle Kurierdienste erworben wurden, würden möglicherweise nicht dem Tierarzt vorgestellt.
– Die verantwortungsbewusste private Tierhaltung und Nachzucht gerade auch von in ihren Biotopen durch Eingriffe des Menschen bedrohten Arten trägt zum Artenschutz bei.

Objektive Kriterien fehlen
– Die komplexe Frage, welche Tiere für ein Zusammenleben mit dem Menschen geeignet sind, lässt sich mit dem Instrument der Positivliste nicht beantworten. Sinnvolle allgemeingültige und objektivierbare Kriterien für die Aufnahme von Tierarten in eine Positivliste sind bisher nicht vorhanden, schwer aufzustellen und noch schwerer zu evaluieren. Ob Tiere für das Zusammenleben mit Menschen in normalen Privathaushalten geeignet sind, hängt davon ab, ob sie ihrer Biologie und ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten werden
können. Doch wie wären gute Haltungsbedingungen zu definieren? Es besteht die Gefahr einer willkürlichen Diskriminierung.

Positivlisten sind nicht glaubwürdig
– Als Belgien mit den Untersuchungen zur Vorbereitung einer Positivliste für Säugetiere begann, stellte sich heraus, dass Hunde und Kaninchen es wohl nicht auf die Liste schaffen würden. Dies war offensichtlich politisch nicht durchsetzbar, weshalb eine Neubewertung vorgenommen wurde und beide Arten aufgenommen wurden. Das zeigt, dass eine Positivliste nicht notwendigerweise zum Ausdruck bringt, wie anspruchsvoll die Haltung einer Tierart ist.
– Bislang gibt es keinen Beleg, dass die Einführung einer Positivliste den Tierschutz im Heimtierbereich fördern würde.


Verlust von Fachwissen
– Eine Positivliste führt zum Verlust von Wissen im Bereich Artenschutz und Erhaltungszucht. Um die Haltungsansprüche von Tieren zu verstehen und über eine Eignung für die Privathaltung zu entscheiden, müssen erst Erfahrungen in der Haltung und Zucht gesammelt werden. Damit würde es unmöglich gemacht, Tierarten in die Positivliste zu übernehmen.
– Auch das Wissen über die Biologie und Haltungsanforderungen von Heimtieren droht verloren zu gehen. Die Heimtierindustrie hat Fortschritte bei der Entwicklung von Tiernahrung, Gehegen, Aquariumausstattung, Spezialbeleuchtung für Reptilien usw. ermöglicht, weil sie mit Absatzmöglichkeiten in einem heterogenen Heimtiermarkt rechnen konnte.

Xiphophorus meyeri. Der unscheinbare und anspruchsvolle Wildplaty ist in der Natur aufgrund zu hoher Wasserentnahmen akut vom Aussterben bedroht. Engagierte Züchter erhalten die Art wenigstens im Aquarium. Eine Positivliste bedeutet das endgültige Aus für diese und viele andere Spezies.

Die Westafrikanische Klappbrustschildkröte, Pelusios castaneus

Es sind oft die häufigsten Tierarten, über am wenigsten berichtet wird. Pelusios castaneus ist DIE Wasserschildkröte Westafrikas und neben Pelomedusa subrufa die am häufigsten importierte.

Habitus einer etwa 15 cm langen Pelusios castaneus. Gut zu erkennen: die zwei kleinen Barteln am Kinn.

Weit verbreitet

Pelusios castaneus ist eine der am weitesten verbreiteten Schildkrötenarten Afrikas. Sie kommt praktisch entlang der gesamten atlantischen Küste des schwarzen Kontinents vor: vom südlichen Mauretanien, dem Sene­gal über Gambia, Guinea-Bissau, Guinea, Sierra Leone, Liberia, die Elfenbein­küste, Ghana, Togo, Benin, Nigeria, Kamerun und in den nordwestlichen Teil der Zentral­afri­kanischen Republik. Darüber hinaus be­siedelt die Art von Kamerun aus gesehen südlich ein Gebiet in Äquatorial Guinea, Gabun, Kongo, der DR Kongo und erreicht den nördlichsten Teil von Angola. Es gibt die Art auch auf Sao Tomé, einer vor Gabun liegenden Insel. Vom Menschen angesiedelt gibt es eine Population in der Karibik, nämlich auf der Insel Guadeloupe, wohin sie aller Wahrscheinlichkeit durch Sklaven gelangte, die die Tiere als Lebendproviant mit sich führten (bis heute wird die Schildkröte ver­zehrt, darüber später mehr). In Florida soll es ebenfalls eine verwilderte Population geben, diese Tiere sollen von einem Tier­händler ausgesetzt worden sein.

Namenskuddelmuddel

Ein Grund für die eher raren Berichte in Liebhaberzeitschriften ist sicher die Tatsache, dass Pelusios castaneus häufig mit P. subniger verwechselt wurde, die allerdings nur ein relativ kleines Gebiet gemeinsam mit P. castaneus bewohnt und insgesamt viel wei­ter südlich und östlich vorkommt. Am leich­testen unterscheidet man beide Arten an­hand der Nacken-Randschilder, die bei P. castaneus zusammen etwa so breit sind wie das erste Wirbelschild, bei P. subniger aber nur 55-85% der Breite des ersten Wirbel­schildes erreichen. Weitere Unterschiede sind sehr deutlich bei http://pelomedusoides.org aufgeführt, einer Seite, die allen an Pelusios castaneus Interessierten wärmstens em­pfohlen werden kann.

Interessiert schaut das Tier in die Kamera. Pelusios castaneus wird sehr zahm.

Eine Art, die nicht ausgestorben ist… 

… weil sie nie existiert hat, ist Pelusios seychellensis. Gegenwärtig unterscheidet man 17-18 Pelusios-Arten, DNS-Analysen haben aber gezeigt, dass es wohl mehr Arten gibt, als man bisher dachte. Und dabei ist schon jetzt Pelusios die artenreichste Schild­kröten­gattung überhaupt! Allerdings konnte für eine Art, die als ausgestorben galt, jetzt Entwarnung gegeben werden. Versehentlich wurden nämlich drei Exemplare von P. castaneus mit der falschen Fundortangabe ”Mahé, Seychellen” im Zoologischen Museum von Hamburg deponiert. Nur aufgrund der riesigen Distanz zwischen den Seychellen und der westafrikanischen Verbreitung von P. castaneus beschrieb der seinerzeit weltweit führende, in Wien tätige Schildkröten-Experte Friedrich Siebenrock (1853-1925) diese Exemplare als neue Art: Pelusios seychellensis. Seither wurden nie wieder Tiere dieser Art auf Mahé gefunden und schließlich für ausgestorben erklärt. Doch gelang es kürz­lich, aus dem getrockneten Typusexem­plar die DNS zu extrahieren. Die zeigte ein­­deutig, dass es sich bei Pelusios seychellensis um P. castaneus handelt!

Lebensraum

Die Westafrikanische Klappbrustschildkröte ist extrem anpassungsfähig und kommt in Gewässern aller Art vor. Tümpel, Teiche, Seen, Flüsse – überall ist sie zuhause. In weiten Teilen ihres Verbreitungsgebietes trocknen die Wohngewässer für 6-7 Monate im Jahr aus, eine Zeit, die P. castaneus im Bodengrund vergraben verbringt. Es gibt aber auch Regenwaldformen (so wie die Tiere, die diesen Artikel illustrieren), die ganzjährig Wasser zur Verfügung haben. P. castaneus ist auch bezüglich der Nahrung wenig an­spruchsvoll. Sie frisst Insekten, Schnecken, Aas, kleine Fische, Amphibien und ge­legentlich auch Früchte und Samen. Zudem ist die Art sehr fruchtbar. Große Weibchen können leicht zwei Gelege jährlich mit bis zu 18 Eiern produzieren.

Bedroht oder nicht?

Man kann heutzutage leider kaum über Schildkröten reden, ohne auf den Be­drohungsstatus der Arten zu sprechen zu kommen. Angesichts des riesigen Verbrei­tungs­gebietes und der großen Anpassungs­fähigkeit sollte Pelusios castaneus eigentlich nicht gefährdet sein. Die natürlichen Bestän­de sind im größten Teil des Verbreitungs­gebietes aber nicht wissenschaftlich unter­sucht. Für Feldforschung werden kaum Gelder zur Verfügung gestellt, darum weiß man kaum etwas über die Bestandsent­wicklung. Einen sehr interessanten Ansatz verfolgen Wissenschaftler in Nigeria: sie be­suchen regelmäßig die Märkte, wo ”Bushmeat”, also Wildtiere zum Verzehr ange­boten werden. Dazu zählen natürlich auch die Schildkrötenarten. Bei Landschildkröten der Gattung Kinixys  musste bei diesen Besuchen leider festgestellt werden, dass die Bestände deutlich zurückgehen. Noch gilt aber Pelusios castaneus als nicht be­droht und unterliegt keinen internationalen Handelsbeschränkungen. Vorbeugend wurde die Art in Anhang III des Washingtoner Artenschutzabkommens aufgenommen (näheres siehe unten bei Pelomedusa subrufa).

Die Kopfoberseite von Pelusios castaneus ist in farblicher Hinsicht der hübscheste Teil des Tieres.

Pelusios castaneus im Terrarium

Die Westafrikanische Klappbrustschildkröte ist sehr leicht im Terrarium zu pflegen. Sie ist anspruchslos und friedlich. Als tropisches Tier braucht sie eine ganzjährige Wassertem­peratur von 24-26°C, die Luft sollte noch 2-4°C wärmer sein. Das Aqua-Terrarium sollte nicht zu klein sein (Beckenlänge 5x der Panzer­länge), denn die Art ist recht lebhaft und schwimmt gerne. Eine Korkrinde genügt als Alltags-Landteil, jedoch brauchen die Weib­chen zur Eiablage große und vor allem tief­gründige Landteile. Am besten wiegt man die Weibchen zur Fortpflanzungszeit regel­mäßig, sie nehmen während der Trächtigkeit deutlich an Gewicht zu. Zur Eiablage über­führt man sie dann in einen entsprechend eingerichteten Behälter mit ca. 30 cm tiefem Bodengrund. Die Eier sind nur wenig tem­peraturtolerant, die Inkubationstemperatur sollte darum 27°C nicht unter- und 30°C nicht überschreiten. Als ideal hat sich eine Temperatur um 29°C erwiesen. Die Jungtiere schlüpfen nach 55-60 Tagen. Die fotografierten Tiere wurden übrigens 2006 aus Nigeria importiert. Die beiden Exemplare – ein Pärchen – sind in den mittlerweile 17 Jah­ren in menschlicher Obhut von etwa 6 auf 18 und 19 cm Panzerlänge herangewachsen.

Sheila, die Königin des Schlammloches

Manche Tierarten sind zwar regelmäßig im Handel zu finden, doch seltsamerweise ist es mit ihnen, wie mit manchen Fastfood-Restaurants: angeblich kennt sie keiner genauer. Und so ist die vivaristische Literatur über diese Arten äußerst spärlich. So auch über die Afrikanische Schlammschildkröte (Pelomedusa subrufa).

In einem Import von Pelusios castaneus (Westafrikanische Klappbrustschildkröte), die aus Nigeria stammten, waren drei Exemplare, die anders aussahen und so zu genauerem Hinschauen reizten. Es stellte sich heraus, dass es sich um Afrikanische Schlammschildkröten, auch Starrbrust-Pelomedusen genannt, handelte. Im Gegensatz zu den Pelusios, die ihren vorderen Bauchpanzer mittels eines häutigen Scharniers wie eine Dosenschild­kröte zuklappen können, ist der Bauch­panzer der Schlammschildkröte starr. Aufgrund der charakteristischen Anordnung der Bauchschilder ließen sich die drei Exemplare der Unterart Pelomedusa subrufa olivacea zuordnen.

Zoologisch gehören diese Afrikaner, die weit entlang der westafrikanischen Küste ver­breitet sind, jedoch nur in Süßwasser angetroffen werden, zu den Schienschild­kröten, die berühmte Verwandte in Süd­amerika haben. Dort leben nämlich die riesigen Arrau-Schildkröten (Podocnemis expansa), die zu den größten Wasserschild­kröten der Erde zählen und fast 90 cm Panzerlänge erreichen können. Nicht so unser Kandidat: die größten bisher gefun­denen Exemplare hatten rund 35 cm Panzerlänge, doch bleiben sie meist deutlich kleiner, auch in freier Natur. Bei Pelomedusa werden die Männchen größer als die Weibchen. Normalerweise werden die Männchen etwa 22 cm, die Weibchen etwa 18 cm lang.
Beobachtet man diese Schildkröten, fallen sofort die sehr eng stehenden Augen auf, fast wirkt es, als ob die Tiere schielten. Das veranlasste uns – Könige der Wortspiele – diese Schildkrötenart als „Sheila, Königin des Schlammlochs“ zu bezeichnen, in An­lehnung an den 80er-Jahre B-Movie „Sheena – Königin des Dschungels“. Dabei wird „Sheila“ wie „Schiela“ (die Schielende) ausgesprochen.

Pelomedusen zählen zu den Schildkrötenarten, die auch Anfängern guten Gewissens empfohlen werden können. Sie sind wenig bewegungs­freudig und laufen lieber, als dass sie schwimmen. Das und ihre relativ geringe Größe macht sie für die heimische Pflege zum geeigneten Objekt.

Allerdings muss man wissen, dass die Afrikanische Schlamm­schildkröten für andere Schildkröten lebens­gefährlich werden können, die sie manchmal angreifen und verletzen oder gar töten. Auch Artge­nossen können gefährdet sein, wenn der Größenunterschied erheblich ist oder wenn paarungstolle Männchen das stets kleinere Weibchen bei ihren aufdringlichen Paa­rungs­versuchen ertränken. Am sichersten ist daher die Einzelhaltung. Nur zur Paarung setzt man die Tiere vorübergehend zusam­men, eine Vorgehensweise, die sich auch bei vielen anderen Schildkrötenarten bewährt hat.

Zumindest die Tiere aus Nigeria sonnen sich normalerweise kaum und verlassen nur ausnahmsweise das Wasser, das übrigens eine Temperatur von 24-28°C aufweisen sollte. Dennoch ist es sinnvoll, ihnen einen Sonnenplatz anzubieten, denn auch Sheilas sind Individuen und können ganz per­sön­liche Vorlieben oder Abneigungen haben. In der Natur trocken die Wohngewässer der Schildkröten gelegentlich aus. In solchen Fällen graben sich die Sheilas ein und verschlafen die ungünstige Zeit, bis wieder Regen fällt und ihren Tümpel füllt.

Pelomedusa subrufa ist leicht zu ernähren. Es sind karnivore Schildkröten, die bereitwillig totes und lebendes Futter, auch kommerziell hergestellte Schildkrötenfutter annehmen.

Leider scheinen die Bestände dieser Schildkröten in der Natur rückläufig zu sein. Große Mengen werden zum Verzehr gefangen, hinzu kommt die zunehmende Biotopzerstörung, die leider auch in West­afrika zu beobachten ist. Daher wurde Pelomedusa subrufa (wie auch die oben asführlich geschilderte Pelusios castaneus) in Anhang 3 des Washingtoner Artenschutzabkommens aufgenommen. Das bedeutet, dass die Arten zwar noch keiner Handelsbeschränkung unterliegen, ihr Import in Drittländer jedoch beim Zoll angezeigt werden muss. So möchte man sich einen Überblick über die Anzahl der gehandelten Exemplare ver­schaffen. Möchte man sich einen Zucht­stamm mit einer dieser Schildkröten auf­bauen, so ist unbedingt darauf zu achten, Tiere der gleichen Population anzuschaffen. Bei der weiten Verbreitung der Schildkröten besteht sonst die Gefahr, eine Haustier­zuchtform zu entwickeln, und so etwas braucht nun wirklich niemand.

Frank Schäfer

Literatur

Fritz, U., Branch, W. R., Hofmeyr, M. D., Maran, J., Prokop, H., Schleicher, A., Široký, P., Stuckas, H., Vargas-Ramírez, M., Vences, M. & Hundsdörfer, A. K. (2010): Molecular phylogeny of African hinged and helmeted terrapins (Testudines: Pelomedusidae: Pelusios and Pelomedusa). Zoologica Scripta, 40, 115–125.

Luiselli, L., Petrozzi, F. & G. C. Akani (2013): Long-term comparison reveals trends in turtle trade in bushmeat markets of Southern Nigeria. Herpetozoa 26 (1/2): 57-64

Stuckas H., Gemel R., Fritz U. (2013): One Extinct Turtle Species Less: Pelusios seychellensis Is Not Extinct, It Never Existed. PLoS ONE 8(4): e57116. doi:10.1371/journal.pone.0057116

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Ringelhäschen mit Charakter – gebänderte Leporinus

Die Salmler der Gattung Leporinus (der Gattungsname ist eine Ableitung des lateinischen Wortes „lepus“ für „Hase“) gehören zu den charak­teristischen Flussfischen Südamerikas. Ihren Namen verdanken sie der Maulform in Kombination mit den verlängerten „Hasenzähnchen“ im Unterkiefer einiger Arten, die den Gattungsbeschreiber an Hasenschnäutz­chen erinnerte. Etwa 90 Arten sind wissenschaftlich beschrieben. Wie viele Arten es aber genau gibt, ist umstritten, denn die Abgrenzung der Arten gegeneinander ist schwierig.

Aus Peru wird häufig Leporinus affinis exportiert, aber als L. fasciatus verkauft.

Es gibt einige Grundmuster in der Färbung innerhalb der Gattung, die sich bei verschiedenen Arten finden. Die meisten Arten machen eine Umfärbung von der Jugend- zur Erwachsenenfärbung durch und manche können zudem stimmungsabhängig in der Farbe stark variieren. Hier sollen die Arten besprochen werden, die auf weißlichem oder gelbem Körper ein schokoladen­braunes bis schwarzes Ringelmuster tragen – der Verwandtschaft um Leporinus fasciatus, des Gebänderten Leporinus. Die Identifizierung der einzelnen Arten ist schwierig und derzeit kaum abgesichert. In diesem Artikel werden die gegenwärtig geläufigen Namen verwendet, ohne dass behauptet werden soll, dass damit das letzte Wort zu dem Thema gesprochen sei.

Dies ist der „echte“ L. fasciatus aus Peru.

Die einzige regelmäßig im Angebot des Zoofachhandels vorhandene Art ist sicherlich Leporinus fasciatus. Auf gold­gel­bem, manchmal auch silberweißem Grund heben sich wirkungsvoll die senk­rechten Binden ab. Immer ist die Kehlregion kräftig gelb, manchmal bis ins orangerote gehend gezeichnet. Lange Zeit teilte man diese sehr weit verbreitete Art, die etwa 40 cm lang werden kann, in Unterarten auf: Die Nomi­natform, Leporinus fasciatus fasciatus kommt in den Guyana-Ländern vor. Leider wird sie praktisch nie importiert, obwohl sie farblich wirklich wunderschön ist. Alle Flossen sind bei dieser Form tiefrot. Darüber hinaus erkennt man sie daran, dass die Kör­per­binden vor, unter und unmittelbar hinter der Rückenflossen X-förmig sind, also an Rücken und Bauch jeweils ein helles Dreieck offen lassen.

Die meisten Leporinus aus der fasciatus-Gruppe kommen aus dem perua­nischen Amazonas in unsere Aquarien; diese Form kommt nicht nur in Peru vor, denn gelegentlich über Manaus exportierte Exem­plare sind von denen aus Peru optisch nicht zu unterscheiden. Welcher Name diesen Fischen zukommt (aus dem Gebiet beschrie­ben sind L. fasciatus altipinnis, L. multi­fasciatus und L. holostictus) ist völlig unklar. Interessant ist aber, dass dieser amazo­nischen „fasciatus“ immer zusammen mit einer ähnlichen Art importiert wird: Leporinus affinis.

Dies ist ein Leporinus fasciatus aus Venezuela.

Die äußerliche Ähnlichkeit der beiden ist zunächst verblüffend, aber man sieht deutlich, dass es sich um unterschiedliche Arten handelt. Am aller­einfachsten unterscheidet man sie, wenn man die Körperringel unter­halb der Fett­flosse anschaut: bei L. affinis liegt hier eine brei­te Binde, bei dem „fasciatus“ zwei schma­le Binden, die deut­lich näher beieinander liegen, als die übrigen Körperbinden. Ob die beiden Arten auch in der Natur zusammen schwim­men, oder ob sie nur aus Nach­lässigkeit bei den Exporteuren vermischt werden, ist unbekannt. Im Gegensatz zu der „fasciatus“-Form ist L. affinis von glänzend weißer Körper­grundfärbung. Diese Art wird 25 cm lang.

Leporinus yophorus mit dem typischen Y auf den Vorderrücken.
Leporinus yophorus in Schreckfärbung

Ebensowenig weiss man, ob die dritte gebänderte Art, die gelegentlich in den Importen enthalten ist, nämlich Lepori­nus yophorus, in der Natur gemeinsam mit „fasciatus“ und/ oder L. affinis schwimmt. Die Bestimmung dieser Art ist erfreulich einfach, denn das namengebende Y-förmige Band (yophorus = der Y-tragende) vor der Rücken­flosse ist immer gut zu erkennen. Merk­würdig an dieser Art ist, dass sie, wenn sie sich erschreckt oder unwohl fühlt, ihre Körperbänder stark verblassen lassen kann. Eine solche Schreckfärbung ist von den beiden oben genannten Leporinus unbe­kannt. L. yophorus bleibt mit 15-20 cm etwas kleiner als diese.

Jugendliche Leporinus desmotes erinnern an Abramites; dieses Tier ist etwa 4 cm lang.
Ein etwas größerer L. desmotes, etwa 6-8 cm lang.

Umgekehrt zeigt sich die Schreckfärbung von Leporinus des­motes. Dieser aus Guyana und Venezuela stammende Fisch wird in Stress­situationen ganz dunkel. Er ist als Jungfisch hochrückiger als die vorigen Arten und erinnert etwas an den Brachsensalmler, Abrami­tes hypselonotus. L. desmotes erreicht eine Länge von rund 18 cm.

Leporinus tigrinus aus Venezuela

Aus Venezuela wird schließlich noch eine Art ab und an importiert, die eine gelbe Körpergrundfärbung und ins orange gehende Rückenfärbung aufweist. Sie wird gegenwärtig mit Leporinus tigrinus gleichgesetzt.

Genug der Aufzählung der Arten, die ohnehin unvollständig bleiben muss. Aqua­ristisch wird vor Leporinus gerne gewarnt, denn es handelt sich um relativ groß­wüchsige Fische, die als ausgesprochene Allesfresser auch Aquarien­pflanzen gerne verzehren. Diese Warnungen sind berechtigt, wenn man nur Fische pflegen will, die in reich bepflanzten Klein­aquarien dauerhaft untergebracht werden können. Aber ist die Aquaristik wirklich so einseitig? Ich meine – nein! Heutzutage sind Aquarien von 150 cm Kantenlänge nun wirklich keine Seltenheit mehr und in solchen Aquarien kann man Leporinus hervorragend pflegen. Auch die Arten, die wie L. fasciatus in der Natur 30-40 cm lang werden, wachsen im Aquarium kaum über 20 cm Länge hinaus. Und auch unbe­pflanzte Aquarien können sehr schön aussehen, wie uns die Großcichlidenhalter schon lange vormachen.

Sehr interessant und leider bislang kaum intensiv untersucht ist das Sozialverhalten dieser Fische. Untereinander machen sie nämlich eine Rangordnung aus. Wenn sie die Gelegenheit dazu haben, besetzen sie gerne Höhlen und verteidigen ihren Wohnraum recht energisch gegen Artgenossen. Zumin­dest bei den Arten L. fasciatus und L. affinis kommt es dabei jedoch kaum zu Beschä­digungen, außer der Flossen, was aber immer schnell wieder abheilt.

Nachzuchtexemplare von Leporinus affinis aus Indonesien.

Leider gibt es unter Leporinus ausgesprochene Flossen­beisser, die mit einer entnervenden Hart­näckigkeit andere Fische piesacken. Es fehlt zwar an genauen Untersuchungen zu dem Thema, doch halte ich es für wahrscheinlich, dass es sich dabei um gefangen­schafts­bedingtes Fehlver­halten handelt, das vor allem dann in Er­scheinung tritt, wenn diese Fische einzeln gehalten werden. Wenn irgend mög­lich, sollten nicht weniger als 5 Exem­plare erwor­ben wer­den, wenn man Lepo­rinus pfle­gen will. In der Natur be­wohnen diese herr­lichen Salmler sehr strömungsreiche Ab­­­­schnitte von Fließ­gewässern. Sie schwim­men hier in kleinen Trupps, wo­­bei sie einen relativ großen Indi­vidual­abstand einhalten. Obwohl schon einige Leporinus-Arten im Aquarium gezüchtet wurden, sind die Berichte spärlich. Meist handelt es sich bei den gezüchteten Arten um Vertreter der sogenannten „maculatus-Gruppe“. Von den geringelten Leporinus wird L. affinis in Indonesien regelmäßig gezüchtet und als Zierfisch exportiert. In der Natur werden Leporinus fasciatus aus Guya­na mit 15 cm Länge geschlechtsreif. Sie laichen von den Monaten Dezember bis Mai. In ausreichend großen Aquarien sollte die Zucht durchaus möglich sein. Vielleicht versuchen Sie sich ja einmal daran?

Frank Schäfer


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